Steinkohle – Taufe des Gesteins des Jahres auf Zeche Nachtigall

Das Gestein des Jahres, die Steinkohle, hatte ich ja schon in einem früheren Blogbeitrag vorgestellt. In diesem Jahr hatte ich aber auch die Gelegenheit, bei der offiziellen Taufe dabei zu sein. Diese Taufe fand am 22. April 2018 auf der ehemaligen Zeche Nachtigall in Witten statt.

Damit schließt sich sozusagen auch ein Kreis. Denn genau auf dem Gelände der Zeche Nachtigall begann vor gut 300 Jahren die bergmännische Gewinnung der Steinkohle im Ruhrgebiet.

Präsentation Gestein des Jahres 2018
Zeche Nachtigall in Witten, Blick vom Stollen in Richtung des ehemaligen Ringofens. Eigenes Foto.
Museum Zeche Nachtigall

Zwischenzeitlich war die Zeche Nachtigall eine der größten Tiefbauzechen der Region. Nachdem gegen Ende des 19. Jahrhunderts die bauwürdigen Kohlevorräte der Zeche weitgehend erschöpft waren und zunehmende Wasserhaltungsprobleme die Förderung erschwerten, wurde die Zeche im Jahr 1892 stillgelegt. In der Folge wurde das Gelände von einer Ziegelei genutzt, die sich über einen Stollen mit einem Steinbruch im benachbarten Muttental mit Rohstoffen versorgte.

Die Ziegelei arbeitete bis 1964, danach verfiel das Gelände und wurde als Schrottplatz genutzt. Heute dient es als LWL Industriemuseum Zeche Nachtigall. Dabei sind sowohl der Bergbau als auch die Ziegelei zu erkunden. Der alte Ringofen ist erhalten und kann besichtigt werden. Das Museum ist also durchaus einen Besuch wert. Das gilt genau so für den bergbaulichen Wanderweg durch das Muttantal, der dazu noch wunderschön ist. Eben so, wie man sich das Ruhrgebiet eben vorstellt: grün, Wald, Natur….

Doch zurück zur Gesteinstaufe: Nach allerlei Grußworten durch den Standortleiter des LWL-Industriemuseums Zeche Nachtigall sowie den Vorsitzenden des GeoParks Ruhrgebiet e.V und des Berufsverbandes Deutscher Geowissenschaftler kamen auch noch der Leiter des Servicebereichs Standort und Geodienste der RAG und der Direktor des Geologischen Dienstes NRW zu Wort.

Präsentation Gestein des Jahres 2018
Das Auditorium. Eigenes Foto.

 

Das Gestein des Jahres: Warum das Ganze?

Dr. Werner Pälchen erläuterte dann die Idee, die hinter dem Gestein des Jahres liegt. Er zog den Bogen von dem ersten „Naturwesen des Jahres“, dem Wanderfalken, den der NABU (damals noch Deutscher Bund für Vogelschutz) 1971 auswählte.

Inzwischen ist die Anzahl der Naturobjekte des Jahres auf über 40 angewachsen. Darunter befinden sich nicht nur Lebewesen, sondern auch recht komplexe Sachverhalt wie ganze Landschaften.

Gesteine sind auch Naturobjekt. Als solche sind sie nicht nur für die belebte Natur in vielfältiger Weise bedeutend, sondern auch für unsere eigene kulturelle Entwicklung. Dies veranlasste den Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler im Jahr 2007 erstmals die Auswahl eines Gesteins des Jahres. Alle bisherigen Gesteine des Jahres waren übrigens als Zaungäste mit im Raum.

Steinkohle, was ist das?

Natürlich sollte auch das diesjährige Gestein des Jahres genauer vorgestellt werden. Prof. Dr. Ralf Littke beantwortete die Frage Steinkohle, was ist das? Steinkohle hat heute eigentlich ein eher negatives Image. Das war aber nicht immer so. Es ist noch nicht allzu lange her, als vom „Schwarzen Gold“ die rede war. Außerdem ist die Steinkohle ein hervorragender Anzeiger für das Klima und die Vegetation zur Zeit ihrer Bildung. Sie verrät uns sehr viel über vergangene Erdzeitalter.

Das Schmuddelimage lässt uns hier in Deutschland auch gerne denken, dass die große Zeit der Steinkohle in der Welt vorbei wäre. Das ist aber eine Illusion. Zwar geht die Zeit der Förderung hier in Deutschland zu Ende, aber wir verwenden auch weiterhin Kohlekraftwerke um unseren Energiehunger zu stillen. In weltweit steigt die Kohleförderung immer noch an. Alleine im Zeitraum vom Jahr 2000 bis 2012 stieg die Förderung um mehr als 90 % an. Kohle, mit all ihren Folgen, wird uns also noch eine Weile begleiten.

Präsentation Gestein des Jahres 2018
Dr. Werner Pälchen (rechts) erhält vom Vorsitzenden des BdG, Andreas Hagedorn, die Ehrenmitgliedschaft. Eigenes Foto

 

Steinkohle und die Kultur

Die Folgen der Steinkohle. Dazu zählt sicher auch der sich bereits abzeichnende Klimawandel. Aber auch die vielfältigen Spuren, welche die Steinkohle bereits in unserer Kultur hinterlassen hat. Prof. Dr. Stefan Brüggerhoff vom Deutschen Bergbaumuseum im Bochum zog den Bogen über die vielfältigen kulturellen Wechselwirkungen des Bergbaus auf Steinkohle. Dazu zählen unter anderem die „Kathedralen der Industriekultur“, welche besonders im Ruhrgebiet geschaffen wurden. Ein gutes Beispiel bietet hier die Zeche Zollverein, die mittlerweile stillgelegt immerhin zum Weltkulturerbe wurde. Aber auch darüber hinaus stellen viele alte Fördertürme, Schachtanlagen und Halden identitätsstiftende Punkte dar.

Auch die Welt der Vereine sähe sicher anders aus, wenn niemals mit der Förderung der Kohle begonnen wäre. Ich meine damit nicht alleine die Knappen- und Traditionsvereine, die mit Bergparaden in Kluft und Grubenlampe auf sich aufmerksam machen. Oder das Steigerlied. Auch dem deutschen Fußball würde sicher etwas fehlen. Arbeitervereine, übernommen aus den alten Erzrevieren, haben auch eine deutliche Rolle in der gesellschaftlichen Entwicklung Deutschlands gespielt. Es ist sicher kein Zufall, dass sich so mancher ehemalige SPD-Vorsitzende gerne mal in alte Bergmannskluft warf.

Die Steinkohlewälder

Unsere heutige Steinkohle formte sich aus den Mooren des Karbon. Die Welt sah damals noch ein klein wenig anders aus, und das galt auch für die an der Entstehung der Kohle beteiligten Pflanzen. Prof, Dr. Hans Kerp von der Universität Münster versuchte uns, diese längst vergangene Welt näher zu bringen.

Damals vor rund 315 Millionen Jahren lag das heutige westliche und zentrale Europa mit seinen Kohlerevieren noch am Äquator. Ein ausgedehntes Tiefland erstreckte sich von Irland und Großbritannien bis hin nach Deutschland und Polen. Es herrschten über viele Jahrtausende recht stabile Klimabedingungen, so dass sich mächtige Torfpakete ablagern konnten. Gelegentlich stieg der Meeresspiegel, so dass sich über den Torfen marine Ablagerungen bilden konnten.

Grundlage für die Anhäufung so mächtiger Torfablagerungen ist eine stetige Absenkung des Bodens, die mit dem Anwachsen der Moore schritt hielt. Es wurden auch nur wenige klastische Sedimente wie Sande oder Tone eingetragen. Der Grundwasserspiegel muss über relativ lange Zeiträume recht konstant geblieben sein.

Eine typische Abfolge in den Kohleflözen beginnt meist mit einem Wurzelboden in meist wasserundurchlässigen, tonigen Sedimenten. Das hatte Staunässe zur Folge und es konnten sich Feuchtbiotope bilden. Auf diesen Wurzelboden folgt das eigentliche Kohleflöz als Rest eines Moores. Darüber kommen meist marine Sedimente. In diesem Fall war die Absenkung stärker als das Wachstum des Moores und das Moor wurde vom Meerwasser überflutet.

In den Wurzelböden finden sich manchmal Wurzeln von Riesenbärlappgewächsen wie Lepidodendron und Sigillaria (die Wurzeln werden Stigmaria genannt).

Den Hauptanteil (ca. 80%) der Biomasse der Moore bildeten Bärlappgewächse. Diese waren nicht vergleichbar mit dem uns heute bekannten Bärlapp, sondern schnellwüchsige große Bäume mit bis zu 40 m Höhe. An den Ufern bildeten Calamiten,, bis zu 20 hohe Riesenschachtelhalme, dichte Bestände. Es gab auch, neben kleineren Farnen, große Baumfarne, die den heutigen recht ähnlich sahen. Es gab aber auch Bäume, die zwar Baumfarnen recht ähnlich sahen, die aber zu den echten Samenpflanzen zählten. Ihre Samen kannte man schon länger aus der Ablagerungen des Karbon. Wer aber die dazugehörige Pflanze war, fand man erst am Anfang des 20. Jahrhunderts heraus.

Für die Rekonstruktion der Steinkohlenflora sind auch Ablagerungen von karbonatischen Tuffen, wie man sie in Tschechien und China findet, sehr hilfreich. Durch die Vulkanausbrüche wurden teilweise komplette Vegetationen eingebettet und überliefert.

Präsentation Gestein des Jahres 2018
Dr. Volker Wrede, Andreas Hagedorn und Dr. Werner Pälchen (von links) enthüllten das Gestein des Jahres: Steinkohle. Eigenes Foto

 

Gesteinstaufe

Neben der Gesteinstaufe wurde auch Dr. Werner Pälchen aufgrund seiner Verdienste als Vorsitzender des BDG und als Leiter des Kuratoriums Gestein des Jahres zum Ehrenmitglied des BDG ernannt.

Aber schließlich wurde auch das Gestein des Jahres enthüllt. Darum ging es ja auch. Als krönender Abschluss der Veranstaltung wurde das Steigerlied angestimmt.

Es blieb noch genug Zeit, sich die Ausstellung auf dem Gelände näher anzusehen. Auch für eine Führung in den Museumsstollen war gesorgt. Hier konnte man nachvollziehen, wie hart die Arbeit der Bergleute in früheren Jahren gewesen ist. Ganz besonders natürlich im Vergleich mit einem modernen Bergwerk wie etwa Prosper-Haniel.

Das Museumsbergwerk liegt in dem Stollen, den der Ziegeleibesitzer für die Versorgung seiner Ziegelei anlegen ließ. Hier wurde nach dem Krieg auch wieder Kohle gefördert. Das Flöz Geitling 3, das hier in Seitenstollen abgebaut wurde, ist auch in dem alten Steinbruch der Ziegelei aufgeschlossen. Man kann es von dem bergbaulichen Wanderweg im Muttental auch gut sehen.

Präsentation Gestein des Jahres 2018
Dicht unter dem oberen Rand kann man das Flöz Geitling 3 als schwarzes Band erkennen. Eigenes Foto.

 

 

Weitere Fotos von der Gesteinstaufe sind unter https://flic.kr/s/aHsmiguS75

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

1 Kommentar

  1. Ja, die Kohleförderung in Deutschland hat eine lange Geschichte und ist noch nicht vorbei. Sich entwickelnde Länder kopieren meist die Industrien und Methoden der heutigen Industrie- und Dienstleistungsländer, weshalb die Annahme, das weltweite Kohlefördermaximum sei schon bald erreicht oder gar schon überschritten, reichlich gewagt ist. Zwar zeigen die Statistiken einen Rückgang der Kohelproduktion weltweit seit 2014, doch dies ist allein China zu verdanken, welches die Kohleproduktion und -verbrennung aus mehreren Gründen etwas reduziert und gesäubert hat. Doch Indien und Afrika steigern ihre Kohleproduktion weiterhin und irgendwann werden sie den sinkenden chinesischen Verbrauch kompensieren, womit der Weltverbrauch dann auf einem Plateau verharrt oder gar wieder steigt. Auf der Website Coal Mining in Africa liest man diesbezüglich (übersetzt von DeepL): Botswana ist der größte Diamantenförderer der Welt und es ist auch für seine Kohlevorkommen bekannt. In den letzten Jahren hat Botswana festgestellt, dass es über mehr als 200 Milliarden Tonnen Kohlereserven verfügt und die Entwicklung der Kohleindustrie ist zu einer wichtigen Priorität geworden. Auch in Mosambik wird mit einem starken Anstieg der Kohleförderung bis 2020 gerechnet. Es wird geschätzt, dass Mosambiks Produktion im Zeitraum von 2015 bis 2020 100 Millionen Tonnen übersteigen könnte.
    Allerdings sind 100 Millionen Tonnen Kohleförderung gemessen an der weltweiten Förderung von beinahe 8000 Millionen Tonnen fast nichts. Das zeigt allerdings nur, wie gross der Nachholbedarf von Arika ist. Afrika erscheint heute fast nirgends in der industriellen Statistik, weil es nur wenige halbwegs entwickelte afrikanische Staaten gibt. Südafrika gehört sicher zu diesen halbwegs entwickelten Staaten und Südafrika ist auch der grösste Kohleförderer und Nutzer in Afrika.

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