Waren die Angehörigen der Ediacara Fauna Landratten?

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Sie gehören zu den Rätseln der Paläontologie, die Lebewesen der Ediacara-Fauna, die im ausgehenden Präkambrium vor etwa 585–542 Mio. Jahren lebten. Die klar gegliederten mehrzelligen Lebewesen haben sich trotz des Fehlens jeglicher Hartteile durch glückliche Zufälle erhalten. Bislang hält die Mehrzahl der Forscher sie für Wesen, die in etwa unseren heutigen Quallen, Seefedern und Würmern nicht unähnlich auf sandigem Boden in lichtdurchfluteten flachen Meeren lebten. Es muss eine vergleichsweise friedliche Zeit gewesen sein, möglicherweise ohne eine Räuber-Beute-Beziehung, wie wir sie heute kennen. Denn den Wesen fehlten jegliche Hinweise auf offensive oder defensive Organe. Und es wurden bislang keinerlei Bisspuren gefunden.

So friedlich diese uns fremde Welt auch gewesen sein mag, so kontrovers wird sie heute diskutiert. Denn es lassen sich kaum Verwandschaftsbeziehungen zwischen der Ediacara-Fauna und den später ab dem Kambrium auftauchenden, Hartschalen tragenden Tieren finden.

Und jetzt mag es noch eine Runde unfriedlicher zugehen, denn der Geologe Gregory Retallack von der University of Oregon hat eine neue Hypothese in den Ring geworfen. Für ihn könnten die Fossilien auch die ältesten Hinweise auf Landlebewesen darstellen. Retallack ist Spezialist für Paläoböden, besonders aus präkambrischen Zeiten. Und er hat in den Sandsteinen und Quarziten der Ediacara-Hügel in Australien klare Hinweise auf die Anwesenheit von alten Bodenbildungen gefunden. Stellt sich die Frage, wie man einen Boden erkennt aus dieser Zeit erkennen kann. Durch sorgfältige geologische Methoden wie der Geochemie, den stabilen Isotopen aber auch Hinweisen wie Karbonatbildungen, Sandkristallen, Trockenrissen oder Eiskristallen kann man ausschließen, dass das betreffende Sediment unter Wasser gebildet wurde.

Retallack hat sich etliche der Ediacara Fossilien genauer angeschaut und findet, dass sie ähnlich heutigen Organismen eine Vorliebe für frostfreie, salzarme und nährstoffreiche Böden hatten. Demnach würden viele der Ediacara Fossilien eben keine Quallen oder Seefedern ähnliche Wesen dargestellt haben, sondern mehr modernen Flechten und Schleimpilzen ähneln. Manche der Fossilien könnten auch Krusten aus Biofilmen, pilzartige Fruchtkörper oder schlicht Spuren von Eis darstellen.

Mir fehlt ein bisschen der Hintergrund, um in dieser Diskussion wirksam mitmachen zu können. Aber die Sache hat durchaus einen gewissen Charme. Denn wenn dieser These nach die Ediacara-Fauna auch keine direkten oder indirekten Vorgänger der später während der so genannten kambrischen Explosion auftretenden Wesen waren, so könnten sie als unabhängiger Zweig der Evolution an Land daran mitgewirkt haben. Denn möglicherweise brauchte es die 20 Millionen Jahre durch biologische Vorgänge an Land verstärkte Verwitterung, um die für die kambrische Revolution benötigten Elemente in das Meer zu befördern. Möglich, dass Funde von zeitgleich lebenden Ediacara- und kambrischen, hartschalen tragenden Fossilien könnte ein Hinweis darauf sein, dass das Leben an Land im Präkambrium dem im Meer an Komplexität in nichts nachtstand.

Es zeigt aber auch, dass uns das leben vor rund einer halben Milliarde Jahren wohl ebenso fremd ist, wir mögliches Leben auf einem fremden Planeten. Ich bin gespannt, wie die Diskussion weitergeht.

Ediacaran Life on Land, Gregory J. Retallack, Nature (2012) doi:10.1038/nature11777

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

1 Kommentar

  1. Spannend

    Die Entwicklung und Evolution des Lebens auf diesem Planeten verfolge ich seit langem mit großer Spannung. Gerade die Zeit vor der kambrischen Explosion finde ich sehr faszinierend. Daher an dieser Stelle mein Lob für diesen Artikel, gern auch mehr 🙂

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