Rügens gefährdete Steilküste – Das Beispiel Lohme
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Die Steilküsten Rügens sind nicht nur ein Naturdenkmal, sie haben nicht zuletzt seit der Romantik und Caspar David Friedrich eine ungebrochene Anziehungskraft auf die Menschen. Große Teile der Kreideküste sind im Nationalpark Jasmund unter Schutz gestellt und unterliegen damit der natürlichen Dynamik. Andere Bereiche befinden sich in unmittelbarer Nähe menschlicher Siedlungen oder Einrichtungen, so dass die Küstendynamik hier durchaus eine nicht zu unterschätzende Gefahr darstellen kann. Und nicht zuletzt sollte man auch als Besucher den Steilküsten mit den nötigen Respekt begegnen. Man sollte auf seinen Wanderungen immer auch die entsprechenden Hinweise und eventuellen Verbotsschilder beachten, auch wenn das nachweislich einigen Zeitgenossen schwer zu fallen scheint. Ich hatte bei Exkursionen im Bereich Jasmund mehrfach die Gelegenheit, einige meiner Artgenossen zu beobachten, welche die überhängenden Bereiche und abkippenden Bäume nur als klettertechnische Herausforderung betrachteten.
Manchmal reicht aber Vorsicht alleine nicht aus. Dazu ist der Ort Lohme im nördlich des Nationalparks Jasmund ein gutes Beispiel.
Am 19 März 2005 gab am westlichen Ortsrand von Lohme auf Rügen die Steilküste auf rund 100 m Länge und 200 m Breite nach und knapp 100 000 m³ Boden bewegten sich der Schwerkraft folgend in Richtung Hafen. Dabei entging das direkt oberhalb des Abbruchs stehende Diakoniehaus, eine Betreuungseinrichtung für Suchtkranke, der Zerstörung. Nur knappe 2,5 m verlief die Bruchkante vor dem Haus.
Das Haus wurde, ebenso wie weitere Gebäude in dem Bereich, gesperrt und schließlich 2008 mit Hilfe ferngesteuerter Hydraulikzangen rückgebaut, weil die Arbeit mit herkömmlichen Baumaschinen wegen der mangelnden Standfestigkeit des Hangs zu gefährlich war.
Was war aber damals passiert? Bei Steilküsten an der See wird ja meist davon ausgegangen, dass unten die See fortwährend nagt, bis letztlich ein Teil nachgibt. Das dürfte auch sehr oft der Fall sein. Allerdings kann man die Arbeit der See erkennen. Die Steilufer, zumal wenn sie aus härterem Gestein bestehen, zeigen oft deutliche Hohlkehlen an ihrem Fuß.
Auch wenn die berühmten Kreidefelsen Jasmunds nicht weit von Lohme entfernt sind, stehen hier doch weichere Gesteine als Steilufer an. Aber Wasser ist durchaus Schuld an der Situation. Wenn auch nicht (nur) das Wasser vorne in der Ostsee. Denn die geologische Situation in Lohme ist vertrackt. Die eiszeitlichen Gletscher des Mecklenburger Stadiums mussten bei ihrem letzten Vorstoß vor rund 13 000 Jahren (Nordrügener Vortoßstaffel) die beiden Höhenzüge auf den heutigen Halbinseln Jasmund und Wittow umfahren, die als Nunataks nicht überfahren werden konnten. Dabei lagerte das Eis im Bereich Lohme gestauchte Endmoränen ab. Hydrogeologische Untersuchungen zeigten, dass im Hangbereich Grundwasser durch wasserundurchlässige Schichten am Versickern gehindert wird. Und in besonders regenreichen Zeiten kann der Grundwasserspiegel ansteigen. Die darüber liegenden Erdschichten werden dann zunehmend instabil und drohen auf dem Grundwasser als Schmiermittel regelrecht abzurutschen.
Mit großem finanziellem und technischem Aufwand wurde aus diesem Grund in den Jahren 2009 und 2010 eine Hangfußentwässerung errichtet. Insgesamt 15 Horizontaldrainagen mit Längen zwischen 32 bis 56 m wurden in die wasserführenden Hangschichten getrieben. Dadurch konnte der Grundwasserspiegel um 4,5 m abgesenkt werden, wodurch sich im Gegenzug die Hangstabilität erhöht. Der Hangfußbereich wurde an der Promenade und im westlichen Entwässerungsbereich mit Gabionen, 1×1 m großen, steingefüllten Gitterkörben, gegen ein Abrutschen gesichert.
Die Baumaßnahmen waren nicht ganz trivial, da sich die Baustelle nur von der Seeseite erreichen ließ. Sämtliche Maschinen und Baumaterialien mussten per Schiff transportiert werden.
Das Grundstück in Lohme kenne ich zufällig. In den 80ern war dort ein Altersheim untergebracht. Es war schon damals immer die Rede davon, dass da sicher noch mal was passieren wird. Und es sah auch auf den ersten Blick so aus, als wenn der sehr steil heruntergehende Garten des Altersheimes jederzeit abrutschen könnte.
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