Ein Tyrannosaurus rex namens „Sue“

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Das Tyrannosaurus rex Exemplar mit der Inventarnummer FMNH PR 2081, besser bekannt unter dem Namen „Sue“ ist das größte und am vollständigsten erhaltene Skelett eines Tyrannosaurus rex.
Zu finden ist es im Field Museum of Natural History in Chicago, und wenn man da schon mal vorbeikommt, dann sollte man dieser „Dame mit Biss“ doch mal einen Besuch abstatten.

Sue
“Sue” in ihrer ganzen Pracht. Eigenes Foto.

Der vergleichsweise (mit deutschen Museen) hohe Eintrittspreis sollte einen nicht abschrecken. Dieses Museum ist eigentlich mehr als einen einzigen Besuch wert. Aber trotz all der anderen Verlockungen ging es mir hier in erster Linie tatsächlich nur um „Sue“. Ich werde hier zwar von dem Skelett in der weiblichen Form reden, aber dies ist nur dem Namen geschuldet, den das Skelett zu Ehren seiner Finderin, der Paläontologin Sue Hendrickson, trägt. In Wirklichkeit wissen wir nämlich (soweit mir bekannt ist) nichts über das Geschlecht des Tieres, dessen Knochen hier ausgestellt sind.

Wir kennen die Dinosaurier wie unseren T-rex hauptsächlich als Skelett. Das macht es uns, verglichen mit den heutigen Tieren, natürlich ungemein schwer, sich eine genaue Vorstellung von dem lebendigen Wesen zu machen. Viele seiner Verhaltensweisen, seine Farbgebung und anderes wird uns lange, wenn nicht für immer verborgen bleiben. Aber manches wird uns dieses und weitere Skelette verraten. Oder glückliche Zufallsfunde, wie zum Beispiel ein Stück versteinerter Haut.

Da steht sie nun also vor mir, Sue. Das erste, was mir auffällt, ist der enorme Schädel mit seinem „Killerlächeln“ und den nach vorne ausgerichteten Augenhöhlen. Sie scheinen dem Tier auch 66 Mio. Jahre nach seinem Tod noch eine ungeheure Ausstrahlung zu geben.
Mit knapp 13 Metern Länge und gut 4 Metern Höhe ist das Skelett mehr als eindrucksvoll. Man kann sich gut vorstellen, wie ein lebender T-rex gewirkt haben könnte.

Sue
Lächle, du bist zum Essen eingeladen! Auch 66 Mio. Jahre nach ihrem Tod weckt ihr Lächeln noch Fluchtreflexe in einem Primaten. Die nach vorne gerichteten Augenhöhlen sind gut erkennbar. Eigenes Foto

 

Ein Saurier mit Biss

Der gewaltige Schädel mit seinen großen Zähnen ist, zumindest hier auf dem Skelett, nicht echt. Der echte Schädel ist wesentlich stärker deformiert, das tote Tier hatte auf ihm gelegen und ihn im Laufe der zeit zerdrückt. Aber der eigentliche Grund, warum eine Replik hier auf dem Skelett sitzt, ist das hohe Gewicht des Originals. Der Schädel wäre schlicht zu schwer, um hier montiert zu werden. Das Original ruht heute in einer Vitrine einen Stock über dem montierten Skelett.

Aber bleiben wir zunächst beim Schädel. Gut 1,5 m ist er lang und mit großen, bis zu 19 bis 30 cm langen Zähnen (inklusive Zahnwurzel) bestückt. Das alleine wäre sicher schon genug, um in einem kleinen Primaten einen anständigen Fluchtreflex zu aktivieren. Die Knochen wirken sehr massig, auch im Vergleich mit anderen Raubsauriern (obwohl diese Massivität der Kieferknochen bei in der näheren Verwandtschaft der Tyrannosaurier verbreitet war). Die Zähne sind zwar groß und spitz, aber sie sind nicht rasiemesserscharf. Stabil sehen sie aus, und das mussten sie vermutlich auch sein, konnte „Sue“ und ihre Artgenossen doch mit einer Kraft von gut 5 Tonnen pro Quadratzentimeter zubeißen.. Dieser Beißdruck dürfte wohl nur von den großen Krokodilen der damaligen Zeit übertroffen worden sein. Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass einen schon der Mundgeruch umgehauen hätte. Denn als Fleischfresser blieb vermutlich viel zwischen seinen Zähnen hängen und verrottete dort.

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Die Zähne eines Tyrannosauriers. Leicht geschwungen und stabil. Eigenes Foto.

 

Ein Blick nach vorne

Sehr auffällig an den Kieferknochen sind auch einige kleine Löcher. Ursprünglich vermutete man, dass es sich hier um Bissmarken von einem Kampf handelt. Wahrscheinlich aber stammen die Löcher von einem Parasiten ähnlich dem heutigen Einzeller Trichomonas gallinae, welcher bei heutigen Vögeln die Trichomonadose verursacht. Obwohl einige der Löcher Knochenwachstum zeigen könnte diese Infektion durchaus zum Tod geführt haben.

Schäden am Hinterhaupt wurden ursprünglich als „Todesbiss“ gedeutet. Heute geht man davon aus, dass diese Beschädigung des Knochens post mortem erfolgte.

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Zuerst vermutete man Bissmarken von einem Kampf mit einem Artgenossen. Es handelt sich aber sehr wahrscheinlich um eine Knocheninfektion. Die Löcher zeigen Wachstumsspuren, das Tier hat die Infektion also zumindest eine Zeitlang überlebt. Originalschädel. Eigenes Foto.

Wenn man direkt von Vorne auf den Schädel schaut, so fallen die Augenhöhlen auf. Sie sind nach vorne gerichtet, so dass das Tier Dinge vor seiner Nase sehr gut sehen konnte. Der alte Trick aus dem Film „Jurassic Park“, einfach bewegungslos still zu stehen, dürfte also nicht zu einem Erfolg geführt haben (jedenfalls nicht aus Sicht des Menschen. Der Saurier dürfte den kleinen Snack vermutlich als Erfolg ansehen…). „Sue“ konnte mit sehr guter Wahrscheinlichkeit gut dreidimensional sehen. Eine Fähigkeit, die für aktive Jäger sicher ganz praktisch gewesen sein dürfte. Untersuchungen zu Folge war die Sehfähigkeit des Tyrannosaurus rex ziemlich gut.

Warum hatte der Tyrannosaurus so winzige Arme?

Wenn man sich das Skelett eines Tyrannosaurus rex anschaut, dann fallen einem eigentlich zwei Dinge sofort auf. Das eine sind die wirklich bemerkenswerten Kiefer, bestückt mit riesigen Zähnen. Das andere sind die dagegen wirklich lächerlich wirkenden Arme. Die waren zwar immer noch gut einen Meter lang und mit zwei Krallen versehen und konnten vermutlich mit den stärksten Armen der Menschen problemlos mithalten. Untersuchungen zu Folge konnten sie rund 200 kg Gewicht heben.
Aber an einem rund 12 langen rund 6 Tonnen schweren Dinosaurier hätte man sicher mehr erwartet, stimmts?

Selbst wenn er mit seinen kleinen Armen also kleinere Beute hätte greifen können. Einen effektiven Vorteil hätte das wohl kaum bedeutet. In sicher keinen evolutionären Druck in Richtung kleiner Arme. Was also hat die Entwicklung dieser Arme begünstigt?

Oder hatten die kleinen Arme keinen Vorteil? Waren große und starke Arme schlicht, im evolutionären Maßstab, zu kostspielig?

Wenn der T-rex alleine mit seinem enormen Kiefer genügen Beute fangen konnte, waren größere Arme vielleicht überflüssig und konnten eingespart werden. Vergleichbar mit dem Steißbein bei uns Menschen, dem Rest eines Schwanzes. Also ein Rudiment.

Eine weitere Möglichkeit ist Gendrift in einer kleineren Population. Vielleicht in etwa wie das Merkmal Rothaarig in Irland stärker verbreitet ist, könnte sich in einer kleinen Population das Merkmal kleine Arme zufällig durchsetzen.

Dabei muss man aber beachten, dass auch andere Raubsaurier aus der Verwandtschaft unseres T-rex ähnlich kurze Arme hatten. Dies würde gegen einen Zufall sprechen und mehr dafür, dass hier die kurzen Arme doch einen Vorteil hätten.

Um die Frage nach dem Nutzen der Arme zu klären, wollen Wissenschaftler sich die Armknochen von „Sue“, einem T-rex Skelett, etwas genauer unter die Lupe nehmen. So wie es aussieht, hat Sue vermutlich ihre Arme nicht sehr häufig benutzt. Darauf deutet die Knochenstruktur der Arme jedenfalls hin.

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Eine Replik eine Armes von “Sue”. Der Maßstab ist 10 cm. Wikimedia User Amphibol , mit freundlicher Genehmigung.

Mein eigener Favorit bei den Gründen für die Entwicklung der kleinen Arme bei T-rex und seinen verwandten ist die Gewichtsersparnis. Als zweibeiniger Dinosaurier musste das Gewicht des Oberkörpers vom Gewicht des Schwanzes mehr oder weniger ausgeglichen werden. T-rex hatte aber gleichzeitig einen sehr massiven Kopf mit kräftigen Kiefern, die vermutlich gut 5 Tonnen Druck ausüben konnten. Die zugehörigen Muskeln und die massiven Kieferknochen waren sicher ziemlich schwer. Vielleicht mussten also an den Armen eingespart werden, damit der Kiefer wachsen konnte.

Am rechten Arm erlitt „Sue“ anscheinend eine Abrissfraktur. Dies könnte sicherlich im Kampf mit einer widerspenstigen Beute passiert sein. So schmerzhaft dies für das Tier gewesen sein mag, es war aber wohl nicht die Ursache für seinen Tod. Ähnliches gilt für eine Verletzung am Schulterblatt. Dies könnte natürlich dazu geführt haben, dass „Sue“ die Nutzung ihrer Arme eingeschränkt hat

Bauchlandung?

„Sue“ hatte zu Lebzeiten noch weitere gesundheitliche Probleme. Mehrere gebrochene und zumindest teilweise verheilte Rippen kommen noch hinzu. Ich könnte mir problemlos vorstellen, dass „Sue“ eventuell bei der Verfolgung einer Beute aus dem Gleichgewicht kam und eine Bauchlandung hinlegte. Wenngleich sicher schmerzhaft für das Tier, zeigt die Verheilung der Brüche auch, dass derartige Verletzungen überlebt wurden.

Weiterhin zeigen einige Wirbel der Schwanzwirbelsäule Verwachsungen, wie sie z.B.bei Arthritis vorkommen. Ihr linkes Wadenbein hat einen größeren Durchmesser als das rechte. Zuerst vermutete man einen Bruch als Ursache, aber ein CT-Scan konnte dies ausschließen. Vermutlich geht die Knochenveränderung auf eine Infektion im jugendlichen Alter zurück.

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Gebrochene Rippen. Sie sind wieder verheilt, die Verletzung war also nicht tödlich für das Tier, wenngleich vermutlich aber sehr schmerzhaft. Eigenes Foto.

 

Alles in allem schien ein T-rex ein gefährliches und verletzungsreiches Leben zu führen, vielleicht am besten mit dem eines heutigen Löwen vergleichbar. Aus den Knochen lässt sich auch das ungefähre Alter von „Sue“ zum Zeitpunkt ihres Todes herleiten. Das Raubsaurier war rund 28 Jahre alt. Damit ist „Sue“ der zweitälteste jemals gefundene Tyrannosaurus rex, nur übertroffen von „Trix“, die ungefähr 30 Jahre alt wurde.

Man kann “Sue” übrigens auf Twitter folgen: @SUEtheTrex

 

Weiterte Fotos von “Sue” auf Flickr

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

2 Kommentare

  1. Interessante Überlegungen.

    Ich stimme der Idee zu, dass die Arme beim T.Rex als Rudiment zu betrachten sind. Der T.Rex ist ein Zweibeiner, und hat mithin keine Verwendung für die Arme. Das Fressen erledigt er mit der Schnauze allein, wie Vierbeiner.

    Die Zweibeiner unter den Dinosauriern haben die Entwicklung eröffnet zu den Vögeln, indem die überflüssigen vorderen Extremitäten mit dem Fliegen eine neue Funktion ausbilden konnten, nachdem die vorige (Laufen) obsolet geworden war.
    Für den Menschen gilt ähnliches, was natürlich noch viel weiter reicht: Die Zweibeinigkeit stellt die vorderen Extremitäten frei den Gebrauch von Werkzeugen, was hier allerdings nur möglich war mit einem komplett umstrukturierten Verhältnis zur Welt inklusive Sprache und Selbstbewusstsein.

  2. Sue ist für ihre 66 Millionen Jahre Alter nicht nur gut erhalten, ihr Skelett zeigt sogar noch Spuren von durchgemachten Krankheiten die Ähnlichkeiten zu heutigen Krankheiten vermuten lassen. Natürlich weiss man trotz Skelett nicht, ob T.rex ein Warmblüter ( endothermes Tier) war oder nicht, man weiss nichts über sein Verhalten gegenüber Artgenossen gleichen Alters oder gegenüber seinen Kindern. Man weiss nichts über die Eiablage oder die Brutpflege.
    Andererseits wäre ja auch denkbar, dass es überhaupt keine erhaltenen Fossilien gäbe. Sogar unsere Kultur wäre dann eine andere: Menschenkinder würden dann keine Saurierbücher lesen und vorgelesen bekommen und die Biologen hätten Raum für fast beliebige, aber unfundierte Spekulationen.
    Physiker lieben ja den Spruch, es gebe die Physik als echte Wissenschaft und dann gebe es noch die Sammler und Botanisierer – alle anderen Wissenschaften. Doch ohne Sammler und Botanisierer wüssten wir über konkrete Dinge sehr wenig. Fossilienforscher, aber sogar Astronomen gehören in die von theoretischen Physikern so verächtlich gemachte Gruppe der Sammler und Botanisierer und die neue Wissenschaft der künstlichen Intelligenz, die gerade Erfolge mit künstlichen neuronalen Netzen macht, ist auch nur darum so erfolgreich, weil sie auf die umfangreichen Datensammlungen von google und Facebook zurückgreifen kann.
    Fossilien sind auch im Lichte dieser neuen Entwicklungen viel wertvoller, als die meisten wahrhaben wollen. Denn Fossilien sind nichts anderes als Datenpakete in einem ganzen Meer von Datenpaketen und einige dieser gar nicht gefundenen Datenpakekte kann man anhand der vorhandenen “erraten” – so machen es nämlich auch die künstlichen neuronalen Netze: sie erraten die Bedeutung des Neuen aufgrund des Wissens über all das Alte.

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