Der Leinetalgraben
Sehr schwaches Erdbeben am 17. September 2024 bei Hardegsen
Am 17. September 2024 um kurz nach 12°° Uhr gab es in Hardegsen einen lauten Knall. Im ersten Moment dachte ich, dass in der Firma, in der ich meine Brötchen verdiene, etwas umgefallen sei. Aber eine schnelle Nachfrage bei den Kollegen ergab nichts, und nicht alle hatten etwas mitbekommen. Ich hatte gerade ruhig vor einem Elektronenmikroskop gesessen, ein paar Probengefäße hatten geklappert und ein REM-Bild war leicht verwackelt, mehr war nicht passiert.
Was war das? Wahrscheinlich hatte ich Glück, dass ich gerade ruhig im Keller saß, um überhaupt etwas zu merken. Bemerkt hatte man in den anderen Stockwerken nichts. Etwas später ergab eine kurze Internetrecherche die Ursache des Ereignisses. Es handelte sich um ein sehr schwaches Erdbeben mit einer Magnitude von 1,9. Das Epizentrum lag nur wenige Kilometer von meinem Aufenthaltsort entfernt nahe der Ortschaft Trögen, in einer Tiefe von ca. 1 km.
Der Leinetalgraben
Auslöser war vermutlich der Leinetalgraben, der quasi der kleine Bruder des bekannteren Rheingrabens ist (und dessen Anwohner vielleicht ohnehin über die schwachen Erdbeben hier im Leinegebiet schmunzeln).
Zusammen mit dem Rheingraben gehört der Leinetalgraben zur sogenannten Mittelmeer-Mjösen-Zone, einer kontinentalen Bruchzone, die sich von Marseille entlang des Rhonegrabens über den Rheingraben bis zum norwegischen Mjösa-See erstreckt. In der neueren Literatur wird auch häufig der Begriff Europäisches Känozoisches Riftsystem verwendet. Dabei handelt es sich um ein Grabenbruchsystem, das ähnlich dem bekannten Ostafrikanischen-Grabenbruch eine Dehnungsstruktur der Erdkruste darstellt.
Warum dieses Grabensystem entstanden ist und wie es mit ähnlichen Riftsystemen wie dem oben genannten Ostafrikanischen Graben, aber auch anderen wie dem Toten-Meer-Rift oder dem Roten Meer oder Riftsystemen in Libyen zusammenhängt, ist (zumindest meines Wissens) noch ungeklärt.
Ein Graben im Modell
Wie muss man sich die Entstehung eines Grabens vorstellen? Am besten mithilfe eines Modells. Dazu braucht man eigentlich nicht mehr als ganz normale Küchenutensilien. Ich habe hier zum Beispiel einfach Kakaopulver in verschiedenen Geschmacksrichtungen und Zucker verwendet. Mehl hat sich als zu bindig und zu stabil erwiesen. Die Farben ergeben eine sehr gut erkennbare Schichtung.
Mithilfe von Pappe, die unter das Pulver gelegt wurde, konnte eine Ausdehnung der Erdkruste simuliert werden. Man kann sehr gut erkennen, wie sich erste Störungen bilden.
Gut zu sehen ist auch, dass die beiden Grabenseiten nicht immer spiegelbildlich aussehen müssen. Während am rechten Grabenrand nur eine einzige Abschiebung aktiv ist, bilden sich am linken Grabenrand deutlich komplexere Strukturen mit mehreren Störungen, an denen sich verschiedene Blöcke stufenweise abschieben. Dies geschieht auch in der Natur. Oft ist nur eine Grabenseite wirklich lehrbuchartig ausgebildet, während die andere Seite deutlich unscheinbarer ist.
Das zeigt sich auch am realen Leinegraben. Hier ist der Höhenunterschied auf der Ostseite, etwa im Bereich des Göttinger Waldes, deutlich zu erkennen. Auf der Westseite ist er dagegen deutlich weniger ausgeprägt.
Begleitender Vulkanismus
Verwerfungen stellen auch Schwächezonen in der Erdkruste dar, an denen Magma aufsteigen kann. Die Druckentlastung bei der Dehnung kann dazu beitragen. Und so finden sich auch im Bereich des Leinetalgrabens einige alte Vulkane bzw. Basaltvorkommen. Über den Hohen Hagen habe ich hier schon einmal berichtet. Ein anderes Beispiel ist das Basaltvorkommen von Adelebsen, das auch heute noch abgebaut wird.
Kein einzelnes Ereignis
Der Leinetalgraben ist zwar bei weitem nicht so tektonisch aktiv wie zum Beispiel der Rheingraben, aber er ist auch alles andere als ruhig. Von Zeit zu Zeit kommt es zumindest zu leichteren Beben wie im September, auch wenn sie in der Regel von den Menschen nicht bemerkt und nur von Seismometern registriert werden. Im Raum Northeim wurden in den letzten 3 Jahren immerhin 42 Beben registriert, davon 30 mit einer Magnitude von etwas über 2.