Asbestbelastung durch Freisetzung aus Staub und ähnlichem
Welche Gefahr geht von asbesthaltigen Dämmplatten aus? Diese Frage wird mir im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit immer wieder gestellt. Sie ist leider nicht so einfach zu beantworten, zumal ich kein Experte für die Risikobewertung dieser Baustoffe bin, sondern nur eine Laborratte. Aber vielleicht kann eine etwas ältere Studie aus Großbritannien etwas Licht ins Dunkel bringen [1]. Sie stammt zwar schon aus dem Jahr 2016, aber auch sie zeigt beispielhaft, welche Probleme selbst schwach gebundene Asbestprodukte und Asbeststaub verursachen können.
Warmluft-Heizungsanlagen
Es ist anzumerken, dass die Asbestproblematik, um die es hier geht, vermutlich ein Problem ist, das im Wesentlichen nur Großbritannien betrifft. Die dort im Rahmen des CLASP (Consortium of Local Authorities Special Programme) errichteten Schulgebäude haben nachweislich ein Problem mit dem Schadstoff Asbest [2]. Die Gründe hierfür liegen vermutlich unter anderem in der Verwendung von Dämmplatten, die Amosit, einen auch als Braunasbest bekannten Amphibolasbest, enthalten, sowie in Heizungssystemen, die auf Warmluftumwälzung basieren. Keine gute Kombination könnte man meinen.
Diese Bauweise ist, soweit ich weiß, hier in Deutschland so nicht angewendet worden. Was natürlich nicht heißt, dass hier kein Asbest in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden verbaut wurde. Ganz im Gegenteil. Aber meistens andere Baustoffe und an anderen Stellen, aber die Problematik bleibt ähnlich. Und da kann man vielleicht ein bisschen was lernen.
Faserfreisetzung von Liegestaub
Denn auch wenn sich die Materialien von Land zu Land unterscheiden. Es gibt immer gewisse Gemeinsamkeiten. Und das Problem der Faserfreisetzung, sei es aus dem ursprünglichen Material oder aus dem aufliegenden Staub, besteht hier wie überall.
Es gibt verschiedene Untersuchungen über die Faserfreisetzung durch Lufterosion. Dabei soll die Freisetzung von Asbestfasern bei den in Gebäuden üblichen Luftgeschwindigkeiten auch bei Sprühasbest minimal sein [3] [4] [5] [6]. Eine Studie kam zu dem Schluss, dass Erschütterungen bei normaler Gebäudenutzung wahrscheinlich nicht ausreichen, um Fasern aus asbesthaltigen Materialien freizusetzen [7].
Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass Faserpartikel auf Oberflächen starken Kohäsions- und Adhäsionskräften unterliegen [8]. In Windkanaluntersuchungen zeigte sich, dass Partikel im Größenbereich von 1 bis 10 µm zumindest bei Luftgeschwindigkeiten unter 18 m/s nur sehr schwer aus liegendem Staub aufgewirbelt werden können [9]. Auch in anderen Arbeiten waren Luftgeschwindigkeiten von 50 bis 117 m/s erforderlich, um 11 µm große Partikel aus liegendem Staub aufzuwirbeln [10] [11].
Selbst wenn die Partikel wieder in die Luft freigesetzt wurden, war die anfängliche Freisetzung in der Regel um zwei bis drei Größenordnungen höher als die nachfolgende Langzeitfreisetzung [8] [12] [13] [14].
Für die Freisetzung von Partikeln aus Stäuben sind neben der Luftgeschwindigkeit die Partikelgröße, die Depositionsdichte sowie die Staubmenge und die Agglomeration wichtige Parameter [15]. Eine weitere wichtige Rolle spielen die relative Luftfeuchte, die Temperatur und der Feuchtegehalt des abgelagerten Staubes [16].
Frühere Untersuchungen
Natürlich gab es auch früher schon Untersuchungen, aber manchmal sind die Angaben nicht einfach in die heute gebräuchlichen Einheiten umzurechnen. So wurden früher manchmal Angaben in ng pro m³ Luft und nicht in Fasern pro m³ gemacht. Nanogramm sind zwar nicht viel, aber die betreffenden luftgetragenen Fasern sind erfahrungsgemäß auch sehr klein. 1 Nanogramm entspricht 0,001 µg. Da luftgetragene Asbestfasern, insbesondere Chrysotilasbest, sehr fein sein können, können einige Nanogramm durchaus einige Fasern darstellen. Nehmen wir als Beispiel eine Chrysotilfaser mit einer Länge von 28,3 µm und einem Durchmesser von nur 0,6 µm. Das sind durchaus übliche Abmessungen in Luftproben. Diese Faser hat ein Volumen von etwa 8 µm³ und eine Masse von nur 0,02 ng. Dies nur zur Einordnung, wenn man in älteren Arbeiten Werte zwischen 15 und 48 ng Asbest in der Luft amerikanischer Gebäude mit Warmluftheizung findet [3] [17].
geringe Fasergehalte in der Luft in Großbritannien
Es können also durchaus einige Fasern in der Luft gewesen sein. Das Problem bei dieser Darstellung ist, dass es oft schwierig ist, von der reinen Masse auf den Fasergehalt zu schließen. Theoretisch könnten auch einige dicke Fasern vorhanden sein. Die Hauptgefahr geht aber von den dünnen Fasern aus, da sie zum einen lungengängig sind und zum anderen sehr lange in der Luft bleiben, während dickere Fasern in der Regel schnell absinken.
Praktischer ist die Angabe der Fasern pro Luftvolumen. Dies stimmt mit neueren Messungen wesentlich besser überein. So wurden Messungen in 25 britischen Wohnungen durchgeführt, in denen ein Schrank mit Amosit-haltigen Dämmstoffen ausgekleidet war und sich darunter eine Umluftheizung befand. Die festgestellten Werte lagen im Durchschnitt bei 0,0004 bis 0,0002 Fasern pro cm³ (ca. 200 bis 400 Fasern pro m³). Dies liegt in der Nähe der üblichen Nachweisgrenzen). In 19 Wohnungen lagen die Werte innerhalb oder sogar unterhalb der analytischen Empfindlichkeit. Lediglich 2 Messungen ergaben Werte um 0,0025 bzw. 0,0019 Fasern / cm³. Dies entspricht 1900 bis 2500 Fasern pro m³, was immer noch viel ist.
Letztlich ergaben sich aber keine signifikanten Unterschiede zu Wohnungen ohne asbesthaltige Materialien, auch wenn die Autoren davon überzeugt sind, dass eine leicht erhöhte Belastung nachgewiesen wurde [18] [1].
in Amerika
In amerikanischen Bürogebäuden, die ebenfalls mit einer Warmluftanlage ausgestattet waren, in der Chrysotil verwendet wurde, konnten in 328 Luftproben mittels TEM Faserkonzentrationen mit Mittelwerten um 0,00004 Fasern je cm³ nachgewiesen werden. Dies entspricht 40 Fasern pro m³, was in der Regel unter der Nachweisgrenze von Standardluftmessungen liegt [19].
Ähnlich niedrige Gehalte wurden in Luftproben aus 12 weiteren öffentlichen Gebäuden in den USA gefunden, darunter sechs Schulgebäude und drei Universitäten mit unterschiedlicher Nutzung. Hier war ein schwach gebundener Brandschutz aus Amosit (25 %) und künstlichen Mineralfasern verwendet worden. Die Durchschnittswerte für Amosit lagen bei nur 0,000007 Fasern / cm³, was nur 7 Fasern pro m³ entspricht. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die ermittelten Werte von den Kontrollmessungen der Außenluft abweichen [20].
Eine der wohl umfangreichsten Untersuchungen geht auf einen Rechtsstreit zurück. Hier wurden ca. 600 US-amerikanische Gebäude mit Wärmerückgewinnungsanlagen untersucht, in denen eine Spritzasbestdämmung mit Chrysotil verwendet wurde. In 371 untersuchten Universitätsgebäuden wurde bei normaler Nutzung eine durchschnittliche Asbestkonzentration von 0,0001 Fasern pro cm³ (entsprechend 100 Fasern pro m³) festgestellt. Die gefundenen Konzentrationen waren im Vergleich zu Kontrollmessungen in der Außenluft deutlich erhöht (ca. 4- bis 5-fach)[21] .
Nicht anders verhält es sich bei der hier behandelten Untersuchung. Auch hier wurden nur vergleichsweise wenige Fasern in den Luftproben nachgewiesen, die Werte lagen unterhalb der analytischen Empfindlichkeit der Methode, die hier mit 0,0001 Fasern/cm³ (= 100 Fasern /m³) angegeben wird. Erst während einer simulierten extremen Störung, wie mehrfaches Schlagen gegen die Luftkanäle, Öffnen von Fenstern und Türen, konnte eine signifikante Faserfreisetzung zwischen 0,0012 und 0,0043 Fasern / cm³ (1200 und 4300 Fasern pro m³) erreicht werden.
Fazit
Auch hier zeigt sich, dass Asbestfasern, selbst wenn sie schwach oder sogar ungebunden im Staub vorliegen, nicht immer so leicht wieder in die Luft abgegeben werden können. In Warmluft-Heizsystemen scheint die Luftgeschwindigkeit in der Regel nicht hoch genug zu sein, um eine signifikante Freisetzung zu bewirken. Auch aus Staubablagerungen wird nicht immer sofort Asbest freigesetzt, sobald bewegte Luft darüber streicht. Dies entspricht auch meinen eigenen Erfahrungen. Dies kann zunächst einmal zur Beruhigung all derer dienen, bei denen Asbest in Warmluftanlagen vermutet wird oder bekannt ist oder bei denen Asbest im Staub nachgewiesen wurde.
Trotzdem sollte man immer die nötige Vorsicht walten lassen. Denn auch wenn im Normalfall kein oder nur sehr wenig Asbest freigesetzt wird, kann sich das Verhalten bei größeren Störungen deutlich ändern. Das Material ist einfach extrem gefährlich und sollte, wenn es bekannt ist, so schnell wie möglich von fachkundigen Personen entfernt werden.
References
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- [5] Guillemin, M. P.; Madelaine, P.; Litzistorf, G.; Buffat, P. and Iselin, F. (1989). Asbestos in Buildings: The Difficulties of a Reliable Exposure Assessment, Aerosol Science and Technology 11 : 221-243.
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- [8] Wu, Y.-L.; Davidson, C. I. and Russell, A. G. (1992). Controlled Wind Tunnel Experiments for Particle Bounceoff and Resuspension, Aerosol Science and Technology 17 : 245-262.
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- [20] Nolan, R. and Langer, A. (2001). Concentration and type of asbestos fibers in air inside buildings, The Health Effects of Chrysotile-Asbestos: Contribution of Science to Risk-Management Decisions: The Canadian Mineralogist, Special Publication 5 : 39-51.
- [21] Lee, R. J. and Van Orden, D. R. (2008). Airborne asbestos in buildings, Regulatory Toxicology and Pharmacology 50 : 218-225.
Danke für den Artikel. Ich verfolge diese Asbest Geschichte mit großem Interesse. An der Stelle „ Lediglich 2 Messungen ergaben Werte um 0,0025 bzw. 0,0019 Fasern / cm³. Dies entspricht 19.000 bis 25.000 Fasern pro m³, was immer noch viel ist.“ scheint aber ein Kommafehler unterlaufen zu sein, es sollte wohl 1.900 bis 2.500 lauten. Beste Grüße, Wolfgang
Hallo Wolfgang,
dankeschön für den Hinweis, da hatte sich erst der Punkt an die falsche Stelle und dann noch ne Null dazu geschlichen. Jetzt sollte es richtig sein.