Reden wir über Schadstoffe in Gebäuden – Nachlese zur DCONex 2018

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Mit Verstand und Hammer die Erde erkunden
Mente et Malleo

Vom 17 – 18. Januar fand die diesjährige DCONex 2018 in Essen statt. In erneut war das Thema Schadstoffe wie z.B. Asbest ganz oben auf der Agenda. Denn Asbest ist sicher nicht der einzige Gebäudeschadstoff, aber ein sehr verbreiteter, der gerne und in vielen Produkten verwendet wurde. Entsprechend schwer ist es, ihn heute wieder loszuwerden, bzw. ihn überhaupt zu finden. Denn dazu muss auch immer noch das entsprechende Bewusstsein in der Bevölkerung geschaffen werden. Dazu soll der nationale Asbestdialog einen Beitrag leisten.

DCONex 2018
Podiumsdiskussion auf der DCONex 2018 in Essen. Eigenes Foto

Grenzwerte

Den Anfang machte Dr. Markus Mattenklott vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), indem er auf einige ganz grundsätzliche Probleme hinwies.

So sind zwar laut Richtlinie 2009/148/EG alle Tätigkeiten verboten, bei denen Arbeitnehmer bei der Herstellung oder Verarbeitung von asbesthaltigen Erzeugnissen Asbestfasern ausgesetzt werden (ausgenommen ASI, also Abbruch, Instandhaltung und Sanierung). Außerdem verbietet der Anhang XVII der REACH-Verordnung sowohl die Herstellung als auch das Inverkehrbringen von Produkten, denen absichtlich (!) Asbest zu gemischt wurde. Doch was bedeutet „absichtlich zugesetzt“? Es gibt verschiedene Fälle, in denen natürliche mineralische Zuschlagsstoffe Asbestminerale enthielten. Diese mineralischen Stoffe waren ja absichtlich zugesetzt worden, aber auch deren Asbestgehalt? Ähnliches gilt auch für diverse Recyclingbaustoffe, die eventuell mit Asbest kontaminiert sein können. Das gilt es möglichst zu verhindern. Doch was bedeutet in diesem Fall „asbestfrei“?

Die VDI-Richtlinie 3866 hat für Materialproben eine Nachweisgrenze von rund 1 Massen%. In Deutschland ist seit 1993 laut Anhang II der GefStoffV das Inverkehrbringen von asbesthaltigen Produkten mit mehr als 0,1 Massen% Asbest verboten. Aus diesem Grund wurden ein analytisches Verfahren entwickelt, welches eine geschätzte Nachweisgrenze von 0,008 Massen% hat.

DCONex 2018
Asbestsanierung im Schutzanzug. Eigenes Foto

Doch die 0,1 Massen% Grenze hat auch ihre Tücken. So können diverse bauchemische Produkte problemlos Asbestgehalte um diesen Wert oder sogar darunter aufweisen. Und was ist mit Recyclingbaustoffen? Ab welchem Wert ist ein Material als frei von Asbest zu betrachten? Klar, man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass jede Faser gefährlich ist (was sie auch ist) und eine „Null-Toleranzgrenze“ fordern. Aber es ist wenig sinnvoll, die Grenzwerte an die analytische Nachweisgrenze zu koppeln, zumal wenn diese, wie im Fall der VDI 3866 und IFA/BIA 7487-Verfahren, nur geschätzt ist.

Absenken der Akzeptanzwerte bei Asbestexposition

Noch auf einen anderen problematischen Punkt wies Dr. Mattenklott hin: Für dieses Jahr sollte die Akzeptanzkonzentration bei Asbestexposition in Arbeitsbereichen von 10 000 Fasern /m³ auf 1000 Fasern/m³ abgesenkt werden. Das ist sicher eine lobenswerte Idee, die aber einen nicht ganz unerheblichen Haken hat. Denn es geht um Arbeiten, die auf Baustellen stattfinden. In wer sich mal ganz unvoreingenommen eine normale Baustelle anschaut, der wird eine nicht ganz unerhebliche Staubentwicklung bemerken.

Dieser Staub ist auch durch moderne, staubarme Maschinen und Entstauber nur teilweise weg zu bekommen. Bei dem derzeitigen Akzeptanzwert von 10 000 Fasern/m³ reicht eine Nachweisgrenze von 2500 Fasern/m³, was unter Baustellenbedingungen mit kurzer Probenahmedauer von ½ bis eventuell 2 Stunden machbar ist. Wird der Akzeptanzwert nun auf 1000 Fasern/m³ abgesenkt, so sollte die Nachweisgrenze bei rund 250 Fasern/m³ liegen. Dieser Wert liegt nicht zufällig in der Größenordnung, wie er für Luftmessungen in Büros und Wohnungen vorgeschrieben ist. Dort allerdings ist die Luft meist ärmer an Staub, und die Dauer der Probenahme liegt bei rund 8 Stunden und auch der Volumenstrom der beprobten Luft ist um gut den Faktor 2 bis 4 höher. Ich vermute ganz stark, dass man derartige Probenahmedauern auf kaum einer Baustelle hin bekommt. Denn wenn man das in einer staubbelasteten Luft versucht, sind die Filter wegen Überbelegung nicht auswertbar. Sind die beprobten Luftvolumina aber geringer, steigt der analytische Aufwand. Dies kann bis zum 15 oder 20fachen (oder auch noch mehr) des normalen Aufwandes unter Standardbedingungen betragen. Von den Problemen der Statistik ganz zu schweigen.

Außerdem gerät man bei Nachweisgrenzen von wenigen hundert Fasern pro Kubikmeter in den Bereich der normalen Hintergrundbelastung (ja, die gibt es auch für Asbest. Asbest ist ein natürlich vorkommendes Mineral, und je nach der örtlichen Geologie und anderen Faktoren kann dieser 100 bis 200 Fasern/m³ betragen).

Vermutlich werden diese Probleme eine Absenkung der Akzeptanzkonzentration in diesem Jahr wirksam verzögern und eine längst notwendige Diskussion fordern und fördern.

Neue Messverfahren für Asbest und die Sanierungspraxis

In der Welt der asbesthaltigen Bauprodukte ist allerdings auch einiges in Bewegung geraten. Daran ist unter anderem der bereits erwähnte Nationale Asbestdialog schuld. Dr. Brigitta Höwing von der Wessling GmbH stellt die Punkte im Bereich Regularien, Messtechnik und Sanierungspraxis vor, an denen zur Zeit gearbeitet wird. In da wird sicher einiges in Zukunft verstärkt an Bedeutung gewinnen. So wird vermutlich die Einteilung von „fest“ oder „schwach“ gebundenen Asbestprodukten zugunsten einer Einschätzung des Faserfreisetzungspotentials weichen.

Beim Thema „Durchführung und Risikobewertung von Arbeiten“ wird von der TRGS 519 Arbeitsgruppe Handwerkstätigkeiten den Risikobereichen „grün“, „gelb“ und rot zugeordnet. Ein Konzept, das mich stark an die in der Schweiz bereits seit längerer Zeit angewendeten Kategorien erinnert.

Dazu passt auch, dass die Berufsgenossenschaft Energie, Textil Elektro- und Medienerzeugnisse ein Messprogramm „Asbest auf Baustellen“ durchführt. Dies soll Erkenntnisse über die Faserfreisetzungen bei Handwerkstätigkeiten bringen.

Der aktuellen VDI 3866 Blatt 5 wurde ein Anhang B beigefügt, der die Bestimmung geringer Asbestgehalte ermöglichen soll. Hier spielen Die Erfahrungen mit der Schulbehörde Hamburg („SBH-Methode”) sowie die des VDI-GVSS-Diskussionspapiers mit hinein. Ich hatte allerdings schon mal eine kleine Kritik ganz speziell dieses Anhang B´s geübt. Er widerspricht nämlich in interessanter Weise dem Hauptteil der VDI 3866. Abgesehen davon gab (und gibt) es ja schon eine bewährte Methode zur quantitativen Bestimmung von geringen Asbestgehalten mit der Methode BIA/IFA 7487. Bei allem Eigenlob wurde hier keineswegs das Rad neu erfunden, sondern bestenfalls ein wenig lackiert. In was die immer wieder erwähnte „SBH“-Methode angeht: wurde die eigentlich je irgendwo dokumentiert und publiziert? Sie wird immer genannt, aber wenn man was konkretes darüber sucht, ist nicht zu finden.

Die Erfahrungen in Sachen Asbestsanierung und Erkundung von verdeckten Asbestprodukten aus diesem Diskussionspapier sollen auch in eine neue VDI 6202 Blatt 3 einfließen. Auch noch eine neue VDI ist in der Pipeline. Die VDI 3876 „Asbest in Böden, Bauschutt und daraus hergestelltem Recyclingmaterial“ wurde im Entwurf im Juni 2017 vorgestellt. Nach Ablauf der Einspruchsfrist soll voraussichtlich in diesem Jahr in den Weißdruck gehen.

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Auch für das leibliche Wohl wurde gesorgt. Eigenes Foto

 

Asbest in Bauschutt und Recycling-Baumaterialien

Um das Thema der neuen VDI 3876 ging es auch bei dem Vortrag von Olaf Dünger von der Tauw GmbH. Wenn man bedenkt, dass alleine in Deutschland rund 240 Mio. t (auf der ITVA Tagung im letzten Jahr wurde sogar von 380 Mio. t. für 2012 gesprochen) an mineralischen Abfällen anfällt, kann man sich das Problem gut vorstellen. Diese mineralischen Abfälle sollen möglichst als Ersatz- respektive Recyclingbaustoffe wiederverwendet werden, um die natürlichen Ressourcen zu schonen. Die Ersatzbaustoffverordnung lässt grüßen. Die Wiederverwertungsrate in diesem Bereich ist mit gut 90 % auch relativ hoch.

Nun sind aber die mineralischen Abfälle mit vielerlei Schadstoffen belastet, von denen Asbest nur einer ist. Die Erkundung auf Asbest im Zuge von Rückbau und Abbruch ist oft unvollständig, auch weil manche asbesthaltigen Produkte nicht oder nur wenig bekannt oder auch schlicht nicht ohne Abbruch zugänglich sind. Ein gutes Beispiel sind asbesthaltige Abstandhalter, Trennstreifen und Mauerstärken aus dem Betonschalenbau, aber eben auch die verdeckten asbesthaltigen Produkte wie Putze und Spachtelmassen.

In den Niederlanden wurde das Problem früher erkannt und im Rahmen mehrerer niederländischer Normen berücksichtigt. Es werden zudem nicht nur mineralische Abfälle auf Asbest untersucht, sondern auch anthropogen veränderte Böden. Schließlich können durch Auswaschungen von Asbestzementen bis zu 100 mg/kg Asbest in Böden gelangen.

Auch in Deutschland hat es spektakuläre Schadensfälle mit Recyclingmaterial gegeben, nicht zuletzt an der Universität Essen, wo eine mit Recyclingschotter belegte Fläche mit Sprinkleranlagen beregnet werden musste, weil in dem Recyclingschotter asbesthaltige Faserzemente zu finden waren.

Anzudenken wäre vielleicht auch, der (immer noch nicht verabschiedeten) Mantelverordnung neben den Schutzzielen Boden- und Grundwasserschutz einen kurzen Blick auf faserförmige Gefahrstoffe über den inhalativen Pfad zu geben.

Erfahrungen mit asbesthaltigen Spachtelmassen

Die verdeckten asbeshaltigen Produkte waren in den letzten beiden Jahren ja das große Thema. So langsam aber kann man die ersten Erfahrungen mit dem Material aus gutachterlicher und aus analytischer Sicht verarbeiten. Dies tat Dr. Alexander Berg von der AB – Dr. A. Berg GmbH.

Die Weiterentwicklung analytischer Verfahren mit geringen Nachweisgrenzen hat es ermöglicht, mit Hilfe von Mischproben mehr Proben auszuwerten, ohne dass die Kosten allzu sehr ausuferten. Dennoch tauchten viele neue Fragen auf. Was bedeuten wenige positive Befunde bei einer Vielzahl negativer Proben? Oder was bedeutet es, wenn die Mischprobe zwar positiv ist, bei der Untersuchung der Einzelproben aber kein Asbest mehr nachweisbar ist? Ws bedeuten unregelmäßige, aber häufige positive Befunde mit sehr geringen Gehalten?

Das Problem positiver Misch- aber negativer Einzelproben ist mir durchaus bekannt. Dann taucht die Frage mit ungeheurer Wucht auf. Das Problem ist die sehr inhomogene Verteilung sehr geringer Asbestgehalte. Die Mischproben sind meist keine homogenen Mischproben. Alleine schon, weil es die Einzelproben nicht sind. Die Asbestfunde können in dem Fall nur ein Hinweis auf die systematische Asbestverwendung in dem betreffenden Produkt sein, auch wenn die Menge des Asbests in den Proben im Bereich der Nachweisgrenze liegen kann.

Die Asbestbefunde in den Mischproben lassen keine Rückschlüsse auf die Mengen in den Einzelproben zu. Bei positiven Befund gilt dieser für alle betroffenen Bauteile. Die Einzeluntersuchung kann aber Rückschlüsse über die Regelmäßigkeit der Asbestverwendung zulassen und eventuell einzelne Flächen vom Verdacht ausnehmen.

Die geringen Nachweisgrenzen der Methode macht auch Asbestgehalte unter 0,1 Massen% nachweisbar. Ab 0,1 Massen% Asbest ist ein Material als asbesthaltiger Gefahrstoff einzustufen. Hier kann eventuell eine quantitative Methode helfen.

Bei staubenden Arbeiten können aber auch Materialien mit weniger als 0,1 Massen% zu nennenswerten Faserfreisetzungen führen. Die entsprechenden Schutzmaßnahmen sind zu beachten.

Dr. Olaf Kropp von der Sonderabfall Management Gesellschaft Rheinland Pfalz klärte uns abschließen noch über die Verantwortlichkeiten für Bau- und Abbruchabfälle auf. Immerhin ging es um die Frage, wer denn hier der Besitzer respektive der Erzeuger der Abfälle ist: der Auftraggeber oder der Auftragnehmer.

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Die Ausstellung. Eigenes Foto

 

 

PCB-Sanierung und verdeckte Quellen

Es gibt ja nicht nur Asbest als Schadstoff in Gebäuden. Auch poychlorierte Biphenyle, oder kurz PCBs spielen hier immer noch eine große Rolle. PCBs wurden über den Zeitraum von 1929 bis etwa 1983 hergestellt. Allein in Deutschland wurden rund 85 000 Tonnen produziert. Gut 24 000 Tonnen davon wurden so genannten offenen Anwendungen verwendet, alleine gut 20 000 Tonnen als Weichmacher in Fugenmassen.

Als Gebäudeschadstoff besitzen PCBs einige sehr unschöne Eigenschaften; Schwerflüchtig, aber sie sind eben flüchtig.  Organisch und doch persistent, das heißt, sie bauen sich nicht ab. Sie wurden in Feststoffen eingesetzt und sind dennoch eine Flüssigkeit. In der Kombination eröffnet dies einzigartige Wirkpfade zum Menschen. Einmal in die Raumluft gelangt, können sie sich auf Oberflächen niederschlagen. Es stellt sich eine Gleichgewichtssituation her, die jeder erfolgreichen Sanierung eine umfassende, sachverständige Bearbeitung aufzwingt. Sie diffundieren in Bauteile des Gebäudes hinein, von denen sie auch Jahre nach einer erfolgreichen Sanierung wieder in die Raumluft gelangen können. Jannis Drakkidis von der Wessling GmbH Mannheim brachte uns die komplexen Zusammenhänge der PCB-Sanierung nahe.

PCB und das neue Mutterschutzgesetz

Die oben angesprochenen Wechselwirkungen können dazu führen, dass lange nach einer erfolgreichen Sanierung und Unterschreitung von 100 ng PCB/m³ in der Raumluft als Sanierungsziel bei Sommertemperaturen und geringer Lüftungsrate die Zielwerte wieder überschritten werden können.

Die semivolatilen Eigenschaften der PCB führen auch zu einer Anreicherung im Hausstaub und in lackierten Oberflächen von Möbeln. Es kann von dort eine Lösung in den Hautschweiß erfolgen. Derzeitig wird die dermale Bioverfügbarkeit von PCB wohl noch nicht stark beachtet. Was hinsichtlich der PCB ab dem 1. Januar 2018 beim Mutterschutz zu beachten ist, legte uns Dr. Volker Plegge von der Tauw GmbH nahe.

Hausstaub als Indikator für Gebäudeschadstoffe

Überhaupt stellt der Hausstaub vermutlich einen durchaus brauchbaren Indikator für viele Gebäudeschadstoffe dar. Gerade schwer bis wenig flüchtige Stoffe, wie die oben beschriebenen PCBs und andere POM (persistent organic pollutants), aber eben auch Asbest oder Schwermetalle sind im Hausstaub zu finden. Somit könnte mit der Analyse von Hausstaub aufgezeigt werden, welchen mittel- bis schwerflüchtigen Substanzen die Bevölkerung ausgesetzt ist. Der AGÖF (Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Forschungsinstitute ) erstellt zur Zeit einen „Leitfaden für Hausstaubuntersuchungen auf chemische Parameter (SVOC, Schwermetalle, POM)“. Jörg Thumulla von der anbus analytic GmbH in Fürth stellte die zugrunde liegenden Fragestellungen und Ziele vor.

Asbestexposition bei handwerklichen Tätigkeiten

Dank der diversen asbsthaltigen bauchemischen Produkte besteht beim Bauen im Bestand für handwerkliche Tätigkeiten immer ein erhebliches Expositionsrisiko. Dr. Bernd Sedat vom Sachverständigenbüro Dr. Sedat stellte neue Studienergebnisse zu dem Thema vor. Eines der Probleme gerade bei den bauchemischen Produkten wie Spachtelmassen und Putzen ist, dass der in ihnen enthaltene Asbest oft aus den nicht mehr verwendbaren Asbeststäuben aus der Rohasbestaufbereitung stammt. Daher sind die Asbestfasern in ihnen meist schon hinsichtlich ihrer Abmessungen feinfaserig und entsprechend lungengängig. Außerdem werden asbesthaltige Produkte wie Farben und Stuckmassen schon seit gut 100 Jahren eingesetzt, so dass sie sich vermutlich in vielen Gebäuden wiederfinden, die über diesen Zeitraum erbaut und/oder renoviert wurden.

Unter normalen Baustellenbedingungen ist daher anzunehmen, dass sich Asbestfaserkonzentrationen oberhalb des Toleranzbereichs einstellen können (gefährliche Arbeiten). Man sollte daher die Notwendigkeit einer Gefährdungsbeurteilung erkennen. Auftraggeber sind angehalten, die Gebäude auf Schadstoffe wie z.B. Asbest zu untersuchen und die Ergebnisse ihren Auftragnehmern zu übergeben. Außerdem sollte immer auf staubarmes Arbeiten geachtet werden.

DCONex 2018
Aufmerksames Lauschen. Eigenes Foto.

 

 

Schadstoffarm bauen und sanieren

Bei all den Diskussionen um Gebäudeschadstoffe kommt einem schnell der Gedanke; warum wurde der ganze Kram eigentlich eingebaut? Hätte man sich nicht sehr viel Mühe und Kosten sparen können, wenn man das vermieden hätte? Klar, aber das Vermeiden von Schadstoffen ist nicht so ganz simpel, wie es sich zuerst anhört. Dr. Frank Kuebart vom eco-Institut Germany GmbH stellte die Frage, ob und wie sich Schadstoffe beim Bau und der Sanierung von Gebäuden möglichst vollständig vermeiden lassen.

Dazu passte auch der Vortrag von Outi Ilvonen vom Umweltbundesamt über die Konsequenzen des EuGH Urteils 16.10.2014-C-100/13 auf die Auswahl von umwelt- und gesundheitsverträglichen Bauprodukten.

Prof. Dr. Peter Ihle vom Institut für Baubetriebswesen der TU Dresden führte werkvertragliche Regelungen für die Planung und Ausführung von Arbeiten an Schadstoffbelasteten baulichen und technischen Anlagen aus.

Radon als Schadstoff

Das Thema Radon wird in der näheren Zukunft sicher eine immer größere Rolle spielen. Radon ist ein unsichtbares und geschmackloses, aber auch leider radioaktives Edelgas. Das stabilste Isotop, Rn222 zerfällt mit einer Halbwertszeit von 3,823 Tagen unter Aussendung eines α-Teilchens zu Po218. Genau da liegt das Problem. Als Gas kann es leicht beim Atmen in die Lunge gelangen, und dort können sowohl Radon als auch seine radioaktiven Folgeprodukte das Risiko erhöhen, an Lungenkrebs zu erkranken. Dabei wurde Radon nicht absichtlich in Werkstoffen verwendet, sondern stammt meist aus dem Gestein im Untergrund des betreffenden Gebäudes. Die Quelle sind Spuren von Uran und Thorium im Gestein. Das Radon kann durch Risse über keller- und erdberührende Wände in Keller und Gebäude eindringen. Der Mittelwert der Radonbelastung in Deutschland beträgt rund 50 Becquerel pro Kubikmeter.

Dr. Gerhard Binker von der Binker Materialschutz GmbH zeigte, auf welchen Pfaden Radon in Gebäude eindringen kann. Dabei wird das Eindringen durch Druckunterschiede zwischen Untergrund und Gebäude besteht und Luft oberirdisch aus dem Gebäude entweichen kann. Ein anderer Weg ist Diffusion, bei der Radonatome entlang dem Rn-Konzentrationsgefälle in die Poren der Wand- und Bodenmaterialien eindringen. Dies ist sehr langsam und transportiert nur relativ geringe Mengen Radon.

Bei der Radonsanierung ist die Aufgabe, die Eintrittspfade zu identifizieren und zu kappen. Man kann auch die Belastung durch den Einbau von Belüftungssystemen reduzieren oder die radonbelastete Luft absaugen (innerer Radonbrunnen). Mit einem äußeren Radonbrunnen können die Druckverhältnisse zwischen Gebäude und Untergrund so verändert werden, dass die Belastung in der Innenluft sinkt.

Der Nationale Asbestdialog

Herr Martin Kessel von der ARCADIS Germany GmbH brachte noch einmal das Thema Asbest auf die Tagesordnung. Im letzten Jahr fand der Nationale Asbestdialog statt. In ihm sollten viele Fragen zum Arbeitsschutz, aber auch zum Schutz der Bevölkerung und die Problematik der Abfallstoffe aus Bau und Abbruch erörtert werden.

Vieles ist aber noch zu tun. So muss das Thema Gebäudeschadstoffe / Asbest bereits im Studium bei Architekten und Bauingenieuren , aber auch in der Ausbildung beim Handwerk verankert werden. Wobei ich die Fokussierung auf Architekten und Bauingenieure kritisieren möchte. Ein nicht unerheblicher Teil der mit Gebäudeschadstoffen und deren Erfassung/Bewertung beschäftigten Leute haben einen geowissenschaftlichen Hintergrund.

Die Asbestrichtlinie sollte überarbeitet werden. Dabei sollte das Kriterium des Faserfreisetzungspotential aller Asbestverwendungen berücksichtigt werden. Man sollte sich vielleicht auch über die Einführung des Vorsorgegedankens im Baurecht Gedanken machen.

Auch hinsichtlich der Ersatzbaustoffverordnung sollte Asbest als Untersuchungsparameter für Bauschutt zur Sicherung der Qualität von RC-Material eingeführt werden.

Dazu gehört aber auch ein „Abschneidekriterium“ zur Definition, was „asbestfrei“ bedeutet. Zur Zeit mangelt es da noch sehr.

Vielleicht wäre über ein nationales Förderprogramm zur Sanierung oder Demontage von asbesthaltigen Baustoffen nachzudenken. Das könnte eventuell mit einer Förderung von energetischen Sanierungen gekoppelt werden.

Fazit

Auch in diesem Jahr war die DCONex wieder lehrreich. Es gibt einige Entwicklungen, die ich sicher im Auge behalten werde (VDI 3876, Arbeitsplatzfilter, Asbestdialog, etwaige Grenzwerte bei Asbestgehalt etc.). So manche Anregung konnte man auch mit nach Hause nehmen. Die hier vorgestellten Vorträge sind meine eigene Auswahl. Das gilt auch für die Ausführlichkeit, die subjektiv meine eigenen Interessen widerspiegelt und keine objektive Wertung darstellen soll. Die jeweils parallel stattfindenden Vorträge sind daher hier nicht zu finden, obwohl sie sicher ebenfalls sehr interessant gewesen wären. Ich bin aber gehalten, die in diesem Universum geltenden Naturgesetze zu befolgen. Natürlich waren auch wieder viele neue und alte Kontakte zu pflegen.

 

Weitere Fotos von der DCONex 2018 sind im Flickr Album zu finden.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

4 Kommentare

  1. 5% der Lungenkrebsfälle werden in Deutschland Radon zugeschrieben.Doch das ist errechnet aufgrund eines angenommenen linearen Dosis- Wikungsverhältnisses. Soviel ich weiss, lässt sich empirisch ein Zusammenhang Lungenkrebs/Radon nicht nachweisen. Von daher sehe ich wenig Grund für exzessive Massnahmen zur Reduktion von Radonquellen.

  2. Interessanter Artikel! Ich verfolge nun schon eine ganze Weile Ihre Berichterstattung über Asbest. Die Erforschung dieses Gebäudeschadstoffes und die damit verbundenen Erkenntnisse schlagen sich vielleicht im Arbeitsschutz nieder, das entsprechende Bewusstsein in der Bevölkerung muss aber noch geschaffen werden. Viele Häuser in meiner Stadt sind mit Eternitplatten verkleidet und durch den letzten Sturm wurden etliche Platten beschädigt. Ein Hausbesitzer schlug daraufhin auch die restlichen Platten herunter und ließ sie wochenlang unbedeckt neben der Straße liegen. Für private Sanierer gibt es zwar jede Menge Informationen im Internet, aber die wenigsten scheinen sich darum zu kümmern. Zudem wissen die Käufer älterer Immobilien oft gar nicht, ob asbesthaltige Materialien verbaut wurden, weil kein Verkäufer verpflichtet ist darauf hinweisen.

    • Ja, das Bewusstsein in der Bevölkerung ist durchaus ein Problem. Viele wissen meist nicht, welche Produkte in ihrem Haus / Wohnung asbesthaltig sind. Da sollte man sich vor einer privaten Sanierung durchaus Rat und Informationen holen. Denn sonst kann es hinterher richtig ärgerlich und vor allem teuer werden.
      Das Herunterschlagen und Liegenlassen der Faserzementplatten kann dann auch schnell mal einigen Ärger mit der Justiz bedeuten. Abrasives Behandeln von Asbestzement ist nämlich schlicht verboten. Auch Privatpersonen.
      Was die Informationen beim verkauf angeht: Es gibt, soweit ich weiß, keine Erkundungspflicht. Das ist ein Problem, und ich würde beim Kauf von Immobilien durchaus in eine Begehung mit einem Sachverständigen für Gebäudeschadstoffe investieren. Kann zumindest nicht schaden, und die Kosten sind, im Vergleich zu dem Preis einer Immobilie, meist überschaubar.
      Wenn der Verkäufer aber Kenntnis über etwaige asbesthaltige Materialien in dem Gebäude hat, so ist er (zumindest soweit ich weiß) verpflichtet, diese dem Käufer auch mitzuteilen. Tut er das nicht, kann meiner Kenntnis nach sogar der Kaufvertrag hinfällig sein.

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