Der Bergrutsch am Hoxberg in Nalbach-Köprich
Weihnachten 1965 war für viele Familien in Nalbach-Köprich im Saarland nicht das, was sie noch wenige Tage vorher gedacht hatten. Denn dieses Weihnachten mussten sie in Notunterkünften verbringen, da ihre eigenen Häuser einen Tag vor Weihnachten geräumt werden musste. Was war passiert?
Weihnachten 1965 – Der Hoxberg kommt
Die Wochen vor Weihnachten waren regnerisch. Starke Regenfälle waren auf die Orte in der Primsmulde niedergegangen. Das blieb leider nicht ohne Folgen, denn die Wassermassen brachten den ohnehin schon instabilen Hang des Hoxberges in Bewegung. Auf einer Breite von einigen 100 Metern bewegte sich der Hang abwärts und ließ Asphaltdecken aufplatzen, drehte und verschob einen alten Westwallbunker und ließ die Häuser der Siedlung an der Waldstraße bedrohlich knacken. Risse platzten an den Fassaden auf und rund 20 Häuser drohten einzustürzen. Manche der Häuser wurden durch die Erdbewegung um bis zu 23° gedreht.
Am 23. Dezember 1965 wurden die Häuser von Helfern der Freiwilligen Feuerwehr und des Technischen Hilfswerks geräumt, die Bewohner in Behelfsunterkünften untergebracht.
Um den Berg zur Ruhe zu bringen und wenigstens einen Teil der Siedlung zu retten, wurden eiligst von ortsansässigen Bauunternehmen Gräben gezogen und das darin anfallende Wasser abgepumpt. Dennoch konnten 12 Häuser der Siedlung nicht mehr gerettet werden. Erst anhaltendes Frostwetter Mitte Januar 1966 brachte den Bergrutsch zum Stehen und etwas Entspannung in die Lage.
Der Bauunternehmer kriegt die Schuld
Das Ganze hat eine längere Vorgeschichte. Die Siedlung hier am Fuße des Hoxberges stammt aus den 1930´er Jahren. Doch schon kurz nach der Fertigstellung der ersten Häuser mehrten sich die Berichte über Bauschäden. Die damaligen Machthaber waren wohl wenig begeistert und sahen ihr Siedlungsbauprogramm in Gefahr. Schnell hatte man einen Schuldigen ausgemacht; der Bauunternehmer wurde beschuldigt. Aus Geldgier soll er mangelhaften Zement verwendet haben. Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist, damals war man wohl nicht sonderlich zimperlich in diesen Dingen. Die Zeit allerdings sollte zeigen, der Bauunternehmer konnte kaum etwas dafür.
Die Geologie ist die Ursache
Wenn der Bauunternehmer keine Schuld hat, wer hat dann die Bauschäden verursacht? Der Berg selber. Die Flanke gesteht hier aus tonigem Material, das über einer Wasser-stauenden Schicht liegt. Dadurch wird der Ton bei genügendem Wassergehalt instabil und folgt dem Gefälle. Das zieht sich durch die ganze Geschichte der Siedlung. Schon 1958 musste ein Haus aufgegeben werden. 1961 und 1963 kam es zu kleineren Erdbewegungen.
Um den Berg zu beruhigen, müsste die gut 20 m mächtige tonige Schicht dauerhaft entwässert werden. Da die Lage trotz verschiedener Maßnahmen immer noch unsicher war, wurde beschlossen, die Siedlung aufzugeben. Die verbliebenen Einwohner dürfen an ihren Häusern keine wesentlichen baulichen Veränderungen mehr vornehmen. Die Häuser dürfen auch nicht mehr verkauft oder vererbt werden.
Die Rolle der Deutsche Steinkohle AG
Unter der Primsmulde liegen Steinkohleflöze, welche die Deutsche Steinkohle AG abbauen wollte. Da der Abbau von Steinkohle in der Tiefe meist mit weitflächigen Absenkungen an der Oberfläche verbunden ist, befürchteten die Anwohner, dass dies die Hangneigung des Hoxberges verstärken und die Instabilität weiter fördern würde. Auch könnte der Abbau zu Erschütterungen führen, welche unter ungünstigen Konstellationen wie etwa gleichzeitige starke Regenfälle erneute Bewegung der wassergesättigten Sedimente des Hanges auslösen.
Um hier kein Risiko einzugehen und auch um Protesten der betroffenen Anwohner den Wind aus den Segeln zu nehmen, entschloss sich die Deutsche Steinkohle AG zu weitreichenden Sicherungsmaßnahmen am Hang des Hoxberges.
Die Maßnahmen sollten gut 5 Millionen € kosten und aus drei Komponenten beruhen.
Die Sicherungsmaßnahmen
Zum einen sollte ein in rund 40 Metern Tiefe im Fels verlaufender, gespannter Grundwasserleiter über 2 Bohrungen entlastet werden. An der Oberfläche wird mit dem geförderten Wasser ein kleiner Zierbrunnen an einer Hinweistafel betrieben.
Weiterhin wurden die bereits bestehenden oberflächlichen Entwässerungsmaßnahmen ertüchtigt und wo nötig optimiert.
Das Kernstück der Anlage ist ein rund 400 m langer Drainagekanal, der mit seinen gut 2,2 m Durchmesser groß genug ist, um problemlos aufrecht durchzugehen.
Von dort aus sollen etliche, 33 bis 61 Meter lange Drainagelanzen im Winkel von 30° an die Oberfläche, um die rutschgefährdeten Lockermassen wirkungsvoll zu entwässern.
Der Zeitplan war ziemlich ambitioniert, es sollte nur ein Jahr von der Planung und Genehmigung der Anlage bis zur Inbetriebnahme dauern. Zusätzlich war am Beginn noch überhaupt nicht geklärt, wie die Drainagelanzen in die Erde kommen sollten. Dagegen war das Bohren des Drainagekanals von 400 m Länge und einem Bogen von 600 m kein Problem.
Für die Bohrung der Drainagelanzen mittels ungesteuerter Bohrung bis zur Oberfläche stand noch keine Technik zu Verfügung. Es musste also auch noch eine Bohranlage entwickelt werden, die nicht nur mit 279 mm Stahlschutzrohren verrohrte Bohrungen bis an die Oberfläche treiben kann und danach auch genug Zugkraft aufbringt, diese Stahlschutzrohre wieder zurückzuziehen. Vorher wurden 206 mm durchmessende Wickeldrahtfilterrohre von der Erdoberfläche aus eingezogen. Außerdem ist es nicht ganz trivial, über 50 m lange ungesteuerte Bohrungen in wechselnden Böden zielgenau zu setzen.
Daher erfolgte erst einmal eine Entwicklung der entsprechenden Bohrmaschine, die nicht nur ausreichende Drehmoment, Vorpress- und Rückzugkraft bringt, sondern auch noch in einen 2,2 m durchmessenden Kanal passt. Danach standen noch 91 Arbeitstage für das Bohren von ca. 1500 m Gesamtlänge zur Verfügung. Doch obwohl die Bohrarbeiten mit 2 Wochen Verzögerung begannen, waren alle Filter sogar 2 Wochen vor dem Termin eingebaut.
Damit scheint zumindest vorerst die Bewegung des Hoxberges gestoppt. Jetzt nach dem Ende des Steinkohlebergbaus wird die Anlage weiterhin von der Gemeinde betrieben.
Ein guter und ausführlicher Beitrag über Bewegungen unter der Erde. Wer also vorhat ein neues Haus zu bauen, der sollte sich informieren, ob das Baugelände früher einmal ein Werksgelände war. Die Bauherren im Ruhrgebiet, die sind besonders vorsichtig.
Auf der Schwäbischen Alb sind die Dolinen gefürchtet, die aber natürlichen Ursprunges sind.
Wie sich allerortens der sinkende Grundwasserspiegel noch auswirken wird, das kann ich nicht abschätzen.