Tag des Geotops 2018 – Eiszeit-Findlingspark Todtglüsingen

Jedes Jahr am 3. Sonntag im September findet der „Tag des Geotops“ statt. Entstanden ist die Aktion auf Initiative der Akademie für Geowissenschaften und Geotechnologien e.V (ehemals Akademie der Geowissenschaften zu Hannover). Dabei sollen, ganz ähnlich wie der bereits etablierte Tag des offenen Denkmals, die schützenswerten Geotope der Öffentlichkeit vorgestellt und das Interesse an den Geowissenschaften geweckt werden. Die Liste der Veranstaltungen ist jeweils auf den Seiten der DGGV, der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften, zu finden.

Tag des Geotops 2018
Der Findlingsgarten von Todtglüsingen. Eigenes Foto

In diesem Jahr war es der 16. September, an dem zahlreiche Veranstaltungen mit noch mehr Freiwilligen an den jeweiligen Geotopen stattfanden. Geotope sind Orte mit herausragender erdgeschichtlicher Bedeutung, an denen man die Entwicklung der Landschaft, des Lebens auf der Erde oder geologische Prozesse gut nachvollziehen kann. In den nördlichen Bereichen der Republik trifft das ganz besonders auf die Hinterlassenschaften der Eiszeiten zu. Das war für mich eine gute Gelegenheit, mal wieder einen Findlingsgarten zu besuchen. Der Findlingspark von Todtglüsingen, wo sich Mitglieder der Gesellschaft für Geschiebekunde auf Besucher freuten.

Findlingspark Todtglüsingen

Todtglüsingen ist ein Ortsteil von Tostedt und liegt am nordwestlichen Rand der Lüneburger Heide. Der Findlingsgarten liegt am Ende der Straße Auf dem Roten Felde. Muss man wissen, denn die Ausschilderung ist nicht vorhanden. Ohne Ortskenntnis oder Navigationsgerät kommt man nicht weit, was ich persönlich etwas schade finde.

Der Findlingsgarten geht auf den Unternehmer Friedrich Vorwerk zurück, der hier viele größere Findlinge aufstellen ließ. Die Steine wurden im Laufe der Jahre bei Bauarbeiten in der Gegend gefunden, stammen also auch meist aus dem Gebiet um Todtglüsingen. Heute wird der Garten von der Irene und Friedrich Vorwerk Stiftung finanziell betreut, während sich Schüler des Gymnasiums Tostedt um die Pflege der Findlinge und des Geländes kümmern. Wissenschaftlich betreut wird der Findlingsgarten vom Mineralogisch-Petrographischen Institut der Universität Hamburg.

Dabei ist der Findlingspark nicht als Findlings-Lehrpfad konzipiert, und die Steine sind auch nicht als solcher angeordnet. Vielmehr soll der Findlingspark eine ungefähre Ahnung vermitteln, wie und in welcher Dichte die Findlinge in der norddeutschen Geest ursprünglich vorkamen. Viele alte Berichte sprechen von steinübersäten Landschaften. Die Steine kamen in mehr oder weniger großen Abständen verteilt vor. So, wie sie das Eis der Gletscher der letzten Eiszeiten zurück gelassen hatte.

Als Findlinge werden aus ihrem geologischen Zusammenhang herausgelöste, ortfremde Steine besonderer Größe bezeichnet. Dabei gibt es für die Größe keine Festlegung. Im Allgemeinen sollten sie nicht von einer einzelnen Person bewegt werden können. Es hat sich eine Größe von ca. 1 Meter Durchmesser als praktikabler Maßstab gezeigt, wobei einzelne Findlinge sicher auch etwas kleiner sein können.

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Hemmoorer Gestein: Dieser Findling gehört zu der selteneren Gruppe der Findlinge aus sedimentären Gesteinen. In er ist auch nicht allzu weit vom Eis transportiert worden. Das hätte er, ein feinkörniger und nicht besonders fester Sandstein, auch kaum überstanden. Dieser Stein stammt aus Lägerdorf in Südholstein und war dort als Lokalgeschiebe geborgen worden. Entstanden ist es vor rund 20 Millionen Jahren in einem wärmeren Klima als heute. Das Meer reichte damals weiter ins Binnenland und wurde von viele wärme liebende Arten von Muscheln und Schnecken bevölkert. Ihre Fossilien sind in dem Gestein zu finden. Eigenes Foto

 

Wie kamen die Findlinge hierher?

Ursprünglich stammten die Findlinge meist aus Skandinavien, Finnland und dem Gebiet, welches heute von der Ostsee ausgefüllt wird. Von dort hatten sie die großen Inlandsgletscher entführt. In nach deren Abschmelzen sind sie hier bei uns als Glazialgeschiebe oder einfach kurz Geschiebe, hier gestrandet. Eben nicht aufrecht auf der Geländeoberfläche, sondern meist bescheiden tief im Boden.

Aus diesem Grund wurde hier, anders als in vielen Findlingsgärten, auch keine geometrische Verteilung gewählt. Dafür liegen einige der Steine auch mal tiefer in der Erde, eben so, wie sie in einer vom Eis freigegebenen Landschaft zu finden gewesen wären.

Die Findlinge hier im norddeutschen Tiefland sind immer eiszeitliche Geschiebe. Man darf das Wort Geschiebe allerdings nicht so verstehen, dass das Eis die Steine vor sich her geschoben hat, so ähnlich, wie es etwa ein Bulldozer tut. Der Transport der Steine erfolgte eingefroren im Eis des Gletschers. Dieser Gletscher konnte in seinem Kern in Skandinavien eine Mächtigkeit von bis zu 3000 m erreichen. Im Bereich des heutigen Nordniedersachsens konnten es immer noch einige 100 m, zeitweise sogar 500 m gewesen sein.

Die Findlinge, die man in Norddeutschland findet, können gut und gerne 1000, in Einzelfällen sogar 1500 Kilometer von ihrer geologischen Heimat entfernt sein. Im Gletschereis erreichten sie Reisegeschwindigkeiten von einigen hundert Metern pro Jahr. Über derartige Entfernungen kann nur Eis so große Steine transportieren. Der größte bekannte Findling des nordischen Vereisungsgebietes findet sich in Estland, er hat ein Volumen von ca. 900 m³ und ein Gewicht von gut 2500 Tonnen. Dagegen macht sich der größte bekannte Findling Deutschlands recht bescheiden aus. Der Buskam, der vor der Küste Rügens liegt, hat ein Volumen von mindestens 300 m³ und ein Gewicht von 830 Tonnen

Tag des Geotops 2018
Cordierit-Glimmer-Quarzit – Im Sonnenlicht offenbart dieser Findling seine ganze Pracht. Silbrig funkelt der helle Glimmer und macht in damit zu einem sehr attraktiven Gestein. Die weiteren Minerale sind Quarz und Cordierit. Entstanden ist dieses Gestein während der svekofennischen Gebirgsbildung vor gut 1,8 bis 1,8 Milliarden Jahren durch die Metamorphose von ehemaligem, schlammreichem Sand. Eigenes Foto

 

Von Findlingen zu den Eiszeiten.

Die in der norddeutschen Landschaft herumliegenden Steine haben die Fantasie der Menschen schon immer beschäftigt. Viele Sagen ranken sich um besondere Steine, und fast immer mussten Teufel oder zumindest Riesen und ihre Taten als Erklärung herhalten. Erst im späten 18. Jahrhundert erkannte man, dass die Steine ihren Ursprung in Skandinavien hatten. Doch wie und auf welchem Weg sie von dort in die norddeutsche Tiefebene gekommen waren, blieb noch ein Rätsel. Gerne wurde die biblische Sintflut als Erklärung genommen, aber auch ungeheure Vulkanausbrüche wurden vorgeschlagen.

Bereits 1832 wurde erkannt, dass einst von Skandinavien ausgehend ungeheure Gletscher das Land bedeckt haben mussten.Doch zumindest in Deutschland war die so genannte „Rollsteinflut“ noch bis zum Jahr 1875 eine gängige Theorie. Am 3. November 1875 zeigte der der schwedische Geologe Otto Martin Torell im Rahmen der Jahrestagung der deutschen geologischen Gesellschaft den staunenden Anwesenden die Gletscherschrammen in Rüdersdorf und verhalf auf diese Weise der Eiszeittheorie den Durchbruch.

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Granatgneis – Auch dieser Stein ist ein metamorphes Gestein, das bei seiner Entstehung sehr hohen Temperaturen ausgesetzt wurde. Es war plastisch verformbar, wie die Falten deutlich zeigen. Braunrote Granate sind auch enthalten. Eigenes Foto

 

Findlinge – Rohstoff und Naturerbe

Die Findlinge, die überall in der Landschaft zu finden waren, stellten auch durchaus begehrte Rohstoffe dar. Man darf ja nicht vergessen, dass die Geest hinsichtlich Baumaterialien doch reichlich eingeschränkt ist. Außer Sand und dem Holz der Wälder gab es nur die Findlinge. In so zeugen auch heute noch viele Kirchen aus Feldsteinen, die Sockellagen der Fachwerkhäusern aber auch Kopfsteinpflaster und Mauern oder das Schweriner Schloss von ehemaligen Findlingen. Vielerorts wurden zu Bauzwecken auch große Findlinge gesprengt, um Rohstoffe für Bauten zu gewinnen.

Ein sehr anschauliches Beispiel dafür gibt das Schicksal der vermutlich größten in der Lüneburger Heide gefundenen Findlings. 1875, also in dem Jahr, in dem die Theorie der nordischen Vereisung auch in Deutschland anerkannt wurde, fand man beim Pflügen in der Nähe von Brockhövede einen enormen Findling. Seine Oberfläche wird mit 81m² angegeben. Sein Volumen ist nicht überliefert, aber die Menge der aus ihm gewonnenen Bausteine reichte zum Bau von Eisenbahnbrücken zwischen Munster und Ebstorf, wobei sogar für den Hausbau noch etwas übrig blieb.

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Aland Rapakivi – Dieser Granit ist durch seine rundlichen Feldspäte recht charakteristisch. Hier ummantelt grauer, heller Plagioklas rötlichen Kalifeldspat. Mit einem Alter von ca. 1,6 Milliarden Jahren ist dieses Gestein jünger als die Smaländer Granite. Auf seiner Ostseite zeigt dieser Findling Spuren seines Transportes. Dort sind Gletscherschrammen und glatt geschliffene Flächen zu erkennen. Eigenes Foto

 

Die Findlinge des Findlingsparks Todtglüsingen

Insgesamt sind im Findlingspark 109 verschiedene Steine ausgestellt. Den Hauptanteil machen die magmatischen Gesteine wie Granit, Gabbro oder Diorit aus. Gneise sind dagegen schon seltener. Findlinge aus sedimentären Gesteinen sind nicht nur in der Natur selten, sie sind auch im Findlingspark die am wenigsten vertretene Gruppe. Eine Erklärungstafel zeigt die Lage der einzelnen Gesteine, je nach Zugehörigkeit zu einer der Gesteinsgruppen eingefärbt. Zu speziellen Steinen finden sich zusätzlich noch Erläuterungen zur Herkunft, Geologie, Entstehung und Mineralgehalt. Besonders aufschlussreiche Gesteine sind im Gelände und im Lageplan gekennzeichnet. Einige der markanteren Gesteine stelle ich in den Fotos vor.

Tag des Geotops 2018
Gletscherschliff auf dem Rapakivi. Eigenes Foto
Tag des Geotops 2018
Kinne-Diabas – Ein vulkanisches Gestein. Diabas ist eine alte Bezeichnung für paläozoische, grobkörnige Basalte. Auffällig sind die grauschwarzen, rundlichen und mehrere mm großen Augitkristalle, die von kleinen, leistenförmigen Plagioklasen durchwachsen sind. Diese als Nester bezeichneten Strukturen verwittern meist langsamer als die umgebenden Minerale, zu denen auch Olivin bzw. der aus Olivin gebildete Serpentin zählt. Daher heben sich die Nester sehr oft markant gegen ihre dunklere Umgebung ab. Der Kinne-Diabas entstand vor ca. 250 Mio. Jahren. Da das Herkunftsgebiet dieses Gesteins recht eng begrenzt ist, handelt es sich um ein Leitgeschiebe. Eigenes Foto
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Granatgneis – Dieser Granatgneis stammt aus Sörmland und stellt ein Leitgeschiebe dar. Vor rund 2 Milliarden Jahren wurde aus einem tonig-sandigen Sediment im Zuge einer Metamorphose dieser Gneis, der mit seinen roten Granaten und schwarzen Glimmern zu den attraktiveren Gesteinen zählen darf. Eigenes Foto
Tag des Geotops 2018
Roter Smaland-Granit – Ostsmaland in Schweden ist geologisch gesehen ein recht buntes Puzzle aus verschiedenen Granitmassiven mit Altern von ca. 1,7 – 1,8 Milliarden Jahren, die zusammen den so genannten Transskandinavischen Magmatischen Gürtel bilden.Dieser stellt quasi die Magmenkammern längst vergangener Vulkane an einem Plattenrand dar, wie er heute vor der Westküste Südamerikas zu finden ist. Auch dieses Gestein ist ein Leitgeschiebe. Eigenes Foto

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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