Können wir den Tiger noch retten, und was würde es uns kosten?

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ResearchBlogging.orgVor kurzem hatte ich einen Ethiker vorgestellt, der das Ausrotten der Fleischfresser aus ethischen Gründen durchaus für geboten hielt. Und zumindest was den Tiger, die größte heutzutage lebende Raubkatze, angeht, sind wir wohl auf einem guten Weg, dieses Ziel zu erreichen. Vermutlich leben kaum noch 3500 Tiger in freier Wildbahn, und mit guter Wahrscheinlichkeit sind von ihnen nur noch rund 1000 Weibchen im gebärfähigen Alter. Das ist die Lage, in der (ausgerechnet im chinesischen Jahr des Tigers und im Internationalen Jahr der Biodiversität), im November in Russland die Vertreter von 13 „Tigerstaaten“ zusammentreffen, um über den Schutz der Raubkatze zu diskutieren. Und darum habe ich mir den Tiger für den Blog Karneval „Bedrohte Arten“ ausgesucht. Die große Raubkatze stellt für mich einen Schlüssel dar. Können wir Menschen mit großen Raubtieren auf unserem Planeten zusammenleben? Können wir auf Voodoo-Medizin verzichten, welche Lebewesen zu angeblichen Medizinprodukten erklärt? Und wie viel sind wir, die doch immerhin weltweit einige Milliarden Dollar in die Rettung von Banken gesteckt haben, bereit auszugeben, für eine schöne Raubkatze?

Amurtiger
Amurtiger. Eigenes Foto

Zu dem historischen Tiefstand der Tigerbestände haben die Bejagung der Tiger, aber auch ihrer Beutetiere zu einem guten Teil beigetragen. Zusätzlich kommt noch der Verlust und die Zerstückelung ihrer Lebensräume durch den Menschen hinzu. Manche der Unterarten des Tigers, wie etwa der Südchinesische Tiger, sind wahrscheinlich bereits ausgestorben. Einer der Hauptgründe für den Niedergang dieser wunderschönen Raubkatzen ist ihre Verwendung in der so genannten Traditionellen Chinesischen Medizin. Fast sämtliche Teile des Tigers können demnach zu irgendeiner Krankheit als Medizin dienen. Dadurch wird die Wilderei zu einem überaus lukrativen Geschäft. Das hat unter anderem dazu geführt, dass Tiger in freier Wildbahn heutzutage fast nur noch in kleinen und streng geschützten Arealen leben können, auch wenn nach wie vor rund 1,5 Millionen Quadratkilometer in Asien durchaus als für Tiger geeignet gelten können. Unter diesen Restgebieten werden 42 als so genannte „Source Sites“, als quasi Ausgangsgebiete für eine Wiederbesiedelung durch Tiger angesehen, in denen rund 70 % aller heute frei lebenden Tiger leben. Sie weisen eine ausreichende Dichte an Tigern auf. Dazu gehören mehr als 25 Weibchen im gebärfähigen Alter und die Umgebung muss das Potential haben, mindestens 50 gebärfähigen Weibchen  als Revier zu dienen. Außerdem müssen die Gebiete den Status von Schutzgebieten haben, so dass sich die dortige Tigerpopulation auch wirksam schützen lässt. Die 42 Ausgangsgebiete besitzen zusammengenommen kaum 100 000 Quadratkilometer. Das entspricht nur 0,5 % des historischen Verbreitungsgebietes der Tiger und auch nur rund 6 % des heute von Tigern bewohnten Gebietes. Ohne Russland leben rund 74 % der heute frei lebenden Tiger in nur noch 4,5 % des Verbreitungsgebietes. Das macht diese Gebiete für den Schutz und den Erhalt der frei lebenden Tiger so ungemein wichtig. Und wo liegen diese Gebiete? Die meisten von ihnen, nämlich 18, liegen in Indien. 8 finden sich auf Sumatra und 6 im Osten Russlands. Da auch hier die Bestandsdichte an Tigern meist geringer ist, als es die natürlichen Resourcen erlauben, würde alleine eine Erholung der Bestände hier zu einer Erhöhung des Welt-Tigerbestands um rund 70 % führen. Auch wenn man die Vernetzung der Tigergebiete nicht vernachlässigen darf, um den genetischen Austausch zwischen den vereinzelten Populationen zu gewährleisten, so hat doch der Schutz der Tigerbestände absolute Priorität. Gebiete, in denen der Schutz vernachlässigt wird, zeigen meist dramatische Rückgänge der Bestände, während sich in Gebieten mit strengem Schutz die Bestände zumeist auch erholen. Eine Situation, die der der afrikanischen Nashörner in den 1980´ern nicht ganz unähnlich ist. Auch hier konnten sich nur in strengstens geschützten Gebieten die Nashornpopulationen halten.

Dabei würde der Schutz dieser Gebiete keine Unsummen kosten. Studien zufolge wäre der Schutz aller 42 Gebiete bereits für 82 Millionen $ pro Jahr zu bekommen. Das entspricht einem Durchschnitt von 930 $ pro Quadratkilometer. Die wirklichen Kosten würden je nach der Besiedelungsdichte der Umgebung zwischen 130 $ bis zu 5000 $ in dicht besiedelten Gegenden Asiens liegen. Rund 47 Millionen davon werden bereits von den Tigerstaaten und internationalen Organisationen aufgebracht, wovon alleine Indien den Löwenanteil trägt. Aber dennoch fehlen rund 35 Millionen $ pro Jahr für den Tigerschutz.

Arten wie der Tiger, die sich durch eine weite Verbreitung, aber gleichzeitig meist durch eine geringe Bestandsdichte auszeichnen, muss  es Wandermöglichkeiten auch fern der Schutzgebiete geben, wenn die Art als solche überleben und nicht auf Dauer in kleinen, voneinander abgetrennten Gebieten an genetischer Verarmung und Inzucht leiden soll. Jetzt aber ist es erst einmal notwendig, die letzten Tigergebiete wirksam vor Wilderei zu schützen.

Tiger cubs sniff WWF camera trap from WWF on Vimeo.

Auf diesem Video zeigt eine Sumatra-Tigerin mit ihren Jungen eindeutig ihr Interesse für eine Kamera der World Wildlife Federation. Mittlerweile dürfte es nur noch rund 400 Sumatra Tiger in freier Wildbahn geben. Es ist also fraglich, ob diese Unterart die Verfolgung durch Wilderer und die Zerstörung ihres Lebensraumes in Indonesien noch lange überstehen wird. Diese speziellen, vom Wild aktivierten Kameras werden vom WWF seit rund 5 Jahren verwendet, aber es ist das erste mal, das eine Tigerin mit ihren Jungen darauf zu sehen ist.

Walston J, Robinson JG, Bennett EL, Breitenmoser U, da Fonseca GA, Goodrich J, Gumal M, Hunter L, Johnson A, Karanth KU, Leader-Williams N, Mackinnon K, Miquelle D, Pattanavibool A, Poole C, Rabinowitz A, Smith JL, Stokes EJ, Stuart SN, Vongkhamheng C, & Wibisono H (2010). Bringing the tiger back from the brink-the six percent solution. PLoS biology, 8 (9) PMID: 20856904

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

1 Kommentar

  1. Ironisch

    das hat ja schon fast eine gewisse Ironie, dass es Schutzgebiete auf Sumatra gibt, kämpft doch dort das Sumatra-Nashorn und seine Unterart, das Sabah-Nashorn, gegen das Aussterben durch verschwindene Lebensräume…

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