Asbest – globale Perspektive

Achtung, Asbest!

Asbest ist nicht nur in Deutschland oder Europa ein großes Problem, auch weltweit werden leider immer noch Menschen Asbestfasern ausgesetzt, ohne für ausreichend Schutz zu sorgen. Und obwohl immer mehr Länder die faserförmigen Minerale verbieten, wurden 2014 immer noch rund 2 Millionen Tonnen Asbest verarbeitet.

Das ist zwar deutlich weniger als die 5 Millionen Tonnen, die zur Hauptverarbeitungszeit weltweit verbraucht wurden, aber immer noch deutlich zu viel. Vor allem, wenn man bedenkt, dass der heutige Hauptverbrauch in den Entwicklungsländern stattfindet.

Asbest ist bekanntlich die Bezeichnung für eine Gruppe faserförmiger Minerale aus der Serpentinit (Chrysotil) oder Amphibolfamilie (Krokydolith, Amosit, Tremolit, Aktinolith und Anthophyllit). Wobei die Bezeichnungen der Amphibolasbeste zumindest auch keine offiziell anerkannten Mineralnamen sind. Amosit ist z.B. ein Akronym aus Asbestos Mine of South Africa, und eigentlich ein Grunerit, Krokydolith eine Modifikation des Amphibols Riebeckit.

Alle diese Minerale können faserförmige Kristalle ausbilden. Und aufgrund ihrer Geometrie und ihrer Biopersistenz können sie im Lungengewebe schwere Krankheiten auslösen.

Daneben werden zumindest im amerikanischen Raum noch sogenannte „asbestiforme Minerale“ geführt, die zwar kein Asbest im engeren Sinne sind, diesen aber strukturell recht ähnlich sind und ebenfalls biopersistente faserförmige Kristalle ausbilden können.

Asbest und seine Verwendung

Die Verwendung von Asbest begann bereits in der Antike, meist aber nur als Kuriosum, etwa Tischdecken, die man mit Feuer reinigen kann. So richtig in Fahrt kam die Sache erst, als vor mehr als 100 Jahren größere Asbestvorkommen in Kanada entdeckt wurden.

Schon vorher wurde gerne faserförmiges Material zur Verbesserung von Materialeigenschaften verwendet, etwa Dung und Stroh bei der Errichtung von Lehmwänden oder als Isolation an Öfen.

In den 1920´ern und den 1930´ern kamen zusätzlich noch Textilien aus Asbest in Gebrauch sowie asbesthaltiges Material für Bremsen. Ab den 1940´er Jahren kam Asbest auch im Schiffbau immer mehr in Mode. Zum Höhepunkt des Asbestgebrauchs 1972 wurden in den USA rund 775 000 Tonnen Asbest verarbeitet. Die Bandbreite reich von Baumaterialien, Schiffbau, feuerfesten Textilien und Isolationen bis hin zu Filtern in der pharmazeutischen Industrie und Getränkeindustrie.

Parallel mit dem steigenden Gebrauch der mineralischen Fasern wurden auch die Gesundheitsrisiken offensichtlicher, sodass immer stärkere Regeln erlassen wurden und es schließlich zu ersten Verboten kam. Eines der ersten Länder war Schweden, welches die Verwendung von Asbest beendete.

Kanadas Doppelspiel

Kanada hingegen schaffte über längere Zeit einen recht bemerkenswerten Spagat. Während im eigenen Land zwar nicht unbedingt verboten, so doch kaum eine Verwendung von Asbest dort stattfand und Asbest aus den öffentlichen Gebäuden Kanadas entfernt wurde. Die kanadischen Asbestminen in Quebec wurden meines Wissens erst 2012 geschlossen. Bis dahin haben sich die Kanadier auf den Standpunkt zurückgezogen, dass der Chrysotil, den sie abbauen, sich sehr sicher verarbeiten lässt. Ungeachtet der Tatsache, dass selbst in Kanada in der deutlichen Mehrheit der Fälle eben die für Asbest geltenden Sicherheitsregeln nicht in aller Konsequenz befolgt wurden und daher Menschen einem Risiko ausgesetzt worden waren.

Unterschiedliche Entwicklungen

Als Folge findet Asbest nach wie vor Verwendung, z.B. in China oder Indien, dass zwar selber keinerlei Asbestvorkommen besitzt, aber dennoch ein fast exponentielles Wachstum in der Herstellung von Asbestzementen aufweist. Hinzu kommt, dass gerade in Indien Steuern auf Asbest niedrig gehalten wurden, hingegen als sicher geltende Ersatzstoffe deutlich stärker besteuert wurden. Besonders kritisch finde ich, dass in Indien Behauptungen kursieren, dass nur Menschen aus den westlichen Ländern genetisch für Asbest-bedingte Krankheiten anfällig sind, die Bewohner Indiens hingegen nicht. Dies kann tatsächlich dazu führen, dass die Leute alle noch so kleinen Vorsichtsmaßnahmen fallen lassen und sich einem erhöhten Risiko aussetzen.

Einer der Gründe, warum der Gebrauch von Asbest gerade in Indien wenig reguliert ist, mag darin bestehen, dass einige der dortigen Asbestzementfabriken Parlamentsmitgliedern gehören.

In Vietnam wird Asbest in Baumaterialien zumindest teilweise durch organische Fasern ersetzt.

Asbestexposition

Es geht hier auch nicht nur um die Arbeiter, die in direktem Kontakt mit Asbest arbeiten. Das Risiko, an einer Asbest-bedingten Krankheit zu erkranken ist von der Dosis abhängig. Daher findet man auch bei Personen, die direkt mit asbesthaltigen Materialien arbeiten, auch die meisten Asbest-bedingten Krankheiten. Allerdings tragen nicht nur die direkt mit Asbest arbeitenden das Risiko einer Asbest-Exposition. Gerade bei ungenügendem Arbeitsschutz kann Asbest sehr leicht verschleppt werden. Somit können auch Personen in unmittelbarer Umgebung der Arbeiten eventuell Asbest ausgesetzt sein. Asbest kann an der Kleidung haften, und damit unbeabsichtigt in Autos oder Wohnung der Asbestarbeiter verschleppt werden, wodurch wieder deren Familienmitglieder in Gefahr geraten. Es gibt durchaus Fälle, wo auch Ehefrauen von Asbestarbeitern entsprechende Asbest-bedingte Krankheiten entwickelten, weil sie die Arbeitsbekleidung ihrer Männer wuschen[Anderson et al. (1979)] [Wagner er al. (1960)].

Das ist auch keine so ganz neue Erkenntnis. Bereits 1918 wurde empfohlen, dass Asbestarbeiter ihre Bekleidung in den Firmen wechseln und duschen sollten, um kein Asbest in ihre Wohnungen zu verschleppen [Frank & Joshi (2014)].

Auch die direkte Nähe zu Asbestminen oder Asbest-verarbeitenden Betrieben stellt ein Risiko dar.

Während in den Industrienationen die Rate der Asbest-bedingten Krankheiten zumindest nicht mehr zunimmt und hoffentlich nach einer Plateauphase langsam sinkt, gibt es berechtigte Sorge, dass die Krankheitsraten gerade in den Entwicklungsländern steigen werden.

Leider lässt sich das nur schwer überprüfen, denn meist ist das Gesundheitssystem der betreffenden Länder nicht in der Lage, diese Krankheiten zu erfassen. Und wie wir auch zurzeit im Falle von COVID-19 immer wieder erleben, bedeutet ein Mangel an verfügbaren Daten nicht, dass die betreffende Krankheit gerade abwesend ist. Durch mangelnde Erfassung dürfte weltweit gesehen ein Großteil der Mesotheliom-Fälle durch das Netz fallen.

Echte und künstliche Kontroversen

Bei Asbest findet sich ein Muster wieder, welches wir auch bei anderen Themen kennen. Die Tabakindustrie hat es mit der Beschäftigung von PR-Firmen vorgemacht, und auch in der Klimadebatte sollen viele künstlich aufgebauschte Kontroversen die längst etablierten wissenschaftlichen Erkenntnisse verschleiern und eine scheinbare Debatte vorspiegeln, die noch längst nicht geklärt ist. Auch bei Asbest spielen viele ökonomische Interessen mit und die Verschärfung von Arbeitsschutzbestimmungen hat natürlich auch finanzielle Auswirkungen in der betreffenden Industrie.

Das beginnt bei der übertriebenen Herausstellung von dem „harmlosen „ Chrysotil gegenüber den gefährlichen Amphibolasbesten, obwohl das Potenzial von Chrysotil bei der Bildung von Mesotheliomen durchaus gut dokumentiert ist, selbst wenn es möglicherweise eine Abstufung in der Gefährlichkeit einzelner Asbestarten gibt [Kanarek (2011)]. Es gibt keine Belege für eine ungefährliche Dosis hinsichtlich Asbest und selbst kurzfristige Expositionen können das Risiko, später an einem Lungenkrebs zu erkranken, signifikant steiger[Seidman et al. (1979)]. Es gibt also, vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen, keine sichere Expositionsrate, auch wenn das Risiko bei sehr geringen Dosen das Risiko durchaus extrem gering sein kann. Dies gilt zum Beispiel für den sogenannten geogenen Hintergrund an Asbest, dem wir alle ausgesetzt sind.

Ein weiteres Muster, das wir auch aus der Klimadebatte oder vom Tabak her kennen, ist die gezielte Förderung von so etwas wie Gefälligkeitsgutachten. Auf diese Weise kann für die Öffentlichkeit oft eine noch längst nicht abgeschlossene wissenschaftliche Debatte simuliert werden, auch wenn doch längst in der Wissenschaft ein Konsens herrscht. So sollten bestimmte Asbeste wie Chrysotil als Harmlos dargestellt werden, oder auch nur bestimmte Vorkommen oder bestimmte asbesthaltige Produkte als besonders sicher.

Sinkender Asbestverbrauch

Mittlerweile haben mehr als 50 Nationen die Verwendung von Asbest ganz verboten oder zumindest sehr stark eingeschränkt. Selbst in den USA, in denen bislang klein Verbot der Verwendung herrscht, ist der Verbrauch von ehemals 700 000 Tonnen pro Jahr auf dem Höhepunkt auf nunmehr erfreulichere 1000 Tonnen pro Jahr gesunken ist. Dabei sind allerdings die asbesthaltigen Produkte nicht mit enthalten, die als Fertigprodukte in die USA importiert werden.

Manchmal kann auch internationaler Druck, oder zumindest angenommener internationaler Druck helfen. So wurden viele Der Bauten für die olympischen Spiele 2008 in Peking nicht, wie es sonst in China in dieser Zeit die Norm war, aus Asbestzement hergestellt, sondern aus Ersatzprodukten. Dahinter stand aber weniger die Sorge um die Gesundheit als die Sorge, manche Athleten könnten sich weigern, in asbesthaltigen Gebäuden wohnen zu wollen.

Vergleichbares gilt für andere Produkte, die traditionell mit Asbest hergestellt wurden, wie etwa Bremsbeläge oder der Schiffbau. Da China um die Akzeptanz dieser Produkte auf den internationalen Märkten fürchtete, wurde auch hier die Verwendung der Faser deutlich minimiert.

Das Bewusstsein über die Gefahren, die von Asbest ausgehen, hat sich in den letzten Jahren weltweit immer mehr verbreitet. Und zumindest hinter vorgehaltener Hand wird angemerkt, dass es für viele sich entwickelnde Länder ungleich schwieriger ist, hier Regeln durchzusetzen, solange eine der führenden Industrienationen wie die USA nichts unternehmen.

Ein weiterer Grund für die immer noch fortgesetzte und weitflächige Verwendung von Asbest ist der Preis. Das Material ist, verglichen mit vielen ungefährlicheren Ersatzprodukten, ungemein günstig. Dabei ist die Differenz oftmals nicht so groß wie gerne angenommen. Wenn man die Folgekosten von Asbest mit einbezieht, sieht die Bilanz ganz anders aus.

Fazit

Wer hätte noch vor wenigen Jahrzehnten geglaubt, dass irgendwann mehr als 50 Länder die Verwendung von Asbest verbieten? Doch auch wenn die Verwendung dieses Gefahrstoffs weltweit langsam aber sicher auf dem Rückzug ist, müssen wir noch immer aufpassen. Allzu gerne würden manche hier das Rad zurückdrehen. Sie versuchen nach wie vor, mit gekauften Studien Zweifel an den Folgen aufkommen zu lassen. Das mag vielleicht in den Ländern nicht mehr fruchten, in denen Asbest bereits verboten ist. Aber in manchen anderen kann es die Verbote noch hinauszögern. Und wenn man bedenkt, wie lange man auch nach einem Verbot immer noch mit der ehemaligen Wunderfaser zu schaffen hat, und wie lange die Menschen wissentlich und noch öfter unwissentlich ihr ausgesetzt sind, ist jedes Jahr der Verzögerung ein verschenktes Jahr. Ein Jahr, in dem weiterhin Menschen erkranken und sterben.

Literaturverzeichnis

Anderson et al. (1979): Anderson, H.A., Lilis, R., Daum, S.M., Selikoff, I.J., ASBESTOSIS AMONG HOUSEHOLD CONTACTS OF ASBESTOS FACTORY WORKERS, 1979

Wagner er al. (1960): Wagner, J.C., Sleggs, C.A., Marchand, P, Diffuse Pleural Mesothelioma and Asbestos Exposure in the North Western Cape Province, 17, 260.

Frank & Joshi (2014): Frank, A.L., Joshi, T.K., The Global Spread of Asbestos, 2014

Kanarek (2011): Kanarek, M. S., Mesothelioma from Chrysotile Asbestos: Update, 2011

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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