Impaktdiamanten am Popigai Krater

BLOG: Mente et Malleo

Mit Verstand und Hammer die Erde erkunden
Mente et Malleo

Letzte Woche ging eine Meldung über außergewöhnliche reichhaltige Diamantenfunde in Sibirien im Netz herum. Das Vorkommen läge im Popigai Krater, einem rund 35 Millionen Jahre alten und rund 100 Kilometer durchmessenden Einschlagskrater.

alt

Der Popigai-Krater in Sibirien. Kann er wirklich den Diamantenmarkt aufmischen? Foto: NASA.

Leider war außer ein paar der bekannten und nichts sagenden Schlüsselworten kaum etwas brauchbares aus den entsprechenden Verlautbarungen herauszufiltern. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist daher nicht allzu viel dran an dieser Geschichte. Aber sie mag dennoch einen wahren Kern haben.

The Russians have kept it a secret all this time, but recently declassified documents now reveal the true extent of the hoard — a cache of diamonds that could supply global markets for another 3,000 years.(Quelle)

Das dürft in dieser Form nicht ganz zutreffen. Die Vorkommen der Impakt-Diamanten sind schon mindestens seit den 1990´ern bekannt, und viele Wissenschaftler haben die entsprechende Region auch schon mit Erlaubnis der russischen Regierung besuchen können.

Director of the Institute of Geology and Mineralogy at the Siberian Branch of the Russian Academy of Sciences Academician Nikolai Pokhilenko said “the first results of research were sufficient to talk about a possible overturn of the entire world market of diamonds.” (Itar TASS)

Auch das halte ich für ausgesprochenes Wunschdenken. Es ist durchaus möglich, dass dort große Vorräte an Diamanten liegen. Aber ob es sich wirklich lohnt, diese auch abzubauen, hängt von vielen Faktoren ab.

Deputy Director of the Yakutnipromalmaz Institute Gennady Nikitin warns: “The Popigai diamonds can overturn everything, and is not clear what will happen to prices in the market.”

According to Academician Pokhilenko, “the value of impact diamonds is added by their unusual abrasive features and large grain size.” (Itar TASS)

Nun bin ich kein Fachmann für Diamanten, aber nach allem was ich vermute, wird der “Markt” nicht ganz so beeindruckt sein, wie manche sich vielleicht erhoffen, denn , um mal ein Beispiel zu nehmen, werden in den Vereinigten Staaten rund 99% der Industriediamanten durch synthetische Diamanten gedeckt, deren Größe und Eigenschaften sich kontrollieren lassen. Und egal was da in russischen oder sonstigen Quellen geschrieben wird, hier geht es um Industriediamanten, keine Steine in Schmuckqualität. Also kaum eine russische “Austernlinie“.

Doch bleiben wir erst einmal bei den Fakten, die bekannt sind. Der Krater liegt in graphithaltigen Amphibol-Gneisen, die teilweise von mehreren 100 m mächtigen jüngeren Gesteinen überlagert wurden. Beim Einschlag des Meteoriten wurden nicht nur der einschlagende Meteorit, sondern auch große Mengen der überlagernden Gesteine und des Gneises verdampft, so dass ein gut 10 Kilometer durchmessender Krater entstand. Erst in einer Zone rund 12 bis 13,6 Kilometern Entfernung vom Einschlagzentrum waren die Bedingungen so weit, dass sich aus den im Gneis befindlichen Graphiten nicht nur Diamanten bilden, sondern überliefert werden konnten (Lee 2004). Weiter Innen wurden die durch die Schockwellen gebildeten Diamanten durch die Impaktfolgen wieder zerstört, weiter außen reichte die Stoßwellenmetamorphose nicht mehr zur Bildung von Diamanten aus. Das bedeutet, dass in einer rund 1,6 Kilometer breiten Zone durchaus größere Mengen an Diamanten vorkommen können und die Lagerstätte in der Tat unter den größten Diamantenvorkommen der Erde anzusiedeln wäre (möglicherweise wäre sie wirklich die größte Lagerstätte).

Und die Entstehung sagt auch schon einiges über die Größe und die Qualität der dortigen Diamanten aus. Der ursprüngliche Graphit hat rund 1 %, stellenweise auch 5% des Gneises ausgemacht. Die Diamantenentstehung war eine Sache buchstäblich von einem Augenblick, von wenigen Millisekunden, in denen der Druck der Schockwelle hoch genug war. Daher sind die so entstandenen Diamanten auch kleine, polykristalline Steinchen, die in etwa die selbe Gesamtgröße haben, wie die ursprünglichen Graphite, in den allermeisten Fällen wohl unter 2 mm. Das dürfte sie sicher für industrielle Zwecke interessant machen, aber wie wir oben gesehen haben, ist dieser Markt schon durch synthetische Diamanten recht gut besetzt. da hat es ein bergbaulich gewonnener Diamant vergleichsweise schwer. Und aus diesem Grund würde ich davon ausgehen, dass die Verwerfungen am Markt durch das “neue” Vorkommen auch klein bleiben. Zumal der Popigai-Krater auch sehr weit ab vom Schuss liegt.

Eine Sache hatte mich extrem stutzen lassen: Die Einleitung bei ITAR TASS beginnt mit den Worten:

Russia has declassified a large deposit of super hard diamonds which are twice harder than usual ones. (Itar TASS)

Ich bin nach wie vor am Rätseln, was bitte schön damit gemeint sein kann. Möglicherweise spielen die Meldungen auf die Anteile des Minerals Lonsdaleit an, welches zusammen mit den Impakt-Diamanten gefunden wurde. Dieses Mineral ist eine hexagonal kristallisierende Kohlenstoffvariante, die auch gerne als hexagonaler Diamant bezeichnet wird. Seine übliche Hörte wird aber mit 7 bis 8 auf der Mohs Skala angegeben. Es gibt allerdings Hinweise, dass synthetische Lonsdaleite die Härte von Diamant durchaus übertreffen können (Zicheng Pan, Hong Sun, Yi Zhang and Changfeng Chen 2009). Allerdings ist über natürliche Vorkommen dort (oder sonst wo in der Welt) von derartigen “superharten” Lonsdaleiten nichts bekannt. Ich gehe daher davon aus, dass es sich hier um eine Art Hoax handelt.

 

Keenan Lee (2004): fact sheet posted on the Colorado Bureau of Mines, Department of Geology and Geological Engineering website, February.

Zicheng Pan, Hong Sun, Yi Zhang and Changfeng Chen, (2009): Superior Indentation Strength of Wurtzite BN and Lonsdaleite, Physical Review Letters, 1002, 055503, The American Physical Society, 2009.

Alexander Deutsch, Victor Masaitis, Falko Langenhorst and Richard Grieve: Well preserved giant impact structure, national treasury, and world’s geological heritage, Episodes, Volume 23, Number 1, pages 3 – 11.

Nachtrag 26.09.2012: Präzisierung der Zone der Diamantenentstehung und Erhaltung.

Avatar-Foto

Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

3 Kommentare

  1. Diamantenrausch…

    In der Wikipedia steht, dass Diamanten innerhalb der 13 km des Einschlagzentrums vorkommen würden – bei ihnen genau andersrum. Das ist schon relevant. Denn, ob ich einen kleinen Radius umgraben muß oder einen großen ist ein Unterschied.

    Insgesammt fällt mir bei der Nachricht ein, dass Alaska 1867 von den USA gekauft wurde. in der Folgezeit vom Militär verwaltet und etwa 1896 der Goldrausch begann. Alaska bildet seitdem mit seiner Landfläche in etwa 20 % der Gesamtfläche der USA … und war sozusagen unbesiedelt – Menschenleer. Da bietet sich doch ein Goldrausch an, um dadurch ein Mindestmaß an Infrastruktur zu erstellen – Hoheitsgebiete brauchen ein Mindestaß an Erschliessung.

    Und so kann man auch diese Meldung von Diamanten im Popigai-Krater nehmen – Sibirien ist an den meistens Stellen ebenso Menschenleer und unbesiedelt. Und Infrastruktur baut niemand einfach so in die Pampa – ausserdem ist die davon abhängig, ob sie überhaupt jemand benutzt. Es ist sogesehen ein gemeinsamer Prozess der Entstehung. Sollte man es also schaffen, einen Diamantenrausch anzustoßen, wäre damit dieses Ziel erreicht.

  2. @ Chris

    Vielleicht habe ich das etwas unglücklich ausgedrückt. Die Schockwellen haben natürlich auch innerhalb der 13,6 Kilometer Zone Diamanten entstehen lassen, aber die Bedingungen waren derart, dass diese Diamanten keine Überlebenschance hatten. Nur im der Zone zwischen 12 und 13,6 Kilometern konnten sie sich bilden _und_ überdauern. Ich werde das wohl noch mal etwas eleganter ausdrücken im Text.

Schreibe einen Kommentar