Die Sturmannshöhle in Obermaiselstein – eine aktive Karst-Schachthöhle

Bei Obermaiselstein im Allgäu findet man die Sturmannshöhle als Beispiel einer zumindest teilweise noch aktiven Schachthöhle. Ich muss es zugeben, ich liebe Höhlen und Bergwerke.Es ist für mich immer wieder faszinierend, unter die Erde zu gehen. Also nehme ich Höhlen, die einem Besuch offen stehen, gerne mit.

Sturmannshöhle

 Man kann die Enge der Schachthöhle gut erahnen. Mehr Platz gibt es meist nicht

Die Sturmannshöhle

Die gut 460 m lange Sturmannshöhle wurde 1815 erstmals schriftlich erwähnt und ist die einzige Schauhöhle im Allgäu und ein eingetragenes Geotop. Den sonst bei Schauhöhlen im Kalkstein so beliebten Sinterschmuck sucht man in dieser Höhle allerdings vergeblich. Das liegt daran, dass ausgedehnte Sinterbildungen eigentlich erst in einem späten Stadium des Lebens einer Höhle auftreten. Dann, wenn die Höhle inaktiv wurde und die empfindlichen Sinter nicht durch starken Wasserzutritt aufgelöst oder zerstört werden.

Die Höhle ist im kreidezeitlichen Schrattenkalk angelegt und ist eine Karst-Schachthöhle. Sie folgt der Schnittstelle einer Kluft mit einer steil gestellten Schichtfläche. Die Steilstellung des Schrattenkalks erfolgte im Zuge der Auffaltung der Alpen. Die Höhlenbildung im Kalkstein folgt gerne diesen oder ähnlichen Schwächezonen. Hier kann Wasser in das Gestein eindringen. Gelöstes Kohlendioxid macht das Wasser kalkaggressiv. Mit der Zeit erweitert sich die Höhle immer mehr. In dieser aktiven Phase eines Höhlenlebens dominiert die Lösung von Kalk, Sinter sind hier nicht zu finden. Dafür finden sich oft ganze Flüsse in den aktiven Höhlen. Ein Prozess, der auch als Verkarstung bekannt ist.

Sturmannshöhle

Die Treppe wieder nach Oben

Phasen der Höhlenbildung

Die Hauptphase der Verkarstung und damit der aktiven Sturmannshöhle lag vermutlich in den Warmzeiten des Pleistozän. Das eindringende Wasser brachte auch Sand als Fracht mit, was den Kalkstein auch mechanisch erodierte. Davon zeugt eine Gletschermühle im Besucherbereich.

Die Sturmannshöhle ist bereits in einer späten Phase ihres aktiven Lebens angelangt. Das Karstniveau liegt heute rund 40 Meter unterhalb des Eingangsniveaus der Höhle, sie wird aber immer noch von einem Höhlenbach durchflossen. Der Bach fließt durch den Höhlensee und verlässt die Sturmannshöhle Richtung Osten. Er tritt Nahe der nicht erschlossenen Fallbachhöhle als Karstquelle diffus zu Tage. Die Fallbachhöhle und die Sturmannshöhle sind hydrologisch miteinander verbunden.

Bei Schneeschmelze und auch bei Starkregenereignissen kann der Wasserspiegel des Höhlenbaches über 10 Meter ansteigen. Dann werden auch höher liegende Teile der Höhle wieder überflutet. Dies dürfte einer der Gründe für das weitgehende Fehlen von Sinter sein.

Sturmannshöhle

Fast endlos erscheint die Höhle nach oben (und nach unten). Man kann auch noch die Reste alter Elektrifizierung erkennen. Die Pflanzen verdanken ihre Existenz alleine der künstlichen Beleuchtung.

feucht und kalt

Die Höhle ist nur mit einer Führung zu besichtigen. Die Temperatur im Inneren der Höhle wird mit 4 bis 8 ° C angegeben. Das bedeutet, die Luft kann dort gegenüber der Außentemperatur recht empfindlich kalt werden. Warme und vor allem wasserfeste Kleidung ist durchaus zu empfehlen. Das gilt auch für das Schuhwerk. Der Weg der Höhlenführung mag mit gut 290 Metern nicht übermäßig lang erscheinen, aber er beinhaltet auch gut gut 74 m Höhenunterschied und 180 Stufen. Da ist festes und trittsicheres Schuhwerk ratsam. Die Höhle ist, als Spaltenhöhle, relativ eng. Es gibt nur einen Weg hinein, und den muss man auch wieder hinausgehen. Folglich müssen sich die Besucher auch passieren können. Das schränkt die nutzbare Breite zusätzlich ein. Rucksäcke oder große Tragetaschen können hier nicht verwendet werden.

Ich würde die Höhle auch für sehr kleine Kinder nicht empfehlen. Die Treppe zum Höhlensee hinab und wieder hinauf ist lang und eng. Es ist sehr schwierig, dort Kinder zu tragen und Platz für Pausen besteht nicht. Man muss schon einigermaßen gut zu Fuß sein.

Am Kassenkiosk gibt es nur sehr begrenzt Parkplätze. Weitere stehen am Haus des Gastes zur Verfügung, rund 30 Minuten zu Fuß vom Kassenkiosk entfernt. Die Führungen finden meist stündlich statt, wobei man für den Weg vom Kassenkiosk bis zur Höhle noch einmal eine knappe Viertelstunde benötigt.

Sturmannshöhle

Der Höhlenbach.

Im Inneren des Karsts

Man bekommt am Eingang der Höhle eine kurze Einführung, im inneren wird aufgrund des begrenzten Platzes keine weiteren Erläuterungen gegeben, was zwar verständlich ist, aber manche Beobachtung erschwert. In es gibt einiges zu sehen, auch wenn man den ganzen Spaß mit dem Drachenclan aus kleinen Plastikdinos und der Lichtshow am Höhlensee mal bei Seite lässt.

Gletschermühle

Wenn man auf dem Weg aufmerksam nach links und rechts schaut, kann man die schon genannte Gletschermühle entdecken. Natürlich gab es hier unten in der Höhle keinen Gletscher, aber die Entstehung ist doch vergleichbar. Auch eine Gletschermühle wird nicht vom Eis, sondern von abfließenden Schmelzwässern erschaffen, im Eis oder darunter liegenden Spalten. Das Wasser versetzt dabei Gesteinsbrocken und Sand in eine kreisförmige Bewegung. Die Gesteinsbrocken werden dabei rund geschliffen.

Sturmannshöhle

Die Gletschermühle zeugt von bewegten Zeiten

Schachthöhle

Unterhalb der Weggitter und über den Köpfen der Besucher verliert sich die Spaltenhöhle scheinbar in der Unendlichkeit. Lampen erhellen zumindest teile davon, eine negative Folge davon ist der Bewuchs von Algen und Farnen an diesen Stellen. Hier wäre den Betreibern eventuell anzuraten, das Licht zwischen den Führungen auszuschalten. Ob das allerdings bei der hohen Frequenz der Führungen, stündlich und jede ca. 40 Minuten lang, etwas bringt, ist fraglich.

Aerosolkorrosion?

In der Nähe zum Höhleneingang scheint die Höhlenwand, besonders im Bereich in Richtung Decke, sehr zerfressen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass hier Aerosolkorrosion eine Rolle spielt. Besonders im Winter, wenn kalte Außenluft auf die rund 8° C warme Höhlenluft trifft und sich die überschüssige Feuchtigkeit auf den Höhlenwänden niederschlägt. Zusammen mit einem hohen Gehalt an Kohlendioxid in der Höhlenluft können diese Aerosole kalkaggresiv sein und den Kalkstein anlösen.

wenige Sinter

Es ist auch nicht so, dass überhaupt kein Sinter in der Höhle zu finden ist. Zumindest die Reste einer Sintertapete fielen mir auf.

In in kleinen Seitenbereichen finden sich kleinere, warzenartige Gebilde auf dem Kalkstein. Ohne sie näher in Augenschein genommen zu haben, könnte es sich um Sinterwarzen handeln, die sich mit etwas Glück im laufe der Zeit zu Sinterpilzen entwickeln.

Ob sie das tun, hängt von vielen Faktoren ab. Dazu muss die Bewetterung der Höhle sehr gut sein und möglichst auch saisonal wechseln. Aber ob sie hier so schön werden, wie in den fränkischen Höhlen? Das bleibt abzuwarten.

Sturmannshöhle

Sturmannshöhle

Reste einer Sintertapete (oben) und eventuell Sinterwarzen (unten)

alte Spuren

An einigen Ecken kann man auch ein klein wenig die Entdeckungs- und Schauhöhlengeschichte dieser Höhle erahnen. Alte Leitungshalter zeugen von der frühen Elektrifizierung der Höhle. Die erfolgte bereits 1905, ein gutes Jahr nach der Erkundung durch den Obermaiselsteiner Lehrer Eppler. Damit dürfte die Höhle früher elektrisches Licht gehabt haben als viele Dörfer in der Region. Eiserne Leitern sollten den Besuchern den Zugang erleichtern.

Der Höhlenbach selber ist auch sehenswert, auch wenn er etwas versteckt unter dem Laufgitter hindurch rauscht. Der Höhlensee ging dagegen etwas in der Lichtshow unter. Vielleicht lag es auch daran, dass hier immer nur eine Person zur Zeit hin konnte. Alleine der Gedanke an die wartende Schlange ließen bei mir nicht die richtige Muße aufkommen.

 

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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