Gestein des Jahres 2016 – Sand

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Wie in jedem Jahr, so gibt es natürlich auch für 2016 ein Gestein des Jahres: Sand. Vermutlich würden die meisten Menschen Sand nicht unbedingt für ein Gestein halten, aber nicht jedes Gestein muss fest sein. Es gibt eben auch Lockergesteine, und Sand gehört in diese Kategorie.
Es gibt noch einen Punkt, an dem sich Sand von den meisten anderen Gesteinen unterscheidet. Werden Gesteine nämlich normalerweise über ihren Mineralgehalt oder gegebenenfalls über ihre Entstehung definiert, so ist es beim Sedimentgestein Sand die Korngröße. Sie muss definitionsgemäß zwischen 0,063 mm und 2 mm liegen. Alles darunter ist Schluff, alles darüber Kies.

00065 sand collage
Verschieden Beispiele von Sand. Jeweils von Links nach rechts. Obere Reihe: Glassand, Kauai, Hawaii. Dünensand, Wüste Gobi. Quarzsand mit grünem Glaukonit, Estland. Mittlere Reihe: vulkanischer Sand mit rötlichen Lavastücken, Maui, Hawaii. Korallensand, Molokai, Hawaii. orangefarbener Sand, Utah. Untere Reihe: Sand aus vulkanischen Gläsern, Kalifornien. Granatsand, Garnet Creek, Ifaho. Olivinsan, Papakolea, Hawaii. Bildbreite jeweils rund 1 cm. Foto: Siim Sepp (Sandatlas) (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:00065_sand_collage.jpg), „00065 sand collage“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode via Wikimedia Commons

Dies bedeutet, dass Sand sehr unterschiedliche mineralogische Zusammensetzungen zeigen kann, neben Quarz und Feldspäten auch Korallenbruchstücke, Gips und sogar Gesteinspartikel.

Sand entsteht durch Verwitterung und Erosion, also durch die Zerkleinerung anderer Gesteine. Und ebenso vielfältig, wie die Gesteine eben sein können, ist auch der aus ihnen entstehende Sand. Transportiert werden die zerkleinerten Körner durch Wind und Wasser. Je nach dem, wo der Sand sedimentiert, wird zwischen marinen (im Meer), fluviatilen (in Flüssen), litoralen (am Strand), glazigenen (durch Gletschereinfluss) und äolischen (Wind) Sanden unterschieden.
Auch wenn die mineralogische Zusammensetzung von Sand durch sein Ausgangsgestein mitbestimmt wird, so kann sich im laufe der Zeit ein Sand weiterentwickeln. Verwitterungsbeständige Minerale wie Quarz reichern sich an, während sich die empfindlicheren Minerale durch Verwitterung auflösen. Somit kann man die Abnahme von leichter verwitterbaren Komponenten als Indikator für die Transportweite des jeweiligen Sandes nehmen, zumal wenn man die Ausgangsgesteine ebenfalls kennt. Der Geologe spricht hier auch vom Reifegrad des betreffenden Sandes.
Als Lockergestein und Sediment befindet sich Sand meist an oder relativ nahe der Erdoberfläche. Dabei sind reine, oberflächlich anstehende Sande meist sehr vegetationsarm. Dies liegt zum einen daran, dass sie meist arm an Nährstoffen sind (als Beispiel die Rohböden der gemäßigten Breiten wie Lockersyroseme oder Podsole), zum anderen können Sande das Wasser schlecht halten. Niederschläge versickern so recht rasch (oder sie verdunsten ebenso schnell). In ariden Gebieten sind Wüsten und Halbwüsten die typischen Landschaftsformen, in denen Sande vorkommen.
Sande sind, wenn sie unter abdichtenden Sedimenten liegen, aber auch hervorragende Grundwasserleiter, die uns mit qualitativ hochwertigem Grundwasser versorgen können. Derartige Sande können aber auch gute Speichergesteine für Erdöl oder Erdgas sein.
Sand hat aber auch noch ganz anderen Nutzen für uns Menschen. Eine der Lieblingsfragen meines Professors an der Uni bei Prüfungen war die nach Sand, und wofür man ihn benutzen kann. Denn Sand ist auch ein sehr wichtige und gesuchter Rohstoff, von dem wir in Europa im Mittel pro Einwohner rund 4,6 Tonnen pro Jahr verbrauchen, mit steigender Tendenz. Weltweit wird, je nach Quelle, zwischen 10 und 40 Mrd. T Sand und Kies gewonnen. Der Hauptanteil geht in die Bauindustrie. Und da beginnen auch die Probleme. Sand mag uns sprichwörtlich „wie Sand am Meer“, also extrem häufig vorkommen. Aber, wie ich oben gezeigt habe, ist Sand eben nicht gleich Sand. Und um die Anforderungen der verschiedenen Nutzer zu erfüllen, muss der Sand bestimmte Eigenschaften haben. Das gilt auch für den Hauptverbraucher von Sand, die Bauindustrie. Bekannt und gefürchtet ist hier zum Beispiel die sogenannte Alkalikieselsäurereaktion. Sie wird durch amorphe Kieselsäurephasen wie zum Beispiel Flint im Beton hervorgerufen und kann hohe Sanierungskosten hervorrufen.

Sand
Sand als Lockergestein ist ungemein plastisch und lädt dazu ein, ihn zu formen. Sein steigender Verbrauch hinterlässt aber auch einen nicht zu übersehenden Fußabdruck. Eigenes Foto, CC-Lizenz.

Die speziellen Ansprüche an den verwendeten Sand können zu etwas absurd anmutenden Situationen führen. Länder, bei denen man vermuten möchte, sie hätten doch fast sprichwörtlich Sand wie Sand am Meer wie beispielsweise die Wüstenstaaten auf der arabischen Halbinsel, importieren Sand für ihren Bauboom aus Australien. Der äolisch transportierte, relativ gleichkörnige Sand aus ihrer eigenen Wüste ist für gigantische Betonbauwerke nicht gut geeignet. Dabei kann der enorme Bedarf an Sand zu einem großen Problem werden, besonders wenn er im Übermaß und illegal abgebaut wird. Da gerne auch Meeressand genommen wird, kann dies zu einer ernsten Gefahr für die Küsten werden, vor denen der Abbau stattfindet. Um auch für die Zukunft genügend Sand mit guter Qualität zum Bauen zur Verfügung zu haben und gleichzeitig die natürlichen Quellen zu schonen, wird das Recyceln von Sand auch Abbruchbeton zur Zeit erforscht. Es besteht dir Hoffnung, dass dies in Zukunft zur Entlastung der Situation beitragen kann. Denn die Bauindustrie ist ja nicht der einzige Verbraucher. Sand wird in der Glasindustrie ebenso wiezur Herstellung von Silizium Poly- oder Enkristallen benötigt, oder etwa als Filtersande für die Aufbereitung von Wasser und Abwasser. In Gießereien wird Sand als Formsand verwendet und er dient als Abrasionsmittel beim sandstrahlen. Nicht vergessen werden sollte natürlich der Vogelsand und der Spielsand. Und, um wieder an meinen alten Professor anzuknüpfen, der diese Antwort immer besonders gerne hörte; als Scheuermittel. Sand ist also nicht nur ein hochinteressantes Gestein, das uns Geowissenschaftlern eine menge Informationen gibt, er ist auch ein wertvoller und begehrter Rohstoff, der es auf jeden Fall verdient hat, das Gestein des Jahres zu sein.

 

 

REM Aufname Sand 1
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Sandkörnern mit unterschiedlichen Rundungsgraden. Eigenes Foto, CC-Lizenz.

 

Sand (Teil 1): eine endliche Ressource, ETH Zürich

Strände in Gefahr? arteTV

Sand, rarer than one thinks UNEP_GEAS

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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