Hunga Tonga-Hunga Ha’apai – ein neuer Eruptionstyp?
Am 14. und 15. Januar 2022 ereignete sich ein heftiger Vulkanausbruch des Vulkans Hunga Tonga-Hunga Ha’apai im Inselstaat Tonga, der in einer sehr starken Explosion am 15. Januar gipfelte. Das haben hier sicher alle mitbekommen, schließlich wurde dieses Ereignis vielfach in den Medien und auch in den Blogs hier auf Scilogs (hier und hier) behandelt. Dabei kam es nicht nur zu dem vermutlich lautesten Knall der Geschichte, auch die Druckwelle raste von Messstationen aufgezeichnet mehrfach um den Globus.
Interessant sind auch die Schwerewellen, welche der Ausbruch in der Atmosphäre ausgelöst hat.
Der Vulkan
Lange Zeit waren nur zwei kleinere Inseln sichtbar, Hunga Tonga und Hunga Ha’apai (daher der Doppelname). Diese stellten aber nur einen kleinen Teil eines enormen untermeerischen Vulkans dar. Sie stellen den westlichen bzw. nördlichen Rand einer rund 5 km durchmessenden Caldera dar. Ursprünglich waren die beiden Inseln rund 1,6 Kilometer voneinander entfernt, aber durch vulkanische Aktivitäten wurden die beiden Inseln seit 2014 miteinander verbunden. Der Vulkan fördert andesitische Lava und verdankt seine Existenz dem Tonga-Graben, einer bis zu 10 882 m tiefen und rund 1200 km langen Tiefseerinne, an der die pazifische Platte unter die australische Platte abtaucht.
Der Ausbruch
Am 20. Dezember 2021 brach der Vulkan erneut aus, die Eruption hielt über die Weihnachtstage an und ebbte zum Jahreswechsel ab. Am 2. Januar endete diese Eruptionsphase. Der Ausbruchsmechanismus war phreatomagmatisch, Magma mischte sich mit Meerwasser und zerspratzte. Dabei wuchs die Insel um rund 2,5 km². Dieser Eruptionstyp wird Surtseyanische Eruption genannt und ist typisch für Vulkane, die unter der Wasseroberfläche ausbrechen und dabei langsam vulkanische Inseln aufbauen.
Am 15. Januar um 17:14 Ortszeit (4:14 UTC) ereignete sich eine gewaltige phreatomagmatische Explosion, welche den stärksten Ausbruch eines Vulkans seit der Eruption des Mt. Pinatubo auf den Philippinen 1991 darstellte. Die Kraft der Explosion hatte das Äquivalent von rund 6 Millionen t TNT, sie erreichte auf dem Vulkanexplosivitätsindex (VEI) eine 4 oder auch je nach Quelle eine 5.
Als Folge der Explosion stieg eine Aschesäule bis zu 35, anderen Quellen zufolge sogar auf bis zu 55 Kilometer Höhe. Die durch die Explosion ausgelöste Druckwelle lief mehrfach um die Erde und konnte auf ihrem Weg von verschiedenen Instrumenten nachgewiesen werden. Diese Druckwelle hat auch einige Meteotsunamis z.B. im Mittelmeer ausgelöst. Der Knall der Explosion ist vermutlich das lauteste belegte Geräusch in historischer Zeit, konnte er dich noch in über 800 km Entfernung auf Fidschi und selbst in 2000 km Entfernung auf Neuseeland gehört werden. Manche berichteten sogar noch von weiter entfernten Ohrenzeugen wie z.B. Alaska und Kanada.
Am Vulkan selber kam es vermutlich auch zu einem enormen untermeerischen Erdrutsch, welcher einen Tsunami auslöste, der nicht nur die Inseln der Nation Tonga verwüstete, sondern über weite Strecken an den pazifischen Küsten Zerstörungen bewirkte.
Dies und die vulkanische Asche trafen die Nation Tonga schwer, zumal auch die Kommunikation durch den Verlust untermeerischer Kabel unterbrochen war. Mehrere andere Nationen haben zwischenzeitlich Flugzeuge und Schiffe zur Hilfe geschickt.
Das war aber auch schon alles in verschiedenen Zeitungen und Blogs zu verfolgen. Es war aber noch etwas bemerkenswert an diesem an bemerkenswerten Beobachtungen reichen Vulkanausbruch.
Eine bemerkenswerte Eruption
Neben allen verheerenden Wirkungen gerade für die benachbarten Inseln geht eines fast unter: Die ganze Geschichte war verhältnismäßig schnell wieder vorbei. Zuerst wurde angenommen, dass die Ganze Eruption gut 55 Minuten andauerte. Vermutlich dauerte sie aber nur wenig länger als 10 Minuten. Innerhalb dieser Zeit sehr kurzen Zeit wurde rund 0,5 km³ an Magma ausgestoßen.
Das ist interessant, denn meist dauern Eruptionen, welche eine plinianische Wolke bis in höhere Schichten unserer Atmosphäre ausstoßen, deutlich länger, meist zwischen 4 und gut 100 Stunden. So dauerte zum Beispiel die stärkste Eruption des 20. Jahrhunderts, die des Novarupta von 1912 in Alaska, gut 60 Stunden.
Der Ausbruch des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai Vulkans könnte also die vermutlich kürzeste bekannte plinianische Eruption der Geschichte sein. Wenn man die Menge der ausgeworfenen Lava mit der Dauer der jeweiligen Eruption in Beziehung setzt, könnte der Ausbruch des Hunga Tonga eine der extremsten Eruptionen seit der des Krakatau von 1883 sein, der in 4,5 Stunden immerhin 45 km³ an Lava auswarf.
Die enorme Gewalt der Eruption könnte auch gut erklären, warum die Eruptionssäule in Verhältnis zu der eigentlichen Eruption relativ groß war und sehr hoch aufstieg. Sollte die Höhe von 55 Kilometern zumindest für einen kleinen Bereich im Zentrum der plinianischen Wolke bestätigt werden, dürfte diese zu den höchsten jemals beobachteten plinianischen Wolken zählen. Aber selbst 35 Kilometer sind für einen Vulkanausbruch der VEI 4 bis 5 recht hoch (0,5 km³ würden für einen VEI 4 sprechen). Etliche VEI 5 Ausbrüche wie z.B. der des Mt. St. Helens 1980 oder des El Chichon 1982 erreichten „nur“ 24 respektive 29 Kilometer. Selbst der Krakatau von 1883, immerhin eine respektable VEI 6 Eruption, liegt bei 36 Kilometern.
Es könnte sich also bei der Eruption des Hunga Tonga von 15. Januar 2022 um einen neuen, bislang noch nicht beobachteten Eruptionstyp handeln. Für eine typische plinianische Eruption mit der charakteristischen hohen Eruptionssäule dauerte die Eruption vom 15. Januar eigentlich nicht lang genug. Ich weiß nicht, ob es da eine definitive Untergrenze gibt, aber sie war zumindest sehr ungewöhnlich kurz. Selbst für eine phreatoplinianische Eruption, bei der Wasser eine entscheidende Rolle spielt und die für ihre ungewöhnlich hohen Eruptionssäulen bekannt ist, war sie zu kurz.
Vielleicht kann man die Eruption des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai vom 15. Januar als eigenständigen Eruptionstyp, oder zumindest als einen Subtypus ansehen. Verschiedentlich wurde der Vulkan als Namenspatron für diesen neuen Eruptionstyp vorgeschlagen, also Ha’apaianischer Eruptionstyp, für sehr große und zugleich kurze Eruptionen mit einer Eruptionsdauer unter 1 Stunde, die zugleich eine plinianische Eruptionssäule bilden und bei denen der eigentliche Vulkan unter Wasser liegt.
Wenn Wasser in einen aktiven vulkanischen Schlot eindringt und beim Kontakt mit dem Magma verdampft, können sich enorme Drücke aufbauen. Die nachfolgende Dampfexplosion treibt die Lava mit so hoher Geschwindigkeit aus dem Schlot, dass sich eine mehr als 30 Kilometer hohe plinianische Eruptionssäule bilden kann. Die plinianische Säule besteht hauptsächlich aus Wasserdampf und nur untergeordnet aus vulkanischer Asche, was sich meist durch eine helle weißlich bis hellgraue Farbe bemerkbar macht. Im Gegenteil dazu stehen die aschebasierten Wolken „normaler“ plinianischer Eruptionen mit ihrer dunkelgraue Farbe.
“Erektionsdauer” – wirklich?
Aber nur mir korrekter Erektionsurkunde https://de.m.wikipedia.org/wiki/Erektionsurkunde
Blöde Autokorrektur.. 😲
Ich war ja kurz davor das in die Wikipedia zu übernehmen… gut dass ich das nochmal kritisch reflektiert habe!
Solch ein gewaltiger Vulkanausbruch mit um die ganze Erde laufenden atmosphärischen Schwerewellen in mehreren Wellenlängen und Material, das bis weit in die Stratosphäre, nämlich bis in 55 Kilometer Höhe, ausgeworfen wird, ist doch ein geradezu phantastisches geophysikalisches Experiment, das die Chance bietet viele auch für die Menschheit wichtige Prozesse einmal „in vivo“ detailliert zu untersuchen.
So etwa stellt sich die Frage: wie lange bleibt ausgeworfenes Material in der Stratosphäre, wie verbreitet es sich über den Globus und wie hängt die Sinkrate des Materials mit der Grösse und Beschaffenheit der einzelnen Körner/Stäube zusammen. Die Antwort auf diese Frage ist etwa wichtig für einen möglichen nuklearen Winter, aber auch für Geoengineering mittels in die Atmosphäre ausgebrachten Aerosolen/Stäuben.
Auch die Ausbreitung von Schwerewellen um die Erde stellt und beantwortet eventuell wichtige Fragen zum Wetter- und Klimageschehen. So etwa die Frage, wie solche Störungen die Wind- und Strömungsmuster an weit entfernten Orten beeinflussen.
Meiner Meinung nach sollte man die Chancen, die ein solcher Ausbruch bietet nutzen. Und zusätzlich sollte man überlegen, wie man die Erde noch besser überwachen kann, wo man noch welche Sensoren installieren sollte und welche weiteren Erdbeobachtungssatelliten nützlich wären.