Tambia spiralis – das Fossil des Jahres 2024

Das Spurenfossil Tambia spiralis auf einer Schichtunterseite des Tambach-Sandsteins

Auch in diesem Jahr gibt es wieder ein Fossil des Jahres. Dieser Titel wird von der Paläontologischen Gesellschaft an das am besten erhaltene Fossil vergeben, das uns die Lebewelt der Vergangenheit näher bringt. In diesem Jahr wurde mit Tambia spiralis erstmals ein Spurenfossil ausgewählt.

Spurenfossilien

Fossilien stellen in der Regel die Überreste vergangener Lebewesen dar. Entweder durch ihre harten Teile wie Knochen, Schalen oder Zähne oder als Abdrücke. Spurenfossilien hingegen sind keine Teile eines früheren Organismus. Sie stellen vielmehr so etwas wie das versteinerte Verhalten eines Lebewesens dar, sie geben uns Auskunft darüber, wie sich frühere Lebewesen fortbewegt, wie sie geruht oder wie sie sich ernährt haben. Damit stellen sie letztlich eine Schnittstelle zwischen Biologie und Sedimentologie dar. Die Wissenschaft der Spurenfossilien hat sogar einen eigenen Namen: Ichnologie.

Das Problem mit den Spurenfossilien ist jedoch, dass man meist nicht weiß, wer sie hinterlassen hat. Manchmal kann man Rückschlüsse auf die entsprechenden Spuren moderner Lebewesen ziehen, selten hat man das Glück, die Spur und das dazugehörige Lebewesen quasi in flagranti zu erwischen.

Wer verursachte Tambia spiralis?

In den Steinbrüchen des Bromackers nördlich von Tambach-Dietharz findet man relativ häufig ein rätselhaftes Spurenfossil. Es handelt sich um eine spiralförmige Vertiefung. Seit der Erstbeschreibung 1956 ist unklar, welches Lebewesen für die Spur verantwortlich ist und warum sie entstanden ist. Es ist nicht einmal klar, ob es sich um eine reine Oberflächenspur handelt oder ob sie sich als Grabgang in die Tiefe des Sediments fortsetzt.

Verschiedene Interpretationen wurden bisher vorgeschlagen. Sie reichen vom Bau eines wurmartigen Tieres, das Pflanzenreste von der Sedimentoberfläche in seinen Bau zieht, über Weidespuren von Arthropoden oder vielleicht auch kleineren Tetrapoden bis hin zu Grabbauten von Insekten oder Einsturztrichter oberhalb der Bauten [1] [2] [3] [4] .

Mit anderen Worten, wir haben einfach keine Ahnung, wer diese Spuren im frühen Perm vor etwa 290 Millionen Jahren im Sediment hinterlassen hat und warum [5].

Das Spurenfossil Tambia spiralis auf einer Schichtunterseite des Tambach-Sandsteins in den Steinbrüchen am Bromacker nahe Tambach-Dietharz. Iberhalb des Spurenfossils verläuft eine Trockenrissfüllung. Gretarsson (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:TambiaClose.jpg), „TambiaClose“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

Wie sah die Welt damals aus?

Heute besteht die Tambach-Formation, in der wir die rätselhaften Spurenfossilien finden, aus rötlichen Sandsteinen (Färbung durch Hämatit, übrigens das Mineral des Jahres 2024!) und Konglomeraten. Im unteren Perm erreichte der Superkontinent Pangaea seine größte Ausdehnung. In Europa hatten sich die großen Becken mit dem Schutt des weitgehend eingeebneten variszischen Gebirges gefüllt. Obwohl wir uns zu dieser Zeit und global gesehen in einem abklingenden Eiszeitalter der permokarbonischen Vereisung befanden, herrschte in den Wüsten im Inneren des Superkontinents möglicherweise ein warmes und trockenes Klima.

Dies gilt wahrscheinlich auch für die Tambach-Formation. Hier wechselten sich warme und trockene Phasen mit periodischen Starkniederschlägen ab, vielleicht nicht ganz unähnlich den heutigen tropischen Savannen. Die Temperaturen waren jedoch wahrscheinlich kühler, mit Durchschnittstemperaturen zwischen 10 und 15 °C, möglicherweise sogar unter dem Gefrierpunkt [6] [7].

Die Tambach-Formation setzt sich grob aus drei Einheiten zusammen. Zwei Konglomerate und ein dazwischen liegender feinerer Sandstein, wobei die Abgrenzung nicht immer einfach ist [8].

Die untersten Konglomerate haben noch Teile der variszischen Gebirgsbildung überdauert. Sie zeugen von mächtigen Flussschlingen, die zumindest zeitweise große Wassermengen führten und ein höheres Gefälle aufwiesen.

Während der Ablagerung der feineren Sandsteine flachte das Gefälle deutlich ab, die Flüsse wurden schwächer und lagerten zunehmend feineres Material wie Sande und Schluffe ab. Hier entstanden die fossilführenden Roten Sedimente.

Erst in der letzten Phase führte eine wieder einsetzende Tektonik erneut zu einem verstärkten Transport größerer Klasten [8].

Was lebte damals dort?

Das Tambacher Becken war vermutlich hydrologisch weitgehend isoliert, sodass aquatische Lebewesen wie Fische vergleichsweise selten sind. Dagegen finden sich an saisonale, kurzlebige Gewässer angepasste Lebewesen wie die Muschelkrebse (Conchostraca). An eine terrestrische Lebensweise angepasste Amphibien wie Dissorophoidea und Seymouriamorpha waren gut vertreten. Auch größere Pflanzenfresser wie Caseidae oder Diadectidae kamen vor. Karnivoren waren dagegen sehr selten. Auch Insekten waren nicht selten [9] [10] .

Die Pflanzen waren überwiegend an die rauen, saisonal trockenen Bedingungen angepasst. Koniferen und Samenfarne dominierten [11].

Wo kann man Tambia spiralis sehen?

Hauptfundort des Spurenfossils Tambia spiralis sind die Steinbrüche am Bromacker nördlich von Tambach-Dietharz. Dort kommt das Fossil relativ häufig vor, sodass es immer wieder auf Schichtflächen oder Sandsteinplatten zu finden ist.

Da die Sandsteine in den umliegenden Orten auch gerne als Baumaterial verwendet wurden, findet man Tambia spiralis auch immer wieder an Bauwerken, zum Beispiel am Brunnen neben der Lutherkirche in Tambach-Dietharz.

Ein guter Ort ist auch das Museum Bromacker-Lab im Schloss Friedenstein, wo das Fossil zusammen mit anderen Wirbeltierfunden und ihren Spuren ausgestellt ist. Zumal der Eintritt frei ist. Die Ausstellung zeigt auch den Fortschritt des aktuellen Bromacker-Projekts und gibt so einen schönen Einblick in die paläontologische Forschung.

Aber auch viele andere Museen und geowissenschaftliche Sammlungen beherbergen Fossilien. Und wer weiß, vielleicht finden wir ja doch noch den Verursacher dieser noch immer rätselhaften Spur aus der fernen Vergangenheit.

References

  • [1] Knaust, D. and Hauschke, N. (2005). Living conditions in a Lower Triassic playa system of Central Germany: evidence from ichnofauna and body fossils, Hall. Jb. Geowiss 19 : 95-108.
  • [2] Hermann Müller, A. (1954). Zur Ichnologie und Stratonomie des Oberrotliegenden von Tambach (Thüringen), Paläontologische Zeitschrift 28 : 189-203.
  • [3] (2007). Vertebrate Tracks. In: Seilacher, A. (Ed.), , Springer.
  • [4] Martens, T. (2005). First burrow casts of tetrapod origin from the Lower Permian (Tambach Formation) in Germany, NM Mus. Nat. Hist. Sci. Bull : 207.
  • [5] Menning, M.; Glodny, J.; Boy, J.; Gast, R.; Kowalczyk, G.; Martens, T.; Rößler, R.; Schindler, T.; von Seckendorff, V. and Voigt, S. (2022). Das Rotliegend in der Stratigraphischen Tabelle von Deutschland 2016 (STD 2016), Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften : 3-139.
  • [6] Scholze, F. and Pint, A. (2021). Early Permian palaeotemperature values proposed for continental red-bed deposits of the Tambach Formation at the Bromacker section, Ученые записки Казанского университета. Серия Естественные науки 163 : 338-350.
  • [7] Lützner, H.; Andreas, D.; Schneider, J. W.; Voigt, S.; Werneburg, R. and others (2012). Stefan und Rotliegend im Thüringer Wald und seiner Umgebung, Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften 61 : 418-487.
  • [8] EBERTH, D. A.; BERMAN, D. S.; SUMIDA, S. S. and HAGEN, HOPF (2000). Lower Permian Terrestrial Paleoenvironments and Vertebrate Paleoecology of the Tambach Basin (Thuringia, Central Germany): The Upland Holy Grail, PALAIOS 15 : 293-313.
  • [9] Schneider, J. W.; Werneburg, R. and others (2012). Biostratigraphie des Rotliegend mit Insekten und Amphibien, Deutsche Stratigraphische Kommission: Subkommission Perm-Trias, Stratigraphie von Deutschland X, Rotliegend, Teil I: Innervariscische Becken. Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften 61 : 110-142.
  • [10] Martens, T.; Berman, D.; Henrici, A. and Sumida, S. (2005). The Bromacker quarry—the most important locality of Lower Permian terrestrial vertebrate fossils outside of North America, New Mexico Museum of Natural History and Science Bulletin 30 : 214-215.
  • [11] Martens, T.; Hahne, K. and Naumann, R. (2009). Lithostratigraphie, Taphofazies und Geochemie des Tambach-Sandsteins im Typusgebiet der Tambach-Formation (Thüringer Wald, Oberrotliegend, Unteres Perm), Zeitschrift für geologische Wissenschaften 37 : 81-119.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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