Paläopedanterie – Jurassic Park und der Velociraptor

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Wohl jeder an Paläontologie und Dinosauriern interessierte hat einen oder gar mehrere Filme der „Jurassic Park“ Reihe gesehen. Und den meisten dürfte inzwischen bekannt sein, dass die dort dargestellten menschenfressenden Raubsaurier vom Typ Velociraptor etwas zu groß geraten sind. Ich habe das ja auch gerade erst wieder in meinem Blogbeitrag zum Thema Ernährung der Velociraptoren erwähnt, und in der anschließenden Diskussion erwähnte Michael Khan, dass die im Film dargestellten Raptoren vielmehr Deinonychus ähneln würden. Das stimmt. Aber die Frage ist, warum wurde aus den kleinen, knapp 15 kg schweren Velociraptor mit einer Länge von rund 2 Metern und einer Hüfthöhe von nur 50 Zentimetern ein Raubsaurier, der ihm mit seinen 3,4 Metern Länge, 87 Zentimetern Hüfthöhe und einem Kampfgewicht von 73 so sehr ähnelt, wie ein Pitbull einem Kleinpudel. War es der eingängigere Name? Gerne kommt dann die Behauptung, dass Hollywood schlicht ein möglichst eindrucksvolles Monster schaffen wollte, als Gegenspieler für die Helden. Bislang hätte ich dem ja glatt zugestimmt. Aber im Rahmen der Diskussion zu meinem Velociraptor-Artikel stieß ich auf ein altes Posting von Brian Switek, der ein klein wenig neues Licht in die Sache brachte.

 

Velociraptor im Größenvergleich mit einem Menschen. Wikimedia, User Dinoguy2, CC-by-2.5.

 Deinonychus im Größenvergleich mit einem Menschen. Wikimedia, User Dinoguy2, CC-by-2.5.

Darin geht es um die Art und Weise, wie Paläontologen ihren Funden Namen geben, und dass die Namen sich im laufe der Zeit ändern können, wenn sich beispielsweise herausstellt, dass der Name bereits für ein anderes Lebewesen vergeben ist, oder wenn das selbe Lebewesen bereits unter einem anderen Namen beschrieben wurde. Meist erfolgen die Umbenennungen lautlos und von der Öffentlichkeit unbemerkt. Manchmal aber bekommt man es selbst als Laie mit. So erging es jüngst dem miozänen Riesenkillerwal, dessen ursprünglicher Name bereits vergeben war. Und darum ist der beliebte Brontosaurier auch in den Paläontologiebüchern als Apatosaurus zu finden. Besonders interessant wird es, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass Jugend- und Erwachsenenform eines Lebewesens als zwei unterschiedliche Arten bekannt sind. In diesem Fall zählt dann der ältere Name, und der jüngere gerät ins Vergessen. Vergleiche die Geschichte vom Triceratops und Torosaurus (obwohl es jüngst wieder Zweifel an der Geschichte gibt).
Zurück zu unseren Velociraptoren. Die Gattung Velociraptor wurde zuerst 1920 beschrieben, und zwar der kleine Velociraptor mongoliensis. Deinonychus hingegen ist seit 1960 bekannt, wenn der Paläontologe John Ostrom ein sichelklauenbewehrtes Skelett eines Raubsauriers aus Nordamerika beschrieb. Der Fund machte deutlich, dass die bisherige Sichtweise der Dinosaurier als träge Biester kaum haltbar war. Deinonychus schien deutlich agiler zu sein, auf zwei schnellen Laufbeinen und einem langen Schwanz, um die Balance zu halten. Diese neue Sichtweise der Dinosaurier als agile, mehr den heutigen Vögeln als den Eidechsen ähnelnde Lebewesen inspirierte den Autoren des Buches populären "Predatory Dinosaurs of the World" von 1988, Gregory S. Paul. In dem Werk stellte er die Dinosaurier als agile und aktive Jäger dar. Nicht nur das, er mischte sich auch in die Taxonomie ein. Ihm war die große Ähnlichkeit der Skelette des mongolischen Velociraptor und des nordamerikanischen Deinonychus aufgefallen. Ihre Ähnlichkeit erschien ihm groß genug, beide Arten unter der Bezeichnung Velociraptor zusammenzufassen. Der ältere Name sollte wie üblich hier für beide gelten.
Das Problem war, das die Paläontologen ihm hier nicht folgen wollten und Velociraptor getrennt von Deinonychus bleiben sollte. Da aber das Buch von Paul in der Öffentlichkeit eine große Verbreitung besaß, gingen diese Feinheiten meist unter. Unter den vielen Lesern des Buches war auch Michael Crichton, der Paul in seiner Danksagung zu seinem Buch unter den Leuten auflistete, die ihn zu der Geschichte inspiriert hatten. Und in der Geschichte von Crichton taucht ein Velociraptor als großes, sichelklauenbewehrtes, menschenaufschlitzendes Monster auf. Dieselbe Taxonomie wurde dann auch auf die Filmreihe übertragen.
Was für Hinweise gibt es außerdem, dass Crichton hier nicht einfach seine eigene künstlerische Freiheit ein klein wenig ausnutzte? Da wäre einmal noch das Bonusmaterial der DVDs, beispielsweise zum Film Jurassic Park III. Hier sagt der das Filmteam beratende (und als Vorbild für den im Film dargestellten Paläontologen dienende) Jack Horner aus, das es erst jüngst gelungen ist, einen gut erhaltenen Schädel von Velociraptor zu bergen. Das ist aber, historisch betrachtet, so nicht richtig. Vielmehr war es ein gut erhaltener Schädel von Velociraptor, welcher zur ersten Beschreibung der Art diente, und das war 1920. Bei Deinonychus hingegen hat sich die Rekonstruktion des Schädels in der jüngeren Zeit verändert, weil erst jetzt gut erhaltene Schädel dieser Art gefunden wurden. Es ist also möglich, dass hier zwar Deinonychus gemeint war, man aber den populäreren Namen Velociraptor beibehielt, um das Publikum nicht zu verwirren.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

2 Kommentare

  1. Danke!

    Hallo Gunnar,
    dein Beitrag ist spannend, informativ und gut lesbar geschrieben. Es hat Spaß gemacht, dem zu folgen.
    Vielen Dank fürs Recherchieren!

    LG Anke

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