Fossil des Jahres – Pflanzenfossil Medullosa stellata mit Alethopteris schneideri aus dem frühen Perm.

Fossil des Jahres 2023: Pflanzenfossil Medullosa stellata mit Alethopteris schneideri aus dem frühen Perm

Wo wir schon bei den Dingen des Jahres sind, darf natürlich das Fossil des Jahres nicht fehlen. Und nein, hierbei handelt es sich nicht um eine Protestaktion gegen die Erdölindustrie und den Klimawandel. Der Titel des Fossils des Jahres wird vielmehr von der Paläontologischen Gesellschaft verliehen. Die Fossilien, die diesen Titel verliehen bekommen, sind meist nicht nur hervorragend erhalten, sie sollen uns auch helfen, unsere geologische Vergangenheit besser zu verstehen.

Fossil des Jahres 2023: Pflanzenfossil Medullosa stellata mit Alethopteris schneideri aus dem frühen Perm
Fossil des Jahres 2023: Pflanzenfossil Medullosa stellata mit Alethopteris schneideri aus dem frühen Perm. Foto: Ludwig Luthardt

Das doppelte Fossil

In diesem Jahr wurden eigentlich sogar zwei Fossilien mit dem Titel ausgezeichnet. Das scheint zumindest auf den ersten Blick etwas seltsam, aber wenn man genauer hinschaut, erklärt es sich schnell. Denn beide Fossilien tragen zwar einen eigenen Namen, gehören aber dennoch zu einem Organismus. Das zeigt auch die Probleme, vor denen die Paläontologen oft stehen, wenn sie nur aufgrund einiger Reste einen ganzen Organismus benennen sollen. Da kommt es dann durchaus vor, dass unterschiedliche Teile ein und desselben Organismus unterschiedliche Bezeichnungen tragen. Nur aus dem Grund, weil sie nicht zusammen gefunden wurden und man nicht erkannte, wie sie eigentlich zusammen gehören.

In diesem Fall ist es die fossile Pflanze Medullosa stellata, mit aufsitzenden Blättern. Diese Blattwedel haben einen eigenen Namen: Alethopteris schneideri. Das Phänomen ist übriges nicht sonderlich selten. Es liegt daran, dass lange Zeit Fossilien der Stämme und der Blätter jeweils getrennt gefunden (zwar in derselben Fundstätte, aber eben nicht zusammenhängend). Somit blieb lange Zeit unbekannt, dass sie zu einer Art gehören.

Probleme der Paläontologen

Das ist sicher etwas, das heutigen Botanikern recht selten passiert. Man braucht ja eigentlich nur in einen Wald spazieren und erkennt, dass Eichenblätter an Eichen, Buchenblätter an Buchen und so weiter wachsen. Paläontologen aber haben sehr oft das Problem, dass sie zwar Stämme der Buchen und Eichen finden. Ebenso finden sie die Eichenblätter und Buchenblätter, aber halt einzeln und nicht im Zusammenhang. Somit weiß halt niemand, ob die Eichenblätter eben (um mal bei dem Beispiel zu bleiben) vielleicht an den Buchenstämmen wachsen. Oder vielleicht doch eher die Kiefernnadeln, die ebenfalls herumliegen?

Das Problem der Paläontologen führt recht häufig zu doppelten Beschreibungen und mehrfachen Artbezeichnungen. Das passiert vor allem, wenn sich die Lebewesen über ihre Lebenszeit in der Form deutlich verändern, oder wenn ein deutlicher Geschlechstdimorphismus vorliegt. Dann kann es eben leicht passieren, dass zwei fossile Arten beschrieben werden, obwohl es sich um eine einzige handelt. Ein Beispiel wäre hier die Debatte um Torosaurus und Triceratops sowie die Sache mit dem Nanotyrannus.

Wer waren die Medullosen?

Aber kommen wir zurück zu unserem Fossil des Jahres. Dass es sich hier um ein Pflanzenfossil handelt, ist durch, denke ich, klar geworden.

Die Medullosen sind eine ausgestorbene Ordnung der Samenfarne. Sie lebten im Paläozoikum und gehörten zu den größten Vertretern der Samenfarne. Sie ähnelten in ihrer Erscheinung vielleicht am ehesten den heutigen Baumfarnen, auch wenn sie mit den Farnen selber nicht verwand sind.

Im Karbon waren sie ein Teil der ausgedehnten kohlebildenden Moorwälder. Als gegen Ende des Karbons das Klima zunehmend trockener wurde, starben viele Medullosen aus. Einige schafften es jedoch, sich an die saisonal trockeneren Bedingungen anzupassen und gediehen in den ausgedehnten Wäldern des frühen Perm. Ihre Blätter finden sich heute vielfach als Fossilien erhalten in den Rotliegend-Becken Mitteleuropas. Wie die Pflanze aber als Ganzes aussah, das wusste man lange Zeit nicht, da eine vollständige Erhaltung der gesamten Pflanze nur unter sehr speziellen Bedingungen vorkommt.

Ein Wald aus Stein

Diese Bedingungen wurden im sogenannten Steinernen Wald von Chemnitz erfüllt. Hier wurde im frühen Perm vor rund 291 Millionen Jahren ein ganzer Wald unter der Asche eines nahegelegenen Vulkans begraben. Die Asche führte dazu, dass die Krone eines Baumes der Art Medullosa stellata unter der Last abbrach und kopfüber zu Boden fiel. Dort wurde sie von der Asche bedeckt und konnte so bis heute erhalten bleiben.

Als das Fossil gefunden wurde, zeigte sich der Zusammenhang der Blätter, die als Alethopteris schneideri bekannt waren und Medullosa Stellata. Am oberen Stamm befanden sich 10 der mehr als drei Meter langen Gabelwedel. Jetzt konnte nicht nur die enorme Masse der Blätter der Medullosen des frühen Perm erkannt werden, sondern ihre Wuchsform.

Es zeigte sich, dass sie im Unterschied zu ihren karbonischen Vorgängern mächtige verholzte Stämme ausbildeten und bis zu 10 m hoch werden konnten. In den Wäldern des frühen Karbon wuchsen sie im Schatten mächtiger Cordaitenbäume und stellten den Unterbau der Wälder dar. Ihre ausladenden Blattwedel waren dazu optimiert, das wenige Sonnenlicht in diesem Stockwerk gut zu nutzen. Sie konnten dort erfolgreich mit anderen Pflanzen zu konkurrieren.

Die Pflanzen wuchsen dort an feuchten Standorten und konnten vermutlich große Mengen Wasser aufnehmen und verdunsten. Darauf deuten die Leiterahnen in ihren Stämmen hin. Dadurch schufen sie zu einem feuchten Mikroklima der damaligen Wälder bei.

Im Verlauf der Perm wurde der Superkontinent Pangäa in weiten Bereichen zunehmend trockener. Dadurch verloren die Medullosen ihre feuchten Mikrohabitate. gegen Ende des Perms starben sie dann endgültig aus. Fossilien dieser beeindruckenden Pflanzen können heute im Museum für Naturkunde in Chemnitz sowie dem Naturhistorischen Museum Schloss Bertholdsburg in Schleusingen besichtigt werden.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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