Warum sind Findlinge rund?

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Findlinge, also große Geschiebe mit einem Durchmesser von mehr als ½  Meter, haben meist eine mehr oder weniger rundliche Form. Das erscheint einem schon fast so typisch, dass man rundliche Felsblöcke, die unmotiviert in einer Landschaft herumliegen, gerne vorschnell für eiszeitliche Findlinge halten möchte. Mitunter dienen diese rundliche Felsblöcke dann so manchen Leuten als „Gegenbeweis“ zur etablierten Erdgeschichte.

Als Geowissenschaftler weiß man dann oft nicht, ob man lachen oder weinen soll.

Aber warum sind dann viele Findlinge rundlich? Man hört dann oft als Antwort; weil sie im Eis eines Gletschers transportiert wurden. Dabei spielt sicher auch die Vorstellung eine Rolle, das sich bewegende Eis würde den Block während des Transports rund schleifen. Doch so populär die Vorstellung auch ist (mitunter findet man sie auch auf Hinweistafeln etc.), so wenig entspricht sie dem, was wir wissen.

Doch wie entstehen die rundlichen Blöcke? Wenn wir einen handelsüblichen Granit nehmen, so ist er bei seiner Entstehung ja wohl kaum in rundliche Blöcke gegliedert, die nur auf den nächsten Gletscher zum Abtransport warten.

Stein von Ottensen JM P8010250
Der “Stein von Othmarschen”. Seine rundliche Form ist das Ergebnis tropisch/subtropischer Verwitterung und nicht durch Gletschertransport verursacht. Foto by Joachim Müllerchen (Jom) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Manche eiszeitlichen Findlinge geben einen Hinweis. Nehmen wir einmal den zweitgrößten Findling Hamburgs, den Stein von Othmarschen. Dieser rund 60 Tonnen schwere Smalandgranit wurde im März 1998 beim Bau der 4. Elbtunnelröhre gefunden. Wenn man ihn sich genau anschaut, so kann man erkennen, dass er an der Oberfläche starke Verwitterungsspuren aufweist, während er an der Unterseite Hinweise auf Gletscherschliff zeigt. Gletscherschliff zeigt sich auch beim größten Findling in Hamburgs, dem „Alten Schweden“.

Wenn die Blöcke also im Gletscher Bodenkontakt haben, dann wird der Stein facettiert und nicht rund geschliffen. So kann die Form vieler Findlinge also kaum erklärt werden. Für eine rundliche Form müsste der Stein ständig im Eis seine Lage verändern, was er sicher kaum tut (außer in speziellen Fällen, wie Gletschermühlen beispielsweise. Aber deren Größe dürfte auch begrenzt sein).

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Der “Alte Schwede” in Hamburg am Elbstrand. Neben den Beschädigungen durch Humanerosion (Feuer und Graffiti) kann man an der Unterseite eine Facettierung erkennen, die auf den Gletschertransport zurückzuführen ist. Foto By Gunnar Ries (Own work (own photo)) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Nein, die rundliche Form der Findlinge stammt von einem anderen Prozess. Um dem auf die Spur zu kommen, gehen wir mal weg von den Gletschern. Granite (ebenso wie auch viele andere massige Gesteine wie manche Sandsteine, Diorite etc) findet man an der Erdoberfläche oft in rundlichen Formen. In das auch in Weltgegenden, die definitiv nicht von Gletschern überrollt wurden.
Diese Gesteine haben eines gemeinsam. Sie besitzen meist ein Netzwerk aus mehr oder weniger rechtwinkligen Klüften (oder im Falle von Sandstein; Schichtung). Kommen diese Gesteine dann in die Nähe der Erdoberfläche, so erleichtern diese Flächen Wasser den Zutritt. Dieses Wasser kann, zumal wenn es zusätzlich noch mit Huminsäuren angereichert ist, viele weniger verwitterungsbeständige Minerale auflösen und damit das Gefüge der Gesteine lockern. Das dabei entstehende lockere Material wird Grus genannt. In an den Ecken der durch die Klüftung entstandenen Blöcke ist das Verhältnis von Gesteinsoberfläche zu Volumen besonders günstig, hier wird die Verwitterung bevorzugt angreifen. (Verwitterung ist wie Kaffekochen)
Zusätzlich begünstigt wird der Verwitterungsvorgang noch durch warme und feuchte bis wechselfeuchte Klimabedingungen, wie sie heute in den Subtropen und den Tropen zu finden sind.

Granitblock
Kein Findling, da definitiv niemals von Gletschern transportiert. Rundlicher Granitblock bei Iringa/Tansania. Eigenes Foto, CC BY-SA 2.0.

In da kommen wieder unsere Findlinge ins Spiel. Denn auch wenn es heute in Mittel- und Nordeuropa ein gemäßigtes Klima gibt, so war das nicht immer so. Während der Eiszeiten war es deutlich kälter, denn sonst könnte es ja auch keine großen kontinentalen Eisschilde gegeben haben. Aber es gab auch Zeiten, in denen das Klima deutlich wärmer war. Teilweise sogar subtropisch bis tropisch bis in hohe Breitengrade, und das hat die Granite dort nicht unbeeindruckt gelassen. Vielleicht sah es dort wo unsere Findlinge herkommen so ähnlich aus wie um Iringa im heutigen Tansania. Rundliche Granitblöcke lagen als Relikte auf der Erdoberfläche herum, als das Klima kälter wurde und die Eisschilde zu wachsen begannen. Manchmal wurden die Spuren der klimatische Erdvergangenheit gleich vom Gletscher mitgeliefert. Die starken Verwitterungsspuren am Stein von Othmarschen hatte ich ja schon erwähnt. Ich kann mich noch daran erinnern, dass zumindest kurz nach der Bergung auch noch Granitgrus am Findling zu beobachten war. Einen rundum abrasiven Transport im Gletscher hätte dieser Grus vermutlich kaum überstanden. Die rundlichen Findlinge tragen also die Spuren unterschiedlicher klimatischer Bedingungen: subtropisch-tropische Verwitterung und eiszeitlichen Gletschertransport. Das gilt auch für den Findling, den ich hier am Bildstein über dem Schluchsee (Schwarzwald) sah. Das Hinweisschild irrt. Die Lage auf dem Tonschiefer des Bildsteins ist eiszeitlich bedingt, aber seine rundliche Form rührt von der intensiven Verwitterung während des Klimaoptimums im Miozän her.

Bildstein
Findling am Bildstein über dem Schluchsee. Bemerkenswert, da hier ein älterer Granit auf jüngerem Schiefer liegt. Dort kann er nur durch Eistransport während der Eiszeit hingelangt sein. Eigenes Foto, CC BY-SA 2.0.
Bildstein
Die erläuternde Bildtafel, die mich zu dem Posting inspiriert hat. Man weiß nicht, wo man anfangen soll. Der Findling ist vermutlich auch nicht sehr weit transportiert worden, sondern stammt aus den umliegenden Granitmassiven des Schwarzwaldes (sollte eigentlich überprüfbar sein). Und seine Rundung ist der Verwitterung (vermutlich) im Miozän geschuldet. Gletschermühlen sind auch keine Erklärung dafür. Eigenes Foto, CC BY-SA 2.0.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

6 Kommentare

  1. Auch grosse Steine werden also durch verschiedene Prozesse abgeschliffen, wobei es bei diesem Abschleifprozess Pausen von Millionen von Jahren geben kann. Ihre Rundheit erhielten die Granitblöcke hier in Nordeuropa noch vor dem Beginn des känozoischen Eiszeitalters, also vor mehr als 30 Millionen Jahre, als es nicht nur wärmer, sondern auch feuchter war und Wasser mit den darin gelösten Stoffen alles eckige ab-wittern lies. Teile eines Findlings können auch Schleifspuren vom eiszeitlichen Transport mit einem Gletscher aufweisen.
    Das bedeutet letztlich, dass unterschiedliche Oberflächenzonen eines grossen Steines zu unterschiedlichen Zeiten geformt wurden. Man findet auf dem gleichen Stein sowohl erst kürzlich entstanden Kratzspuren aus einer der letzten Kaltzeiten als auch Abrundungen die entstanden sind als unser Eiszeitalter noch nicht begonnen hatte. Idee: Es wäre spannend, wenn es eine Methode zur Altersbestimmung der Oberfläche eines solchen Steins gäbe. Wenn man also bestimmen könnte, wann genau eine bestimmte Stelle des Steins das letzte Mal tüchtig abgeschmirgelt wurde. Ich könnte mir vorstellen dass hier eine Radioistopenbestimmungen helfen könnte, indem sie ausnutzt, dass nur gerade die oberflächennahe Schicht des Steins in Kontakt mit der Atmosphäre steht. Dies könnte sich im Isotopenprofil einer oberflächennahen Gesteinsprobe bemerkbar machen. Denke ich mir.

  2. Der BURREN ist eine Karstlandschaft auf Irland. Weil es dort (bedingt durch den Golfstrom) keinen Frost gibt, wird der Kalk vom Gestein nur durch saures Wasser abgewaschen. Als Ergebnis sind dort viele messerscharfe Kalksteinstrukturen vorhanden.
    Bei uns in Deutschland würde feuchter Kalkstein bei Frost zerbröseln.

  3. Pingback:Granitgrus Verwitterung am Wegesrand › Mente et Malleo › SciLogs - Wissenschaftsblogs

  4. Nun gab es ja mehrere Eiszeiten mit mächtigen Vergletscherungen: Wenn alle Findlinge ihren Verwitterungsursprung im Tertiär haben, woher stammen dann die Findlinge aus den jüngsten Vereisungen?

    • Dunkel ist deiner Worte Sinn! Kannst du das noch einmal so formulieren, dass ich die Frage auch verstehe?

      Abgesehen davon: Auch die Findlinge der letzten Eiszeit haben ja das Klimaoptimum des Neogen überstanden u d dementsprechend Verwitterungsspuren. Die rundliche Form zum Beispiel. Die ist nämlich, ich wiederhole mich hier, kein Werk der Gletscher. Eis würde den Stein facettieren, was man ja auch oft genug beobachten kann.

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