Yoga im Nationalsozialismus
Wie Adolf Hitler und Heinrich Himmler die indische Kriegerethik verehrten und als Yogis dargestellt wurden. Ein Interview mit Mathias Tietke.
Mathias Tietke (geb. 1959 in Wittenberg) ist Journalist, Sachbuchautor und Yogalehrer. Nach einer Ausbildung zum Möbeltischler in Thüringen wurde ihm auf Betreiben der Staatssicherheit der DDR ein Literaturstudium verweigert. Nach dem Fall der Mauer reiste er mehrmals nach Indien und absolvierte eine vierjährige Yogalehrerausbildung in Deutschland.
In mehreren Büchern beschäftige er sich mit der Geschichte des Yoga sowohl international als auch hierzulande. Drei davon behandeln Yoga in der DDR und im Nationalsozialismus (“Yoga im Nationalsozialismus. Konzepte, Kontraste, Konsequenzen”, 2011; “Yoga in der DDR. Geächtet, Geduldet, Gefördert”, 2014; “Yogi Hitler. Der Einfluss von Yoga und indischer Philosophie auf die Ideologie des Nationalsozialismus”, 2021). Zurzeit arbeitet er an einem Buch über Yoga in der Bauhaus-Bewegung.
Frage: Herr Tietke, was bedeutet Yoga für Sie?
Mathias Tietke: Vom Begriff her heißt es “verbinden”. Ursprünglich bezog sich das auf das Anschirren der Pferde, bevor Krieger den nächsten Überfall ausführten. Im übertragenen Sinn ist das eine aktive Handlung, die eine klare Richtung hat und die Kräfte bündelt.
Womit Sie gleich den kriegerischen Gedanken ansprechen, den wir später noch vertiefen werden. Aber was bedeutet das konkret persönlich?
Vom Kräftebündeln hat sich der Begriff weiterentwickelt: Anstatt sich im Denken über Vergangenheit oder die Zukunft zu verlieren – was war gestern, was muss ich später noch erledigen? –, fokussiert man sich auf den gegenwärtigen Moment.
In der eigenen, natürlich westlich geprägten Erfahrung kommen die Körperübungen dazu. Das heißt, ich brauche eine Yogamatte, einen rutschfesten Untergrund. Dort kann ich den “Krieger” üben oder den “Sonnengruß”. Ich tue etwas Gutes für meine Wirbelsäule, für meine Gesundheit, und seien es nur 15 bis 20 Minuten am Tag. Dazu kommt das Erlernen von Entspannung, das man auch bei Konflikten anwenden kann.
Durch meine Indienreisen kam schließlich eine höhere, eine philosophische oder spirituelle Dimension dazu, die mir genauso wichtig ist. Hierfür spielen auch die antiken Yogasutras von Patanjali eine Rolle. Darin geht es um “samadhi”, was manche mit “Erleuchtung” gleichsetzen. Ich verstehe das im Sinne von Aufklärung:
Man versucht, sich von Konditionierungen und Manipulationen frei zu machen. Man schaut beispielsweise durch das hindurch, was die Familie, die Schule, die Gesellschaft von einem erwartet, und findet seinen eigenen Weg. Auch Statussymbole verlieren dann an Bedeutung. Ich reflektiere, trete zurück, komme zur Besinnung.
Dieses Begriffliche und Persönliche, die Körperübung und die Besinnung – hängen die miteinander zusammen oder sind das verschiedene Dinge?
Für mich gehört das zusammen. Als Freischaffender habe ich fast täglich die Aufgabe, meine Prioritäten festzulegen. Worauf konzentriere ich mich? Ich will vermeiden, mich in zu vielen Dingen zu verlieren und sie dann nur oberflächlich zu behandeln. Yoga ist für mich das Gegenteil von Oberflächlichkeit.
Ich orientiere mich nicht nur nach außen, sondern suche die Antworten in mir. Ähnliche Gedanken finden Sie übrigens auch im Christentum. Im Neuen Testament heißt es: “Sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch.”
Dabei kann es helfen, den Fernseher ein paar Wochen auszulassen, den Computer oder das Smartphone eine Zeit lang nicht zu benutzen. Wenn ich mich darauf besinne, was für mich wichtig ist, entscheide ich mich vielleicht dafür, für ein paar Tage auf äußere Reize wie Fernsehen, Computer und Smartphone zu verzichten. Ich nehme mir bewusst die Zeit und den Raum, mich zu besinnen.
Aber dadurch, dass Sie auf der Matte ein paar Körperübungen machen, erlangen Sie nicht automatisch Selbsterkenntnis, oder?
In den erwähnten Yogasutras ist das eine von acht Stufen. Diese versetzt mich in die Lage, eine geraume Zeit ohne Beschwerden stillzusitzen, gleichmäßig zu atmen, und die Sinne nach innen zu bringen.
Yoga an sich ist kein Selbstzweck. Ich übe Sonnengrüße nicht, um Sonnengrüße zu machen. Die Übungen helfen mir dabei, mich zu fokussieren. Dann kann ich meditieren und erkenne Dinge, die ich über das analytische Denken allein nicht erreiche.
Dann kann ich beispielsweise durchschauen, von wem ich permanent manipuliert und konditioniert werde und sagen: “Das brauche ich nicht! Ich finde meinen eigenen Weg und stehe dazu.”
Das hat auch eine ethische Komponente, die man schon im Buddhismus findet. Dafür steht die Gewaltfreiheit zentral: keine Gewalt im Denken und Handeln. Durch Ethik, Körper- und Atemübungen werden schließlich tiefere meditative Zustände möglich.
Behalten wir die Frage im Hinterkopf, wie sich Gewaltfreiheit mit dem Bild verträgt, die Pferde anzuschirren, um das nächste Dorf zu überfallen. Wie kamen Sie überhaupt darauf, die Rolle von Yoga im Nationalsozialismus zu untersuchen?
Vor über 15 Jahren war ich auf einem Kongress des Bundesverbands Deutscher Yogalehrer in Frankfurt. In einem Gespräch zwischen Vorstand und Indologen meinte einer der Wissenschaftler, man müsse sich einmal mit Yoga im Nationalsozialismus beschäftigen. Später diskutierten wir noch die verbreitete Meinung, die Herkunft des Yoga hänge mit den Ariern zusammen und mit dem Hakenkreuz.
Zuerst dachte ich: “Auf keinen Fall mache ich das!” Ich wollte mich nicht so intensiv und so lange, vielleicht für zwei Jahre, mit dem Nationalsozialismus befassen. Die Frage, ob das Hakenkreuz der Nazis irgendwie mit Yoga zusammenhängt, ließ mich dann aber nicht mehr los.
Ich fand schließlich heraus, dass dieses Zeichen in mindestens sechs verschiedenen Hochkulturen als Glückssymbol oder als Zeichen für die aufgehende oder untergehende Sonne verwendet wurde. Das lässt sich für einen Zeitraum von mindestens 6.000 Jahren zeigen.
Adolf Hitler hat sich nachweislich nicht auf das Hakenkreuz der Inder bezogen. Hier inspirierten ihn die Ariosophen und das Germanische. Er hielt es für ein starkes Symbol für seine Zwecke. Darüber schrieb ich einen Artikel und daraus entstand in mir die Frage, wo die Geschichte des Yoga in Deutschland anfängt.
Und was kam dabei heraus?
Man kann das bis zu 200 Jahre in die Vergangenheit zurückverfolgen. Ein guter Freund Arthur Schopenhauers, der Philosoph Karl C. F. Krause, praktizierte Yoga und hat auch darüber geschrieben, was Schopenhauer wiederum reflektierte.
Im 20. Jahrhundert ist dann 1937 ein entscheidendes Jahr. Damals gründete der russische Immigrant Boris Sacharow in Berlin-Schöneberg die erste Yogaschule Deutschlands, die “Schule für indische Körperertüchtigung”.
Das faszinierte mich, dass er das mitten in Berlin, also mitten in der Machtzentrale der Nazis ausüben konnte. Er hatte deutschlandweit sehr viele Schüler, denen er Lehrbriefe schickte. Heute würde man das “Fernunterricht” nennen. Das hat er bis zum Kriegsende durchgehalten.
Mit diesem Fund wendete ich mich an einen Buchverlag, den Verlag Ludwig in Kiel, und machte einen Vorschlag für ein größeres Werk. [Das erschien 2011 als “Yoga im Nationalsozialismus. Konzepte, Kontraste, Konsequenzen”, Anm. d. A.] Da hatte zufälligerweise die Lektorin des Verlags gerade mit Yoga begonnen und ihre Mutter ist Historikerin.
Mit deren Auftrag zog ich in die Bundesarchive in Berlin und Koblenz, in die Staatsbibliothek und das Zeitschriftenarchiv.
Dort wurden Sie fündig?
Ja. Ich habe insgesamt über 6.000 Seiten der “Weißen Fahne”, einer damaligen Lebensreformzeitschrift mit Auflagen zwischen 100.000 und 200.000, sowie den “Völkischen Beobachter” durchgearbeitet und wirklich sehr viel gefunden. Es war so viel Material, dass ich dazu noch ein zweites Buch schreiben konnte. [Das gerade erschienene “Yogi Hitler. Der Einfluss von Yoga und indischer Philosophie auf die Ideologie des Nationalsozialismus”, Anm. d. A.]
Es gäbe noch viel mehr. Allein in Koblenz sichtete ich elf laufende Archivmeter über Heinrich Himmler und den Indologieprofessor Jakob Wilhelm Hauer, der an der Universität Tübingen lehrte. Darüber könnte man ein wohl tausendseitiges Buch schreiben.
Für das zweite Buch interessierte mich vor allem Adolf Hitler, über den ich zehn Jahre vorher nichts gefunden hatte. Das liegt auch daran, dass Hitler seine Spuren verwischte. Eher zufällig stieß ich dann im “Völkischen Beobachter” auf einen Artikel über Albert Schweizer, in dem behauptet wird, Hitler hätte die Kraft für sein Werk aus der Lektüre der indischen Upanishaden [alte philosophischer Texte, Anm. d. A.] bezogen. Das war allerdings nur eine Quelle, die man schnell angezweifelt hätte.
Haben Sie einen weiteren Beleg gefunden?
Ja, in der Zeitschrift “Die Weiße Fahne”. Darin hieß es beispielsweise, “Unser Führer ist Yogi”, er sei ein großes Vorbild für gesundes Leben und – Hitlers Leben und Werk wäre “Leibgewordener Yoga”. So wurde das Thema “Yoga” im Kontext des Nationalsozialismus neu gewichtet.
Außerdem nahm ich dann Kontakt mit der Hitler Library in Washington auf. Dort befinden sich die Bücher des Diktators. Und ja: Darunter sind Yogabücher.
Er hat sich ganz sicher mit den Themen Geschichte des Yoga und Yogaphilosophie beschäftigt. Die “Metaphysik des Kampfes und der Tat” des genannten Indologen Hauer, der darin einen wichtigen Text der indischen Yoga-Philosophie diskutierte, und Schriften von Hans F. K. Günther, in denen der Autor indische Geschichte und Yoga behandelt. Diese besaß Hitler sogar doppelt.
Kommen wir so dann auf das Bild mit dem Anschirren der Pferde zurück?
Genau. Hauer und viele andere damalige Indologen waren sich darin einig, dass der alte “arische Yoga” mit seinem Kriegerethos der einzig wahre und echte Yoga sei. Auf das Friedliche und Asketische, das wir heute eher mit Yoga verbinden, blickten sie geringschätzend herab. Und an das Bild vom Yogi als Krieger konnten die Nationalsozialisten natürlich sehr gut andocken.
Professor Hauer konnte in seinen öffentlichen Vorträgen übrigens derart agitieren, dass ihn die Gestapo darum bat, die Leute nicht zu sehr aufzuwiegeln.
Aber wie kann man sich diesen Yoga vorstellen?
Es geht in Anknüpfung an die Vorstellungen der Theosophen hier immer um einen “geistigen Yoga”, die geistige Fokussierung, in die Stille zu gehen. Dabei stand die Tatkraft, das Schöpferische, Kämpferische im Vordergrund. Auf die Körperübungen, wie sie etwa Sacharow lehrte, blickte man herab. Das war etwas fürs “niedere Volk”.
Trotzdem ist bemerkenswert, dass auch Yoga als Körperübung, also Hathayoga, im Nationalsozialismus erlaubt blieb, während man ihn später in der DDR verboten hat. Dementsprechend findet man in Zeitschriften und Illustrierten aus der Nazizeit Fotos von – hauptsächlich indischen – Yogis in fortgeschrittenen Körperhaltungen. Diese Übungen wurden als gesundheitsfördernd dargestellt.
Was musste man tun, um den “geistigen Yoga” zu üben?
Es gibt Beschreibungen, dass man sich im Schweigen zusammensetzte und beispielsweise eine halbe Stunde lang auf eine Kerze starrte. Danach ging man gemeinsam und in Stille in den Park oder Wald.
An so einem Tag sollte man außerdem nur Wasser und Tee trinken, also Verzicht üben. Damit würde man eine geistige Stärke entwickeln, um mit Tatkraft und einem starken Willen seine Projekte umzusetzen.
Sie sehen, dass das etwas ganz Anderes ist, als die Körperübungen auf der Matte, für die Yoga heute so bekannt ist.
Gibt es denn Belege dafür, dass führende Nationalsozialisten wie Himmler oder Hitler selbst solche geistigen Übungen praktizierten? Oder wurde das nur in der Öffentlichkeit so dargestellt?
Bei Himmler muss man meiner Einschätzung nach indirekt argumentieren. Noch vor wenigen Jahren sorgte es für große Aufmerksamkeit, als man seine Briefe an die Familie fand. Das beschäftigte die Zeitungen wochenlang.
Der SS-Führer schrieb darin oft von der “großen Anständigkeit”, die er seiner SS zuschrieb. Das kann man im Zusammenhang mit der Bhagavad Gita [einer zentralen Schrift des Hinduismus, Anm. d. A.] besser verstehen, die Himmler, auch unter dem Einfluss von Hauer, ausführlich studierte.
In Himmlers Dienstkalender finden sich häufige Einträge, gleich morgens von 8 bis 10 oder 11 Uhr, für seinen Massagetherapeuten Felix Kersten. Was haben die beiden zwei oder drei Stunden lang gemacht? Mit Sicherheit hat sich Himmler nicht mehrere Stunden massieren lassen. Sie haben miteinander gesprochen und sich ausgetauscht.
Aus Kerstens Aufzeichnungen wissen wir, dass sie auch indische Philosophie diskutierten. Hier spielte insbesondere das vierte Kapitel der Bhagavad Gita eine Rolle. Darin geht es um Themen wie den “Yoga der Erkenntnis” und die Pflichterfüllung des Kriegers. Die Gedanken, dass man den Kern des Menschen nicht töten könne, sondern nur seine körperliche Hülle, und für die Folgen seiner Handlungen nicht verantwortlich ist, dürften Himmler mit seiner Ideologie sehr gefallen haben.
So sah er seine SS als spirituellen Orden, bei dem es um Anständigkeit geht. Seine Leute vernichten dann vielleicht ein ganzes Dorf, doch niemand durfte sich an der Schmuckschatulle einer getöteten Familie vergreifen. Das widersprach der “Kriegerethik”.
Nur wenige wissen, dass Himmler schon 1920 schrieb: “Wir müssen Kshatriyas sein.” Das ist das Sanskritwort für die indische Kriegerkaste. Er muss sich also damals schon mit der indischen Weltanschauung beschäftigt haben.
Das ist alles auf der philosophisch-ideologischen Ebene. Gibt es denn Belege dafür, dass Himmler oder Hitler meditierten oder ähnliche Übungen praktizierten?
Wir wissen natürlich nicht alles über deren Privatleben. Aber auf zahlreichen Fotos ist Hitler in einer meditativen Haltung zu sehen, introvertiert und fokussiert. Der Reichspressechef Dr. Otto Dietrich schrieb in seinem Rückblick: “Er [Hitler] meditierte dann weiter.”
Außerdem machten einige Textstellen in “Mein Kampf” und die Quellen, die erst selbst nennt, deutlich, dass er sich für indische Philosophie und Yoga interessierte. Hierbei muss man wissen, dass Hitler nur wenige Quellen nannte. Doch die Namen, auf die er sich ausdrücklich bezog, vereint das Interesse für indische Philosophie: der Philosoph Arthur Schopenhauer, der Komponist Richard Wagner und dessen Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain.
Vielleicht können wir bei dieser Gelegenheit mit dem Vorurteil aufräumen, Hitler sei Asket oder Vegetarier gewesen. Meines Wissens können Sie das Gegenteil belegen.
Ja. Nach meinem Kenntnisstand war Hitler zu keinem Zeitpunkt Vegetarier. Dass er kerngesund, enthaltsam, ja asketisch gelebt habe, ist als NS-Propaganda zu werten.
Es ist belegt, dass der Diktator stets auch Fleischgerichte zu sich nahm. Und auch Alkohol gehörte bei ihm zum guten Essen dazu.
Dass er oft leichte Kost, auch Breinahrung und Suppen bevorzugte, hatte eher mit seiner schlechten Gesundheit zu tun: Seine Zähne waren in einem katastrophalen Zustand und er hatte Magen- und Darmprobleme.
Darüber durfte in der NS-Zeit natürlich niemand schreiben. Deshalb wurde dieser Mythos vom asketischen und tierlieben Vegetarier inszeniert.
Kommen wir mit einer Zusammenfassung zum Schluss: Im Nationalsozialismus wurden die Körperübungen zwar als “niederer Yoga” geringgeschätzt, aber als Mittel zur Körperertüchtigung und für die Gesundheit toleriert. Daneben gab es einigen “geisten Yoga” mit meditativen und asketischen Übungen, die Tatkraft und Willensstärke fördern sollten. Schließlich hatte man die Vorstellung von einem “arischen Yoga”, in dem die Kriegerethik im Vordergrund stand.
Ja. Hierbei sollte man aber noch bedenken, dass die Bhagavad Gita nur ein kleiner Teil des größeren Mahabharata-Epos ist. Die Bhagavad Gita behandelt den Gewissenskonflikt des Kriegers Arjuna, der keinen Krieg anfangen will, bei dem – auch auf der Gegenseite – seine alten Freunde, Verwandten und früheren Lehrer sterben werden.
Der Gott Krishna überzeugt ihn dann davon, dass er als Kshatriya, als Angehöriger der Kriegerkaste, keine andere Wahl hat, als in die Schlacht zu ziehen. Auf diesen Aspekt konzentrierten sich die Nazis – und übrigens auch andere religiöse oder politische Führer, um Kriege zu rechtfertigen.
Im größeren Kontext der Mahabharata könnte man das aber als Negativbeispiel sehen. Denn im weiteren Verlauf der Geschichte werden die Helden der Bhagavad Gita eigentlich Verlierer: Arjuna verliert erst seinen Sohn und landet dann in der Hölle und sogar Krishna wird verflucht und erschossen. Mit solchen Widersprüchen hat man sich im Nationalsozialismus oder in jüngerer Zeit in der Hare Krishna-Bewegung aber lieber nicht auseinandergesetzt.
Hinweis: Dieser Beitrag erschien auch auf Telepolis. Titelgrafik: Roger und Renate Rössing, Deutsche Fotothek nach Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany.
Lebensfeformbewegung, Wandervogel-Verein und Jugendbewegung waren im Vorkriegsdeutschland, ja bereits um das Jahr 1900 herum Bewegungen, die auf grosse Resonanz stiessen und die sowohl Ahnen der heutigen Alternativszene als auch Einflüsse für Ideen waren, die vom Nationalsozialismus aufgegriffen und zurechtgestutzt wurden.
Das Buch „Imperium“ von Christian Kracht erzählt eine Geschichte über diese Verquickung von alternativem Denken und einer Form des Kolonialismus/Imperialismus.
@Holzherr: Lebensreform
Es heißt, dass die Lebensreformbewegung als Gegenbewegung zur Moderne und Industrialisierung entstand. Insbesondere Letztere wurde als Verfallserscheinung gedeutet. Heute wissen wir (z.B. Blick auf Umweltverschmutzung und soziale Ungleichheit): Es stimmte.
Doch vergessen Sie nun nicht, dass die Bewegung auch in Ihrer Schweiz populär war: Bülach, Monte Verità…
Genau, Stephan Schleim, die Bewegung war in der Schweiz sehr aktiv. Zum Glück ist aber die Schweiz zu klein für ein Imperium.
Es gab natürlich viele spätromantische Einflüsse in der Lebensreformbewegung und die Romantik wiederum kann als Reaktion und Gegenbewegung zur Industriealisierung gesehen werden.
Vom freien Wandervogel zur Hitlerjugend
Lebensreformbewegung, Jugendbewegung mit „Wandervögeln“ und Reformpädagogik gehörten zwischen 1890 und 1930 zu einer den ganzen deutschen Sprachraum ergreifenden Lebensströmung, die sich einen Freiraum ausserhalb der damals industriell (Schwerindustrie) geprägten Städte und Industrielandschaften suchte – und zwar in der Natur und mit Rückgriff auf hergebrachte Kulturelemente wie Volksliedern und einer spontanen Geselligkeit und Fröhlichkeit, aber auch organisierten „Events“ wie Liederabenden, Lagerfeuern, Puppentheatern, Laienspielen und Theateraufführungen in freier Natur.
Die Wandervogelbewegung äusserte sich in Wanderungen und Wochend-Ausflügen von Gruppen von Jugendlichen, die meist von einem jungen Erwachsenen geführt wurde.
Dabei eröffnete sich ein Freiraum, den es im Alltag damals nicht gab. Auch Mädchen konnten sich austoben und Dinge tun, die sonst nicht möglich und nicht erlaubt waren. Auch homoerotische Neigungen und Freundschaften entwickelten sich. Politisch war die Bewegung ambivalent. Im Wikipedia-Artikel Jugendbewegung liest man dazu:
Nachdem die Nationalsozialisten die Hitlerjugend gegründet hatten, wurde alles bestehende integriert oder eliminiert: Aus Wandervögeln wurden Angehörige der Hitlerjugend oder sie verschwanden. Die Idee der Hitlerjugend hat jedenfalls viel von der damaligen Jugendbewegung und den Wandervögeln aufgegriffen.
Kurzum: Die Lebensreformbewegung und Jugendbewegung im deutschprachigen Raum zwischen 1900 und 1930 eröffnete einen ambivalenten Raum in dem sehr vieles möglich war. Die Nationalsozialisten wussten darum und integrierten diese vorgefundenen Elemente in ihre neue Bewegung. Aus dem Wandervogel wurde ein Mitglied der Hitlerjugend,
@Holzherr: Gleichschaltung
Das war eben die Gleichschaltung: Wer nicht für die Nazis war, war automatisch gegen sie; und wer nicht bei ihrer Vereinigung mitmachte, der wurde unterdrückt, zur Not mit Gewalt.
P.S. Kleine Länder sollte man nicht unterschätzen. Portugal war auch ‘mal Kolonialmacht. Und manch ein kleines Land hat für das Imperium die Geschäfte geregelt und daran gut verdient.
Seht mal , wie harmlos er ist, er füttert ein Rehkitz.
Er ist Vegetarier.
Und er interessiert sich für indische Philosophie !
So kann man einem Massenmörder näherkommen.
Der Geheimdienstchef der DDR Markus Wolf ließ sich mit “Mischa” titulieren und er war auch Vegetarier, Das Schönste sagte Wolf, war das Ostereier suchen.
Wie sich doch die Methoden gleichen.
Diese kriegerische Interpretation des Yoga ist mir nicht geläufig. Natürlich gibt es viele verschiedene Stilrichtungen, dementsprechend werden die Übungen und ihre Ziele immer wieder unterschiedlich interpretiert. In der Regel wird der Begriff „Yoga“ mit „Joch“ übersetzt und meint das Geschirr der Zugtiere (meist Ochsen), die man vor den Pflug oder den Karren spannte. Nach meinem dafürhalten ist damit die Mühsal gemeint, die der Übende auch sich nimmt, wenn er sich von einer anstrengenden Lehre „unterjochen“ lässt.
In den alten hinduistischen Texten, den Upanishaden und der Bhagavad Gita, wird Yoga erwähnt. Die meisten Yoga-Lehren gründen sich jedoch auf die Yoga-Sutren des Gelehrten Patanjali, der quasi als Vater des Yoga gilt. Insofern glaube ich kaum, dass sich die Nazis ernsthaft mit der Lehre auseinandergesetzt haben. Vermutlich übernahmen sie alles, was ihrer Ideologie dienlich war, der Rest wurde abgelehnt oder verboten. So könnte es auch mit der Kerzenlichtmeditation gewesen sein, die früher von den „Zigeunern“ (so nannte man diese Völker damals) praktiziert wurde. Dabei starrte man in die Flamme einer Kerze und nahm auf diese Weise das Drumherum nicht mehr wahr. Im Grunde ist das nichts anderes als eine Meditationshilfe, wie beispielsweise ein Mantra.
Yoga-Praktiken waren zur Zeit Hitlers etwas Neues und gehörten zu einem neuen Denken, das die Menschen damals so beschäftigte wie es heute die gendergerechte Sprache oder die politische Korrektheit tut. Es sollte einen deshalb nicht verwundern, dass auch Hitler und Himmler sich damit beschäftigten, zumal Adolf Hitler ein Vielleser war.
Auch die Rassentheorien, die die nationalsozialistische Bewegung und die Hitler in seinen Schriften entwickelten waren nicht originär Hitler‘sche Erfindungen. Vielmehr waren Rassentheorien ab Mitte des 19.Jahrhunderts in Europa weit verbreitet und Thema dazumal aktiver, auch naturwissenschaftlicher Forschung. Der Schriftsteller Arthur de Gobineau eröffnete mit 4 Büchern zu Menschenrassen das Thema, der Brite Houston Stewart Chamberlain verband darauf Rasssentheorien mit Antisemitismus. Sozialdarwinisten sprachen dann vom Rassenkampf und schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam dann die Forderung nach Rassenhygiene, also einer Trennung von Rassen mit der Forderung Mischungen von Rassen zu sanktionieren.
All das war quasi die tägliche Lektüre von Adolf Hitler. Er machte das, was damals in Deutschland [unter anderem] und überhaupt in der westlichen Welt gedacht wurde zur Politik seiner Partei und verschärfte die vorgefundenen Ideen noch mit dem Ziel einen äusseren Feind zu schaffen, einen äusseren Feind, gegen den man sogar Krieg führen musste.
Zu Mona:
Ich stimme ihnen voll zu. Hier wird wieder etwas ideologisch hineininterpretiert.
Die Nationalsozialisten hatten hier nur Anknüpfungspunkte bezüglich der arischen Abstammung die sie auf Völker aus dem alten Indien zurückführten. Heinrich Himmler hatte deswegen extra eine “Expedition” nach Indien bzw. Tibet geschickt wo u. a, auch die Köpfe von Menschen hinsichtlich ihrer arischen Merkmale vermessen wurden. Bezüglich der Aussagen von Herrn Tiedke zur DDR habe ich einige Zweifel. So erlebte in den sechziger Jahren im Westen diese Guru-Welle, auch durch die Beatles befeuert- eine Art Erneuerung. Im Musical Hair suchte die Jugend nach alternativen Lebensmodellen(68 ziger) . Dass viele dieser Gurus die Leute nur manipulierten um Geld zu machen, also Altindische Lehren als Geschäftsmodelle ansehen/ansahen, was im kapitalistischen Sinne normal ist, wurde damals im Osten bereits erkannt . Siehe die Einschätzung einiger Beatles über diese damalige Zeit in den Aschrams wo es anscheinend nur um niedere Bedürfnisbefriedigungen (Geld und Geilheit)ging. Yogis interpretieren eine Lehre ,frei nach ihrem eigenen Wissen/.So gesehen sind auch Pfarrer Yogis da jeder Bibelstellen anders interpretiert. Der “Yogi Hitler” ist nun mal eine Behauptung von Herrn Tiedke und historisch nicht belegt. Im übrigen würde diese Diskussion auch vom eigentlichen Wesen des Nationalsozialismus ablenken .
@Mona, Holzherr, Golzower: Yoga im Nationalsozialismus
Zur Vertiefung kann ich die Bücher Herrn Tietkes empfehlen, hier aber nicht zusammenfassen.
Dass es beim “arischen Yoga” vor allem um die Kriegerethik der Bhagavad Gita ging, sollte im Interview klar geworden sein. (Da die BG auch heute noch in vielen Yogalehrerausbildungen Studienmaterial ist, kann man diese Kritik nicht einfach übergehen.) Die Körperübungen passen eher zur Körperkultur, damals wie heute.
Der Nationalsozialismus war keine alleinige Erfindung Adolf Hitlers, obwohl er die Partei 1919 gegründet hat. Das Gedankengut war damals allgegenwärtig, Die Suche nach der Idendität der Deutschen fand Ausdruck in Geheimbünden, wobei hier nur die Thulegesellschaft stellvertretend genannt werden soll. Parallel wollte man sich vom Christentum abwenden und fand in der Edda und in der indischen Rig Veda passenden Ersatz. Das Hakenkreuz ist der Ausdruck dieses Denkens.
Das ganze blieb Stückwerk und man bediente sich nur der Themen, die politisch ausgenutzt werden konnten. Dazu gehört auch das hier genannte Yoga.
Eine geschlossene Ideologie war der Nationalsozialismus nie, nicht zu vergleichen mit dem Kommunismus. Ein Produkt eines Größenwahnsinnigen und einer kranken Gesellschaft die noch auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkrieges Hitler Beifall zollte.
Was mit der Untersuchung von Yoga und NSDAP gezeigt werden soll, erschließt sich mir nicht.
@Mona: Joch & Meditation
Hierarchisch kann man ein Joch als ein Mittel der Unterdrückung sehen – man kann es aber auch als ein Stück sehen, das verschiedene Dinge miteinander verbindet. (Die Wörter dt. Joch, engl. yoke, niederl. juk sind übrigens direkt von sanskr. yog abgeleitet.)
Und über das Yogasutra müssten wir einmal eingehender diskutieren. Das meditative Schauen in eine Flamme ist eine klassische Übung im Hathayoga (sanskr. trataka). Wobei Hathayoga näher an dem sein dürfte, was die allermeisten Yogaschüler und -Lehrer heute machen, als Yoga nach dem YS. In Ihrem geschätzten Text wird aber auch als Beispiel genannt, auf die Sonne zu meditieren (YS III.26).
@Stephan Schleim
Ich denke beides ist richtig. Wie ich oben schon schrieb, wird mit „Joch“ das Geschirr der Zugtiere bezeichnet, die man vor den Pflug oder den Karren spannte. Vielleicht hätte ich erwähnen sollen, dass ein Joch in der Regel zwei Zugtiere zusammenspannte. Ich habe als Kind im Bayerischen Wald noch Bauern gesehen, die sich keinen Traktor leisten konnten und deshalb ihre Felder mit Ochsen pflügen mussten. Hier das Bild eines Doppeljochs mit der Beschreibung: „Die Zugtiere wurden meistens paarweise in Doppeljoche eingespannt, wodurch die Last über eine am Geschirr zwischen den Tieren befestigte lange Deichsel gezogen wurde. Durch diese Befestigung können die Tiere ihre Köpfe fast nicht mehr bewegen. Sie wurden somit “unterjocht”, d.h. absolut gefügig gemacht. Meistens wurden auf diese Weise Ochsen als Zugtiere verwendet.“
Das ist richtig, aber diese Technik wurde in Europa, als Yoga noch völlig unbekannt war, von „Zigeunern“ praktiziert. Denn schließlich kamen die Sinti und Roma ja ursprünglich aus Indien, von wo sie auch eine Menge okkulte Techniken mitbrachten.
In diesem Zusammenhang sei auch die Meditation mit den Gralstafeln von Chartres erwähnt, die von französischen Zigeunern überliefert wurde.
Hochinteressant. Und natürlich Himmler, der esoterische Ideen sammelte wie andere Leute Briefmarken (wobei hier nicht Yoga esoterisch ist, sondern dessen reduktionistische Auslegung).
“und die sowohl Ahnen der heutigen Alternativszene als auch Einflüsse für Ideen waren, die vom Nationalsozialismus aufgegriffen und zurechtgestutzt wurden.”
(Martin Holzherr)
Eine Parallele zu heute, wo es die “wokeness” ist, die sich gerne mit “alternativen” Attributen schmückt, wie eben Yoga oder dogmatischem Vegetarismus und seiner fanatisierten Form, dem dogmatischen Veganismus. Auch wollte Himmler seine SS zu einer Truppe von Nichtrauchern und Veget-Ariern machen, genauso wie die NSdAP auch eine Partei der Tierschützer war.
Das ist schon ein bißchen gruselig und in dieser Konzentration kein Zufall mehr, es gibt strukturelle und kulturelle Ähnlichkeiten zwischen der neoliberalen Epoche und dem Nationalsozialismus.
Der NS war nicht deshalb erfolgreich, weil er es schaffte, rechtsextremes Denken auf die ganze Gesellschaft auszudehnen- er hat es vielmehr geschafft, sehr vielen gesellschaftlichen Gruppen ein integratives Angebot zu machen, das diese mehrheitlich nicht ablehnen wollten- quer durch den ganzen Garten, bis tief in die politische Linke hinein.
Der Neoliberalismus ist nicht deswegen erfolgreich, weil er es schafft, neoliberale Wirtschaftsdogmen bei einer Mehrheit zu etablieren, sondern weil er ein integratives Angebot an viele andere Gruppen hat, das diese mehrheitlich nicht ablehnen wollen- quer durch den ganzen Garten, bis tief in die politische Linke hinein.
@Mona: Joch
Man könnte auch sagen: Die Ochsen sind sehr fokussiert. 😉
P.S. Es gibt auch Theorien, dass die ursprünglichen “Arier”, die vor langer Zeit in Indien eingefallen sind, aus dem Gebiet der heutigen Ukraine kommen, also nach unseren Maßstäben Europäer sind…
…wenn später Sinti und Roma Kultur aus Indien nach Europa gebracht haben, dann schließt sich vor allem der Kreis, nicht wahr?
Wie dem auch sei: Wer etwas mitbringt und woher es kommt sagt per se nichts über die Nützlichkeit/Gültigkeit einer Methode aus.
Zum “Joch”
Man arbeitet hier mit Metaphern, Gleichnissen, Allegorien die negativ besetzt sind. Das Joch kann aber auch positiv gesehen werden in dem es-wie oben erwähnt- die Kräfte bündelt . Bauern nutzen die Kraft von zwei Ochsen und können besser und schneller pflügen, Waren transportieren, reisen, was dann im Yoga als Gleichnis verstanden wird. bzw. ursprünglich eine reine spirituelle Komponente hatte.
Heute ist Yoga ein Teil der Wellness Industrie und man kauft sich die Illusion der schnellen Heilung. Alles wird werbewirksam mit Superlativen vermarktet, auch das Schauen in eine Flamme, was lediglich eine von hunderten Methoden ist um einen Meditationszustand zu erreichen. Dieser Markt macht Milliarden Umsätze und hat wohl nichts spirituelles. In der DDR, Herr Tiedke, gab es ,so kann ich mich erinnern, da man solche Vermarktung nicht wollte, so etwas wie “konzentrative Entspannung”, was von der Krankenkasse kostenfrei durchgeführt wurde und was diesem Yoga sehr ähnlich war. Es gab ja auch die Sicht dass man nicht jeden Mist der aus dem Westen kommt, übernehmen musss.
Yoga hatte/hat auch die Faszination des Fremden, des anderen Weges, den man sich zuerst aneignen muss womit man dann in gewissen Sinne Neuland betrifft und vielleicht Neues auch über sich selbst herausfindet.
Die Faszination basiert also auf 1) der urmenschlichen Neugier 2) der Möglichkeit dem Trott des Alltags zu entgehen 3) der Aussicht über neue Kraft-/Energiequellen zu verfügen, die andern fehlen.
Schon die alten Römer – mindestens eine Untergruppe von Römern – liessen sich gern auf exotische, aus dem asiatischen Raum eindringende Systeme und Religionen ein. Sogar das Christentum war für gewisse Römer damals etwas Aufregendes wie heute Zen oder Yoga für uns.
Nichts (wirklich) Neues also unter der Sonne.
@Golzower (Zitat): In der DDR, Herr Tiedke, gab es ,so kann ich mich erinnern, da man solche Vermarktung nicht wollte, so etwas wie “konzentrative Entspannung”,
Gemäss Yoga in der DDR: Schlimmer Mystizismus, gefährliche Krankheit wurde Yoga in der DDR lange Zeit als Gefahr angesehen und die Stasi aktiviert um die Yoga-Umtriebe zu überwachen.
Zitat:
Viele Regime dulden keine geistigen Systeme/Religionen neben ihrem Regime-eigenen geistigen System. In China wurden/werden nicht nur Falun-Gong Anhänger verfolgt, sondern auch Christen wird mit Misstrauen begegnet. Im Alten Rom wurden Christen gar verfolgt und zeitweise gab es ein Verbot für das Kehren gewisser Philosophien.
Zitat Mathias Tietke zu Yoga in der DDR:
Nun, viele Regime wollen/müssen alles unter Kontrolle halten – auch und gerade das Denken.
Der Wikipedia-Artikel Stoic Opposition berichtet über die Gegnerschaft prominenter stoischer Philosophen gegen die autoritären Regime von Nero und Domitian. Nero köpfte dann einige von ihnen und noch Vespasian (im Jahr 71 oder 72)liess Philosophen aus Rom verbannen.
Zu M.Holzherr
Pardon, Herr Hollzherr, aber sie reden doch wie der Blinde über die Farbe. Haben sie denn in der DDR gelebt ? Da ich auch Literatur studiert habe könnte ich die Aussagen von Herrn Tiedke in vielem zerlegen, was ich nicht will. Ausschlaggebend für eine Aufnahme waren die künstlerischen Leistungen incl. kritischen Einstellungen-und die Lektoren haben die Eleven dementsprechend ausgewählt. Die Diskussionen die dort geführt wurden und die Herrn Tiedke entgangen sind, waren keinesfalls systemkonform. Hier scheint mir bei Ihnen -wieder einmal- der Besserwessi durchzuschimmern. Waren sie jemals im Osten ?
@Golzower : Nein, war nie im Osten, kenn den Osten nur über eine frühere Freundin aus der Tschechoslowakei und von all dem was ich gelesen habe.
Für mich bedeuten aber Verbote von Büchern, Philosophien, Lehren, Mitgliedschaften etc., dass es ein Gefälle zwischen Regierenden und Bürgern gibt und dass die herrschenden Instanzen die Kontrolle über die Gesellschaft sicherstellen wollen.
@Golzower: Tietke
Ich würde mich freuen, wenn Sie hier gegen Herrn Tietke (mit dessen Namen Sie schon Schwierigkeiten haben) nicht so mysteriös insinuieren, sondern klipp und klar sagen, was Sache ist, also wo er sich angeblich irrt. Dann kann man nachvollziehen, was Sie meinen, und darauf Stellung beziehen.
Im Übrigen ist es ja kein zwingender Widerspruch, dass Sie in der DDR andere Erfahrungen gemacht haben als er.
@Holzherr: In China hat man lange Zeit auch den (eher hauseigenen) Buddhismus unterdrückt bzw. nur die systemkonformen Strömungen durchgehen lassen. Dem Vernehmen nach lässt man seit einigen Jahren aber wieder mehr zu – und sieht man es auch zunehmend als Gelegenheit für den Tourismus.
Autoritäre Regime sind eben gerade deshalb autoritär, weil sie neben sich selbst keine anderen Autoritäten zulassen. Was sich nicht unterordnen lässt, wird zur Not ausgeschaltet. In der NS-Diktatur nannte man das: Gleichschaltung.
Aus dem Artikel-Text:
[…] Hier spielte insbesondere das vierte Kapitel der Bhagavad Gita eine Rolle. Darin geht es um Themen wie den “Yoga der Erkenntnis” und die Pflichterfüllung des Kriegers. Die Gedanken, dass man den Kern des Menschen nicht töten könne, sondern nur seine körperliche Hülle, und für die Folgen seiner Handlungen nicht verantwortlich ist […].
Dass man für die Folgen seiner Handlungen nicht verantwortlich sein soll verblüffte mich dann ja doch einigermaßen (das Thema Pflichterfüllung des Kriegers spreche ich mal nicht an).
Hier vier Auszüge aus dem vierten Kapitel der Bhagavad Gītā die – vermute ich – das ansprechen. A ist aus https://ramakrishna.de/vedanta/bhagavad-gita4.php und B aus http://www.prabhupada.de/bg/Prabhupada%20-%20Bhagavad-gita%20Wie%20Sie%20Ist.pdf (in B werden noch Erläuterungen zu den Versen abgegeben):
A 4/17: Denn was zum Tun gehört muss man erkennen, man muss erkennen was zum falschen Tun gehört und was zum Nicht-Tun gehört. Tiefgründig ist der Gang des Tuns.
B 4/17: Die Kompliziertheit des Handelns ist sehr schwer zu verstehen. Deshalb sollte man genau wissen, was Handeln, was verbotenes Handeln und was Nichthandeln ist.
A 4/18: Wer Nicht-Tun im Tun sehen kann und Tun im Nicht-Tun, der ist ein Einsichtiger unter den Menschen, er ist mit Höherem verbunden beim Durchführen allen Tuns.
B 4/18: Wer Nichthandeln in Handeln und Handeln in Nichthandeln sieht, ist intelligent unter den Menschen, und er steht in der transzendentalen Stellung, obgleich er allen möglichen Tätigkeiten nachgehen mag.
A 4/19: Wessen ganze Unternehmungen frei von Wunsch und Eigenwillen sind, diesen, dessen Tun im Erkenntnisfeuer gebrannt ist, nennen die Weisen kundig.
B 4/19: Jemanden, der im vollem Wissen gründet, erkennt man daran, daß jede seiner Handlungen frei ist von dem Wunsch nach Sinnenbefriedigung. Von ihm sagen die Weisen, er sei ein Handelnder, dessen fruchtbringendes Tun durch das Feuer vollkommenen Wissens verbrannt sei.
A 4/20: Nachdem er die Verhaftung an Tatenfrüchte losgelassen hat, stets zufrieden ist, auf nichts gestützt, tut er überhaupt nichts, auch wenn er mit Tun beschäftigt ist.
B 4/20: Indem er alle Anhaftung an die Ergebnisse seiner Tätigkeiten aufgibt, immer zufrieden und unabhängig ist, führt er keine fruchtbringende Handlung aus, obwohl er mit allen möglichen Unternehmungen beschäftigt ist.
Da sind durchaus Aspekte, die Qualität haben. Z.B. (1): Man sollte genau wissen, was Handeln, was verbotenes Handeln und was Nichthandeln ist. Oder (2): Jemanden, der im vollem Wissen gründet, erkennt man daran, daß jede seiner Handlungen frei ist von dem Wunsch nach Sinnenbefriedigung. Wobei man aber zu (1) anmerken/relativieren kann, dass darüber was man tun oder lassen sollte (je nach den Um- u. Zuständen) unterschiedliche Ansichten bestehen. (2) ist “leichter gesagt (theoretisiert) als getan.“ Das (3) *Wer Nichthandeln in Handeln und Handeln in Nichthandeln sieht (obgleich er allen möglichen Tätigkeiten nachgeht), ist intelligent* hat was von Philosophie (Sophistik?) “vom Feinsten“.
Vers 4/20 *alle Anhaftung an die Ergebnisse seiner Tätigkeiten aufgeben* kann man, meine ich, der Aussage des zitierten Artikeltextes (dass man für die Folgen seiner Handlungen nicht verantwortlich ist) als noch am nahekommendsten sehen. Denn Anhaften aufgeben ist nicht schlecht. Natürlich erst mal an den “unheilsamen“ Dingen. Wobei man aber auch dazu gleich wieder (s.o.) anmerken muss, dass darüber was heilsam ist je nach den (äußeren und inneren) Zu- u. Umständen – die Realität – unterschiedliche Ansichten bestehen.
Ich finde, dass man für die Folgen seines Verhaltens durchaus verantwortlich ist. Und sei es nur deswegen, dass man MEHR darauf achtet was für Folgen das eigene Verhalten haben kann. Dass man an vielem selber schuld ist berechtigt jedoch nicht zu der arroganten Aussage *selber schuld* (engl. Begriff finger-pointing).
Des Weiteren kann man ja auch (nicht so unzutreffenderweise) der Ansicht sein, dass es dringendere Sachverhalte als die Bhagavad-Gītā gibt (bei allem Respekt vor indischer Kultur!). Z.B. den Inhalt des Blogposts der *Monacologin* von gestern.
@Krüger: Kriegerethik
Es geht darum, das Richtige zu tun, das ist dieser Philosophie nach das, was dem Dharma entspricht (z.B. der Pflicht eines Kriegers). Was dann die Folgen dieser Handlungen sind ist nachrangig, denn die Handlung war ja die Richtige.
(Natürlich ist es, wenn man in die Tiefe analysiert, nicht immer einfach, bei einer Handlung Absicht und Ergebnis sauber zu trennen.)
Stephan Schleim,
mein Urteil zu yoga im NS-Staat war etwas voreilig.
Das Dharma würde ich als blinden Kadavergehorsam bezeichnen.
Pflicht im modernen Sinn ist dialektisch zu betrachten, als ein Abwägen zwischen gegensätzlichen Werten und der daraus sich ergebenden Handlung.
Über Yoga als Entspannungsübung kann ich nicht viel beitragen, ich entspanne mich beim Joggen.
@hwied: Dharma
Das Wort lässt sich nicht direkt übersetzen; es gibt dafür keine Entsprechung in unserer Sprache. Kadavergehorsam trifft’s meiner Meinung nach nicht.
Es ist eine Kombination aus (sozialer) Pflicht – aber auch der Position und Rolle von jemandem in der Gesellschaft. Das kann man auch positiv verstehen. Im Buddhismus steht “Dharma” übrigens für die philosophische Lehre.
Zu St. Schleim “Dharma”
Dharma -und soziale Pflicht .
Ist es eine soziale Pflicht wenn zum Bsp. in Bangladesch Arbeiterinnen für 30 Cent die Stunde arbeiten müssen damit die Wohlstandsgesättigten in Europa ihr Geiz ist geil noch weiter ausleben können ? Wenn diese Ausgebeuteten ihr Dharma hinterfragen, was im Buddhismus Klarsicht heißt bzw. KARMA., dann müssten sie erkennen dass sie ihr Dharma verändern können, das es nicht ihre “soziale Pflicht ” ist sich ausbeuten zu lassen bzw. das sie Spielball der Banker und Geschäftsleute sind ?
So gesehen kann man mit Meditieren diese Welt nicht verbessern, solange man
anerzogenes Kadavergehorsam lebt , also Werte die daran hindern, dass das
Karma in der Krankheit der Gesellschaft liegt und nicht in sich selbst.
@Golzower
Zu „Dharma -und soziale Pflicht“:
Sie glauben jetzt nicht wirklich, den Reichen in Bangladesch würde es um eine „soziale Pflicht“ gehen, die Armen nicht auszubeuten. Zudem bekennt sich die Mehrheit der Bevölkerung zum Islam. Der Koran kennt zwar auch eine soziale Pflicht, aber hier wie dort dürfte gelten: „Wasser predigen und Wein trinken“.
Der Spruch stammt dem Gedicht „Ein Wintermärchen“ von Heinrich Heine, in welchem er die Kirche kritisiert. Hier die Stelle, wo er einem kleinen Harfenmädchen lauscht:
Sie sang das alte Entsagungslied,
Das Eiapopeia vom Himmel,
Womit man einlullt, wenn es greint,
Das Volk, den großen Lümmel.
Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
Ich kenn auch die Herren Verfasser;
Ich weiß, sie tranken heimlich Wein
Und predigten öffentlich Wasser.
@Golzower: Dharma & Gesellschaft
Wir sind nicht die ersten, die feststellen, dass sich religiöse Ideen zur Unterdrückung bestimmter Gruppen verwenden lassen. (Schon mal vom “Opium des Volkes” gehört?)
Laut der Dharma-Lehre ist es eben Aufgabe der Brahmanen zu predigen, der Fürsten und Krieger zu führen und zu kämpfen, der Bauern und Händler ihrem Geschäft nachzugehen und der Diener zu dienen. Und für seine missliche Lage ist man im Zweifel selbst verantwortlich, denn man hätte ja im früheren Leben (oder in früheren Leben) gesündigt.
Fakt ist, wir werden hier bei MENSCHEN-BILDER weder Indien noch andere asiatische Länder “befreien” können. Viele dieser Menschen erleben das noch nicht einmal als Problem, sondern als “natürliche” Ordnung. Es ist immer schwierig, so etwas von außen zu bewerten.
Beschäftigen wir uns doch lieber mit den Problemen in unserer eigenen Gesellschaft. Davon gibt es mehr als genug.
Stephan Schleim
Bei allen Irrungen und Wirrungen haben es die Mitteleuropäer geschafft ein solides Gemeinwesen zu schaffen. Und wir sollten uns weniger in die Geschichte anderer Kulturen einmischen. Das hat nur Unglück gebracht, hauptsächlich für die anderen Kulturen.
Man denke nur mal an Afghanistan, an ganz Afrika, an Südamerika. Und es ist schon ein Witz der Geschichte, dass die selbst verliebten Nazis ihre Wurzeln in Indien gesucht haben. Darin sehe ich eine Art Minderwertigkeitsgefühl, dass mit Expansion kompensiert werden musste. Augenblickliches Problem ist die Pipeline in der Ostsee von Rußland nach Deutschland. Da hat sich Deutschland wieder in Weltpolitik versucht und ist von den USA gestoppt worden.
Aber kulturell sind wir auf Expansionskurs. Wir adaptieren einfach die US-Kultur und tun so , als wären wir Weltbürger.
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