Kurze Kritik zum 4. Referentenentwurf zur Änderung der Gefahrstoffverordnung

Achtung, Asbest!

Über die Gefahrstoffverordnung bzw. deren Neufassung habe ich an dieser Stelle schon mehrfach berichtet (hier und hier zum Beispiel). Die Neufassung lässt nach wie vor auf sich warten, auch wenn sie immer wieder relativ konstant angekündigt wird. Man könnte also meinen, dass sich hier nichts tut, jedenfalls nichts Nennenswertes. Dem ist nicht so, denn es ist etwas frischer Wind in die Sache gekommen.

Am 17. Juni wurde der 4. Referentenentwurf zur Änderung der Gefahrstoffverordnung vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales veröffentlicht und seitdem schlagen die Wellen hoch.

Die Veranlasserpflicht

Hier geht es eigentlich um einen der relativ zentralen Punkte, die sogenannte „Veranlasserpflicht“. Ursprünglich war damit gemeint, dass der Veranlasser der Bautätigkeit (aka „Bauherr“) eine umfassende Informationspflicht hat. Er hat vor Beginn der Arbeiten die bauliche Anlage zu erkunden und festzustellen, ob aufgrund der Bau- und Nutzungsgeschichte des Objektes mit dem Vorhandensein von Gefahrstoffen, insbesondere (aber nicht nur) Asbest, zu rechnen ist und ob diese durch die Arbeiten freigesetzt werden können.

Ein Generalverdacht sollte zumindest ursprünglich auch für alle Gebäude oder Anlagen gelten, mit deren Bau vor dem Asbestverbot im Oktober 1993 begonnen wurde. Hier musste mit Asbest gerechnet werden, es sei denn, eine Erkundung hätte das Gegenteil ergeben. Ich habe auch immer wieder darauf hingewiesen, dass ein zu enger zeitlicher Zusammenhang mit dem Asbestverbot nicht unproblematisch ist. Gerade in der unmittelbaren Zeit danach könnte es immer wieder zur Verwendung von „Restbeständen“ gekommen sein. Man dürfe auch nicht vergessen, dass z.B. im Diskussionspapier zu den versteckten Asbestprodukten von 2015 von einem Zeitraum bis 1995 gesprochen wurde, in dem mit der Verwendung von asbesthaltigen Produkten zu rechnen sei.

Verwässerung der Veranlasserpflicht

Mit dem oben Gesagten sollte eigentlich alles klar sein, möchte man meinen. Nun scheint aber die neue Gefahrstoffverordnung ein wenig in ein Spannungsfeld geraten zu sein. Ich kann nur spekulieren, aber natürlich bedeutet eine umfassende Ermittlungspflicht auch einen nicht unerheblichen Aufwand und vor allem einige Kosten für den Verursacher. Es ist sicherlich zu erwarten, dass das nicht unbedingt allen gefällt.

Zum anderen scheint es auch so zu sein, dass die Kosten der Erkundung als mögliches Hindernis für eine energetische Sanierung angesehen werden. Schließlich sind energetische Sanierungen, wie sie sicherlich in vielen Bestandsgebäuden anstehen, auch eine Möglichkeit, mit eingebauten Gefahrstoffen in Berührung zu kommen. Die entstehenden Kosten hängen also letztlich vom jeweiligen Budget ab. Grob vereinfacht stehen also die Kosten der Asbestsanierung dem Kampf gegen den Klimawandel im Wege….

Denn im aktuellen Referentenentwurf scheint mir diese als Veranlasserpflicht bezeichnete Pflicht zur Erkundung jetzt etwas verwässert. Ganz explizit heißt es hier im §5a Abs. 2.

Damit festgestellt werden kann, ob Asbest vorliegt, hat der Veranlasser vor Beginn der Tätigkeiten an Objekten mit Baujahr zwischen 1993 und 1996 das Datum des Baubeginns des Objekts oder das Baujahr des Objekts, sofern das genaue Datum des Baubeginns nicht bekannt ist, an das mit den Tätigkeiten beauftragte Unternehmen schriftlich oder elektronisch zu übermitteln. Bei Objekten mit Baujahr vor 1993 oder nach 1996 reicht die Angabe des Baujahrs aus“

4. Referentenentwurf zur Änderung der Gefahrstoffverordnung, 17.06.2024

Von einer Erkundungspflicht ist nicht mehr viel übrig geblieben. Diese Änderung stößt derzeit auch auf Kritik aus der Bauwirtschaft. Ich kann diese Wendung auch nicht ganz nachvollziehen, da auch die Veranlasserpflicht zumindest im Grundsatz bereits im Chemikaliengesetz angelegt ist.

Es scheint mir jetzt im Prinzip so zu sein, dass die Risiken und Gefahren, die sich aus dem Umgang mit eventuell vorhandenen Gefahrstoffen ergeben, einfach den beteiligten Bauunternehmen und vor allem deren Beschäftigten aufgebürdet werden. Denn dies dürfte oft genug dazu führen, dass eine umfassende Erkundung einfach nicht stattfindet. Hier wird, um Kosten zu sparen, die Verantwortung auf Schwächere abgewälzt. Auf Schwächere deshalb, weil hier durchaus mit einem Preiskampf zu rechnen ist, bei dem die günstigsten Angebote zum Zuge kommen. Das Risiko, in Zukunft an schweren und tödlichen Krankheiten zu erkranken, tragen also letztlich die Beschäftigten der beteiligten Baufirmen.

Asbest ist noch lange nicht „erledigt“

Das Ganze scheint mir auch ein kleiner Tritt in Richtung aller am Asbestdialog Beteiligten zu sein, die in mehr als 15 Jahren zum Teil mühevoller Arbeit genau diese Sicherheit aller im Umgang mit dem Schadstoff Asbest Beschäftigten im Blick hatten.
Denn auch mehr als 30 Jahre nach dem Asbestverbot ist das Thema Asbest noch nicht erledigt. Zwar ist seit Oktober 1993 die Verwendung und das Inverkehrbringen von Asbest oder asbesthaltigen Produkten verboten, aber der weitaus größte Teil des verbauten Asbests dürfte immer noch in Gebäuden vorhanden sein.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass Asbest ein krebserregender Gefahrstoff ist. Ich hoffe, dass der vorliegende Entwurf zur Änderung der Gefahrstoffverordnung noch überarbeitet wird. In dieser Form jedenfalls dürfte dem Gesundheitsschutz sehr vieler Menschen nicht gedient sein. Und jetzt komme mir keiner mit „aber der Klimawandel….“ – Ja, der ist real, und natürlich müssen wir entschieden dagegen vorgehen. Aber den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Menschen dagegen auszuspielen, halte ich für zynisch. Da muss es wirklich andere, bessere Möglichkeiten geben.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

3 Kommentare

  1. Also ich weiß nicht. Ich hatte eigentlich eher den Eindruck das, da den beteiligten Bauunternehmen die Gesundheit ihrer Arbeitnehmer am Popo vorbei ging man versucht hat die Verantwortung anders wohin zu schieben. Ich weiß jetzt zufällig wo bei mir die Leichen liegen.
    Das ist bestimmt nicht jedem Privatmann als Auftraggeber gegeben.
    Da hat damals geschickt das Bauhandwerk den schwarzen Peter weiter gegeben.
    Natürlich jammern die jetzt.
    Oh ich weiß die denken nur an die Gesundheit ihrer Arbeitnehmer ^^
    Wenn es hart auf hart kommt bricht von denen keiner die Arbeit ab wenn er auf Gefahrstoffe stößt von denen vielleicht vorher eher keiner was gewusst hat.
    So wie es ist sind die schön aus der eigenen Verantwortung raus. Und das hätten sie gern das das so bleibt.

    • Ja, es gibt sicher Bauunternehmen, denen die Gesundheit ihrer Mitarbeiter egal ist, aber ich sehe nicht, wo hier der Schwarze Peter von den Bauunternehmern weitergegeben wird, vor allem an wen denn? Es dürfte wohl schwerlich ein Bauunternehmen zu finden sein, dass ganz ohne Auftrag eines Auftraggebers handelt, und letztlich ist dieser auch der Verantwortliche, egal, wie sehr er sich da jetzt winden mag. Denn selbst wenn die beauftragten Unternehmen dann eine Erkundung selber durchführen, die Kosten werden sie natürlich auf den Auftraggeber abgeben. Von daher dürfte es ziemlich egal sein, ob er das also selber durchführt oder nicht. Sparen in dem Sinne tut er also nur, wenn er ein Unternehmen findet, dem, wie du hier so schön sagst, die Gesundheit seiner Arbeitnehmer egal ist. Dann werden die Folgekosten hübsch an die Gesellschaft weitergegeben. Und Krebserkrankungen sind durchaus Kostenfaktoren.
      Und ja, da werden durchaus Arbeiten abgebrochen, wenn unerwartet Schadstoffe auftauchen. Wir haben oft genug eilige Analysen, weil wieder eine Baustelle steht. Auch die Kosten kann man sich durchaus sparen.

  2. Das die Kosten letzten Endes bei mir landen ist mir schon klar, wo denn auch sonst? Ich habe auch zb kein Gewese gemacht wegen der Wetterplatten an der einen Hauswand, das war so ein Übergangsding. Keiner wusste so genau ob noch Asbest drinnen ist oder nicht, da habe ich gesagt tu so als ob und entsorg die entsprechend.
    Der Kollege hätte die eiskalt von den polnischen Kollegen die er hat anreisen lassen mit der Flex zurecht machen lassen, ohne auch nur einen Gedanken an Atemschutz oder sonst was zu verschwenden.
    Ich weiß das ist anekdotisch aber es war nicht zb das billigste Angebot oder so…
    Die fachliche Eignung hatte aber da eher der Unternehmer nicht ich^^
    Ich war wirklich schockiert.
    Und so einer wird im Zweifelsfall jetzt wahrscheinlich versuchen das irgendwie bei jemand anderem abzuwerfen.

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