Bruch des Edenville-Damms, Michigan USA, am 19. Mai 2020

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Im US-Bundesstaat Michigan ist es nach heftigen Regenfällen zu massiven Überflutungen gekommen. Mehr als 10 000 Menschen mussten in Sicherheit gebracht und 3500 Häuser geräumt werden. Im Bezirk Midland sind am 19. Mai 2020 mindestens 2 Dämme gebrochen, der Sanford-Damm und der oberhalb (?) gelegene Edenville-Damm. In Zeiten einer Pandemie stellt die Unterbringung der Evakuierten in Notunterkünften noch eine zusätzliche Herausforderung dar.

Bruch des Edenville-Damms

Ich will hier aber weniger auf die Probleme von Massenevakuierungen in Zeiten einer Pandemie hinaus. Aber die Dammbrüche sind ein interessantes geologischen Thema. Und zumindest vom Edenville-Damm gibt es ziemlich gutes Videomaterial des brechenden Damms von Lynn Coleman / MLive.

Der Bruch des Edenville-Damms. Bemerkenswert wenig Wasser, das erst eine Zeit nach dem Erdrutsch durch den Damm tritt.

Zu Anfang scheint es so zu sein, dass der Damm an der betreffenden Stelle leicht eingesungen und eventuell auch überspült wurde. Es handelt sich aber nicht um eine simple Überflutung des Dammes. Vielmehr scheint sich die Deichkrone an der Stelle bereits ein wenig abgesenkt zu haben. Der aus Erdmaterial aufgebaute Damm war vermutlich schon stark von Wasser durchtränkt. In diesem Zustand sind Erddämme meist sehr instabil. Ein Grund, warum längere Hochwasserereignisse für die Deiche an Flüssen und Küsten gefährlich sind.

Mögliche Vorgänge

Wie man an den Videos unten an den Modellen gut erkennen kann, beginnt der Kollaps des Dammes meist dann, wenn die volle Dammbreite durchfeuchtet ist. Für das durchnässte Material ist es schwer, dem Wasserdruck standzuhalten. Schon ein leichtes Nachgeben senkt die Dammkrone und das Verhängnis nimmt seinen Lauf.

In dem Video vom Edenville-Damm scheint das abrutschende Material von Wasser gesättigt zu sein. Die aufsteigenden Dunstwolken scheinen mir nicht Staub, sondern zerstäubtes Wasser zu sein. Dafür spricht auch, dass aus den Erdrutschartigen sofort nach deren Stillstand Wasser herausfließt.

Durchfeuchtung des Dammes

Auffällig ist, dass nach dem initialen Erdrutsch noch eine kurze Zeit vergeht, bis freies Wasser durch den Bruch strömt. Das erscheint mir auf den Videos von den Modellversuchen etwas anders zu sein. Ich weiß nicht, ob das nur der Dammgröße geschuldet ist, aber in den Modellen folgt das Wasser dem Damm auf dem Fuß, während man hier am Edenville-Damm problemlos bis drei zählen kann, bis erstaunlich wenig freies Wasser nachfließt. Vermutlich hat sich der Dammbruch in zwei Stufen abgespielt.

Dammbruch im Modellexperiment. Der Damm wird nach der Durchfeuchtung instabil und beginnt abzurutschen.
Dammbruch-Experiment im Modell. Gut zu erkennen, dass der Damm nach Durchfeuchtung instabil wird

Ich spekuliere hier mal, ob es sich hier zuerst um ein versagen des rückwärtigen Hangbereiches des Dammes gehandelt hat. Es scheint zu Anfang auch nur ein kleiner Bereich des Dammes betroffen zu sein. Möglicherweise lag hier bereits eine Schwächung des Dammes vor, die sich bei einer Durchfeuchtung und der damit einhergehenden Verminderung der internen Reibung fatal auswirkte.

Nachdem die Rückseite des Dammes abgerutscht war, reichte der Wasserdruck aus um auch den Rest des Dammes an der geschwächten Stelle zu durchbrechen.

Vielleicht stellt das letzte der Modellvideos eine gute Näherung der Ereignisse dar. Der Damm scheint übersteilt zu sein, bei steigendem Wasser gleitet erst auf der Wasserseite ein Teil ab, später auch auf der rückwärtigen Seite, worauf sich die Dammkrone leicht absenkt und das Wasser mit kurzer Verzögerung über den Damm tritt.

Die vermutlich übersteilte Böschung des Dammes wird nach der Durchfeuchtung instabil und beginnt abzurutschen. Die sich dadurch absenkende Dammkrone wird überspült und der Damm gibt nach. Dies könnte ein gutes Modell der Vorgänge am Edenville-Damm sein.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

4 Kommentare

  1. Ich möchte vermuten, dass der Unterschied zwischen den realen Aufnahmen und dem Modelldamm auch an der Grasnarbe an der Aussenseite des Damms liegt. Ein intakter dichter Bewuchs bricht nicht so schnell weg wie die im Modell verwendete Folie, sondern hält noch einige Sekunden zusammen, auch nachdem der Untergrund bereits weggespült wurde.

    • Nicht nur die Grasnarbe, auch der innere Aufbau ist bei den meisten Dämmen deutlich komplexer. Ich hab noch ein kurzes Video zu dem Thema, das in einem separaten Kurzbeitrag folgt

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