Beyrichienkalk – Sedimentgeschiebe des Jahres 2014

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Neben dem kristallinen Geschiebe des Jahres (2014 das Västervik Fleckengestein) gibt es auch das sedimentäre Geschiebe des Jahres, und das ist 2014 der Beyrichienkalk.

 

Hierbei handelt es sich um einen grauen beziehungsweise bläulich bis grünlichen, sehr fossilreichen Kalk. In verwittertem Zustand erscheint er auch mal leicht gelblich. Sein Fossilreichtum und seine Häufigkeit machen ihn bei Sammlern sehr beliebt. Eigentlich kann man ihn bei fast jedem Strandbesuch oder in den meisten Kiesgruben finden. Er ist auch vergleichsweise leicht zu erkennen (obwohl die obige Beschreibung auch auf sehr viele andere Kalke im Geschiebe zutreffen mag), vor allem an seinen zahlreichen Schalenresten, die auch von Außen meist gut zu erkennen sind. Wenn man Glück hat, sind die Fossilien auch schon von der Erosion herauspräpariert oder liegen eventuell sogar frei im Sediment vor.

 

Auch wenn es sehr ähnliche Kalkvorkommen aus Estland bekannt sind, ist die genaue Herkunft des klassischen Beyrichienkalkes mit seinen vielen Ostracoden nicht bekannt. Man vermutet das Vorkommen vor Gotland auf dem Grund der Ostsee. Abgelagert wurde der Kalk im oberen Silur, genauer gesagt im LudlowPridolium vor 419 – 425 Millionen Jahren.

 

Die Ostracoden, die meist den Löwenanteil seines Fossilinhaltes ausmachen, haben ihm auch zu seinem Namen verholfen. In diesem Fall waren es Beyrichien. Die wiederum verdanken ihren  Namen dem Paläontologen Heinrich Ernst Beyrich, der nicht nur das Oligozän “erfand”, sondern auch zuerst erkannte, dass diese seltsamen, an Muscheln erinnernden Wesen Krebse waren. Denn Ostracoden, zu deutsch auch Muschelkrebse, sind auf den ersten Blick durchaus den Muscheln sehr ähnlich. Ihr Außenpanzer besteht zum Hauptteil aus zwei Klappen. Zudem sind sie meist relativ klein, mit einer Körperlänge von wenigen Millimetern.

 

Jenseits der Ostracoden findet sich aber noch eine reiche Fauna im Beyrichienkalk, zum Beispiel die Brachiopoden mit dem klangvollen Namen Microsphaeridiorhynchus nucula und Protochonetes striatellus.

 

Ebenfalls recht häufig sind die entfernt lanzenähnlichen Bryozoenkolonien von Ptilodictya lanceolata.

 

Auch Muscheln wie Pteronitella retroflexa oder Schnecken der Gattung Loxonema sind oft zu finden. Oft kommen auch verschiedene Reste von Kopffüßern vor. Und mit etwas Glück kann man Trilobitenreste finden.

 

Manchmal sind auf Schichtflächen im Kalk auch die Stielglieder von Seelilien zu finden.

 

Besondere Highlights für Sammler sind die immer mal wieder vorkommenden Fischreste wie zum Beispiel Flossenstacheln von Stachelhaien. Selten kann man von diesen Tieren auch Zahnreste finden. Ebenso wurden auch schon Reste von Agnathen (Kieferlosen) aus dem Beyrichienkalk beschrieben.

 

Es lohnt sich also immer wieder, beim Strandspaziergang seine Augen offen zu halten, und der Beyrichienkalk kann sowohl für Anfänger wie auch für fortgeschrittene Sammler etwas bieten. Und beim Bestimmen der Funde sind die einzelnen Gruppen der Gesellschaft für Geschiebekunde immer gerne behilflich. Und natürlich für Meldungen besonderer Funde oder Fossilien (auch aus anderen Gesteinen des nordischen Geschiebes natürlich) immer dankbar. Schließlich lebt so ein Hobby vom Austausch. Abgesehen davon kann man auch so mancher Forschung einen dankbaren Dienst erweisen. Denn der Beyrichienkalk ist nicht das einzige Gestein, das bisher nur aus dem Geschiebe bekannt ist, weil der Herkunftsort entweder von der Ostsee überflutet wurde, oder weil es das ursprüngliche Vorkommen nicht mehr gibt.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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