ITVA Altlastensymposium 2014 in Fulda #1
BLOG: Mente et Malleo
Letzte Woche hatte ich die Gelegenheit, am Altlastensymposium des ITVA in Fulda teilzunehmen. Fulda liegt ja nicht ganz so weit ab vom Schuss und die Barockstadt ist eh immer eine Reise wert. Einzig das Wetter lockte mehr in den Schlossgarten als in die Konferenzräume, aber dafür gibt es ja Pausen.
Die Veranstaltung ging mit am Mittwoch Abend einem Keynote-Vortrag von Thomas Schmid, dem Präsidenten des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie, los, der uns bei Bier und Brezeln über das Thema „Fracking – Chance oder Risiko?“ berichtete.
Fracking stellt ja für sehr viele Menschen quasi den leibhaftigen der Rohstoffsuche dar. Und es ist ja nicht so, dass diese Methode eben so vollkommen ohne Risiken wäre. Auf der anderen Seite erleben wir ja gerade wieder einmal wunderschön vorgeführt von Russland, wie problematisch die Abhängigkeit von einem Energielieferanten sein kann. Das Thema Fracking hatte ich hier ja auch schon in Teilen, und es wird sicher noch weiter eine Rolle spielen. Ich kann da nur noch einmal auf das neue Buch von Florian Neukirchen und mir hinweisen, wo dieses Thema ebenfalls angesprochen wird. Ich muss nämlich gestehen, dass ich von dem Vortrag selber (der sicher sehr spannend war, gar nicht soviel mitbekommen habe. Denn die Akustik in dem wunderbaren Saal in der Orangerie war unter aller Kanone, so dass ein ständiger Geräuschvorhang des Publikums den Vortragenden regelrecht verschluckte. Schade eigentlich. Das war zwar als „get together“ gedacht, aber man hätte doch wenigstens die Höflichkeit gegenüber dem Vortragenden wahren können.
Nachdem das Altlastensymposium von Prof. Dr. Harald Burmeier von der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, als Vorsitzender des ITVA sowie von Andreas Ellerkmann vom Mitveranstalter HIM GmbH und Frau Dr. Beatrix Tappeser, Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eröffnet wurde, ging es auch gleich zum Thema „Bodenschutz im Spannungsfeld von Naturschutz: Flächenrecycling und Naturschutzrecht“ von Joachim Sanden, Behörde für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Hamburg. Ausgangspunkt ist hier das Problem, dass Naturschutz und Bodenschutz und Flächenrecycling zwar im Prinzip das selbe Ziel verfolgen, aber sehr oft im direkten Gegensatz zueinander stehen. Der Naturschutz fordert zum Beispiel ausdrücklich die Renaturierung aufgelassener Flächen, während das Baurecht dem Postulat des Flächenrecyclings folgt.
Da wäre als Beispiel das Problem, dass sich auf Brachflächen, die aus der menschlichen Nutzung gefallen sind, sehr oft Sukzessionsflächen ausbreiten. Dabei entwickeln sich Biotope mit einer Flora und Fauna, die sonst in unserer Kulturlandschaft sehr selten sind, und die als wertvoll angesehen werden. Die gerne genannten „Stadtbiotope“ fallen unter diese Kategorie.
Auf der anderen Seite soll, durchaus auch im Sinne des Naturschutzes, Brachflächen bevorzugt gegenüber neuen Flächen wieder der Nutzung zuzuführen. Also Flächenrecycling, bevor neue „unberührte“ Natur bebaut und versiegelt wird. Bei wertvollen Biotopen auf den Brachflächen wird das aber problematisch.
Ganz besonders absurd kann die Situation werden, wenn der Naturschutz (zum Beispiel seltene Arten) sogar einer Altlastensanierung im Wege stehen. Denn die Natur schert sich oft erstaunlich wenig um Altlasten im Untergrund. Da können dann Zauneidechsen auf einem alten Raffinieriegelände mit einer Boden- und Grundwassersanierung konkurrieren. Erstaunlich viele Tiere und Pflanzen, die sich auf den Roten Listen befinden, sind nämlich durchaus geneigt, diese Sukzessionsflächen zu besiedeln. Die Kreuzkröte zählt ebenso dazu. Die bevorzugt nämlich als Laichgewässer ausgerechnet flache, vegetationsarme und sonnenexponierte Tümpel auf Rohbodenflächen. Jeder kann sich gut vorstellen, wo diese häufig zu finden sein dürften.
Im Einzelfall kann eigentlich nur eine genaue Abwägung helfen, bei der auch die Gefahrenabwehr und der Belang des reduzierenden Flächenverbrauchs neben Natur- und Landschaftsschutz in Einklang gebracht werden muss.
Das nächste Thema war „Erste Erfahrungen zur Umsetzung der IED-Richtlinie“ von Wolfgang Kullik vom Verband der Chemischen Industrie e.V. und Wolfgang Prinz von Merck.
Nein, dabei ging es nicht um eine Anleitung zum Sprengfallenbau, sondern um die Richtlinie über Industrieemissionen.
So ganz hat sich mir die Problematik allerdings nicht erschlossen. Das mag einerseits daran liegen, dass die Vorträge unter einem leichten AküFi litten. Das wäre kein Problem, es sei denn, man geht von der Tatsache aus, dass alle Zuhörer die Abkürzungen auch kennen. Im Grunde ging es darum, dass ein Ausgangszustandsbericht für den Boden zu erstellen ist, wenn eine Anlage zu genehmigen ist, bei der relevante gefährliche Stoffe für Boden und Grundwasser erzeugt werden oder freigesetzt werden könnten. Dies kann aber auf dem eng bebauten Gelände einer älteren Chemiefirma durchaus auf praktische Probleme treffen, zugegeben. Mir würden aber durchaus auch Lösungsmöglichkeiten dazu einfallen.
Den Abschluss dieses Blocks bildete Thomas Gerold von der Kanzlei avocado Rechtsanwälte, der einige relevante Urteile bezüglich dem zivilrechtlichen Umgang mit Altlasten vorstellte. Dabei kamen einige recht bemerkenswerte Fälle vor, die zu durchaus interessanten Urteilen führten.
Welche Lektionen lassen sich aus mehr als 20 Jahren Grundwassersanierung lernen? Diese Frage versuchte Dieter Riemann von der HIM GmbH zu beantworten. Die HIM-ASG beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der Erkundung und Sanierung von Altlasten. Dabei hat sich gezeigt, dass es eine Vielzahl möglicher Probleme und Fehlerquellen gibt. Daher sollte man sich vor einer Sanierung einen genauen Überblick vom Schaden und der geologischen und hydrogeologischen Situation verschaffen. Vorhandene Daten müssen dabei durchaus kritisch hinterfragt werden. Die häufigsten Fehler sind demzufolge ungeeignete Messstellentypen oder fehlerhafter Ausbau von Grundwassermessstellen sowie fehlerhafte Interpretation der betreffenden geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse.
Hinzu können noch fehlende oder unvollständige historische Erkundungen und die Erfassung möglicher Eintragsstellen und eine ungenaue Schadenseingrenzung kommen. Probleme gibt es auch oft bei der Kommunikation der Beteiligten sowie mit eventuell betroffenen Anwohnern. Dabei kann hier, wenn alles „richtig“ läuft, viel Reibungsverlust schon im Vorfeld gemindert werden. Ein gutes Beispiel ist hier die ehemalige chemische Fabrik Neuschloß-Lampertheim, wo über 8 Jahre lang mitten in einem Wohngebiet eine Altlastensanierung abgespielt hat.
Unter den Schadstoffen, die das Grundwasser gefährden, nehmen die LCKW eine eigene Kategorie ein. Sie sind langlebig und, das macht sie ziemlich Hartnäckig, bei unvollständigem anaerobem bakteriellem Abbau sind die Zwischenprodukte ebenfalls Schadstoffe. Das bedeutet, dass man zwar auf der einen Seite mit entsprechender Mikrobiologie ganz gut sanieren kann, auf der anderen Seite aber tunlichst dafür Sorge zu tragen hat, dass die kleinen Bakkis ihre Arbeit auch bitte fertig machen und die Dechlorierung vollständig sein sollte. Dafür gibt es auf dem Markt eine Anzahl von Cosubstraten, welche die kleinen Helfer im Untergrund unterstützen sollen. Neben Stoffen wie Glycerin, Lactat, Ethanol, Isopropanol oder Melasse gibt es auch einige Markenprodukte, die genau dies tun sollen. Dabei stellen sich einige Fragen; Welche Cosubstrate sind am erfolgversprechendstenfür eine LCKW-Dechlorierung, Welchen Einfluss hat das Cosubstrat auf die Abbauraten. Und zuletzt die Frage, ob Substratvorlieben standortspezifisch sind und welche Cosubstrate auch in situ zu einem guten Ergebnis führen. Diesen Fragen ist Maike Brecht von der Sensatec GmbH nachgegangen. Es hat sich gezeigt, das ausgerechnet eines der (meist aus Kostengründen) beliebtesten Cosubstrate, nämlich Melasse nicht an jedem Standort eine vollständige Dechlorierung der LCKW fördert. Die Abbauraten bleiben teilweise sogar deutlich hinter anderen, allerdings auch kostenintensiveren Produkten zurück. Dabei können die Ergebnisse unterschiedlicher Cosubstrate an unterschiedlichen Standorten durchaus sehr gute Ergebnisse erzielen. Manchmal bringt auch ein Wechsel des eingesetzten Cosubstrates während der mikrobiologischen Sanierung eine Verbesserung.
Eine weitere Kategorie unter den Altlasten stellen die ehemaligen Standorte von Rüstungsindustrie dar. In diesen Bodendenkmälern der besonderen Art wurde ja nicht nur mit teilweise gefährlichen Stoffen hantiert, sondern diese auch durch Kriegseinwirkung sehr wirkungsvoll in die Umwelt verbracht. Und auch nach dem Krieg ging man teilweise sehr sorglos mit den verbliebenen Gefahrstoffen um. Christian Weingran von der HIM GmbH stellte uns Hessisch Lichtenau und Stadtallendorf vor. Hier wurde im Zuge des nazionalsozialistischen Rüstungsprogrammes eine Rüstungsfabriken mit 230 bzw. 42 ha großen Anlagen errichtet, weil der Standort weitab von Ballungsgebieten auch genügend Tarnungsmöglichkeiten bot. Die bei der Herstellung von TNT anfallenden belasteten Schlämme wurden auf Halden gekippt. Nach dem Krieg erfolgte an beiden Standorten eine teilweise sehr unterschiedliche Entwicklung, der aber eines gemeinsam war. Das Thema Rüstungsaltstandort und Sprengstoff wurde erst verdrängt und bald darauf auch vergessen. Erst ab Mitte der 1980´er Jahre begann man sich wieder zu erinnern und beschloss, beide Standorte entsprechend zu sanieren. In Stadtallendorf kam noch als kleines Schmankerl hinzu, dass die Altlast eine Bedrohung für das Wasserwerk darstellte, dessen Trinkwassergewinnung man langfristig erhalten wollte und das daher hydraulisch gesichert werden musste. Da auch nach erfolgter Sanierung heute noch immer Schadstoffe in tieferen, nicht zugänglichen Horizonten vorhanden sind, muss die hydraulische Sicherung zum Schutz des Grundwassers und der Trinkwassergewinnung und die Überwachung der beiden Standorte noch für Jahrzehnte sichergestellt werden. Das dürfte die bisherigen Kosten für die Sanierung von 278 Mio. € ( oder eben 0,35 Elbphilharmonien, stand April 2013) noch etwas nach oben treiben.
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