Spuren vergangener Klimaschwankungen – Brodelböden

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Wenn man seine Freizeit gerne in Kiesgruben oder Sandgruben verbringt, kann man manchmal ein interessantes Phänomen sehen: Brodelböden. Hierbei handelt es sich um unregelmäßige Verfaltungen und Verknetungen oberflächennaher Schichten des Bodens unter dem Einfluss von Permafrost und damit um wichtige paläoklimatische Zeugnisse. Die genauen Bildungsbedingungen dieser auch als Kryoturbation (EDELMANN et al. 1936) bezeichneten Phänomene sind noch nicht ganz geklärt. EHLERS (1994, 2011) gibt mehrere mögliche Erklärungen für ihre Entstehung an.

Würgeboden

Brodel- oder Würgeboden. Man kann, wenn auch aus der Entfernung nicht immer deutlich, die Verwürgungen der Sedimentschichten erkennen. Eigenes Foto, CC-by-nc-nd 2.0 Lizenz.

So können sich Verwürgungen der Sedimentschichten an der Grenze zwischen der Oberfläche des Dauerfrostbodens und der im Winter von oben her wieder gefrierenden Auftauschicht bilden. Unterschiedliche Korngrößen und damit einhergehend ein unterschiedlicher Wassergehalt sollen dabei zu unterschiedlich raschem Gefrieren führen, wobei sich zwischen bereits gefrorenem Bodenstücken Taschen mit ungefrorenem Material befinden. Die Volumenzunahme beim Gefrieren soll hier für die Verwürgungen der Bodenschichten sorgen. Allerdings haben Geländeuntersuchungen (MACKAY & MACKAY 1976) gezeigt, dass sich in der Zone zwischen den wieder gefrierenden Auftauschichten und dem Permafrostboden eine Austrocknung einstellt. Die für eine Schichtverbiegung notwendigen kryostatischen Drucke werden also in der Natur nicht erreicht.

Würgeboden

Etwas näher dran kan man die Verbiegungen der Schichten schon deutlicher erkennen. Das Messer als Maßstab hat eine Länge von gut 10 cm.  Eigenes Foto, CC-by-nc-nd 2.0 Lizenz.
Ein weiterer möglicher Mechanismus könnten feuchtigkeitsbedingte Dichteunterschiede verschiedener Sedimente sein. Sind Sedimente unterschiedlicher Korngrößen vollständig wassergefüllt, so kann es beim Gefrieren zu Schwereausgleichsbewegungen kommen. Der Boden gefriert sowohl von oben als auch von unten her und es kann zu Sedimentverflüssigungen kommen. Dabei können durch die Umkehrung des Dichtegradienten Sedimente aus dem Liegenden (sprich: aus den unteren Schichten) zur Oberfläche gelangen. Damit ähnelt die Entstehung der kryoturbaten Strukturen der von Belastungsmarken (EISSMANN 1981). Die Übersättigung der Auftauschicht mit Wasser, beispielsweise durch auftauen besonders eisreichen Permafrostes, aber auch durch Niederschlag oder Überschwemmungen, können diesen Effekt haben.

Die hier gezeigten Brodelböden liegen direkt am Talrand eines kleinen Flusse in der Nordheide in Niedersachsen. Die Schmelzwassersande sind saalezeitlichen Alters, die Bildung der Brodelböden fällt vermutlich in die Weichselvereisung. Damals war mit einiger Sicherheit das heutige Entwässerungssystem bereits angelegt, so dass der Vorgänger des heutigen Flusses bereits in Richtung des Elbe Urstromtales entwässerte. Nacheiszeitliche Grundwasserhorizonte weisen auf erheblich höhere Wasserstände in früheren Zeiten hin. Möglicherweise hat die Nähe des Flusses die Bildung der Brodelböden begünstigt, indem Hochwasser die Auftauschicht des Bodens mit Wasser sättigte, bevor der Boden wieder gefror.

EDELMANN, C.H., FLORSCHÜTZ, F., JESWIET, J. (1936): Über spätpleistozäne und frühholozäne kryoturbate Ablagerungen in den östlichen Niederlanden. – Geologisch – Mijnbouwkundig Genootschap voor Nederland en Koloniën, Geologische Serie 11, 301 – 360.

EHLERS, J. (1994): Allgemeine und historische Quartärgeologie. – Enke, Stuttgart, S. 95 ff.

Ehlers, J. (2011): Das Eiszeitalter. – Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, S. 193 ff.

EISSMANN, L. (1981): Periglaziäre Prozesse und Permafroststrukturen aus sechs Kaltzeiten des Quartärs. Ein Beitrag zur Periglazialgeologie aus der Sicht des Elbe – Saale Gebietes. – Altenburger Naturwissenschaftliche Forschungen 1, 170 S.

MACKAY, J.R., MACKAY, D.K. (1976): Cryostatic pressures in nonsorted circles (mud hummocks), Inuvik, Northwest Territories. – Canadian Journal of Earth Sciences 13, 889 – 897.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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