Hier geht es heiß her – Pyroklastische Ströme

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Wenn normale Menschen an die gefahren eines Vulkanausbruches denken, dann denken sie meist an schnell fließende Lava, die alles unter sich begräbt. Daran ist sicher auch Hollywood nicht ganz unschuldig. Ich erinnere mich, dass ich einmal mit einer Gruppe Geologen im Film Dantes Peak im Kino war, und wir kollektiv an der (für den Rest der Zuschauer) falschen stelle lauthals losgelacht haben, als nämlich die Protagonisten des Films vor einer dünnflüssigen, wie Wasser fließenden Lava fliehen mussten. Was den übrigen Zuschauern nämlich als höchst normal erschien, ein Vulkanausbruch und entsprechend fließende Lava, erkannten wir schnell als vom geologischen Standpunkt aus gesehen höchst lächerlich. Der betreffende Vulkan hätte nämlich einen sauren Charakter gehabt, also seine Lava wäre reich an Kieselsäure gewesen und dementsprechend zäh wie Rapshonig. Gut, jetzt stellt sich natürlich die Frage, warum man vor Rapshonig hätte fliehen sollen. Das wäre sicher kaum dramatisch. Die Lava kann sogar so zäh werden, dass, wie es 1902 beim Mt. Pelée passierte, als 350 m hohe Nadel aus dem Schlot gepresst wird.

Pyroclastic flows at Mayon Volcano

Pyroklastischer Strom am Mayon, Philippinen, 1984. C.G. Newhall [Public domain], via Wikimedia Commons.

Allerdings ist ja das fließen nur ein Teil der Geschichte. Und bei Magma kommt auch noch hinzu, dass darin jede Menge Gase gelöst sind. Und je höher der Druck, desto mehr Gase können in dem flüssigen Brei gelöst sein. Wird der Druck niedriger, beispielsweise weil unser Magma der Erdoberfläche näher kommt, dann perlen diese Gase aus wie in einer gut geschüttelten und plötzlich geöffneten Sektflasche. Und ebenso wie hier das ausperlende Kohlendioxid den Sekt aus der Flasche treibt, wird die Lava (=Magma ohne die gelösten Gase) aus dem Vulkanschlot getrieben. Die zähe Lava aber reagiert dabei nicht wie Wasser, (oder dünnflüssige Lava), sondern sie wird explosionsartig zerrissen. Wenn das noch im Schlot passiert, kann die zerrissene Lava enorme Geschwindigkeiten erreichen. Bei engen Schloten können so feine Lava-Fragmente mehrere Kilometer hoch in die Atmosphäre geschleudert werden. Es entsteht eine so genannte plinianische Säule, die von weitem einer Pinie nicht unähnlich sieht.

Die kleinen Lava-Fragmente, die als Pyroklastika oder Pyroklastite ( nach dem griechischen pyr für Feuer und klastós für zerbrochen) genannt werden, bleiben natürlich nicht hoch oben, sondern sie fallen irgendwann wieder auf die Erde herab, als vulkanische Asche, wenn sie kleinere Durchmesser als 2 mm haben, ansonsten werden sie, je nach Größe als Lapilli (italienisch für “Steinchen”) ( 2 bis 64 mm) oder gar vulkanische Bomben (> 64 mm) bezeichnet.

Diese vulkanischen Produkte können sicher etliche Probleme bereiten, und die Lapilli und vor allem die Bomben tun ganz schön weh, wenn man sie auf den Kopf bekommt. Doch die eigentliche Katastrophe passiert meist erst dann, wenn es dem rasenden Strom aus dem Schlot gelungen ist, diesen zu erweitern (oder wenn der Druck nachlässt und auch die Konvektion der heißen Gase nicht mehr weiterhilft). Die ganze schöne Säule, das Gemisch aus zerfetzter Lava und den heißen Gasen fällt dann relativ rasch in sich zusammen. Aber auch die Lava-Nadeln bergen die selbe Gefahr. Sie werden Instabil und brechen zusammen. Dann haben wir ein Gemisch aus heißen Gasen und heißen Lavafetzen (Feststoff-Gas-Dispersion), das mit ungeheurer Geschwindigkeit über den Erdboden gleitet. Dieses Phänomen hört auf den sperrigen Namen pyroklastischer Strom. Eleganter geht es im französischen als nuée ardente. Diese Wolken können ohne Probleme eine Geschwindigkeit von 400 km/h erreichen (es gibt sogar Hinweise auf deutlich höhere Geschwindigkeiten, der initiale pyroklastische Strom des Mt. St. Helens soll 1980 sogar 1080 km/h erreicht haben) und haben im Inneren eine Temperatur, die irgendwo zwischen 300 und 800°C liegt. Was immer sich diesen Wolken in den Weg stellt, ob Lebewesen oder Gebäude, wird dem Erdboden gleichgemacht. Und wie man aus den erreichten Geschwindigkeiten ablesen kann, ist eine Flucht auch nicht immer so einfach zu bewerkstelligen, sollte man einmal den heißen Atem eines derartigen Stromes im Nacken spüren. Und auch von Wasser lässt sich dieser Strom nicht aufhalten, wie Beispiele vom Ausbruch des Krakatau 1883 gezeigt haben. Vielmehr würden größere mengen heißer vulkanischer Gesteine in das Wasser gelangen und einen Tsunami auslösen. Das heiße gröbere material hingegen würde Wasserdampf erzeugen, der wieder den (nun aus leichterem Material bestehenden) pyroklastischen Strom neue Flügel verleiht.

Und sie können wahrhaft apokalyptische Ausmaße annehmen. Aus der Erdgeschichte sind große Ablagerungen ehemaliger pyroklastischer Ströme bekannt. diese Ablagerungen werden als Ignimbrite (lat. ignis = Feuer, nimbus = Wolke) bezeichnet. Sie haben, bedingt durch den Ausbruchsmechanismus, einen meist sauren, seltener einen intermediären Chemismus. Die Temperaturen bei der Ablagerung lagen über dem Erweichungspunkt der Glasanteile, so dass eine plastische Verformung und ein Verkitten nach der Ablagerung erfolgte. Sie zählen also zu den Schweißtuffen . Sie sind typisch für die tertiären bis rezenten Vulkangenbiete rings um den Pazifik. Typisch für Ignimbrite ist ihr Aufbau aus Glasscherben, Bimslapilli, Kristall- und Gesteinsfragmenten und ihr massiger Charakter, d.h. große und kleine Partikel kommen nebeneinander vor. Dabei bilden die Bimslapilli längliche und meist schwärzlich-dunkle Fladen (fiamme) in einer feinkörnigen Aschematrix, wodurch eine meist ausgeprägte Paralleltextur entsteht.

Das Vorkommen der größten Ignimbritdecken ist an den explosiven Vulkanismus der konvergenten Plattenränder gebunden. So bedecken Ignimbrite aus dem Pliozän bis Pleistozän im Taupo-Rotorura Gebiet auf Neuseeland ein Areal von 26 000 km 2 . Das größte Ignimbritgebiet der Erde befindet sich in den zentralen Anden. Dort bedecken känozoische Ignimbrite ein Gebiet von rund 150 000 km 2 . Dabei werden sie oft mit riesigen Calderen in Verbindung gebracht, wie z.B. die Cerro-Galán Caldera im Nordwesten Argentiniens mit einem Durchmesser von 34 Kilometern und einem sie umgebenden Ignimbritgürtel von 70 Kilometern Radius. In diesen Calderen findet sich oft eine durch den riesigen Magmenherd angeheizte hydrothermale Aktivität und somit oft interessante Erzmineralisationen. Als Beispiel hierfür kann die Stadt Potosi am Rand der Kari-Kari Caldera gelten, die für ihre Silberminen berühmt ist. Ihrer Größe nach stellen die Ablagerungen der pyroklastischen Ströme die nach den Trapp Basalten flächengrößten Vulkanbauten auf den Kontinenten dar. Ihre Bedeutung wird jedoch meist übersehen, da von den mächtigen Ignimbritdecken der Vergangenheit meist nur noch kümmerliche Reste zu finden sind, denn Ignimbrite werden leicht ein Opfer der Erosion.

Steine, die im Handstück Tuffen gleichen, im Gelände jedoch die Form von Lavaströmen hatten und offensichtlich geflossen waren, sind schon länger bekannt. So beschrieben VON FRISCH & REISS (1868) Tuffe von der Insel Teneriffa, von denen sie vermuteten, dass sie flutartig abgelagert wurden und nannten sie Eutaxite . Etwas später und unabhängig davon nannte ABICH (1882) Gesteine aus Armenien, die sowohl Strukturen von Lavaströmen als auch Pyroklastika aufwiesen Tufolava . Der erste pyroklastische Strom wurde von WOLF (1878) am Cotopaxi in Ecuador beobachtet und als “Schaum wie bei einem überkochendem Reistopf” beschrieben. (Alle zitiert in SCHMINCKE 1986). Pyroklastische Ströme wurden auch von den Ausbrüchen der Vulkane Mt. Pelée (Martinique) und La Soufriere (St. Vincent, British West India) beschrieben, der Mechanismus aber lange Zeit unbekannt. Der Transportmechanismus des pyroklastischen Stromes selber ist unter glühenden Wolken unsichtbar, selbst wenn der Beobachter das Glück haben sollte, Augenzeuge zu sein und dies auch noch überlebt. Der Begriff Ignimbrit wurde von MARSHALL (1935) (nach FISCHER & SCHMINCKE 1984) geprägt, als er pyroklastische Gesteine in Neuseeland untersuchte, welche aus Glasfragmenten, Bimsstein und Kristallbruchstücken aufgebaut sind. Er erkannte, dass zur Bildung dieser Gesteine hohe Temperaturen nötig waren, dass sie durch “feurigen Regen” aus glühenden Aschen und Lapilli abgelagert wurden und im Gegensatz zu normalen Aschenlagen intensiv versinterten. Sie mussten also nach der Ablagerung noch plastisch gewesen sein. Trotzdem hielt man diese vielfach gefundenen Abfolgen alter Vulkanite für ehemalige Laven und übersah dabei, dass rezente saure Laven viel zu zäh sind, um die oftmals großen Flächenausdehnungen der alten Gesteine zu erklären.

FISHER, R.V., SCHMINCKE, H.-U. (1986): Pyroclastic Rocks. Springer, Berlin, New York, 472 S.

SCHMINCKE, H.-U. (1986): Vulkanismus. Wiss. Verlagsges. Darmstadt. p.107 – 120.

 

in Memoriam Katia und Maurice Krafft. Die beiden Vulkanlologen, denen wir etliche wichtige Erkenntnisse auch über pyroklastische Ströme verdanken, kamen 1991 bei einem unerwartet starken pyroklastischen Strom beim Ausbruch des Vulkans Unzen in Japan zusammen mit 41 weiteren Personen um.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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