Reden wir über Altlastensanierung – ITVA Altlastensymposium 2018 in Mainz

Wie in jedem Jahr, so trafen sich auch 2018 die Altlastensanierer des Ingenieurtechnischen Verbandes für Altlastenmanagement und Flächenrecycling e.V. (kurz ITVA). Diesmal fand das Altlastensymposium am 08. und 09. März in Mainz statt, und ich hatte das Vergnügen, als „accompanying husband“ dabei zu sein.

ITVA 2018 Altlastensymposium Maimz
Das Kurfürstliche Schloss in Mainz war unser Tagungsort. Eigenes Foto

Nach den üblichen Begrüßungsworten von dem Vorsitzenden des ITVA, Prof. Harald Burmeier, sowie der Ministerin Ulrike Höfken vom Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten Rheinland Pfalz folgte der erste Block über Konversionsprojekte. Unser diesjähriges Gast-Bundesland, Rheinland-Pfalz, galt ja lange als der „Flugzeugträger der NATO“, weil hier am Rhein wärend des Kalten Krieges die Verteidigungslinie Westeuropas lag. In mit dem Ende des Kalten Krieges wurden auch viele Militärstandorte schließlich aufgegeben. Dies stellte die betreffenden Gemeinden nicht nur vor große wirtschaftliche Herausforderungen. Auf vielen der ehemaligen militärischen Liegenschaften schlummerten auch Altlasten, die vor einer erneuten Nutzung beseitigt werden müssen.

Konversionsprojekte in Rheinland-Pfalz

Der erste Schritt zu einer zivilen Nutzung der militärischen Gelände lag darin, sie zu erfassen. Hierzu hielt Winfried Vogt einen vom Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz einen Vortrag.

Den zweiten Vortrag teilten sich Markus Roth von der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd (Rheinland-Pfalz) und Regina Herrmann von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BimA). Dabei ging es darum, ob das Ko-AG-Verfahren ein Erfolgsmodell für Behörden und BimA sein könnte. Ko-AG steht für Konversionsaltlasten-Arbeitsgruppe (viele Grüße an den BDAküFi!). Dies soll ein kooperatives, schnelles und möglichst leistungsfähiges bodenschutzrechtliches Instrument darstellen, dass sich hier schon seit über 20 Jahren bewährt hat.

Natürlich gibt es nicht nur Konversionen militärischer Gelände. Auch ehemalige Industriestandorte sollten möglichst wieder in eine nachhaltige Nutzung genommen werden. Dies gilt um so mehr, wenn sie auch noch nahe oder in den Innenstädten liegen. Ein gutes Beispiel ist das Gelände der ehemaligen Nähmaschinenfabrik Pfaff in Kaiserslautern. Peter Jäger von der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd hatte dazu einiges zu berichten. Hierbei handelt es sich um ein rund 20 ha großes Gelände, das seit rund 100 Jahren industriell genutzt wurde. Faszinierend finde ich dabei immer den Wandel, denn diese Gelände im Laufe der Zeit erlebten. Als die Nähmaschinenfabrik hier einzog, war das Gelände eine grüne Wiese vor den Toren der Stadt. Als sie 2009 schloss, lag es fast direkt in der Innenstadt.

ITVA 2018 Altlastensymposium Maimz
Der Tagungsssaal. Wie uns mehrfach versichert wurde, ist er aus Mainzer Faschingssendungen bekannt. Eigenes Foto

Aber so eine lange industrielle Nutzung bleibt nicht ganz folgenlos. Schadstoffe sind in den Boden und damit in das Grundwasser gelangt. Dabei spielen insbesondere halogenierte Kohlenwasserstoffe wie LHKW eine Rolle, aber auch andere Schadstoffe wie PAK, PCB oder Schwermetalle sind im Boden zu finden und müssen saniert werden, bevor aus dem ehemaligen Pfaff-Gelände ein neues Stadtquartier werden kann.

Rechtsfragen

Nikolaus Steiner von der Anwaltskanzlei Steiner berichtete über die Auswirkungen des neuen AwSV (Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen), die am 01.08.2017 in Kraft getreten ist.

Volker Hoffmann von der Kanzlei Hoffman Liebsch Fritsch Rechtsanwälte mbB brachte uns ein Update zur Rechtsprechung bezüglich Bodenschutz und Altlastenrecht.

Die Frage, wer eigentlich als der Abfallerzeuger anzusehen ist, zeigt sich komplexer als man denken mag. Alexander Ockenfels Dr. Henning Blatt von der Dr. Henning Blatt, Heinemann & Partner Rechtsanwälte PartG mbB führte die Tücken in einzelnen vor. Dies gilt ganz besonders für Fälle, in denen mehrere Personen beteiligt sind, was in der Realität die Regel ist. Oder wenn jemand eine Tätigkeit beauftragt, bei deren Ausführung Abfall anfällt. Dabei bezog er sich im Wesentlichen auf zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Das so genannte Löschwasser-Urteil vom 15.10.2014 – 7 C 1.13 sowie das Druckerei-Urteil vom 24.10.2014 – 7 C 2.13.

Bewertungsansätze für neue und alte Schadstoffe

Mikroschadstoffe

Organische Mikroschadstoffe finden sich schon seit Jahren in der Umwelt wieder. Einige von ihnen sind schwer abbaubar und können sich daher in der Nahrungskette anreichern. Dr. Hans Ulrich Dahme vom SGS Institut Fresenius GmbH zeigte Bewertungsmöglichkeiten für diese Schadstoffe, zu denen auch Süßstoffe, Pflanzenschutzmittel und Arzneistoffe wie z.B. Diclofenac oder Hormone wie Estradiol oder deren Metabolite zählen. Hormone verändern bei Forellen das Geschlechterverhältnis und Diclofenac kann bei Fischen zu Nierenschäden führen.

Der Haupteintragspfad in die Umwelt erfolgt einerseits durch Ausscheidung, aber nach Einführung der Verpackungsverordnung von 2009 endete auch die Rücknahme abgelaufener Arznei durch die Apotheken. Es wird seitdem zunehmend über die Toilette entsorgt. Die Kläranlagen sind darauf aber nicht eingerichtet. Auch die Entsorgung über den Hausmüll hat ihre Tücken. Wenn der Müll deponiert wird, können die Wirkstoffe über das Deponiesickerwasser ins Grundwasser gelangen. Das Sickerwasser wird zwar meist geklärt und aufbereitet, ein Verbrennen des Mülls ist hier vorzuziehen.

PFC

Einer der Dauerbrenner sind die per- und polyfluorierten Chemikalien. Dr. Michael Altenbockum von Altenbockum & Partner, Geologen brachte aktuelles zur Erkundung und Bewertung dieser erst seit 2006 im nachsorgenden Bodenschutz bekannten Chemikalien.

Die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO) hat 2015 eine Arbeitshilfe zur flächendeckenden Erfassung, standortbezogenen historischen Erkundung und zur orientierenden Untersuchung von altlastenverdächtigen Flächen.

Bislang untersuchen aber nur wenige Bundesländer die verdächtigen Flächen systematisch und es gibt kleine bundeseinheitliche Bewertung zum Umgang mit entsprechenden Schäden. Da PFC auch gerne in Löschschäumen verwendet wurden, dürfte nicht nur auf Flughäfen, sondern auf vielen Einsatzorten dieser Löschmittel mit einer entsprechenden PFC-Belastung zu rechnen sein. Natürlich auch auf Übungsplätzen. Oder Klärschlämme, die als „Bodenverbesserung“ eingebracht wurden, können zu einer entsprechenden Belastung führen. Denn sie können über Einträge aus entsprechenden Industrien wie der Papier- und Textilindustrie oder etwa Galvanikbetrieben mit PFC belastet sein.

Für die Sanierung PFC-Belasteter Böden gibt es bislang kein anerkanntes Verfahren. Forschungsvorhaben z.B. über Nano-Partikel laufen gerade erst an. Im Grundwasser gibt es einige Verfahren (im letzten Jahr wurde darüber vorgetragen), aber die Verfahrensauswahl ist durchaus problematisch.

Es gibt da zu den Bereichen Analytik, Bewertung und zur Festlegung von Sanierungszielen noch viele Fragen zu klären. Wie viele Einzelstoffe sollen untersucht werden (derzeit ca. 13) und sollen Summenparameter verwendet werden? Dies gilt auch für die Formulierung der Sanierungsziele.

Bislang liegen auch nur für einzelne Stoffe humantoxikologisch abgeleitete Einzel-Prüfwerte vor. Hier müssen die Grundlagen dringend erweitert werden. Außerdem stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage der Wirkungspfad Boden-Pflanze-Mensch bewertet werden soll. Unter welchen Voraussetzungen können belastete Flächen wieder bewirtschaftet werden?

Wann ist eine PFC-Sanierung verhältnismäßig? Was passiert, wenn kein oder ungenügender Deponieraum zur Verfügung steht?

Welche Werte werden für den Umgang mit dekontaminiertem Grundwasser herangezogen? Kann es in die Kanalisation entsorgt werden? Ist es als Brauchwasser verwendbar?

Neue Bewertungsansätze

Natürlich haben auch altbekannte Schadstoffe ihre Tücken. Dr. Andreas Zeddel vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein stellte als Obmann des Altlastenausschusses der LABO die Arbeitshilfe zur Bewertung von Mineralölkohlenwasserstoffen vor (LABO 2018).

Sicherheit von Sanierungsanlagen

Um Sanierungen durchzuführen, benötigt man meist eine entsprechende Sanierungsanlage. In die sollte natürlich sicher sein. Zum Thema Anlagensicherheit stellte Martin Cornelsen von der Cornelsen Umwelttechnologie GmbH die Arbeitshilfe H1-15 „ Sicherheit von Anlagen zur Sanierung von Boden-, Bodenluft- und Grundwasserverunreinigungen“ vor. Die Arbeitshilfe soll sich hauptsächlich an die Besteller entsprechender Anlagen wenden, sowie an die von ihm beauftragten Unternehmer, Gutachter, Planer oder sonstige Berater und Behörden. Sie soll bei der Einhaltung der geforderten Rechtsnormen unterstützen.

Im Anschluss an diesen Block gab es zu diesem Thema noch eine moderierte Diskussion.

Wer ist der Hersteller?

Eine andere ganz interessante Frage betrachtete Jens Nusser, Kopp-Assemacher & Nusser Rechtsanwälte PartGmbB. Bei den für die Sanierung von Bodenluft, Böden oder Grundwasser eingesetzten Geräten handelt es sich um eine laut EU Maschinenrichtlinie 2006/42/EG (MRL) „Gesamtheit von Maschinen“. Diese europäische Richtlinie wird durch die 9 Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (9. ProdSV) sowie das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) in nationales Recht umgesetzt. Dabei wendet sich das ganze in erster Linie an die Hersteller. Aber wer ist eigentlich der Hersteller im Rechtssinne? Das ist zum Beispiel nicht nur der eigentliche Produzent der Anlagen, sondern kann auch derjenige sein, der nach der Inbetriebnahme wesentliche Änderungen an einer Bestandsanlage vornimmt. Oder sogar selbst eine Sanierungsanlage aus verschiedenen Einzelteilen zusammenbaut.

Damit ergeben sich verschiedene Rechtspflichten. So dürfen die Anlagen die Sicherheit und Gesundheit von Menschen nicht gefährden. Er hat die geforderten technischen Unterlagen und Informationen wie z.B. die Betriebsanleitung verfügbar zu halten. Die EG-Konformitätserklärung ist auszustellen und hat den jeweiligen Maschinen beizuliegen. Außerdem ist das CE. Kennzeichen anzubringen.

Wie man unschwer erkennen kann, ist das ganze eine ziemlich komplexe Angelegenheit.

Erkundung – Sanierung – Überwachung

Manchmal erschweren die Randbedingungen eine ohnehin schon komplexe Grundwassersanierung noch zusätzlich. Wie man trotzdem noch Erfolge erzielen kann, führte Uwe Hiester von der reconsite GmbH vor. Hier hatte eine ehemalige chemische Reinigung zu starken CKW-Belastungen in Boden und Grundwasser geführt. Die Böden am Standort bestanden aus bindigem Ton, der eine konventionelle Bodenluftsanierung stark behindern würde. Die Bebauung machte eine thermische in-situ-Sanierung sehr anspruchsvoll, aber diese zeigte eine deutliche Reduzierung der CKW-Fracht im Grundwasser.

Martin Brand und Johannes Indlekofer von Fichtner Water & Transportation GmbH hatten den Fall eines CKW-Schadens unter einer Werkhalle vorgestellt. Hier wurde eine alte Pump-and-Treat-Maßnahme durch eine in-situ-Sanierung abgelöst. Dabei soll die Effizienz des natürlichen Abbaus im Boden gesteigert werden. Dabei musste die Halle weiterhin in Nutzung bleiben können.

biologische in-situ Sanierung von anorganischen Schadstoffen

Mit biologischen in-situ-Methoden kann man nicht nur organische Schadstoffe sanieren, sondern auch anorganische wie z.B. Schwermetalle, Cyanide, Ammonium oder Nitrate. Dr. Stephan Hüttermann von der Sensatec GmbH führte Praxisbeispiele vor.

Zwar unterliegen Schwermetalle, Metalle und ähnliche Schadstoffe keinem mikrobiellem Abbau, aber sie können durch biologische Prozesse oxidiert, reduziert oder sonst in ihrer Mobilität beeinflusst werden. So können zum Beispiel Zink und Chromat etwa durch biologische Prozesse immobilisiert, Schwermetalle durch mikrobielle Prozesse in schwer lösliche Sulfide überführt werden. Dafür muss man biologisch verwertbare organische Verbindungen in den Boden einbringen, die bei Gegenwart von Sulfat zu sulfatreduzierenden Prozessen führen.

Obwohl Cyanide für die meisten Organismen sehr toxisch sind, können sie von bestimmten Mikroorganismen als Nährstoff genutzt werden. Dabei werden sie zu weniger gefährlichen Stoffen metabolisiert. In biologischen Untersuchungen zeigte sich, dass der Abbau leicht freisetzbarer Cyanide bereits unter geringer Zugabe von Sauerstoff erfolgt. Im Falle weniger leicht freisetzbarer Cyanide muss Sauerstoff und Nährstoff und eine Kohlenstoffquelle zugegeben werden, damit ein Abbau stattfinden kann.

Robert Upmann von der Tauw GmbH konnte darlegen, dass der Nachweis von Schwerphase (DNAPL) auch im Festgestein kein Ding der Unmöglichkeit ist.

Hochschule trifft Praxis

Zum Abschluss des Symposiums wurde auch in diesem Jahr (wie alle zwei Jahre) der ITVA-Preis an herausragende Bachelor und Masterarbeiten aus dem Bereich der Altlastensanierung und des Flächenrecyclings verliehen. Dadurch soll der Nachwuchs in diesem praxisorientierten Bereich der Geo- Umwelt- und Ingenieurwissenschaften gefördert werden. Diesmal wurde eine Bachelor- und gleich zwei Masterarbeiten als preiswürdig erachtet.

ITVA 2018 Altlastensymposium Maimz
Die diesjährigen Preisträger und ihre laudatoren: Von links Prof. Jens-Uwe Fischer, Christina Spaltmann, Laura Bieber, Johannes Hellriegel und Prof. Burmeier. Eigenes Foto.

 

Johannes Hellriegel hat sich in seiner Bachelorarbeit mit der Ermittlung der realen Reichweite bei grundwasserabsenkenden Maßnahmen befasst. Diese kann durchaus bis zu 40% vom rechnerisch ermittelten Wert abweichen.

Laura Bieber gibt in ihrer Masterarbeit Handlungsempfehlungen zur standortspezifischen Außerbetriebnahme von Quellensanierungen am Beispiel thermischer in-situ Sanierungen. Thermische in-situ Sanierungen (TISS) stellen eine sehr effektive Methode dar, organische Schadstoffe aus Boden und Grundwasser zu entfernen. Dabei wird die Bewertung des Sanierungserfolges meist über Sicker- oder Grundwasserfrachten durchgeführt. Dies kann aber erst nach dem Abkühlen gemessen werden, wobei sich die Abkühlphase durchaus über mehrere Monate hinziehen kann.

Christina Spaltmann hat in ihrer Masterarbeit eine Untersuchungs- und Handlungsstrategie zur Bodenuntersuchung in der Lippeaue entwickelt, und sich dabei ihr Augenmerk besonders auf auespezifische Einflussfaktoren und die räumliche Verteilung der Bodenbelastungen gerichtet.

 

Herzlichen Glückwunsch an die beiden Gewinnerin und den Gewinner!

Auch in diesem Jahr war das Altlastensymposium wieder eine schöne und informative Veranstaltung. Allerdings schien mir das Programm etwas sehr prozesslastig gewesen zu sein. Mir ist durchaus klar, dass auch die diversen Abstimmungen und politischen Prozesse zu einer gelungenen Altlastenkonversion dazugehören. Das Thema ist entbehrt dennoch nicht einer gewissen Trockenheit.

Auf jeden Fall werde ich versuchen, auch beim nächsten Altlastensymposium des ITVA vom 09. – 10. Mai in München dabei zu sein.

 

Weitere Fotos von der Veranstaltung sind unter https://flic.kr/s/aHsmfTkoSG zu finden.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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