Der Megalodon und der Wal – das Leben ist kein Ponyhof #18

Schädel von Acrophyseter deinodon

Paläontologen kümmern sich hauptsächlich um ausgestorbene Lebewesen. Dabei haben sie gegenüber den Zoologen heute einen Nachteil. Die überlieferten Reste ehemaliger Lebewesen sind zum einen meist unvollständig, zum anderen erzählen sie meist sehr wenig über die Lebensweise der Tiere.

Während man heutige Lebewesen bei ihren Interaktionen beobachten kann, ist das bei ausgestorbenen nicht so ohne weiteres möglich. Man muss sich daher behelfen und hoffen, auf eindeutig zuzuordnende Spuren zu stoßen. Spuren, die uns Hinweise auf das Verhalten der Lebewesen geben können.

Zum Glück sind diese Spuren auch nicht so selten. Allerdings sind sie oft nicht ganz so eindeutig zuzuordnen. Ihr Verursacher ist nicht immer so eindeutig. Außerdem sind Spuren oft nur eine Momentaufnahme und verbergen komplexe Ereignisse. Ein kurzer Beitrag zum #WorldWhaleDay

Ein Bild aus vergangener Zeit

Manchmal hat man aber auch Glück. So wie dieser Fund eines Zahnwalzahnes in einer Phosphatmine in den USA. Diese Mine, die Nutrien Aurora Phosphat Mine, auch als Lee Creek Mine im Beaufort County in North Carolina, USA, hat bereits eine Anzahl von Walfossilien zutage gebracht.

Dieser Zahn aber ist durchaus etwas Besonderes, zeugt er doch von einer Interaktion verschiedener Lebewesen und damit von der Beziehung, in der diese Wesen zueinander standen. Damit geben sie uns quasi einen kurzen Einblick in eine längst vergangene Welt. Er zeigt deutlich Bissspuren eines großen Hais [Godfrey et al. 2021].

Allerdings ist der Zeitpunkt dieses Einblicks nicht ganz eindeutig zuzuordnen. Das liegt auch daran, dass der Zahn nicht in einem ungestörten Fundzusammenhang lag, als er geborgen wurde. Vielmehr wurde er, wie eine Vielzahl von ähnlichen Zähnen, auf einer Abraumhalde der Mine geborgen. Der Zahn selber zeigt sich spindelförmig und leicht gebogen, mit einer Länge von rund 116 mm und einer Durchmesser von 28 mm. An seiner Spitze thront eine Krone aus Zahnschmelz, die selber gut 19 mm lang ist. Vergleichbare Zähne kennt man aus dem Miozän, allerdings wurden auch aus dem Pliozän ähnliche Funde gemacht.

Walzähne mit Biss

Der Zahn weist 3 Furchen auf, die vermutlich von einem Angriff eines großen Hais herrühren. Zwei Spuren liegen dabei ungefähr in der Mitte des Zahns, wobei die zweite mit 23,5 mm die längste und tiefste von beiden ist. Sie weist außerdem 12 kleinere Riefen auf, die auf einen Zahn mit einer sägeförmigen Schneide als Verursacher deutet. Größe und Zahl der Riefen könnten auf Otodus megalodon oder eventuell einen Verwandten wie Otodus chubutensis hinweisen. Beide Haie gelten in der Aurora Phosphat Mine durch Zahnfunde als nachgewiesen.

Ebenfalls nachgewiesen wurden Vorfahren des heutigen Weißen Hais, Carcharodon carcharias, aber die Zähne von großen Exemplaren sind nicht fein und auch meist zu unregelmäßig genug gesägt, um vergleichbare Spuren zu hinterlassen.

Eine dritte Bissspur liegt etwas tiefen am Zahn, Richtung Kieferknochen. Sie ist den anderen beiden Spuren gegenläufig geneigt. Hier hat möglicherweise ein Zahn auf der gegenüberliegenden Kieferseite des angreifenden Hais seine Spur hinterlassen.

Verwandte des Pottwals

Der gefundene Zahn ähnelt in Länge und Umfang den größeren Zähnen eines miozänen Verwandten des Pottwals, Acrophyseter deinodon oder eventuell auch A. robustus [Lambert et al. 2016]. Die genaue Position des Zahns im ursprünglichen Kiefer ist aber leider nicht weiter bekannt, genauso wie die exakte Art, zu der dieser Zahn gehörte.

So ähnlich könnte Acrophyseter deinodon ausgesehen haben. FunkMonk (Michael B. H.) (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Acrophyseter_deinodon_restoration.jpg), „Acrophyseter deinodon restoration“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

A. deinodon lebte im mittleren bis späten Miozän, Fossilien dieser Art sind bisher aus der Pisco Formation in Peru bekannt. Er gehörte zu einer Gruppe räuberisch lebender Pottwale, die zahnschmelzgekrönte Zähne im Ober- sowie im Unterkiefer trugen und vermutlich selber Jagd auf große Beute wie Fische oder auch größere Beute wie etwa andere Wale machten. Darauf deuten die relativ großen, robusten, gebogenen und tief im Kiefer verankerten Zähne sowie seine spitze Schnauze hin.

Mit einer Länge zwischen 3,9 bis eventuell 4,3 m gehörten A. deinodon und A. robustus zu den kleineren Pottwale der damaligen Zeit und eigentlich wohl auch kein wirklich ernsthafter Gegner für einen großen Hai wie möglicherweise Otodus megalodon, der als potenzieller Verursacher der Bissspuren in dem Zahn gehandelt wird. Die großen Exemplare dürften 14,2 bis 15,3 m lang geworden sein [Shimada 2021]. Allerdings lässt sich die Größe des Angreifers nicht anhand der Bissspuren nicht abschätzen.

Der Hai und der Wal

Da Haie auch gerne an toten Walkadavern naschen, könnten sie Spuren auch davon kommen. Allerdings ist der schnabelartige Bereich (die Rekonstruktionen der Acrophyseter sehen den rezenten Schnabelwalen recht ähnlich), sicher nicht der Bereich an einem Kadaver, de sich ein hungriger Hai zuerst vornehmen würde.

Andererseits wäre diese Region sicher ein gutes Ziel, wenn man seinen Gegner rasch und effektiv töten will. Eine Wunde, bei der Bissspuren durch den Kieferknochen bis an die Zahnwurzel gelangen, war mit ziemlicher Sicherheit für den betreffenden Wal tödlich.

Heutige große Haie greifen kleinere Wale meist von hinten an, um den Bereich der Echolokation sowie die peripheren Sichtfelder zu vermeiden und so das Überraschungsmoment zu behalten. Bei anderen Meeressäugern, die keine Fähigkeit der Echoortung besitzen, verteilen sich die Positionen der Angriffe über den gesamte Körper. Bei Robben wurden oft auch die vorderen Bereiche und der Kopf bevorzugt.

Wir können also davon ausgehen, dass hier ein kleinerer Pottwal vermutlich einen unschönen Tag hatte.

Schädel von Acrophyseter deinodon
Schädel von Acrophyseter deinodon aus der Pisco Formation, Peru. Olivier Lambert (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Acrophyseter_deinodon_skull.jpg), „Acrophyseter deinodon skull“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

Killer-Pottwale

Dabei waren diese kleinen Wale, die auch gerne als „Killer-Pottwale“ (im englischen Killer Sperm Whales) bezeichnet werden, wohl selber auch keine Chorknaben. Ihre gebogenen Zähne, die relativ kurze und spitze Schnauze sowie die tief verwurzelten Zähne deuten auch darauf hin, dass sie sich mit guter Wahrscheinlichkeit von größerer Beute ernährt haben.

Anhand von Zähnen desselben Fundortes nehmen [Gilbert et al. 2018] an, dass sich die kleinen Zahnwale damals schneller entwickelten und eine geringere Lebenserwartung hatten, als heutige Pottwale und Orcas. Die Meere im Miozän waren wohl ein regelrechtes Haifischbecken.

Literaturverzeichnis

Godfrey et al. 2021: Godfrey, S.J., Nance, J., R. & Riker, N.L.,Otodus-bitten sperm whale tooth from the Neogene of the Coastal Eastern United States,Acta Palaeontologica Polonica,,599 – 603, 2021

Lambert et al. 2016: Lambert, O., Bianucci, G. & DeMuizon, C.,Macroraptorial sperm whales (Cetacea, Odontoceti,Physeteroidea) from the Miocene of Peru,Zoological Journal of the Linnean Society,,404 – 474, 2017

Shimada 2021: Shimada, K.,The size of the megatoth shark, Otodus megalodon (Lamniformes: Odontidae), revisited,Historical Biology,,904 – 911, 2021

Collareta et al. 2019: Collareta, A., Cigala Fulgosi, F. & Bianucci, G.,A new kogiid sperm whale from northern Italy supports psychrospheric conditions in the early Pliocene Mediterranean Sea,Acta Paleontologica Polonia,,609 – 626, 2019

Gilbert et al. 2018: Gilbert, K.N., Ivany, L.C. & Uhen, M.D.,Living fast and dyingyoung: life history and ecology of a Neogene sperm whale,Journal ofVertebrate Paleontology ,,, 2018

Avatar-Foto

Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

Schreibe einen Kommentar