Das Leben ist kein Ponyhof #4 – Schnecken als Jäger

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Schnecken erscheinen uns gemeinhin nicht als besonders gefährlich. Wir möchten gerne meinen, dass derart langsame Kreaturen uns wohl kaum wirklich gefährlich werden können, denn wie sollen sie uns, die wir uns so schnell bewegen können, überraschen?

Ich hatte es schon anlässlich der Blaugeringelten Kraken erwähnt, dass nicht die Muskelprotze die Welt(meere) beherrschen, sondern meist die kleinen Giftmischer. Und so ist es auch diesmal. Manche Schnecken, so langsam sie auch sind, können problemlos andere und schnellere Tiere töten. Gut, das sehen wir noch ein. Gift gegen einen Angreifer einzusetzen, das ist einfach. Schließlich braucht man da ja nicht hinter einem schnellen Opfer herzulaufen.

Nein, ich meinte, ein schnelleres Lebewesen anzugreifen, um es zu töten und anschließend zu verspeisen. Schnecken, die Muscheln oder andere Schnecken angreifen, um sich von ihnen zu ernähren, das mag ja noch angehen. Aber wie sollen Schnecken, eigentlich der Inbegriff der Langsamkeit, beispielsweise eine Krabbe oder gar einen Fisch erbeuten? Kommen die überhaupt nahe genug heran?

Doch, das können Schnecken, wie hier gezeigt wird. Da findet sich dann eine Krabbe der Gattung Mictyris longicarpus auf dem Speiseplan einer Schnecke, hier einer Conuber sordidus. Da hilft dann auch kein Panzer und keine Schere mehr. Wie man sieht, ist auch hier Täuschen und vor allem, Tarnen der Anfang aller Festessen. Klar, sonst käme keine Krabbe jemals nahe genug. Aber wenn sie erst einmal in Reichweite ist, dann ist es auch schon zu spät.

Und das bringt mich auch schon zu den wohl ungekrönten Giftmischerkönigen aus dem Reich der Wirbellosen, den Kegelschnecken. In dieser Familie sind fast alle Fleischfresser, die unter anderem andere Schnecken, Muscheln oder Kopffüßer jagen. Einige schrecken selbst vor Krebsen oder gar Fischen nicht zurück. Und da ihre Beute in wachem Zustand natürlich auch für die raffinierteste Schnecke zu flink ist, gehen sie meist nachts auf Jagd. Ihre Zunge, die Radula, ist zu einer Art Harpune umgestaltet, sie hat nur einen nadelspitzen, aber innen hohlen Zahn, der wiederum mit einer Giftdrüse in Verbindung steht. Der Zahn besitzt häufig Widerhaken, so dass die einmal getroffene Beute nicht mehr fliehen kann, bis das schnell wirkende Gift seine Wirkung zeigt.

Hier kann man die Schnecke und vor allem ihren schönen (OK, nicht aus der Sicht eines Fisches, der ihn gerade als Mittagessen passiert) Mund noch einmal in aller Ruhe anschauen.

 

Und hier noch einmal eine Attacke auf einen Fisch, aus der Deckung heraus. Man kann erkennen, das Schnecken im Nahbereich nicht immer nur langsam sind.

Da der Zahn nach einmaligem Gebrauch verbraucht ist, befinden sich in einer Tasche Reservezähne, damit man auch Morgen noch kraftvoll zupacken kann. Die Gifte der Kegelschnecken, die so genannten Conotoxine, sind Nervengifte, die auch für Menschen durchaus gefährlich sein können. Hierbei gelten die Gifte der bostenwürmer- und schneckenfressenden Conusvertreter als weniger gefährlich als die der Fisch fressenden Arten. Denn hier müssen die Gifte extrem schnell wirken, und viele der Ziele funktionieren beim Menschen durchaus sehr ähnlich wie bei Fischen. 1993 wurden 16 tödliche Zwischenfälle bekannt, von denen 12 auf das Konto der hier gezeigten Conus geographus gehen. Glücklicherweise leben die für Menschen gefährlicheren Arten in tieferem Wasser, so dass hauptsächlich Taucher, die nach den Schnecken greifen, gefährdet sind. Dazu sei gesagt, dass ausgerechnet die Gehäuse der Conus Arten mit zu den Gesuchtesten in Sammlerkreisen zählen. Bekannt ist der “Ruhm des Meeres”, Conus gloriamaris, von dem bis in die 1950er Jahre nur zwei duzend Exemplare bekannt waren, und deren Gehäuse Preise im vierstelligen bereich erzielte. Da mittlerweile weitere Vorkommen bekannt sind, liegt der Preis heute im dreistelligen Bereich.

Noch ein Wort zu den Giften. Wirkstoffe, die bestimmte Neurotransmitter blockieren, oder die Ionenkanäle, können natürlich nicht nur eine tödliche Wirkung haben. Sie sind auch als potentielle extrem wirksame Schmerzmittel in der Erforschung, deren Wirksamkeit die von Morphin deutlich übersteigt.

Nachtrag 11.01.2012

Hier ist die Taktik der Kegelschnecken gut zu beobachten. Erst gut getarnt in der Deckung und damit unsichtbar für die potentielle Beute bleiben, um dann blitzschnell zuzuschlagen.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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