Rügen – Jasmund und die Kreideküste
BLOG: Mente et Malleo

Wenn man an Rügen denkt.dann meist auch an die Kreideküste. Immerhin sind die Kreideklippen von Jasmund mit den (ehemaligen) Wissower Klinken und dem Königsstuhl oder die Halbinsel Wittow mit den Klippen bei Kap Arkona so etwas wie die Wahrzeichen der Insel und Anziehungspunkt für viele Touristen. Die landschaftliche Schönheit der Steilküste zog schon früh Künstler an, so zum Beispiel Caspar-David Friedrich, der sie um 1818 in seinem berühmten Bild verewigte. Meist wird fälschlicher Weise angenommen, das Gemälde zeigte die Wissower Klinken, die es aber damals noch garnicht gab. Die Klinken entstanden erst später durch Erosion (der sie dann am 24 Februar 2005 auch wieder zum Opfer fielen). Das Bild zeigt mit einiger Wahrscheinlichkeit Kreideformationen an der Viktoriasicht und des Königsstuhls.

Zumindest für Jasmund dürfte der Frühling die schönste Zeit sein, um die Klippen und den dazugehörigen Nationalpark zu erkunden. Wenn die Buchen noch nicht ausgeschlagen haben, bedeckt ein Teppich aus blühenden Schlüsselblumen und Buschwindröschen den Waldboden. Außerdem hat man einen fast ungehinderten Blich die Klippen hinab. Die Böden auf der Hochfläche sind meist Rendzinen, also stark kalkbetonte Böden. Dort finden sich ausgedehnte Buchenwälder. In den Senken an den Bachläufen ändert sich der Baumbestand in Erlen-Eschen-Auenwälder.

Beim Wandern fällt es einem sofort auf. Die Wege gehen mit einer großen Regelmäßigkeit bergauf und wieder bergab. Kein ebenes Kreideplateau erwartet einen dort. Der Grund hierfür ist derselbe, der auch den landschaftlichen Reiz der Küste bestimmt. Kurz, die Gegend erinnert ein klein wenig an ein zusammengeschobenes Tischtuch.
Der Vergleich mag hinken, aber er zeigt in die richtige Richtung. Wenn man die vielen langen Treppen zum Strand hinab geht, kann man es auch von unten gut erkennen. Die Feuersteinbänder sind deutlich verbogen. Von See oder vom Strand aus erkennt m,an auch immer wieder in die Kreide eingeschaltete Geschiebemergel.
Die Ursache war die Eiszeit. Oder besser gesagt, die vorrückenden Gletscher der Eiszeit, die hier auf die Hochfläche trafen. Dabei waren die rund 60 – 70 Millionen Jahre alten Kreideablagerungen bereits durch die Fernwirkung der Entstehung der Alpen in ihrer tektonischen Struktur angelegt. Die damals bereits angelegten Strukturen wurden dann während der Eiszeit von den Gletschern aufgegriffen. Sowohl die Kreide von Jasmund als auch vom benachbarten Wittow mit dem nicht minder berühmten Kap Arkona waren während des letzten Eisvorstoßes voe 13 000 Jahren (Mecklenburger Stadium, Nordrügener Vorstoßstaffel) Nunataks, also Eisfreie Höhen, die vom Gletscher umflossen wurden. Daraus entstand eine recht komplizierte Schuppung Jasmunds, die sich auch in dem Namen Stubbenkammer widerspiegelt. Diese Bezeichnung für die Gegend um den Königsstuhl leitet sich aus dem Slawischen für Stufe (stopin) und Fels (kamen) her. Die Lagerungsformen werden auch als Stauch-, Stapel oder Staumoränen bezeichnet.

In die aufgeschuppte Kreide wurden auch immer wieder Geschiebemergel hineingedrückt. Das lässt sich besonders gut im Abschnitt ab Sassnitz, dem Wissower Ufer, beobachten. Mehrere Bäche, wie zum Beispiel der Kieler und der Kollicker Bach, münden in die Ostsee. Sie liegen meist in flachen Muldentälern, die ihre Existenz spät bis postglazialen Sediment- und Bodenrutschungen. Die Bäche stammen meist aus flachen, vermoorten Niederungen der Hochfläche und können rezente Kalksinterablagerungen enthalten. Im Bereich des Kliffs haben sie sich als Kerbtal in die Kreide eingeschnitten und dienen häufig als Möglichkeiten für Treppen für Auf- und Abgänge von der Kliffkante zum Strand.

Das Torfwachstum in den Senken der Hochfläche begann teilweise ab dem Alleröd, spätestens ab dem frühen Atlantikum. Ein Beispiel hierfür ist zum Beispiel das Hertha-Moor neben dem Hertha See.
Eine der auffälligsten Strukturen sind die in der Rügener Schreibkreide weit verbreiteten Feuersteinbänder, die auch zur lithostratigraphischen Korrelation wurden. Der Feuerstein besteht aus fast reinem, amorphen bis kryptokristallinen Chalzedon (SiO2). Entstanden sind die Feuersteine durch die Verdrängung primärer Karbonate. Teilweise zeigen die Feuersteine recht bizarre Formen und können recht groß werden. Ringförmige große Feuersteine werden als Sassnitzer Blumentöpfe bezeichnet. Der harte und splittrige Feuerstein war in der Steinzeit ein begehrter Rohstoff.
Weiterhin finden sich in der Kreide auch manchmal mit schwarzen oder rostbraunen Verwitterungshöfen umgebene Konkretionen aus Pyrit respektive Markasit.
Der Nationalpark ist am einfachsten zu Fuß zu erkunden. Dafür kann man entweder von Sassnitz oder von Lohme aus anfangen. Es besteht auch die Möglichkeit, sich per Bus direkt zum Königsstuhl fahren zu lassen (oder vom Hauptparklatz). Ich persönlich fand aber den Königsstuhl etwas überlaufen. Außerdem ist der Zugang kostenpflichtig. Das hat einerseits den Vorteil, dass der Zugang kontrolliert und limitiert wird. Denn sonst wäre er vermutlich von den vielen Füßen irgendwann schlicht abgetragen. Dagegen ist das Plateau auf dem Felsen auch mit einer Plattform überbaut, die gleichzeitig die natürliche Verwitterung bremst. Auf der anderen Seite fand ich die Eintrittskosten recht hoch. Vor allem, wenn man das obligatorische Besucherzentrum eigentlich nicht besuchen wollte, sondern nur die Aussicht zu genießen gedachte. Ich würde daher die nur wenig niedrigere Viktoria-Sicht empfehlen. Wenn man von Lohme kommt, sollte man den ersten teil bis zum Königsstuhl auf der Kliffkante wandern. Der Strand ist mit etlichen Großgeschieben übersät, von denen einige bis zu 27 m³ erreichen. Außerdem ist die Kreideküste auch nicht so ganz ungefährlich. Vielfach sind hangparallele Spalten im Boden deutliche Hinweise, dass sich hier die Erosion wieder ein Teil des Kliffs holen wird. Zum Glück sind die gefährdeten Bereiche meist frühzeitig von der Parkverwaltung ab trassiert. Unterhalb des Kliffs kann die Sache aber schon mehr als nur ärgerlich werden. Der Strand ist meist schmal. Zu schmal, um bei einem Abbruch zu entkommen. Und die Abbrüche können ohne große Vorwarnung passieren.
Um so bemerkenswerter fand ich, dass einige meiner Artgenossen selbst die auf der Kippe stehenden Bäume nur als klettertechnische Herausforderung betrachteten. In solchen Fällen kann die Evolution schnell zuschlagen und einen rasch und nachhaltig aus dem Genpool entfernen. Dann ist das Geschrei meist wieder groß.

In der Nähe des Königsstuhls liegt der oben erwähnte Herthasee und das Herthamoor, beides in direkter Nachbarschaft zu einer alten slawischen Ringwallanlage, die allerdings nicht die Ausmaße der Burg bei Kap Arkona erreicht.
Abgesehen von den gefahren am Strand ist der Blick von der Kliffkante eh besser. Und man hat, besonders im Frühling auch immer wieder atemberaubende Blicke das Kliff entlang. Treppen , meist an Bächen gelegen, bieten immer wieder eine Gelegenheit, den Strand zu erkunden und sich das Kliff von unten anzusehen. Diese Bereiche sind meist auch vergleichsweise sicher. Besonders im Bereich des Wissower Ufers kann man auch von einem der vielen Schiffe, die hier täglich die Kreidefelsen abschippern, die wechselnde Lagerung der Kreide mit den dunkleren pleistozänen Geschiebemergeln erkennen.
Wer Glück hat, kann in der Rügener Schreibkeide auch eine Vielzahl von Fossilien finden. Auf den Geröllstränden sind dies meist Steinkerne von Seeigeln, Austern und die als „Donnerkeile“ bekannten Rostren von Belemniten. Auch die Kreide selbst ist reich an Fossilien. Wer hier eine Einführung haben will, dem sei das Kreidemuseum in Gummanz ans Herz gelegt. Hier findet man fast alle Fossilarten der Schreibkreide gezeigt, so dass man sich mit ihnen vertraut machen kann. Leider, und das muss ich betonen, ist es nicht mehr möglich, die Brüche des Kreidewerkes Rügen zu betreten. Das ist sehr schade, aber ich kann die Betreiber voll und ganz verstehen.

Das Museum ist aber nicht nur für Fossilfreunde und Sammler interessant. Hier bekommt man auch die Entstehung der Schreibkreide erklärt. Und natürlich den Nutzen der Kreide. Immerhin wird das Material ja auch heute noch abgebaut. Wie das in früheren Zeiten passierte und welche Methoden dabei zum Einysatz kamen, das kann man hier alles anschauen. Also durchaus eine gute Idee, falls im Urlaub das Wetter einmal nicht so ganz mitspielen will. Obwohl das Museum zum großen Teil Freigelände ist.
Weil es so schön ist, noch ein paar Fotos von der Steilküste.







Danke für die tollen Fotos und den Hinweis zum Friedrich-Gemälde.
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