Ton – Das Gestein des Jahres 2025
BLOG: Mente et Malleo

Wie jedes Jahr wählen der Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler (BDG) und die Deutsche Gesellschaft für Geowissenschaften (DGG) das Gestein des Jahres. Dabei handelt es sich in der Regel um häufige und/oder besonders interessante Gesteine. Ziel ist es, ihre Entstehung und Nutzung einer breiten Öffentlichkeit näherzubringen. In diesem Jahr ist es einer der vielleicht ältesten und wichtigsten Roh- und Werkstoffe der Menschheit: Ton.

Was ist Ton?
Ton ist ein wenig verfestigtes Sedimentgestein, ein sogenanntes Lockergestein, ähnlich wie Sand. Der Unterschied besteht in der Korngröße. Bei Ton dürfen die einzelnen Partikel nicht größer als 2 µm sein.
Ton besteht meist aus Tonmineralen, Schichtsilikaten mit so schönen Namen wie Illit, Montmorillonit, Kaolinit, Chlorit oder Smektit. Untergeordnet können auch Feldspäte und Quarz vorkommen.
Ton ist ein Verwitterungsprodukt. Es beginnt mit der mechanischen Zerkleinerung der Ausgangsgesteine, gefolgt von der chemischen Verwitterung der Feldspäte. Dabei entstehen Tonminerale wie Kaolinit oder Montmorillonit. Dies geschieht überwiegend in Folge von Transporten des Verwitterungsmaterials, z.B. durch Flüsse oder Gletscher.
Beruhigen sich die Verhältnisse z.B. in einem Fluss wieder, können sich die sehr feinen Tonpartikel größtenteils wieder absetzen. Ton ist ein Sediment aus stehenden Gewässern, sowohl im Meer als auch auf dem Festland in Seen oder ähnlichen Gebieten.
Der älteste Werkstoff – Ton
Ton ist wahrscheinlich einer der ältesten Werkstoffe der Menschheit. Das liegt unter anderem an den bemerkenswerten Eigenschaften von Ton. So sind Tonminerale mit einer Mohshärte von nur 1 sehr weich, oft quellfähig und reagieren plastisch auf Beanspruchung. Außerdem sind sie nicht sehr hitzebeständig. Das klingt zunächst nicht gut, aber da sie sich bei Hitze in wesentlich härtere Minerale umwandeln, sind sie ein sehr nützliches Material. Man kann feuchten Ton leicht formen und durch Trocknen, besser noch durch Brennen, diese Form in ein hartes Material verwandeln. Das nennen wir heute Keramik.
Älteste Keramik

Diese vorteilhafte Kombination von Eigenschaften wurde schon früh vom Menschen entdeckt und genutzt [1]. Die vermutlich älteste bekannte Keramikfigur ist die Venus von Dolní Věstonice, eine knapp 11 cm große Venusfigur aus mit Tiermehl verfeinertem Lösslehm, deren Alter zwischen 25 000 und 29 000 Jahren liegt [2]. Gefunden wurde die Figur in der Nähe von Brno (Brünn) in der Tschechischen Republik. Wie plastisch Ton geformt werden kann, zeigt sich auch daran, dass sich auf der Rückseite der Venus Fingerabdrücke erhalten haben, die vermutlich von einem 11 bis 14 Jahre alten Menschen stammen [3]. Die Verwendung von Ton als Ausgangsmaterial für Keramik wurde wahrscheinlich mehrfach unabhängig voneinander entdeckt.
Die Eigenschaften von Ton lassen sich natürlich nicht nur zur Herstellung von Figuren oder Tongefäßen nutzen. In vielen Regionen waren und sind getrocknete oder gebrannte Lehmziegel wichtige Baustoffe. Man denke nur an die vielen roten Backsteingebäude in den Städten Norddeutschlands.
Backsteine, Ziegel, Klinker und Dachziegel aus gebranntem Ton spielen auch heute noch eine wichtige Rolle im Bauwesen. Doch das ist nicht alles, was Ton kann.
Nach Angaben der BGR wurden 2022 in über 500 Abbaustätten rund 20 Millionen Tonnen Ton pro Jahr gewonnen.
Was Ton noch alles kann
Die vielfältigen Eigenschaften von Ton und Tonmineralen machen Ton zu einem äußerst nützlichen Rohstoff. So haben viele Tonminerale eine sehr große spezifische Oberfläche. Sie können Stoffe aufnehmen und abgeben. Da sie auch eine hohe Ionenaustauschkapazität besitzen, werden sie unter anderem häufig zur Reinigung von Trinkwasser oder zur Entfärbung von Lösungen eingesetzt.
Die Plastizität und die abdichtenden Eigenschaften von Ton werden auch gerne zur Abdichtung von Kanälen oder als Deponieabdichtung genutzt. Oder, wie derzeit in der Schweiz geplant, als Endlager für radioaktive Abfälle.
Auch in der Papierindustrie wird Ton als Füllstoff eingesetzt, um Papier weicher und geschmeidiger zu machen.
Aber auch in der Medizin und in verschiedenen Kosmetikprodukten wird Ton eingesetzt.
Ton und die Entstehung des Lebens
Eine der vielleicht faszinierendsten Eigenschaften von Ton ist seine mögliche Rolle bei der Entstehung des Lebens. So könnten Tonminerale die Bildung komplexer organischer Moleküle auf ihrer Oberfläche begünstigt haben [4] [5]. Das mag auf den ersten Blick weit hergeholt erscheinen. Montmorillonit, eines der Tonminerale, kann jedoch die Polymerisation von RNA in wässriger Lösung oder die Bildung von Membranen aus Lipiden katalysieren [6] [7].
Ebenso faszinierend ist die Vorstellung, dass die ersten Organismen sich selbst replizierende, eisenreiche Tonminerale gewesen sein könnten, die Kohlendioxid in Oxalsäure oder andere Carbonsäuren umwandelten [8]. Eine Welt sich selbst reproduzierender, quasi lebender Minerale.
Verbreitung
Ton ist ein weit verbreiteter Rohstoff. Er kommt vor allem in jüngeren Schichten wie dem Känozoikum und dem Mesozoikum vor. In den älteren Schichten ist er meist durch Verdichtung und diagenetische Einflüsse zu Tonstein verfestigt.
Die weite Verbreitung von Ton zeigt sich auch darin, dass vor allem in Mitteleuropa viele Gemeinden über eine eigene Tongrube verfügten.
Besonders bekannt sind die mächtigen Opalinustonvorkommen in Süddeutschland und im Schweizer Jura, die bis zu 120 m mächtig sein können.
Bekannt sind auch die Tonvorkommen im Vorderwesterwald, die zu den größten Tonvorkommen Europas zählen. Sie entstanden im Tertiär, als Mitteleuropa unter tropischem Verwitterungseinfluss stand.
Ton als Gestein des Jahres
Mit der Wahl zum Gestein des Jahres soll die Bedeutung des Rohstoffs Ton einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Und da Ton nicht nur in Deutschland eine große Rolle spielt, findet die diesjährige Taufe des Gesteins des Jahres im deutsch-polnischen UNESCO Global Geopark Muskauer Faltenbogen statt. Damit wird gleichzeitig der 10. Jahrestag der Verleihung des UNESCO-Titels gefeiert.
Gerade im Gebiet des Muskauer Faltenbogens spielte der Ton seit dem 16. Jahrhundert mit dem Abbau von Alaunton eine große Rolle. Die hier vorkommenden eisenarmen Tone der miozänen Rauno-Formation dienen der Herstellung von Ziegeln und Keramik.
References
- [1] Králík, M., 2011. Chapter III.10. Ancient ceramics and imprints on their surfaces. Academy of Sciences of the Czech Republic, .
- [2] Einwögerer, T. (2000). Die jungpaläolithische Station auf dem Wachtberg in Krems, NÖ-Mitteilungen der Prähistorischen Kommission der österreichischen Akademie der Wissenschaften 34 : 1-204.
- [3] Králík, M.; Novotný, V. and Oliva, M. (2002). Fingerprint on the Venus of Dolní Věstonice I, Anthropologie (1962-) 40 : 107-113.
- [4] Cairns-Smith, A. G., 1982. Genetic takeover and the mineral origins of life. Cambridge University Press, .
- [5] Dawkins, R., 1996. The blind watchmaker: why the evidence of evolution reveals a universe without design. Norton, New York.
- [6] Huang, W. and Ferris, J. P. (2006). One-Step, Regioselective Synthesis of up to 50-mers of RNA Oligomers by Montmorillonite Catalysis, Journal of the American Chemical Society 128 : 8914-8919.
- [7] Subramaniam, A. B.; Wan, J.; Gopinath, A. and Stone, H. A. (2011). Semi-permeable vesicles composed of natural clay, Soft Matter 7 : 2600-2612.
- [8] Hartman, H. (1998). Photosynthesis and the Origin of Life, Origins of life and evolution of the biosphere 28 : 515-521.