Faserige Minerale – Asbest ist nicht die einzige Gefahr

Achtung, Asbest!

Dass Asbest extrem gesundheitsschädlich ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Immerhin gehört Asbest zu den nachgewiesenermaßen für Menschen krebserregenden Substanzen. Das Interessante daran ist, dass unter den grob gesagt 400 mehr oder weniger faserförmigen Mineralen nur 6, nämlich der Serpentin Chrysotil sowie die 5 Amphibole Amosit (mineralogisch gesehen zur Cummingtonit-Grunerit Mischungsreihe gehörend), Krokydolith (mineralogisch eigentlich korrekt Riebeckit), Anthophyllit, Aktinolith sowie Tremolit als „Asbest“ zusammengefasst und reglementiert werden.

Das liegt mit großer Wahrscheinlichkeit daran, dass es diese 6 Minerale waren, die industriell genutzt wurden und für die somit entsprechende Gesundheitserfahrungen für viele Jahre vorlagen. Das führt unter anderem oft dazu, dass faserige Minerale und Asbest oftmals synonym verwendet werden, oder dass nur die 6 Asbeste als gefährliche faserförmige Minerale verstanden werden. Dabei stehen durchaus mehr der auch als „EMP“ (elongates mineral particles, elongierte Minerale) bezeichneten Minerale im Verdacht. Denn die Hauptfaktoren für die Gefährlichkeit der Mineralfasern sind deren Morphologie, ihre Oberflächenaktivität und ihre Biopersistenz.

Faserförmige Minerale auf einem Kernporenfilter.

Was macht Mineralfasern gefährlich?

Unter Morphologie wird hier hauptsächlich die Lungengängigkeit verstanden, wie sie die WHO definierte (sogenannte WHO Fasern, Länge > 5 µm, Durchmesser > 3 µm und ein Längen/Durchmesser-Verhältnis von 3:1). [Stanton et al. 1981] zeigte, dass die idealen Abmessungen einer krankheitsauslösenden Mineralfasern eine Länge von mehr als 8 µm und einen Durchmesser von weniger als 0,25 µm betragen.

Die Oberflächenreaktivität von Mineralfasern wird gerne mit dem Eisengehalt in Verbindung gebracht. Vor allem, wenn dieses Eisen an der Oberfläche der Mineralfasern zu finden ist, fördert die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies, auch bekannt als Sauerstoffradikale. Der hierdurch ausgelöste oxidative Stress kann die Zelle schädigen. Für manche laut Mineralformel eigentlich eisenfreien Minerale, wie z.B. Chrysotil spielt hier möglicherweise der Austausch von Magnesium gegen Eisen eine Rolle.

Der dritte Faktor ist die Biopersistenz, also die Fähigkeit der betreffenden Faser, die spezifischen Bedingungen im Körper zu überstehen und sich der Entfernung und dem Abbau durch diverse Vorgänge dort zu widersetzen.

Gelangen lange und dünne Mineralfasern durch die Atemwege in die Lunge, können sie dort in die Lungenbläschen eindringen. Der Körper wehrt sich unter anderem mit Makrophagen, welche kleinere Partikel aufnehmen und gegebenenfalls entfernen oder auflösen. Im Falle langer und dünner Mineralfasern versagt dieser Mechanismus aber und es kann sich ein letztlich chronisch werdender Entzündungsprozess herausbilden.

Grob gesagt sollte also eine Mineralfaser mit geringer Biopersistenz schneller vom Körper aus dem Gewebe entfernt werden können und demnach weniger schädlich sein als zum Beispiel eine mit höherer Biopersistenz.

Im Folgenden möchte ich eine kurze und bei weitem nicht vollständige Auswahl faserförmiger Minerale näher vorstellen.

Erionit

Das ist nicht so. Ich hatte hier im Blog schon verschiedentlich faserförmige Minerale behandelt, z.B. den Erionit. Dieser Zeolith ist nicht nur in der Lage, faserförmig aufzutreten, seine Fasern verursachen auch sehr ähnliche Krankheitsbilder bis hin zum Mesotheliom. Bekannt wurden Fälle aus der Türkei und den USA. Im türkischen Fall trat das Mineral in als Baustoffen für Häuser und Straßen genutzten Gesteinen auf, im Endeffekt zur Aufgabe mehrerer Dörfer in der Region Kappadokien führte.

Auch in den USA wurden Erionit-haltige Gesteine als Baustoffe genutzt. Sinnvollerweise wurden mit diesem Baustoff Straßen oder gar Spielplätze zu befestigt. Soweit mir bekannt wurden die betreffenden Belege inzwischen überdeckt, aber für Straßenarbeiter z.B. besteht wohl immer noch ein erhöhtes Risiko.

Mordenit

Erionit ist nicht der einzige faserförmige Zeolith. Ein weiterer Zeolith, der nicht nur sehr gerne faserförmig auftritt, sondern zudem noch relativ häufig ist, ist Mordenit (Na2,K2,Ca)[Al8Si40O96]_28H2O) (Guiseppe 2020). Mordenit und Mordenit-haltige Sedimente werden Aufgrund seiner adsorbierenden Eigenschaften gerne abgebaut und z.B. für die Aufnahme von Öl und Chemikalien bei Unfällen verwendet. Mordenit wird unter anderem als Molekularsieb und zur Gastrennung eingesetzt.

Zurzeit ist das Mineral von der IARC in der Gruppe 3 gelistet (nicht klassifizierbar hinsichtlich seiner Karzinogenität für den Menschen). Diese Einteilung bedeutet nicht, dass es für Menschen ungefährlich ist, sondern vielmehr, dass nicht genügend Daten für eine genauere Einteilung vorliegen.

Tierversuche in den 1980´er Jahren zeugten, dass Mäuse, denen Erionit und Mordenit injiziert wurden, eine Retroperitonealfibrose entwickelten. Im Gegensatz zu Erionit zeigten die Mäuse mit Mordenit jedoch keine Tumorentwicklung [Suzuki 1982] und [Suzuki & Kohyama 1984].

Dabei ist jedoch zu bedenken, dass auch Mordenit eine relativ hohe Biopersistenz zeigt. Diese ist in etwa mit der des erwiesenermaßen gefährlichen Erionit vergleichbar. Ähnliches gilt auch für die Oberflächenreaktivität. Da auch Mordenitfasern durchaus lungengängige Maße zeigen, fehlen hier noch weitere Studien.

Wollastonit

Wollastonit, CaSiO3, ist ein recht häufig vorkommendes, farbloses Mineral, das als Kettensilikat zu den Pyramidenähnlichen (Isoprenoiden) zählt. Diese unterscheiden sich von den echten Pyroxenen durch ein anderes Verknüpfungsmuster der SiO4-Tetraeder. Es bildet sich meist bei der Kontaktmetamorphose und Metasomatose von Kalksteinen (z.B. Skarn) und kristallisiert im triklinen Kristallsystem (lassen wir mal die selteneren monoklinen Varietäten beiseite). Dabei kann es einen nadelig bis faserigen Habitus zeigen. Dies wird durch ein bevorzugtes Wachstum der Kristalle in der kristallografischen B-Achse bewirkt.

Und damit wird das Mineral Wollastonit bevorzugt nadelförmig. Immerhin soll es hier ja um nadelige und faserförmige Minerale gehen. Denn genau diese nadel- bis faserförmige Ausbildung macht das Mineral interessant. Es wird im industriellen Maßstab abgebaut und auch über die Reaktion von Brandkalk mit Siliciumdioxid hergestellt, da es sich auch aufgrund seines relativ hohen Schmelzpunktes von 1540 C° als Asbestersatz geradezu anbietet. Außerdem gilt das Material als gut biolöslich, sodass Fasern vom Körper vergleichsweise gut abgebaut werden können.

Daher finden sich Wollastonit und Wollastonit-haltige Materialien sowohl in der Feuerfestindustrie, feuerfester Schutzkleidung, Füllstoff oder zur Verbesserung mechanischer Eigenschaften von Keramiken und anderen Materialien wieder.

Teilweise wurde und wird auch immer noch Wollastonit in verschiedenen medizinischen Anwendungen wie Knochenzementen oder Zahnimplantaten verwendet.

Der weitreichende Einsatz als Asbestersatz und die Tatsache, dass durchaus auch lungengängige Fasern vorkommen, löste auch ein Interesse an möglichen gesundheitlichen Folgen aus. 2001 hat ein Bericht der NOHSC (National Occupational Health and Safety Commission festgestellt, dass genügend Belege für eine Ungiftigkeit und nicht-Kanzerogenität in Tierversuchen vorliegen. Hingegen gäbe es noch ungenügend Daten, was Wollastonitfasern im menschlichen Körper bewirken[Maxim et al. 2014].

Vergleichbar äußerte sich 2001 die deutsche MAK-Kommission.

Was den bergmännischen Abbau von Wollastonit angeht, so kann es aber trotz allem für die Bergleute Risiken geben. So sind bekannte Begleitminerale in Wollastonit-haltige Gesteinen unter anderem Tremolit, ein Mineral, das auch unter den Asbesten gelistet wird. Tritt wie z.B. in der Willsboro Mine Tremolit zusammen mit Wollastonit auf, muss durch eine entsprechende Qualitätskontrolle wird sichergestellt werden, dass das Endprodukt frei von Asbestspuren ist.

Bislang deuten also weder Tierversuche noch Langzeitbeobachtungen an Menschen darauf hin, dass Wollastonitfasern eine schädliche Auswirkung wie z.B. Fibrosen oder gar eine krebsauslösende Wirkung haben.

Ältere Untersuchungen an Arbeitern der Minen Lappeenranta in Finnland und Willsboro wiesen auf eine Beeinträchtigung der Lungenfunktion hin. Bei jüngeren Untersuchungen (nach1988) konnten diese Befunde nicht bestätigt werden. Dies wird unter anderem auf verbesserte Arbeitsbedingungen und geringere Faserfreisetzung zurückgeführt. Demnach ist also auch bei Mineralfasern mit einer guten Biolöslichkeit und geringer Gefahr eine Reduktion der Faserfreisetzung immer eine gute Idee.

Antigorit

Wir kennen ja den Chrysotil als Mitglied der Mineralgruppe der Serpentine. Er wird auch gerne als Faserserpentin bezeichnet. Die Serpentine beinhalten aber noch mehr Minerale mit mehr oder weniger derselben chemischen Zusammensetzung. Und zumindest einige können auch in faseriger Form vorliegen. Ein bekanntes Beispiel ist der Antigorit oder Blätterserpentin, der auch als Edler Serpentin oder Edelserpentin im Handel zu finden ist.

Dieses Mineral mit der Zusammensetzung Mg6[(OH)8|Si4O10] (weitgehend identisch mit der von Chrysotil) kristallisiert im monoklinen Kristallsystem und gerne als blättrige, aber auch als faserförmige Mineralaggregate.

Seine hell- bis dunkelgrüne Farbe macht dieses Mineral als Dekoration beliebt. Schmuckplatten als Fensterbänke oder an Fassaden zum Beispiel. Besonders schöne Exemplare werden auch zu Schmucksteinen verarbeitet.

Seine weite Verbreitung wie auch seine enge Verwandtschaft zum Faserserpentin Chrysotil, der ja als Mitglied der Asbestminerale streng reglementiert ist, machen das Mineral Antigorit durchaus verdächtig.

Rollen sich die Kristallite des Chrysotils zu feinen Röllchen auf, bewirkt beim Antigorit eine verringerte Kohäsion zwischen Gitterdomänen die Entstehung leistenförmiger Kristallite.

Die bei diesen Vorgängen entstehenden feinen Kristallfasern können Dicken von unter 1 µm und Längen im Bereich von 10 bis über 100 µm. Im Vergleich zeigen sich Chrysotilfasern als elastischer als die von Antigorit, aber das dürfte auch kein Pluspunkt sein. Immerhin ist Chrysotil auch deutlich elastischer als die Fasern der Amphibolasbeste.

Antigorit wird schon länger unter den gefährlichen Mineralfasern geführt. Umso erstaunlicher ist es, dass Antigorit im Gegensatz zu seinem Verwandten zwar durchaus kommerziell genutzt wird, aber noch nicht als Gefahrstoff klassifiziert und entsprechenden Schutzregeln unterworfen wurde.

Ganz besonders der faserige Antigorit wurde auch als Ersatz für Chrysotil verwendet. Dabei entstehen bei der Bearbeitung von Antigorit ebenfalls Faserfeinstäube.

Faseriger Antigorit aus Australien zeigt nach [Keeling et al. 2006]und [Keeling et al. 2010] eine Reihe ähnlicher Charakteristika wie Chrysotil auf. Den Autoren zu Folge wäre er ähnlich wie dieser als potenzielles Gesundheitsrisiko einzustufen.

Dass dies nicht nur theoretische Überlegungen sind, zeigen Untersuchungen von [Wozniak et al. 1988] an polnischen Arbeitern einer lateritisches Nickel-Erz verarbeitenden Fabrik. Hier führte eine anhaltende Belastung mit Antigorit-haltigen Faserstäuben zu rund 25 Asbestose Erkrankungen.

Apropos lateritisches Nickelerz. Eines der Hauptvorkommen dieser Nickelerze ist Neukaledonien. Hier finden sich ausgedehnte lateritische Nickelerze vergesellschaftet mit großen Antigorit führenden Serpentinitvorkommen. Rund ein Drittel der auch als Grande Terre bezeichneten Hauptinsel besteht aus ultramafischen Gesteinen, hauptsächlich aus Peridotiten und Serpentiniten. [Baumann et al 2011] fand erhöhte Raten von Lungenkrebs und speziell Mesotheliomen in einem Zeitraum von rund 30 Jahren.

Da die Verteilung der Erkrankungen nicht geschlechtsspezifisch und zudem oft auch bereits in jungen Jahren auftrat, deutete vieles auf eine Ursache in der Umwelt hin. Das Erkrankungsrisiko hing auch mit der Nähe zu Serpentinitvorkommen zusammen.

Eine identifizierbare Ursache war antigorithaltiger Serpentinit, der für den Straßenbau verwendet wurde. Außerdem korrelierte die Nähe von Serpentinitbrüchen stark mit dem Erkrankungsrisiko. In den Serpentiniten von Neukaledonien ist der Blätterserpentin Antigorit das vorherrschende Serpentinmineral.

n Tierversuchen ([Wozniak et al. 1988]) entwickelten Ratten, denen faserförmiger Antigorit aus lateritischen Nickelerzen verabreicht wurde, in ähnlicher Zahl Tumore wie etwa Krokydolith und durchaus stärker als etwas Chrysotil (rund 80 % der Tiere, davon 77 % Mesotheliome).

Vermutlich kann man zumindest für die faserförmige Ausprägung des Antigorits sagen, dass er ein ähnliches Gefahrenpotential wie die bekannten 6 Asbestminerale hat. Dies zeigen sowohl klinische Daten exponierter Personen als auch Tierversuche gut. Problematisch ist sicherlich, dass Antigorit meist nicht alleine und sehr gerne in enger Gesellschaft mit anderen Asbestmineralen auftritt, sodass eine Abgrenzung der pathogenen Wirkung meist nur schwer möglich ist.

Ich möchte mich [Vortisch & Baur 2017] durchaus anschließen, mit ihrem Vorschlag, asbestiformen faserigen Antigorit analog zum Chrysotil in die Gruppe der Asbestminerale aufzunehmen und entsprechend zu regulieren.

Amphibole wie z.B. Richterit, Edenit und Winchit

Dass unter den Amphibolen einige gesundheitsgefährdende faserförmige Minerale zu finden sind, ist eigentlich trivial. Immerhin gehören 5 der 6 Minerale unter den Asbesten in die Amphibolgruppe. Da stellt sich, analog zu den Serpentinen oben, schnell die Frage, was die 5 Amphibolasbeste haben, was dem Rest der Amphibole fehlt. Die Faserförmigkeit ist es zumindest weniger, denn auch unter den anderen Amphibolen finden sich faserförmige Vertreter. Und wenn man sich die Sache etwas genauer anschaut, sind auch unter den sonstigen Amphibolen einige, deren Gesundheitsgefahren gut belegt sind.

in sehr eindrucksvolles Beispiel hierfür sind die NaFe3+ Amphibole wie Richterit Na[CaNa](Mg,Fe2+)5[(OH)2|Si8O22] und Winchit (CaNa)(Mg4Al) [(OH)2|Si8O22]. Beide sind Endglieder einer Mischungsreihe, wobei viele Amphibole untereinander mehr oder weniger mischbar sind. In dieses Feld gehören neben den Mg-haltigen Varianten von Arfvedsonit und Riebeckit (uns in diesem Zusammenhang unter der Bezeichnung Krokydolith respektive Blauasbest bekannt) auch Edenit und Tremolit.

Aktenkundig wurden die beiden Amphibole im Zusammenhang mit der Libby-Mine für Vermiculite in Montana/USA. Dieses Vermiculit-Vorkommen wurde ab 1923 abgebaut. Unter den Minenarbeitern wurden signifikant hohe Inzidenzen an Asbestose sowie Lungenkrebs, speziell Mesotheliome, beobachtet.

Die Libby Mine liegt in einer alterierten, ultramafisch-alkalinen ringförmigen Intrusion, bei der die Biotite hydrothermal in Vermiculit und die Pyroxene zu Amphibolen umgewandelt sind. Und da haben wir auch schon das Problem, denn Vermiculit steht nicht im Verdacht, beim Menschen zu Lungenproblemen zu führen.

In der Literatur findet sich dann immer der Hinweis, dass der Vermiculit aus Libby den Amphibolasbest Tremolit enthält. Mir ist nicht ganz klar, ob das der Fall ist, aber nach [Pacella & Ballirano 2016] scheint es sich weniger um Tremolit als um die faserigen Formen von Richterit und Winchit zu handeln. Diese Amphibole sind zwar nicht als Asbestminerale gelistet, aber das macht die Sache nicht unbedingt besser. Im Gegenteil, [Fantauzzi et al. 2012] stellten fest, dass Richterit hinsichtlich der Oberflächenreaktivität und der Bildung von Hydroxyl-Radikale Tremolit übertrifft.

[Andreaozzi et al. 2009] fanden vergleichbare Resultate für ein Vorkommen auf Sizilien, bei dem die Reihe Fluor-Edenit – Winchit eine unrühmliche Rolle spielt. Auch hier wurden alterierte vulkanische Gesteine kommerziell als Baumaterial gewonnen, was zu einer ungewöhnlich hohen Inzidenz an den entsprechenden Lungenkrankheiten der Bergleute und der lokalen Bevölkerung führte. Fluor-Edenit hat es 2014 immerhin in die Gruppe 1 der Humankarzinogene der IARC geschafft [Kane et al. 2014].

Fazit

Von den rund 400 bekannten faserförmigen Mineralen sind nur 6 als Asbest streng reglementiert, weil diese über lange Zeit kommerziell genutzt wurden. Sicher, nicht jedes faserförmige Mineral ist gefährlich, und es gibt mehr oder weniger feine Abstufungen in der Gefährlichkeit. Aber da einige der hier beispielhaft behandelten faserförmigen Minerale teilweise als Asbestersatz (z.B. der Serpentin Antigorit, aber auch Wollastonit) verwendet wurden oder, wie etwa die faserförmigen Amphibole oder die Serpentine, in der geologischen Natur recht weit verbreitet sind, besteht immer die unverhoffte Möglichkeit, auf sie zu stoßen.

Der Mensch neigt dazu, natürliche Gesteine als Baumaterial zu verwenden oder seine Bauwerke in die Gesteine hineinzutreiben (z.B. Tunnel). Dabei können schnell nennenswerte Fasermengen freigesetzt werden, was zu einer Gefährdung der beteiligten Arbeitskräfte, aber auch der lokalen Bevölkerung führen kann.

So betrachtet erscheint es etwas willkürlich, dass nur 6 ausgewählte faserförmige Minerale streng reguliert werden, während andere, mit diesen eng verwandte und / oder ebenso gefährliche faserförmige Minerale vernachlässigt werden.

Der einzige Grund für die Konzentration auf die 6 Asbestminerale ist, dass diese industriell im großen Maßstab verwendet wurden. Das darf aber meiner Meinung nach nicht zu einer Vernachlässigung der Gefahren anderer faserförmiger Minerale führen. Man könnte ja mal darüber nachdenken, ob man nicht weitere pathogene faserige Minerale in die Gruppe der Asbeste aufnimmt.

Immerhin, im Ban Asbestos in America Act von 2007 kamen neben den bekannten 6 Asbestmineralen auch Winchit, Richterit und asbestiforme Amphibole mit auf die Liste der zu regulierenden Minerale. Leider wurde dieser Entwurf nie ratifiziert. Ich würde durchaus einige Gründe sehen, dies auch hier in Europa bzw. in Deutschland zu überdenken. Es geht nicht nur um Asbest, auch andere faserförmige Minerale können gesundheitsschädlich sein. Wir sollten die Fehler, die bei den 6 Asbestmineralen gemacht wurden, nicht unbedingt mit anderen Mineralfasern wiederholen.

Literaturverzeichnis

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

4 Kommentare

  1. Hochinteressanter Artikel, der aber eine weitere Frage aufwirft:
    Gibt es Untersuchungen zu Kohlenstoff-Fasern und Kohlenstoff-Nanoroehrchen?

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