#C steht für Calcit – Mineral des Jahres 2021

Doppelspat

Calcit, CaCO3, ist das diesjährige Mineral des Jahres. Der Name des Minerals, Calcit bzw. oder ursprünglich Kalzit leitet sich vom lateinischen Wort Calx her, das seinerseits als Lehnwort aus dem griechischen angesehen wird. Dort bedeutete chálix so viel wie kleiner Stein sowie der Endung -it, mit der Minerale benannt werden. Eine weitere ältere Bezeichnung ist Kalkspat. Hier deutet die Endung -spat auf die hervorragende Spaltbarkeit des Minerals hin.

Fast farbloser Calcit-Skalenoeder mit glasglänzenden Oberflächen aus der Jiepaiyu Mine, Shimen, Präfektur Changde, Hunan, China (Größe 6,1 cm × 5,4 cm × 3,2 cm). Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Calcite-67881.jpg), „Calcite-67881“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

Calcit, alter Bekannter mit vielen Formen und Namen

Als recht häufiges Mineral mit vielen recht unterschiedlichen Ausprägungen fiel es den Menschen lange Zeit recht schwer, diese unter einen Hut zu bringen. Daher existierten und existieren zum Teil auch heute noch ältere Bezeichnungen, die teilweise auch nur für bestimmte Ausprägungen gebräuchlich sind. Beispiele hierfür sind der bereits genannte Kalkspat für eine grobkristalline Ausprägung, bei der die gute Spaltbarkeit deutlich zu erkennen ist. Oder die Bezeichnung Doppelspat respektive Islandspat für eine wasserklare Ausprägung, an der sich die hervorragende starke Doppelbrechung gut beobachten lässt.

Je mehr die Wissenschaft voranschritt und je deutlicher es wurde, dass all die verschiedenen Ausprägungen keine eigenständigen Minerale sind, sondern Varietäten ein und desselben Minerals darstellen. Diese Erkenntnis machte einen klar abgegrenzten Namen für das Mineral in allen seinen Ausprägungen notwendig. Diese Ansicht vertrat auch der österreichische Mineraloge Wilhelm von Haidinger. Er prägte den heutigen Namen Calcit, indem er sich an französischen Vorbildern orientierte.

Das Mineral Calcit

Calcit, also CaCO3, ist in seiner Reinform klar und farblos. Allerdings kommt er so recht selten vor, und diverse Verunreinigungen und Störungen im Gitter können zu einem weiten Spektrum an möglichen Farben führen. Calcit bildet mit einigen anderen Karbonatmineralen Mischkristallreihen, und statt Calcium können diverse andere Elemente in das Gitter aufgenommen werden. Natürlicher Calcit ist daher meist milchig weiß bis gelblich oder bräunlich. Es können aber auch andere Farben wie etwa grünlich oder rosa bis lila vorkommen. Dies und seine Vielzahl an unterschiedlichen Formen führen zu der enormen Vielfalt an Varietäten für dieses Mineral und damit verbunden zu einer Vielfalt an Regional- und Varietätenbezeichnungen. Und da sind die anderen beiden Modifikationen von CaCO3, Aragonit und Vaterit mit erfasst, denn hier handelt es sich um eigenständige Minerale.

Wurzel der Kristallografie

Schon in den 1770´er Jahren war aufgefallen, dass sich die Formen von Calcitkristallen durch Spaltung aus einem Rhomboeder ergeben. Diese Beobachtung des englischen Arztes William Pryce nutzte der französische Mineraloge René-Just Haüy für seine kristallographischen Untersuchungen. Haüy war aufgefallen, dass man größere Calcitkristalle unterschiedlicher Formen nicht nur leicht spalten kann, sondern alle Spaltstücke zwar unterschiedlich in der Form sind, aber dennoch in etwa der Form des bekannten Islandspats ähnelten, dessen Form ein Rhomboeder ist.

Auf dieser Beobachtung baute Haüy Theorie auf, nachdem Kristalle aus räumlichen Wiederholungen eines Gitters oder einer Elementarzelle aufgebaut sind und veröffentlichte diesen wichtigen Grundsatz der Kristallografie 1781 in seinem Werk memoire sur la structure des crystaux.

Typisches Vorkommen von Calcit. Rügener Schreibkreidefelsen, Wissower Klinken. In dieser Form ist Calcit nicht nur ein wertvoller Rohstoff, er ist auch meist landschaftsformend. Eigenes Foto.

Eigenschaften

Calcit hat einige interessante Eigenschaften, und da es sich um ein vergleichsweise häufiges Mineral handelt, dass den Menschen schon länger bekannt ist, wurden manche recht früh beschrieben. Da wäre zum einen die sehr auffällige Doppelbrechung. Seine Dichte schwankt ein wenig je nachdem Gehalt an Fremdionen zwischen 2,6 bis 2,8 g/cm3.

Doppelbrechung

Eine der bemerkenswertesten Eigenschaften von Calcit ist die starke Doppelbrechung. Licht, das nicht entlang der optischen Achse einfällt, wird in zwei unterschiedlich polarisierte Strahlen aufgespalten. Optisch anisotrope Kristalle weisen für Lichtwellen unterschiedlicher Polarisation unterschiedliche Brechungsindizes auf.

Bei sehr klaren Calcitrhomboedern kann man die unterschiedliche Lichtbrechung der beiden Strahlen gut erkennen. Alles, was man durch sie beobachtet, erscheint einem plötzlich doppelt. Aus diesem Grund wird diese Calcitform oft auch als Doppelspat bezeichnet.

Diese Eigenschaft des Calcits hatte Erasmus Bartholin 1669 zum ersten Mal in seinem Buch Experimenta crystalli islandici disdiaclastici quibus mira et insolita refractio detegitur beschrieben. Dies war außerdem die erste experimentelle wissenschaftliche Publikation in Dänemark.

Diese bemerkenswerte Eigenschaft des Calcits und anderer optisch anisotroper Kristalle konnte aber erst später vollständig verstanden werden, als man die Polarisation des Lichts entdeckte.

Calcit in der Varietät Doppelspat. Text, der durch das Mineral gesehen wird, erscheint aufgrund der hohen Doppelbrechung verdoppelt. Eigenes Foto.

Verwitterung

Wenn man Calcit mit anderen Mineralen vergleicht, ist Calcit unter den Bedingungen an der Erdoberfläche (oder nahe dran) nicht sehr stabil. Das liegt auch daran, dass Calcit, also CaCO3, in Kohlensäure leicht zu Hydrogencarbonat löslich ist.

H2O + CO2 H2CO3 H+ + HCO3

CO2 + H2O CO2 + H+ + OHH+ + HCO3

CaCO3 (Calcit)+ H+ + HCO3Ca2+ + 2 HCO3Ca(HCO3)2

Die Hydratisierung des CO2 in Reaktion ist vergleichsweise langsam. Kohlensäure verletzt die sogenannte Erlenmeyer-Regel, nach der nicht mehr als eine Hydroxylgruppe an einem Kohlenstoffatom sitzen darf. Aus diesem Grund liegt das Gleichgewicht sehr weit auf der Seite des Kohlendioxids, der Anteil des Kohlensäuremoleküls liegt in wässriger Lösung bei 0,2 % und ist abhängig von der Temperatur.

Die Dissoziation der Kohlensäure hingegen erfolgt schnell, sodass sich H2CO3, H+ und HCO3fast immer im Gleichgewicht miteinander befinden. Bei 25 °C ist die vorwärts gerichtete Konstante kCO2 = 3*10-2 s-1, die rückwärts gerichtete Reaktion kH2CO3 hingegen ist 12 s-1.

Mit steigender Temperatur liegt das Gleichgewicht der unteren Reaktion zunehmend auf der Seite des Calcit. Das hat einige interessante Konsequenzen.

Erhitzt man Wasser mit einem hohen Gehalt an Hydrogencarbonat, so entweicht das Kohlendioxid und es bildet sich Kesselstein. Das kann sich bei sehr hartem Wasser durchaus zu einem Problem in Heizkesseln, Boilern und Wasserkochern werden. Ich kann da ein Lied von singen. In Bovenden konnte man die Duschköpfe oder Wasserkocher im Wochenrhythmus entkalken.

Auf der anderen Seite können aber Lebewesen in warmen Wasser vergleichsweise einfach und mit überschaubarem Energieaufwand Gehäuse aus Kalk bilden. Dieser Vorgang hat für das Leben auf der Erde eine nicht zu überschätzende Bedeutung, sowohl für das Leben als auch für die Geologie.

Über lange Zeiträume unserer geologischen Zeitskala bauten Lebewesen ihre kalkhaltigen Schalen auf. Und diese wurden anschließend in flachen Gewässern abgelagert und bildeten mächtige Kalkablagerungen.

Diese Kalkablagerungen sind in vielen Gebieten der Erde ein bestimmendes Element. Nicht nur optisch, man denke hier an große Kalkklippen oder Berge, sondern in vielfältiger Weise, wobei auch wieder die Löslichkeit des Calcits ins Spiel kommt.

Wie gesagt, unter den Bedingungen der Erdoberfläche zeigt sich Calcit als recht anfällig für Verwitterung. Besonders, wenn gemäßigte Temperaturen und Wasser ins Spiel kommen. Wasser kann, das haben wir oben gesehen, Kohlendioxid aufnehmen und dann recht effektiv Calcit auflösen. Dies geschieht bevorzugt entlang von Schwächezonen wie etwa Spalten oder Klüften. Diese Spalten werden dadurch rasch erweitert, es bilden sich Höhlen in der Tiefe, während die Erdoberfläche zunehmend verkarstet.

In den Höhlen kann es zur Kalkausfällung kommen. Dann bilden sich teilweise eindrucksvolle Tropfsteinhöhlen.

Sinterröhrchen, quasi Baby-Stalaktiten. Karstbildung und Tropfsteinhöhlen wären ohne die Eigenschaften des Calcits nicht denkbar. Eigenes Foto

Wirtschaftliche Bedeutung

Calcit ist nicht nur ein häufiges Mineral, es hat für uns Menschen auch eine enorme Bedeutung, und das schon seit sehr langer Zeit.

Zum einen ganz simpel wegen seiner vergleichsweise geringen Härte, er hat die Mohshärte 3. Das bedeutet, dass er sich mit den meisten Steinwerkzeugen, aber auch mit einfachen Kupferwerkzeugen bearbeiten lässt. Daher wird Kalkstein schon sehr weltweit als Baustein genutzt. Bereits die Pyramiden wurden größtenteils aus Nummulitenkalk aufgebaut. In dieser Form wird er auch heute noch gerne benutzt, wenn auch meist als Zier- und Verblendematerial. Kalk ist aber auch ein wichtiger Rohstoff für die Zementherstellung.

Eine weitere Verwendung ist die als Zuschlagsstoff bei der Verhüttung von Erzen oder zur Verbesserung von Bodeneigenschaften, sei es gegen Versauerung oder um Böden bindiger zu machen. Auch im Bereich des Umweltschutzes wird Kalkstein verwendet, so in der Aufbereitung von Trinkwasser, der Rauchgasentschwefelung oder der Abwasserbehandlung.

Seine hohe Doppelbrechung macht ihn auch in der optischen Industrie begehrt, zumindest die reinen Exemplare. So finden sie sich zum Beispiel im Bereich der Polarisationsoptik wieder.

Seine bemerkenswerten optischen Eigenschaften nutzten möglicherweise schon die Wikinger als Navigationshilfe. Es gibt einige Hinweise, dass es sich bei den in den Überlieferungen oft genannten Sonnensteinen um Exemplare des isländischen Doppelspats gehandelt haben könnte

(eine andere Möglichkeit wäre Cordierit). Dabei wird mit Hilfe der doppelbrechenden Eigenschaft die Position der Sonne auch bei bedecktem Himmel gut gefunden.

Fazit

Calcit ist zwar ein weit verbreitetes Mineral, dem wohl jeder schon mehrfach begegnet ist. Es ist aber voller interessanter Eigenschaften, die es vermutlich ziemlich einzigartig machen. Schon alleine seine Bedeutung für das Leben und dessen Überlieferung ist Calcit von unschätzbarem Wert. Die „Erfindung“ der harten Außenschale aus Calcit hat vermutlich das Leben und die Welt, so wie wir sie kennen, erst möglich gemacht. Zumindest aber unsere Kenntnis über vergangene Welten erweitert. Es hat einige der wegweisenden Erkenntnisse im Bereich der Kristallografie ermöglicht, und in Form der Polarisationsoptiken in den Mikroskopen der Mineralogen dient es auch heute noch dem Erkenntnisgewinn in den Geowissenschaften. Calcit ist somit ein würdiges Mineral des Jahres 2021.

 

Mineral des Jahres

Seit 2018 wird von der VfMG der Titel des „Minerals des Jahres“ vergeben. Damit soll, in Anlehnung an die vielen anderen Dinge und Lebewesen des Jahres, auch an die Bedeutung der Minerale sowohl für die Geologie als auch für die Technik, Industrie, Gesellschaft und Kultur erinnert werden.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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