Struvit – das Hamburger Mineral – Mineralogisches Alphabet #S

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Mit Verstand und Hammer die Erde erkunden
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Manchmal kann man auch an ungewöhnlichen Orten mineralogische Entdeckungen machen. Ungewöhnlich meine ich hier in mehrfacher Hinsicht.

Zum einen geographisch. Würde irgendjemand erwarten ausgerechnet in Hamburg ein neues Mineral zu finden? Dort in Hamburg finden, nicht zu beschreiben. Diese kleine Einschränkung muss sein, denn natürlich werden in Hamburgs Mineralogisch-Petrographischen Institut des Öfteren neue Minerale entdeckt und neu beschrieben. das zählt hier aber nicht.

Struvit Guelleaufbereitung
Kleine Struvitkristalle aus einer Gülleaufbereitung, meist mit keilförmigem oder kurzprismatisch bis tafeligem Habitus. Koelle (Walter Kölle) at the German language Wikipedia (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Struvit_Guelleaufbereitung.jpg), „Struvit Guelleaufbereitung“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode
Nein, es gibt tatsächlich zumindest ein Mineral, das auch zuerst in Hamburg gefunden wurde. Und auch noch in einer außergewöhnlichen Umgebung, nämlich bei Ausgrabungen unter in mittelalterlichen Abwassergruben. Das Ganze fand bereits 1846 statt. Zu dem Zeitpunkt lag fast die gesamte Hamburger Innenstadt in Schutt und Asche, darunter auch die alt-ehrwürdige Nikolaikirche. Und als man sich zum Neubau gut 50 m vom Platz der alten entfernt entschloss, nutzte man die Zeit für eine kurze archäologische Erkundung dieses geschichtsträchtigen hanseatischen Bodens. Keine Ahnung, was man dort sonst noch so alles fand, aber ein Fund mag auf den ersten Blick wenig beachtet worden sein; kleine, durchsichtige bis weißlich oder bräunliche (das aufgrund von Beimengungen wohl wahrscheinlicher) Kristalle.

Was immer man dort gesucht hat, die kleinen Kristalle werden es wohl nicht gewesen sein. Damit könnte die Geschichte eigentlich vorbei sein, aber zum Glück fanden die kleinen Kristalle ihren Weg zum Apotheker, Chemiker und Mitglied der Hamburger Bürgerschaft Georg Ludwig Ulex. Der hatte wohl ein Händchen für derartige Funde und erkannte, dass er hier ein bisher unbekanntes Mineral vor sich hatte.

Ein vollkommen neues Mineral zu finden ist eine tolle Sache. Man hat heute zumindest das Vorschlagsrecht für den Namen des Neufundes. Über die Namensgebung wacht heute eine Arbeitsgruppe der Internationalen Mineralogischen Vereinigung, die „Commission on new Minerals, Nomenclature and Classification“ (CNMNC, übersetzt: Kommission für neue Minerale, Mineralnamen und Klassifikation).

Früher war das etwas einfacher. Man beschrieb den Fund und benannte ihn. Das führte aber schon rasch in ein ziemliches Chaos. Denn kaum einer hatte den Überblick über alle Neufunde (heute sind rund 4600 Minerale bekannt). Und außerdem kann ein und das selbe Mineral sehr unterschiedliche Formen annehmen (z.B. Tracht und Habitus von Kristallen). Es ergab sich also rasch das Problem, dass manche Minerale mehrfach benannt wurden und daher heute noch etliche Synonyme im Raum herumschwirren.

Somit, durch Herrn Ulex ist Hamburg also zu einem Mineral gekommen. Das Typmaterial befindet sich heute im Mineralogischen Museum der Hansestadt. benannt wurde das Mineral nach Heinrich Christian Gottfried von Struve, der neben seiner Tätigkeit als russischer Gesandter in Hamburg auch an der Mineralogie interessiert war und eine umfangreiche Mineraliensammlung besaß. Struvit kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem und hat die Zusammensetzung (NH4)Mg[PO4]·6H2O.

Struvit Faulbehaelter
Struvitbelag in einem Faulbehälter einerKläranlage in Hannover-Herrenhausen. Koelle (Walter Kölle) at the German language Wikipedia (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Struvit_Faulbehaelter.jpg), „Struvit Faulbehaelter“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode
Wer jetzt aber meint, das sei doch alle bloß von akademischen Interesse, und Struvit nur eine Kuriosität am Rande, der könnte im Irrtum sein. Denn der Fundort dort in den mittelalterlichen Abwassergruben war kein Zufall. Das Mineral bildet sich gerne in vergleichbarer Umgebung, so wird es auch in torfiger, mit Tierkot vermischter Erde. Das ist eigentlich nicht so selten. Das bedeutet, dass dieses Mineral auch zu einem Problem für Betreiber beispielsweise von Abwasser- Biogas- und Gülleanlagen werden kann, wenn die Sättigungskonzentration von Struvit überschritten wird. Überzüge aus Struvit können den Betrieb derartiger Anlagen sehr nachhaltig stören.

Und das ist noch nicht alles. Viele Menschen dürften auch schon auf schmerzhafte Weise mit Struvit Bekanntschaft geschlossen haben. Denn unter bestimmten Voraussetzungen ist der Körper in der Lage, dieses Mineral zu bilden. Nicht absichtlich und meist im Bereich der Nieren. Rund 11% der Nierensteine sind Struvite ( bei Kindern sogar bis zu 93%). Zur Bildung wir alkalischer Urin benötigt, meist in Folge einer Nierenbeckenentzündung (oft sind Bakterien wie Proteus mirabilis beteiligt). Bei Katzen hat der Urin einen ohnehin höheren pH-Wert, so dass bei ihnen Struvite sehr oft vorkommen.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

4 Kommentare

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,

    für eine Ausstellung benötige ich Exemplare von Steine/ Mineralien mit einem hohen Phosphat anteil. Struvit gehört zu den gewünschten Ausstellungsstücken.
    Der Kauf von Struvit hat sich als sehr schwer erwiesen, darum würde ich Sie um ihre Hilfe bitten und mich über eine Rückmeldung freuen.

    Herzliche Grüße
    Lilli Heikaus

    • Ich habe die Anfrage mal über Twitter und facebook weitergeleitet. Ansonsten könnte man auch lokale oder überregionale Mineralienmessen aufsuchen, wie z.B. im Juni in Ste. Marie aux Mines vorbeischauen?

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