Gestein des Jahres 2019 – Schiefer
BLOG: Mente et Malleo
Auch 2019 gibt es wieder ein Gestein des Jahres, den Schiefer. In früheren Jahren noch allgegenwärtig, als Schreibtafel oder Dacheindeckung. Als Fassaden- und Dachbedeckung wird das Gestein immer noch gerne genommen. Daneben hat es aber auch eine neue wirtschaftliche Bedeutung als Wirtsgestein für unkonventionelle Energierohstoffe bekommen. Das Stichwort Ölschiefer oder Schiefergas weckt bei vielen Menschen entweder Träume oder Alpträume, je nach dem.
Große Schiefer-Verwirrung
Schiefer ist ein problematisches Gestein. Das liegt weniger an dem Gestein selber als an der Geschichte des Begriffs „Schiefer“. Der Begriff leitet sich vom althochdeutschen scivaro und dem mittelhochdeutschen schivere her, was soviel wie Splitter bedeutet. Im mittelniederdeutschen findet sich schiver für Schindel wieder.
So wurden traditionell alle feinkörnigen, meist tonigen Sedimentgesteine mit einer guten Spaltbarkeit als Schiefer bezeichnet. Dabei spielte es lange überhaupt keine Rolle, wie diese Spaltbarkeit entstanden ist. Ob sie auf den gerichteten Druck oder auf die Schichtung des Gesteins zurückzuführen ist. Dieses Durcheinander macht es heute schwierig, die Dinge wieder einigermaßen zu trennen.
So sind auch die eingangs erwähnten Schiefergas-Gesteine und Ölschiefer keine Schiefer im petrographischen Sinn, sondern kohlenstoffreiche Tonsteine. Das viel genannte Schiefergas ist also Erdgas, das noch in tonigen Sedimenten eingeschlossen ist.
Auch die Kupferschiefer und die Posidonienschiefer sind keine Schiefer im heutigen, petrographischen Sinn und tragen ihren Namen allein aus historischen Gründen. Was aber die Verwirrung nicht bessert. Bei diesen Gesteinen ist tatsächlich die ursprüngliche Schichtung für die Spaltbarkeit verantwortlich.
Schiefer, ein tektonisch überprägtes Gestein
Im heutigen Verständnis ist Schiefer ein Sammelbegriff für verschiedene tektonisch gefaltete, aber auch metamorph überprägte meist tonige Sedimentgesteine. Die Überprägung kann dabei soweit gehen, dass die meisten Merkmale des ehemaligen Sediments verschwunden sind. Dann haben wir einen kristallinen Schiefer. Was all diese verschiedenen Gesteine zu einem Schiefer macht, ist die meist gute Spaltbarkeit entlang der so genannten Schieferung.
Dabei handelt es sich um parallele Flächen im Gestein, welche durch gerichteten Druck entstanden sind. Diese Flächen haben nichts mit der ehemaligen Schichtung des Sediments zu tun, sondern sind durch die streng eingeregelten Tonminerale und Glimmer hervorgerufen. Das Gestein lässt sich hier leicht in dünne Platten spalten.
Tonschiefer
Die Tonschiefer stehen am Übergang von der Diagenese, der eigentlichen Gesteinsbildung, und der beginnenden Metamorphose und kann beiden Bereichen zugerechnet werden. Das ursprüngliche Sediment verändert seine Eigenschaften, weil die Temperatur steigt und der gerichtete Druck zunimmt. Tonschiefer bestehen, wie der Name bereits nahelegt, hauptsächlich aus Tonmineralen.
Die Minerale des Gesteins entstammen noch hauptsächlich dem Ausgangsgestein, einem tonreichen Sediment. Entsprechend kommen neben Tonmineralen wie Illit, Chlorit vor, aber auch Muskovit, Feldspäte und Quarz. Oft sind auch feinverteilte Schwerminerale und Pyrite sowie unterschiedlich viel organische Substanz zu finden. Noch fehlen die typischen Mineralneubildungen der Metamorphose.
Sobald sichtbare Neubildung von Muskovit erfolgt, hat das Gestein das Stadium des Phyllits erreicht.
Wie entsteht die typische Schieferung
Geraten tonreiche Sedimente untere gerichteten Druck und werden gefaltet. Dabei werden Tonminerale, die parallel zur Druckrichtung liegen, durch Drucklösung gelöst. Gleichzeitig kommt es zur Neubildung von Tonmineralen senkrecht zum Druck. Weil die Tonminerale als Schichtsilikate auf diesem Wege langsam alle parallel ausgerichtet werden, wird das Gestein gut spaltbar. Das typische Gefüge der Schiefer, die Schieferung, ist entstanden.
Kristalline Schiefer
Kristalline Schiefer gehören zu den metamorphen Gesteinen. Mit den Tonschiefern gemeinsam ist ihnen die gute Spaltbarkeit. In diesen Gesteinen haben sich Aufgrund der hohen Temperaturen und des hohen Drucks neue Schichtsilikate wie Chlorit, Muskovit und Biotit gebildet. Das in dem betreffenden Gestein an häufigsten vorkommende Mineral ist für das Gestein oft namensgebend. Also Chlorit-Glimmerschiefer, Biotit-Glimmerschiefer etc.
Auch bei diesen Schiefern rührt die Spaltbarkeit durch die parallele Einregelung der Schichtsilikate. Die Mineralneubildung erfolgte auch senkrecht zur Ebene des Drucks, die Schieferung hat also auch bei diesen Gesteinen nichts mit der ursprünglich sedimentären Schichtung zu tun. Außerdem muss nicht jeder kristalline Schiefer von einem ehemaligen Sediment abstammen.
Wenn in den Glimmerschiefern größere metamorphe Minerale wachsen, werden die Gesteine auch als Fruchtschiefer oder Knotenschiefer bezeichnet.
Namensgeber für Metamorphosefazies
Ein ganzer Bereich der niedrigen Metamorphosegrade, die Grünschieferfazies, wird nach einem kristallinen Schiefer benannt. Hier herrschen mittlere Drücke und Temperaturen.
Grünschiefer sind ein Sammelbegriff für grüne, feinkörnige metamorphe Gesteine. Ihre grüne Farbe rührt von den grünen Mineralen Chlorit, Epidot und Aktinolith her.
Ausgangsgesteine für diese kristallinen Schiefer waren basische Plutonite oder auch Vulkanite wie Gabbros oder Basalte, aber auch Ca- und Mg-reiche Mergel.
Wirtschaftliche Bedeutung der Schiefer
In früheren Zeiten, als Papier schwer herzustellen und entsprechend teuer und wertvoll war, diente Schiefer als Schreibwerkzeug. Sowohl als die sprichwörtliche Schiefertafel, als auch als Griffel zum Schreiben. Etwa vom Mittelalter, ganz besonders aber seit der Einführung der Schulpflicht fanden diese Schreibgeräte starke Verbreitung. Erst ein starker Preisverfall für Papier verdrängte die Schiefertafel.
Schon im antiken Rom dienten Schiefer als Dachbedeckung. Die Blütezeit des Dachschiefers war aber das Mittelalter. Das ist natürlich besonders in Gebieten verbreitet, die traditionell Schiefer abgebaut haben, wie zum Beispiel Thüringen, Mosel, Hunsrück und Eifel. In diesen Gebieten ist die Landschaft durch schieferbedeckte Häuser geprägt. Die Bedeutung des Schiefers war so groß, dass die Gebirge nach dem Gestein benannt wurden. So kamen das Rheinische Schiefergebirge und das Thüringer Schiefergebirge zu ihrem Namen.
In jüngerer Zeit wird Schiefer wieder als hochwertiger Werkstein entdeckt, sowohl in der traditionellen Weise als Wand- und Dachbedeckung, aber auch als Fußboden.
Noch heute wird in Deutschland Schiefer bergmännisch gewonnen. So existieren etwa in Geroldsgrün / Oberfranken ein Schieferbergwerk, in dem der Lotharheiler Schiefer abgebaut wird. Im Hunsrück liegt das Schieferbergwerk Altlay. Hier wird Schiefer unter Tage aus einer Tiefe von ca. 120 Metern gewonnen.
Der Untertagebau in Deutschland gerät aber mehr und mehr unter Druck, weil der Abbau hier gegenüber dem Tagebau in anderen Ländern zu weniger profitabel ist.
Auch wenn die undeformierten Schiefer keine Schiefer im petrographischen Sinn sind, sollen sie hier nicht ganz unter den Tisch fallen. So sind viele Tonsteine sehr reich an organischem Material. Ölschiefer wie auch unsere Posidonienschiefer stellen wichtige Erdölmuttergesteine dar.
Die Kupferschiefer sind Tonsteine, die lokal einen deutlich erhöhten Gehalt an sulfidischem Kupfer, Blei und Zinkmineralisationen enthalten. Teilweise wurden diese Vorkommen auch abgebaut.
Am 22. April soll der Schiefer als Gestein des Jahres offiziell getauft werden. Das wird vermutlich an einem Schieferabbau in der Eifel stattfinden. Ich persönlich fände aber auch den Loreleyfelsan bei St. Goar nicht verkehrt. Mitten im Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal liegend ist er vermutlich einer der berühmtesten Schieferfelsen.