Wird alles immer besser? Ein kritischer Blick auf Steven Pinkers Geschichtsoptimismus

Ein Gastbeitrag der Psychologen Dr. Fabian Hutmacher und Roland Mayrhofer

Hand aufs Herz: Gehören Sie zu jenen Menschen, die gerne vergangenen Zeiten nachtrauern und die insgeheim der Meinung sind, dass früher ohnehin alles besser war? Oder gehören Sie eher zu jenen Menschen, die finden, dass zwar nicht alles perfekt läuft, die aber dennoch ein Leben in der Gegenwart stets einem Leben in der Vergangenheit vorziehen würden und die fest daran glauben, dass für die Zukunft weiterer Fortschritt zu erwarten ist? Anders gefragt: Sind sie Geschichtspessimist oder Geschichtsoptimist?

Wie auch immer Ihre eigene Antwort ausfallen mag: Sicher ist, dass Steven Pinker fest auf der Seite der Optimisten steht. Pinker, seines Zeichens Psychologie-Professor in Harvard, hat in den letzten Jahren mit The Better Angels of Our Nature. Why Violence Has Declined (2011) und Enlightenment Now. The Case for Reason, Science, Humanism, and Progress (2018) zwei populärwissenschaftliche Werke vorgelegt, in denen er argumentiert, dass sich die Menschheit im Großen und Ganzen hin zum Besseren entwickelt. Wie kommt Pinker zu dieser Einschätzung?

Warum sich alles zum Besseren entwickelt

In The Better Angels of Our Nature führt Pinker aus, dass Gewalt – sowohl ihre tatsächliche Ausführung wie auch allgemein ihre Akzeptanz – im Lauf der Geschichte und insbesondere seit der Aufklärung immer weiter zurückgegangen sei und in der Gegenwart ihr bisher niedrigstes Niveau erreicht habe. Dieser Rückgang der Gewalt sei zwar nicht in allen Lebensbereichen gleichmäßig erfolgt, nicht ohne Rückfälle vonstattengegangen und auch nicht für alle Zeiten gesichert, lasse sich aber grundsätzlich sowohl im Kleinen wie im Großen, also vom sozialen Miteinander bis hin zum zwischenstaatlichen Handeln nachweisen. Natürlich kann man beispielsweise die Millionen von Toten des Ersten und Zweiten Weltkriegs nicht wegdiskutieren. Gleichzeitig aber sind wir immer weniger bereit, diese Toten achselzuckend hinzunehmen und nüchtern festzustellen, dass derlei nun einmal zur Geschichte gehöre.

Als entscheidende Entwicklungstendenzen nennt Pinker unter anderem den Übergang von nomadischen Jäger-und-Sammler-Kulturen hin zur Sesshaftwerdung, die Ablösung mittelalterlicher Kleinstaaterei durch die Herausbildung moderner Staatensysteme, die Aufklärungsbewegung des 18. Jahrhunderts sowie die Stärkung der Menschen- und Bürgerrechtsbewegungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Pinker stellt diese allgemeinen Entwicklungstendenzen hin zu weniger Gewalt nicht einfach als These in den Raum, sondern versucht, seine Behauptung mithilfe einer schier unüberschaubaren Menge an Daten zu belegen. Dabei verweist er unter anderem auf den relativen Rückgang der Anzahl an Tötungsdelikten, die Zunahme von Ländern, in denen Sklaverei verboten ist oder den Rückgang des Analphabetismus – um nur einige wenige Beispiele aus der Fülle seines Materials zu nennen.

Vier gute Engel

Was aber sind die Kräfte, die solche Entwicklungen treiben? Warum gibt es heute im Allgemeinen weniger Gewalt als früher? Pinker antwortet auf diese Frage mit dem Verweis auf psychologische Mechanismen, versucht den Verlauf der Geschichte also vor dem Hintergrund der emotionalen und kognitiven Grundausstattung des Menschen verständlich zu machen. Im Hinblick auf seine Neigung zu Gewalt beziehungsweise Gewaltlosigkeit attestiert Pinker dem Menschen eine gewisse Janusköpfigkeit. Einerseits geht er davon aus, dass Menschen aller Zeiten und Kulturen bereit waren und nach wie vor bereit sind, Gewalt einzusetzen – sei es als instrumentelles Mittel der Zielerreichung, als Signal der Dominanz im Kampf um Ansehen und Autorität, als Ausdruck eines nach Rache und Wiedergutmachung strebenden Moralempfindens oder auch einfach als Resultat sadistischer Neigungen.

Sie lesen die leicht überarbeitete Fassung eines Kapitels aus dem Buch: Jüttemann, G. (2020) (Hrsg.). Psychologie der Geschichte, S. 206-212. Lengerich: Pabst Science Publishers. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Pinker unterstellt aber, dass solchen in der menschlichen Natur angelegten destruktiven Kräften vier positive Eigenschaften entgegenstehen – eben jene Better Angels of Our Nature, von denen bereits im Titel des Buches die Rede ist. Dabei denkt Pinker erstens an die Fähigkeit zur Empathie, zweitens an die Fähigkeit der Selbstkontrolle, drittens an einen Sinn für Moral, also ein Gespür für die innerhalb einer Gesellschaft geltenden Normen und Tabus, sowie viertens an die Möglichkeit vernünftigen Abwägens.

Diese Better Angels of Our Nature können unter den spezifischen Bedingungen der Moderne besser zur Geltung kommen als jemals zuvor, argumentiert Pinker. Zum einen verfüge der moderne Staat über ein klares Gewaltmonopol und könne somit das Ausmaß individueller gegenseitiger Ausbeutung begrenzen und zum anderen ermögliche er über die dicht verflochtenen Netzwerke des Handelns und Wirtschaftens einen Austausch von Waren und Ideen über größere Distanzen und für größere Gruppen als zu jedem anderen Zeitpunkt der Geschichte. Zusammen mit anderen Entwicklungen wie dem Rückgang des Analphabetismus bilde das eine gesunde Basis für die Entfaltung unserer Empathie- und Moralfähigkeiten sowie die Durchsetzung der vernunftgeleiteten Erkenntnis, dass friedliche Kooperation dem gewaltsamen Wettstreit vorzuziehen ist.

Ein Plädoyer für das Festhalten am Projekt der Moderne

Vor diesem Hintergrund hält Pinker – wie er am Ende von The Better Angels of Our Nature schreibt – die von verschiedenen Seiten vorgebrachte Kritik am Projekt der Moderne für verfehlt. All die Nörgler und Miesmacher, die etwa auf den destruktiven Charakter moderner Arbeitswelten, globale Ungerechtigkeiten oder die Gefahren des menschengemachten Klimawandels verweisen, sind für Pinker eindeutig auf Abwegen. Stattdessen empfiehlt er ein Festhalten an den Elementen modernen Denkens und Handelns, die uns an den Punkt geführt haben, an dem wir heute stehen.

Den Versuch einer genaueren Bestimmung eben dieser Elemente modernen Denkens und Handelns unternimmt Pinker in seinem neuesten Buch Enlightenment Now, in dem er – kurz gesagt – dafür plädiert, sich an den Idealen der Aufklärungsbewegung des 18. Jahrhunderts zu orientieren, weil sie der entscheidende Motor für zahllose Verbesserungen des menschlichen Lebens gewesen seien. Unter den Idealen der Aufklärung versteht Pinker dabei ein Konglomerat aus vier Komponenten, die er im Untertitel seines Buches nennt: Vernunft, Wissenschaft, Humanismus und Fortschritt.

Vernunft, so Pinker, ist die Grundvoraussetzung für jede Form ernsthafter Diskussion. Wer nicht bereit ist, die eigenen Argumente rational zu rechtfertigen, mit dem lohnt eine Debatte im Grunde überhaupt nicht. Schön und gut. Dem würde wahrscheinlich niemand widersprechen. Welche Gründe aber können als rationale Gründe gelten? Pinker gibt hier nur eine negative Antwort: Er versteht die Vernunft als das Gegenstück zu den von ihm sogenannten generators of delusion wie Glaube, Dogma, Autorität, Mystik, Intuition oder Hermeneutik.

Vernünftig ist für Pinker also offenkundig das und nur das, was sich ‚objektiv‘ nachprüfen lässt. Zu dieser Lesart passt jedenfalls Pinkers Verständnis von Wissenschaft: Er verknüpft die wissenschaftliche Anwendung von Vernunft nämlich mit bestimmten Methoden beziehungsweise einem erkenntnistheoretischen Apparat, den er mit Stichwörtern wie Skeptizismus, Fallibilismus und empirisches Testen umreißt. Dieses rationale und wissenschaftliche Denken stelle sich im Kontext der Aufklärung in den Dienst des Humanismus, argumentiert Pinker, setze sich also das Wohlergehen der Menschen als oberstes Ziel.

Unter diesen Bedingungen ist dann auch Fortschritt möglich, will sagen: die Einrichtung eines Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, das eine Verwirklichung der aufklärerischen Ideale zur obersten Maxime erhebt. Hier schließt sich der Kreis zu The Better Angels of Our Nature: Laut Pinker sind wir auf dem Weg zu einem solchen Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftssystem gegenwärtig – allen Unkenrufen zum Trotz – weiter als jemals zuvor. Wir leben vielleicht nicht in der besten aller möglichen Welten, aber wenn wir an den Idealen der Aufklärung festhalten, werden wir ihr zumindest näherkommen.

Und was ist davon zu halten? Versuch einer kritischen Einordnung

Zunächst einmal ist nüchtern festzuhalten, dass Pinkers Überlegungen in der Geschichtswissenschaft fast einhellig auf Ablehnung gestoßen sind. In den entsprechenden Fachkreisen wird dabei vor allem kritisiert, dass Pinker komplexes und ambivalentes Geschehen verzerrend und verfälschend auf einfache und eindeutige Sachverhalte reduziere und dass dies ein Verständnis der tatsächlichen historischen Prozesse verhindere. Anders gesagt: Pinker macht es sich zu leicht und dreht sich die Geschichte so, wie er sie braucht.

Dass solche Kritikpunkte von Seiten der Historiker vorgebracht werden, muss allein noch nicht viel heißen: Es könnte sich – böse gesprochen – auch um eine Abwehrbewegung gestandener HistorikerInnen handeln, die nicht möchten, dass ihnen ein Psychologe ins Handwerk pfuscht und die sich an verschiedenen Details abarbeiten, um sich nicht mit der großen Linie von Pinkers Argumentation auseinandersetzen zu müssen. Im Folgenden möchten wir aber an mehreren Beispielen herausarbeiten, weshalb es in Pinkers Denkstruktur tatsächlich tieferliegende begriffliche, inhaltliche und methodische Probleme gibt.

Im Labyrinth der Begriffe – oder: Aufklärung, was ist das eigentlich?

Beginnen wir mit den begrifflichen Schwierigkeiten: Sowohl in The Better Angels of Our Nature als auch in Enlightenment Now operiert Pinker mit positiv konnotierten und allgemein als erstrebenswert betrachteten Konzepten. Kaum jemand würde beispielsweise unvernünftiges und unwissenschaftliches Denken für wünschenswert halten oder sich nach einer rückschrittlichen Gesellschaft sehnen, die sich einer Verbesserung der Lebensbedingungen in den Weg stellt – um die von ihm benannten Ideale der Aufklärung einmal auf den Kopf zu stellen.

Um über die Ebene des Allgemeinplatzes hinauszukommen, muss man angesichts dessen zunächst einmal festlegen, was man unter den verwendeten Begriffen verstehen möchte. Wie wir weiter oben bereits andeutungsweise gesehen haben, tut Pinker das durchaus – aber er tut es auf eine ganz bestimmte Art und Weise, setzt genau diese bestimmte Art und Weise dann jedoch als Normalposition voraus. Was heißt das? Nehmen wir ein Beispiel: In Enlightenment Now verknüpft Pinker die Durchsetzung des Humanismus beziehungsweise den Fortschrittsgedanken mit ganz bestimmten wirtschaftlichen Traditionen. Pinker tritt hier für die wirtschaftspolitisch weitestgehend klassischen Annahmen der Österreichischen und der Chicagoer Schule ein. Deutlicher gesagt: Pinker vertraut auf die Kraft des freien Marktes. Und noch mehr: Er hält dieses Vertrauen auf die Kraft des freien Marktes für selbstverständlich und alternativlos – was es natürlich nicht ist.

Ähnliches gilt für Pinkers Verständnis von Wissenschaft, das schlicht die Sichtweise des Kritischen Rationalismus spiegelt und andere Konzeptionen von Wissenschaft ausschließt. Alles, was sich nicht in Zahlen ausdrücken und mit statistischen Verfahren überprüfen lässt, hält Pinker tendenziell für unwissenschaftlich. Eine solche Gleichsetzung wissenschaftlichen Denkens und Handelns mit empirisch-quantitativen Methoden ist nicht nur wissenschaftstheoretisch unzureichend, sondern erweist sich bei näherer Betrachtung überdies als historische Verkürzung.

Anders als Pinker dies suggeriert, lassen sich die in der Aufklärung kursierenden Konzepte von Wissenschaft nämlich keineswegs auf die Anwendung quantitativ-empirischer Methoden reduzieren. Ganz im Gegenteil: Sie umfassten neben Methodenpluralismus und Philosophie sowie den Geistes- und Sozialwissenschaften teilweise auch Magie, oft ohne klare Trennung zu den Naturwissenschaften. Will sagen: Aufklärung mit einem Streben nach Wissenschaftlichkeit und Nachprüfbarkeit in Verbindung bringen zu wollen, ist sicher nicht falsch. Darüber sollte jedoch nicht vergessen werden, dass die Frage, was als wissenschaftlich und nachprüfbar gelten kann, im Laufe der Zeit sehr unterschiedlich beantwortet wurde und auch heute nicht als entschieden gelten kann.

Vergleichbares lässt sich über die Vernunft sagen, ein weiteres von Pinker ins Spiel gebrachtes Kernmerkmal der Aufklärung: Zwar gibt es in der Aufklärung durchaus eine Betonung der Vernunft als Urteilsinstanz, gleichzeitig aber wird auch immer wieder nachdrücklich auf die Grenzen der Vernunft verwiesen. Der Skeptizismus der Aufklärung gegen Autoritäten, die eine bestimmte Weltsicht vermittelten, bedeutete also oft das Hinterfragen der eigenen Vernunft und der eigenen Annahmen. Wo diese Selbstkritik fehlt und die eigene Perspektive als völlig unabhängig oder neutral verabsolutiert wird, können leicht feste, unveränderliche Vorstellungen von Richtig und Falsch entstehen.

Eine (zu) einfache Dichotomie: Vernunft und Unvernunft

Über die Erörterung begrifflicher Schwierigkeiten sind wir damit bei einer wichtigen inhaltlichen Bruchstelle angelangt: Obwohl Pinker eine sehr spezifische und historisch nicht ohne Weiteres in dieser Eindeutigkeit nachweisbare Lesart aufklärerischer Ideale vorschlägt, nutzt er den auf Basis dieser Lesart konstruierten Gegensatz von ‚Aufklärung‘ und ‚Unvernunft‘, um Vertreter anderer Lesarten als Gegner der Aufklärung auszuweisen – darunter so heterogene Gruppierungen wie Umweltschützer, Kapitalismuskritiker und Nationalisten, aber auch so unterschiedliche Denker wie Friedrich Nietzsche und Theodor Adorno, Martin Heidegger und Jean-Paul Sartre, Michel Foucault und Edward Said.

Nietzsche ist für Pinker beispielsweise Wurzel gleichsam allen Übels im 20. Jahrhundert, während er in Horkheimers und Adornos Dialektik der Aufklärung (1947) progressophobia wittert. Nun mag man zur Philosophie Nietzsches oder zu den Thesen Horkheimers und Adornos stehen, wie man will: Sie ohne weitere Differenzierung dem Lager der Anti-Aufklärer zuzuschlagen, erscheint fragwürdig – und spiegelt interessanterweise genau jene Tendenz der Aufklärung, im Dogma zu erstarren und damit ihr Potential zur Selbstreflexion und Emanzipation zu verlieren, die in den Schriften der eben genannten Autoren zum Thema gemacht wird.

Von der Unsinnigkeit dichotomen Denkens, oder: Wird wirklich alles besser?

Wie aber wirkt sich Pinkers Dichotomie zwischen dem Aufklärerischen und dem Anti-Aufklärerischen auf sein Bild der Geschichte aus? Abstrakt gesprochen bietet sie ihm die Möglichkeit, historische Entwicklungen anhand einer begrenzten Anzahl von Schlüsselereignissen zu strukturieren und zu deuten, mit denen sich untrennbar moralisch-normative Aspekte verbinden, und daraus Handlungsmaximen für Gegenwart und Zukunft abzuleiten. Etwas weniger abstrakt gesprochen kann Pinker die Dichotomie nutzen, um ein klar geordnetes Bild der Geschichte vorzulegen, auf das er seine Idee der andauernden Höherentwicklung menschlichen Zusammenlebens projizieren kann.

Mit einer solchen linearen Interpretation ausgewählter geschichtlicher Ereignisse steht Pinker nicht alleine da, sondern lässt sich vielmehr in eine Reihe ähnlich konzipierter Darstellungen einordnen. So verfasste etwa Paulus Orosius, Theologe des 4./5. Jahrhunderts, seine Historiae Adversos Paganos (Geschichte gegen die Heiden), eine Weltgeschichte von den Anfängen bis in seine Gegenwart. Die Absicht dieser Weltgeschichte war es, zu zeigen, dass sich durch das Christentum die Welt insgesamt zum Besseren gewandelt habe, da Kriege und Katastrophen deutlich weniger geworden seien. Orosiusʼ Weltgeschichte fand das gesamte Mittelalter hindurch bis in die Renaissance weite Verbreitung und prägte nicht nur das Bild der Antike in dieser Epoche entscheidend mit, sondern auch das Bild vom Fortgang der Geschichte als Entfaltung des christlichen Heilsgeschehens. Diese Parallele zu Orosius dient in erster Linie der Illustration einer wichtigen Überlegung: In der Geschichtswissenschaft besteht mittlerweile weitestgehend Einigkeit, dass Geschichtsforschung immer nur zeitgebunden sein kann und von der Perspektive desjenigen abhängt, der sich eines Forschungsgegenstandes annimmt.

 Gleichzeitig hat die Geschichte der Geschichtsschreibung herausgearbeitet, auf welch vielfältigen und oftmals nur impliziten Vorannahmen Darstellungen der Vergangenheit beruhen. Darunter fallen nicht nur tendenziöse Werke, die Herrschende, Gruppen oder Ideologien glorifizieren, sondern auch sogenannte ‚große Erzählungen‘, die Geschichte aus der Sicht einer übergeordneten Idee betrachten, wie etwa als fortschreitenden Zivilisations- oder Nationalisierungsprozess, als Entfaltung eines religiösen Heilsgeschehens oder als Abfolge von Klassenkämpfen. Auch Sichtweisen, wonach ‚alles immer besser‘ oder ‚alles immer schlechter‘ wird, fallen in diese Kategorie.

Vor diesem Hintergrund lässt sich kaum abstreiten, dass Enlightenment Now wie auch The Better Angels of Our Nature eine starke historiographische Komponente aufweisen: In beiden Werken wird Geschichte anhand einiger weniger Schlüsselereignisse – allen voran der Aufklärung – strukturiert und dabei insgesamt klar als Erfolgsgeschichte gedeutet. Aufgrund dieser Weltsicht erfüllen Pinkers Werke zudem eine apologetische Funktion: Sie versuchen die von ihm vertretenen politischen ebenso wie wissenschaftlichen Positionen durch einen Rückgriff auf die Geschichte zu legitimieren. Eigentlich ein durchschaubarer Taschenspielertrick.

Was wir daraus lernen, oder: Vom Wert der Historie für das Leben

Ist also alles Quatsch, was Pinker schreibt? Nicht ganz. Die von ihm aufgeworfene Frage nach den großen Entwicklungslinien der Geschichte sowie nach der Rolle der psychischen Grundausstattung des Menschen bei diesen Entwicklungen ist und bleibt wichtig. Hier schlicht auf Four Better Angels of Our Nature zu verweisen, mag etwas zu holzschnittartig gedacht sein, liefert aber einen Ausgangspunkt für detailliertere Untersuchungen.

Um abschließend ein klassisches Bild zu bemühen: Für den Geschichtsoptimisten ist das Glas halb voll, für den Geschichtspessimisten dagegen halb leer. Was spräche dagegen, sowohl dem Optimisten als auch dem Pessimisten zuzugestehen, dass sie halb Recht und halb Unrecht haben? Und was spräche dagegen, sich in jedem Fall genauer anzusehen, was für ein Glas man da eigentlich vor sich hat und mit welchem Wasser es gefüllt ist – ohne dann gleich der Versuchung nachzugeben, ein apodiktisches Urteil zu fällen? Ein solches Vorgehen wäre vielleicht ein Schritt in Richtung jener Vernünftigkeit und Wissenschaftlichkeit, die sich Pinker auf die Fahnen schreibt.

Dr. Fabian Hutmacher ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Würzburg. Er hat Psychologie, Philosophie und Germanistik studiert und bewegt sich in seiner Forschung gerne an den Übergängen zwischen diesen Disziplinen. 2015 besuchte er Stephan Schleim als Praktikant in der Abteilung für Theorie und Geschichte der Psychologie.

Roland Mayrhofer ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Regensburg. Er hat Geschichte und Psychologie studiert und erforscht jetzt gesellschaftliche, historische und wissenschaftstheoretische Aspekte der Psychologie.

Hinweis: Dieser Text ist leicht angepasste Fassung des folgenden Buchkapitels: Hutmacher, F. & Mayrhofer, R. (2020). Steven Pinker. In: G. Jüttemann (Hrsg.), Psychologie der Geschichte (S. 206-212). Lengerich: Pabst Science Publishers. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Die Titelabbildung ist von geralt auf Pixabay.

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Die Diskussionen hier sind frei und werden grundsätzlich nicht moderiert. Gehen Sie respektvoll miteinander um, orientieren Sie sich am Thema der Blogbeiträge und vermeiden Sie Wiederholungen oder Monologe. Bei Zuwiderhandlung können Kommentare gekürzt, gelöscht und/oder die Diskussion gesperrt werden. Nähere Details finden Sie in "Über das Blog". Stephan Schleim ist studierter Philosoph und promovierter Kognitionswissenschaftler. Seit 2009 ist er an der Universität Groningen in den Niederlanden tätig, zurzeit als Assoziierter Professor für Theorie und Geschichte der Psychologie.

85 Kommentare

  1. Ich würde eigentlich den Sichtweisen der beiden Psychologen fast begeistert zustimmen.

    Dass jetzt praktisch die meisten Menschen besser leben als früher, ist für mich klar, zumal ich mich auch noch an die Lebensverhältnisse früherer Zeiten gut erinnern kann.

    Nach dem Krieg war die Situation besonders schlimm. Familienväter sind gefallen, oder kamen verwundet oder schwer traumatisiert vom Krieg zurück. Besonders schwer betroffen waren Familien, deren Vater einen Kopfschuss abbekommen hat. Darüber macht man sich heutzutage keine Vorstellung mehr.

    Der „Druck“ ist geringer geworden, allerdings hat die Manipulation eher zugenommen. Die kann einem auch zum Hals heraus hängen.

    Bedenken hätte ich nur, ob die Menschen den immer mehr zunehmenden „Wohlstand“ psychisch verkraften können. Ich habe jedenfalls den Eindruck, und mich würde interessieren ob auch „wissenschaftlich gesehen“ was dran ist, dass Menschen denen es „zu gut“ geht, psychisch auffälliger werden als Menschen die „kämpfen“ müssen? (Oder ob sie einfach mehr Geld haben um sich „Streicheleinheiten“ vom Psychologen „kaufen“ zu können).

    Vermutlich sollte angestrebt werden, nützliche und notwendige „Arbeit“ als eine Art von Therapie zu sehen, die auch entsprechend organisiert, allenfalls „sinnvoll, künstlich geschaffen“ werden sollte.

    Vielleicht hängt das auch von der Mentalität im Volk ab. Natürlich ist es schwer einen finanziellen Ausgleich zu schaffen um diese Unterschiede (was den “Arbeitseifer” betrifft) z.B. innerhalb der EU auszugleichen.(Stichwort: Target Schulden!)

    Was besser „privat“ erledigt werden kann, Innovationen, Handel … sollte privat betrieben werden, was besser gemeinwirtschaftlich erledigt werden kann, Rente, Gesundheitswesen, Infrastruktur … sollte verstaatlicht sein.

    Sicherlich könnten sich aus der zunehmenden Weltbevölkerung Probleme ergeben (Pandemien, Erwärmung….) .

  2. Sehr gute Beurteilung der Sichtweise und Tendenz von Steven Pinkers.

    Anders als der Autor sehe ich aber die Kritikpunkte nicht vornehmlich in der Beurteilung Pinkers von Grössen wie Friedrich Nietzsche, Theodor Adorno, Martin Heidegger, Jean-Paul Sartre, Michel Foucault und Edward Said. Ich bin selbst eher naturwissenschaftlich orientiert, weshalb mir die Einstufung der genannten Personen durch Pinkers nicht sonderlich am Herzen liegt.

    Was ich vermisse bei Steven Pinkers ist eine Beurteilung problematischer Entwicklungen in der Jetztzeit. Wie sieht er das Regierungsmodell Chinas und seine Verbreitung durch China in befreundeten Ländern. Was hält er vom Überwachungsstaat und seinen Gefahren. Und vieles Aktuelles mehr. Ich hab zwar nur das erste Buch gelesen, dort aber nichts zu den eben erwähnten Fragen gefunden.

    Steven Pinkers Schwachstellen: Er hat eine US-/eurozentrische Sicht, für ihn gibt es kaum ausserwestliche Beiträge zur Entwicklung unserer Welt. Er extrapoliert eine zugegebenermassen wichtige Tendenz in der westlichen Welt zu mehr Transparenz, Argumentation und Rationalität auf die gesamte Welt.

    Meine Vermutung: das 21.Jahrhundert wird zum Jahrhundert Chinas und Indiens, später eventuell Afrikas. Darüber aber hat Steven Pinkers nichts zu sagen, denn für ihn ist der Westen das Zentrum der Welt.

  3. Ergänzungen zu meinem Kommentar vom :29.01.2021, 17:06 Uhr
    Korrektur 1: Anstatt “ Anders als der Autor sehe ich …“ muss es heissen “ Anders als die Autoren sehe ich …
    Korrektur 2: Steven Pinker nicht Steven Pinkers müsste es an viele Stellen heissen.

    Ergänzung: Auch die beiden Autoren scheinen mir eurozentrisch zu argumentieren.

  4. Lechts und Rinks: Das kann man doch nicht velwechsern

    Westler glauben häufig die Geschichtsalternativen seien Links oder Rechts, Hayek oder Karl Marx
    oder aber sie glauben, die Alternativen seien Humanismus versus Technokratismus.

    Was aber, wenn in Zukunft nicht mehr der Westen die Alternativen vorgäbe, sondern zum Beispiel China.

    In China könnten die Alternativen dann schnell einmal so heissen:
    Harmonie versus destruktive Individualität/destruktiver Separatismus
    oder konkret: 1 Land, 2 Systeme als pragmatischer Kompromiss versus 1 System, viele Länder als langfristiges Ziel

    Fazit: Das kann man doch nicht velwechsern : werch ein illtum.

  5. @Holzherr: Asien und Zukunft

    Während manche in Deutschland (und wohl auch Ihrer Heimat, der Schweiz) “Ausländer raus!” brüllen, ist anderen aufgefallen, dass wir in Mittel- und Westeuropa viel zu wenig Nachwuchs haben, um entscheidende Funktionen zu besetzen. Die Probleme zeichnen erst allmählich ab (z.B. bei Nachwuchsproblemen bei der Polizei, in der Pflege, mitunter bei Lehrpersonal oder bei den Ärztinnen und Ärzten), werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren aber gravierend werden.

    These 1: In vielen mittel- und westeuropäischen Ländern wird sich der Wohlstand ohne signifikante Zuwanderung nicht aufrechterhalten lassen.

    These 2: Wesentliches Wirtschaftswachstum wird es in den nächsten Jahrzehnten vor allem in Asien geben. Schon heute nennt man China “Wirtschaftsmotor der Welt”. Es bleibt abzuwarten, ob sich die chinesische Bevölkerung auf Dauer Zensur u.ä. staatsstabilisierende Maßnahmen gefallen lassen wird, wenn dort der Wohlstand steigt.

  6. @Stepan Schleim: Volle Zustimmung. China und die chinesische Regierung hat inzwischen auch ein neues Selbstbild: jetzt sehen sie sich nicht mehr als vom Westen Überholte, sondern nur noch als Reich der Mitte mit jahrtausende alter Geschichte, welches für 2 bis 3 Jahrhunderte eine Schwächephase durchmachte, die nun vorbei ist.

  7. Zur Beurteilung einer Situation muss man 1. objektive Kriterien heranziehen wie Kindersterblichkeit, Selbstmordrate, Lebenserwartung und 2. subjektive Kriterien wie die Weltsicht in der Kunst, Musik, Religion und die Meinung der Philosophen.

    Nur ein kleiner Ausschnitt. Die Bilder von Otto Dix, die sprechen Bände.
    Wird fortgesetzt !

  8. Steven Pinker als Dr.Who
    Dr.Who ist eine britische Science-Fiction Serie, die mindestens seit den 60er Jahren läuft und wo Dr.Who mit einer englischen Telefonkabine (die Innen aber so gross wie ein Fussballfeld ist), die ganze Welt, ja das ganze Universum bereist und das sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft.
    Doch eigentlich bereist Dr.Who als englischer Gentleman das Commonwealth, also das ehemalige britische Weltreich, das drängt sich dem Zuschauer geradezu auf. Nur ist es halt eine idealisierte Darstellung des Commonwealth.

    Steven Pinker erinnert mich in vielerlei Hinsicht an Dr.Who: dieselbe umfassende Bildung und dieselbe Sicht der Welt und des Universums als Evolutionsprodukt einer immer weiser und gescheiter werdenden Menschheit, einer Menschheit die alles Gute in einem guten humanistischen Gymnasium gelehrt haben muss.

    Nicht nur ich sehe das so. Auch der Autor des Artikels ‘Enlightenment Now’ rationalizes the violence of empire sieht das so.
    Dort liest man:

    Pinker rationalisiert implizit historische koloniale Gewalt und ökologische Zerstörung als unabänderliche Folgen von Fortschritten in Richtung größerer Emanzipation als menschliche Wesen.

    Hier sollte Gewalt nicht nur als die Absicht verstanden werden, physischen Schaden zu verursachen, sondern auch als die eher strukturelle Absicht, andere durch Kontrolle oder Gewalt zu beherrschen.

    Pinkers Narrativ des “Fortschritts” spiegelt in etwa das der europäischen Entwicklungserfahrung wider. Diese basierte auf der Ausbeutung dunkelhäutiger Menschen, der Zerstörung indigener Weltanschauungen und der Plünderung natürlicher und menschlicher Ressourcen in kolonialen Gebieten.

    Angels of a better World: Steven Pinker sieht den modernen Menschen als Produkt eines guten englischen Internats und vergisst damit einen grossen Teil der Menschheit.

    Korrelat: Die Bürger des Imperium Romanum sahen sich auch als Spitze der Menschheit – und das teilweise zurecht.
    An die Stelle der Römer traten aber nicht noch bessere Menschen, sondern germanische Eroberer.

  9. Ein netter, gut lesbarer Text, danke!
    Steven Pinker ist mir ja richtig sympathisch geworden, auch wenn ich kein wie gemeinter Optimist bin, wenn auch aus anderen Gründen nicht als im Artikel, im Subtext auch, nahegelegt.
    Hierzu noch kurz :

    Pinker vertraut auf die Kraft des freien Marktes. Und noch mehr: Er hält dieses Vertrauen auf die Kraft des freien Marktes für selbstverständlich und alternativlos – was es natürlich nicht ist.

    Es darf der Vernunft der Menge vertraut werden, die liberale Idee, die eine direkte Ableitung der Europäischen Aufklärung ist, lebt davon (“liberale Demokratie”), zu dieser gehört möglichst große individuelle Freiheit, die auch das unternehmerische Handeln zu meinen hat.
    Kollektivisten sehen dies anders, Marx und so, denkbarerweise wird dieser Mann noch heute von einigen geschätzt, es ist halt ein Unterschied, ob individuenzentriert theoretisiert wird oder Kollektive meinend.
    Witzigerweise (für mich) beruft sich auch Marx auf die Aufklärung.

    Ansonsten ist, pauschalisiert, alles besser geworden, gell?!
    Sozusagen.

    MFG
    Dr. Webbaer (dem die Kultur bei Pinker und auch im Text ein wenig kurz kam)

  10. Bonuskommentar dazu noch :

    Nun mag man zur Philosophie Nietzsches oder zu den Thesen Horkheimers und Adornos stehen, wie man will: Sie ohne weitere Differenzierung dem Lager der Anti-Aufklärer zuzuschlagen, erscheint fragwürdig […]

    Die sog. Frankfurter Schule hat sich ja als aufklärerisch verstanden, sie folgt sozusagen der französischen Linie der Aufklärung, die von einigen als regressiv verstanden wird, auch von mir, sie ist kollektivistischer Bauart, Antonio Gramsci und so, und sie folgt als Wissenschaft (! – die Frankfurter Schule versteht sich idT wissenschaftlich) nicht nur der szientifischen Methode, sondern verlangt dazu einen zweiten Glaubensentscheid und zwar irgendwelche Axiomatiken aus dem Hause Gramsci meinend, die ich nicht genau kenne, die aber von Adorno immer wieder zitiert worden sind. Wissenschaftlich ergebnisoffen ist diese “Schule” insofern nicht, vgl. bspw. mit den sog. Gender Studies, die etwas plump formuliert diesen zweiten Glaubensentscheid fordern :

    Man wird nicht als Frau geboren, man wird es. [SdB]

    Blöderweise ist die szientifische Methode nicht darauf angelegt neben der Annahme ihrer selbst weitere Glaubensentscheide vorab zuzulassen.

  11. @ Kommentatorenfreund ‘Elektroniker’ und hierzu kurz :

    Ich habe jedenfalls den Eindruck, und mich würde interessieren ob auch „wissenschaftlich gesehen“ was dran ist, dass Menschen denen es „zu gut“ geht, psychisch auffälliger werden als Menschen die „kämpfen“ müssen? (Oder ob sie einfach mehr Geld haben um sich „Streicheleinheiten“ vom Psychologen „kaufen“ zu können).

    Sie sind ebenfalls ein wenig älter, gell, starkes Intro von Ihnen btw, also es ist so, dass ich noch mit Zeitzeugen zu tun hatte, die 1882 geboren wurden und bei des “Führers” Machtergreifung 55 Jahre alt waren, haha, die (in diesem Fall nur eine Dame, eine ältere nette Dame – ich kannte aber auch nicht so-o viel jüngere Zeitzeugen) haben auch viel erzählt, die Welt war damals eine ganz andere.

    Aber nun zum Zitierten, es ist sicherlich so, dass es einigen “zu gut” geht, die Püschologisierung lebt davon, der alte und nicht selten “traumatisierte” Kämpfer hatte mit sich selbst klarzukommen, was auch ging, abärrr m.E. ist die jetzt, womöglich auch von Ihnen beobachtete Zivilisationskrise schlicht auf die breite Einführung der Antikonzeption Mitte der Sechziger zurückzuführen.

    Die dann spezielle politische Theoretisierung zumindest indirekt anleitete, es wurde ja seinerzeit auch von einer Sexuellen Revolution gesprochen und sich ganz dolle gefreut, blöd halt, wenn es dann an Nachfolgern mangelt, und insofern ist m.E. auch das Hoch- bzw. Zurückkommen auf kulturmarxistische, neomarxistische Theorien zu erklären, die sich wohl nun, seit einigen Jahren, in der BRD durchgesetzt zu haben scheinen, auch wenn die sog. Frankfurter Schule als ursprünglich, vgl. bspw. mit dem (bösen?) Werk ‘Eros and Civilization’ von H. Marcuse, nicht gerne genannt wird.

    MFG
    Dr. Webbaer

  12. @ Kommentatorenfreund Herr “Holzherr” (die doppelten Anführungszeichen nur deswegen, weil ein als solches nicht erkennbares Pseudonym vorliegt – nicht gemeint ist so Herabsetzung)

    An die Stelle der Römer traten aber nicht noch bessere Menschen, sondern germanische Eroberer.

    Soso.

    Ansonsten war das mit dem “Lechts und Rinks”, Ernst Jandl, von Ihnen nett angemerkt : Auf der einen Seite stehen aber Liberal(ist)e(n) und auf der anderen Kollektivisten.
    Die Links-Rechts-Metaphorik wird nicht benötigt, kollekt!

    Sie haben auch die richtigen “Moorhühner” namentlich genannt, die auch ich verdammen würde, Nietzsche einmal ausgenommen, der war Künstler.

    Ich habe mich (noch) nicht mit Steven Pinker näher beschäftigt, sehe mich nun dbzgl. eingeladen, vielleicht ist der ein wenig “zu stringent”, könnte sein, die hiesige Nachrichtenlage legt diesen Eindruck nahe.
    Als “britischen Gentleman” sehe ich Pinker noch nicht.

    MFG
    Dr. Webbaer

  13. Vergleichbares lässt sich über die Vernunft sagen, ein weiteres von Pinker ins Spiel gebrachtes Kernmerkmal der Aufklärung: Zwar gibt es in der Aufklärung durchaus eine Betonung der Vernunft als Urteilsinstanz, gleichzeitig aber wird auch immer wieder nachdrücklich auf die Grenzen der Vernunft verwiesen. Der Skeptizismus der Aufklärung gegen Autoritäten, die eine bestimmte Weltsicht vermittelten, bedeutete also oft das Hinterfragen der eigenen Vernunft und der eigenen Annahmen. Wo diese Selbstkritik fehlt und die eigene Perspektive als völlig unabhängig oder neutral verabsolutiert wird, können leicht feste, unveränderliche Vorstellungen von Richtig und Falsch entstehen. [Artikeltext]

    Nur einige Ergänzungen :
    1.) Die gemeinte Aufklärung verweist nicht auf ‘Grenzen der Vernunft’, sondern rät zum Sapere Aude! an, zum Nutzen der individuellen Vernunft, die Grenzen hat, aber nicht der Vernunft an sich Grenzen setzt
    2.) der sog. gesunde Menschenverstand wird als zentral angesehen, im aufklärischen Sinne, jeweils bewusst in der Annahme, dass individuell falsch gelegen werden kann, der (demokratische) Mengenentscheid aber eine Bedeutung hat, die sozusagen (den Durchschnitt meinend, die große Zahl sozusagen) stärker ist als die Bedeutung und Wirkung eines einzelnen Führers mit seinen Einschätzungen
    3.) “Richtig und Falsch”, die Moral meinend, sind Setzungen, sie müssen nicht ständig individuell hinterfragt werden, wenn gewusst (und akzeptiert) wird, dass letztlich der Menge folgend politisch entschieden wird
    4.) Steven Pinker steht insofern für sich und seine Vernunft und kann nicht sozusagen Ritualen folgend seine eigene mögliche Unvernunft, das mögliche Scheitern seiner Vernunft, in Publikationen regelmäßig hervorstellen, er weiß anzunehmenderweise darum
    5.) Super-nett wäre natürlich auch die Quellenarbeit gewesen, damit sich der Empfänger der Nachricht auch punktgenau durchlesen kann, was Pinker genau geschrieben hat, Quellenarbeit ist cool, sicherlich lag bei der dankenswerterweise bereit gestellten Nachricht ein Essay vor, aber selbst dann steht es einem Text gut, wenn zumindest gelegentlich direkt zitiert wird

  14. Vernunft, Aufklärung, Humanismus versus Wissen, Fähigkeit und Macht

    Pinkers Enlightement könnte ein Euphemismus für Fähigkeit und Macht sein. Mit andern Worten: Was die Welt für immer verändert ist nicht Geist und guter Wille sondern pure Macht. Aber eben nicht allein und vor allem die Macht über andere Menschen sondern die Macht über die physische Welt: Wer die Naturgesetze in den eigenen Dienst stellen kann und damit aus der Natur heraustritt und aus dem ewigen Kreislauf Geburt, Leben, Tod, der ist quasi auf einer höheren Ebene angekommen. Und das selbst dann wenn er gegenüber anderen Menschen nichts Gutes vertritt oder er gar die Menschheit durch etwas Besseres ersetzen kann.

    Tatsächlich gibt es ja die Angst vor einer zukünftigen Herrschaft der künstlichen Intelligenz oder etwa die Hoffnung bei den Einen, Angst bei den Anderen vor einer sich bald schon ereignenden Singularität ab der nicht mehr unbedingt Menschen sondern sich neu formierende „Intelligenzen“ den weiteren Verlauf der Geschichte bestimmen.
    Vinton Verge hat das 1993 so formuliert:

    Die Beschleunigung des technologischen Fortschritts ist das zentrale Merkmal dieses Jahrhunderts. Wir stehen am Rande eines Wandels, der mit dem Aufstieg des menschlichen Lebens auf der Erde vergleichbar ist. Die genaue Ursache dieses Wandels ist die bevorstehende Erschaffung von Entitäten mit größerer als menschlicher Intelligenz durch die Technologie. Die Wissenschaft kann diesen Durchbruch auf verschiedene Weise erreichen (und das ist ein weiterer Grund für die Zuversicht, dass das Ereignis eintreten wird):

    Es können Computer entwickelt werden, die “wach” und übermenschlich intelligent sind. (Bis heute gibt es viele Kontroversen darüber, ob wir die Gleichwertigkeit des Menschen in einer Maschine schaffen können. Aber wenn die Antwort “ja” lautet, dann gibt es wenig Zweifel daran, dass kurz darauf intelligentere Wesen konstruiert werden können.)

    Große Computernetzwerke und ihre zugehörigen Benutzer könnten als übermenschlich intelligente Wesen “aufwachen”.

    Die Schnittstellen zwischen Computer und Mensch können so eng werden, dass die Benutzer als übermenschlich intelligent angesehen werden können.

    Die biologische Wissenschaft kann Mittel zur Verbesserung des natürlichen menschlichen Intellekts bereitstellen.

    Hinter Vinton Verges Vision steht eine Auffassung in der die biologische Evolution nur die erste Stufe war, die kulturelle Evolution eventuell die zweite ist und die technische die dritte darstellt. Alles was es für die Realisierung dieser Vision braucht ist die Kombination der Lernfähigkeit und Reproduktionsfähigkeit des Menschen in einem technischen Systems.

    Allerdings muss die Singularität nicht bedeuten, dass der Mensch verschwindet, nur, dass er unbedeutend wird – so unbedeutend wie es heute noch nicht entdeckte indigene Gruppen von noch steinzeitlich lebenden Menschen irgendwo im Urwald sind. Niemand will solchen Evolutions – Übrigleibseln/Relikten an den Kragen, aber eine grössere Bedeutung haben sie nicht mehr.

    Denkbar ist also eine Zukunft in der die meisten Menschen wie bis anhin ihrem Alltag nachgehen und ihre Zeit mit dem Lesen von beispielsweise Steven Pinkers Enlightenment Now vertrödeln während technoide Superintelligenzen daran sind zuerst unsere Galaxis zu erobern und zu besiedeln um sich dann den Rest des Universums vorzunehmen.

    Und ja, eine Singularität mit anschliessender Erschliessung unserer Galaxie und unseres Universums wäre die ultimative Antwort auf die Frage Are we alone?. Die Antwort wäre dann: Ja wir waren es und nein wir sind es nicht mehr.

  15. @ Dr. Webbaer 30.01.2021, 08:13 Uhr

    Zitat: „… ist die jetzt, womöglich auch von Ihnen beobachtete Zivilisationskrise schlicht auf die breite Einführung der Antikonzeption Mitte der Sechziger zurückzuführen.

    Die dann spezielle politische Theoretisierung zumindest indirekt anleitete, es wurde ja seinerzeit auch von einer Sexuellen Revolution gesprochen und sich ganz dolle gefreut, blöd halt, wenn es dann an Nachfolgern mangelt, und insofern ist m.E. auch das Hoch- bzw. Zurückkommen auf kulturmarxistische, neomarxistische Theorien zu erklären, die sich wohl nun, seit einigen Jahren, in der BRD durchgesetzt zu haben scheinen, auch wenn die sog. Frankfurter Schule als ursprünglich, vgl. bspw. mit dem (bösen?) Werk ‘Eros and Civilization’ von H. Marcuse, nicht gerne genannt wird.“

    Ich sehe es genau so, allerdings, mich wundert es nicht warum es nach dem Krieg dazu gekommen ist. Menschen begannen einfach die Probleme, auch der „Überbevölkerung“ zu spüren, lehnten sich gegen ihr Schicksal auf, hatten sehr viel an Vermögen, Gesundheit, Menschenleben verloren ….

    Der Grund dass derartige Ideologien „Frankfurter Schule, H. Marcuse…“ das Christentum massiv „überlagern“ konnten, ist eigentlich nach den Kriegsereignissen naheliegend.

    Typisch fand ich die Aussage einer alten Frau (ungefähr 1947, sie zog selbst (nur) 4 Kinder auf), die angesichts mehrerer spielender kleiner Kinder sarkastisch meinte, dass eben wieder fest Kinder „gezüchtet“ werden müssten, damit die Politiker wieder Menschen haben, die sie im Krieg „verheizen“ können….

    Im Krieg wurden vielfache „Heldenmütter“ immer wieder besonders „geehrt“. Es war eigentlich nicht verwunderlich, dass es dazu kam, dass eine 9 fache Heldenmutter, deren Söhne (bis auf den letzten) alle im Krieg gefallen waren, den „letzten übrig gebliebenen“ Sohn mit vorwurfsvollem Unterton fragte, ob er auch „tapfer genug“ im Krieg wäre …..

    Auch die Kriegsverbrecherprozesse, dass Menschen die von der Politik in den Krieg, letztlich zum Töten manipuliert/gezwungen wurden, letztlich von anderen Politikern als Verbrecher vor Gericht geschleppt wurden, trugen dazu bei, dass sich die Haltung der Menschen grundlegend verändert hat. Dass einige Manipulierte auch mit großem „persönlichen Vergnügen“ mitgemacht haben, ändert nichts grundsätzlich.

    Es war der Nährboden für die neuen Ideologien…., wer will sich schon zum Verbrecher machen lassen …..

    Cherno Jobatey soll den neuen Präsident der USA Biden, als Antwort auf seine Frage erklärt haben, dass diese „Umerziehung“ (nach 1945) genau der Grund war, dass die meisten Deutschen nicht mehr im geringsten daran denken, das Wehrbudget auf die verlangten 2 % aufzustocken….

  16. Martin Holzherr,
    “Wir stehen am Rande eines Wandels, der mit dem Aufstieg des menschlichen Lebens auf der Erde vergleichbar ist. ”
    Das ist eine einseitige Sicht der Dinge. In Afrika gilt : back to the jungle.
    Die Ordnung, die die Kolonialmächte geschaffen haben, zerfällt.

    In ein paar Jahren steht Bangla Desh unter Wasser. Ob die Leute ihre Entwicklung auch poitiv sehen ? Richtig ist, unser Bewusstsein ist auch der Evolution gefolgt, vorallem dann, wenn es Vorteile verspricht.
    Wenn es Geld kostet, dann setzt sich die Hundenatur des Menschen durch. Der fäkalt hin, wo er ist, und wenn alles verdreckt ist , wie bei den Binnengewässern, dann zieht er nach Nomadenart weiter oder er kauft seine Nahrungsmittel im Ausland.

    Und wenn wir dann noch die Meeresverschmutzung betrachten, wo bleibt dann der Optimismus.

  17. @ Kommentatorenfreund ‘Elektroniker’ :

    Die Welt war früher anders, Dr. W mag die Tautologie dieser Aussage, fragt neben, neben einigem Schulterklopfen (unter Älteren), hierzu noch kurz an :

    -> ‘Cherno Jobatey soll de[m] neuen Präsident der USA Biden, als Antwort auf seine Frage erklärt haben, dass diese „Umerziehung“ (nach 1945) genau der Grund war, dass die meisten Deutschen nicht mehr im geringsten daran denken, das Wehrbudget auf die verlangten 2 % aufzustocken….’ [Ihre Nachricht]

    Fragen !!!
    Also, ganz so, wtf, kann es eigentlich nicht gewesen sein, oder?
    Quellenarbeit?

    MFG
    Dr. Webbaer (der sich nun langsam wieder auszuklinken hat, hoffentlich, als Liberaler, nicht allzu sehr auf die “Nerven” ging)

  18. @ Kommentatorenfreund Herr “Holzherr”

    Dr. W vermutet, dass die AI, vgl. hiermit :

    Und ja, eine Singularität mit anschliessender Erschliessung unserer Galaxie und unseres Universums wäre die ultimative Antwort auf die Frage Are we alone?. Die Antwort wäre dann: Ja wir waren es und nein wir sind es nicht mehr.

    … zwar reisefreudiger und geduldiger sein mag, aber nicht verständiger werden muss, als der hier gemeinte Primat.

    Philip K.Dick, dies nur ganz am Rande angemerkt, hat zu derartigen Fragen bereits geantwortet (was nicht bedeutet, dass ich mich so anschliesse, ich glaube allerdings daran, dass Welten Welten schaffen können)

    MFG
    Dr. Webbaer

  19. “Psychische Grundausstattung…”
    Die psychische Grundausstattung der Menschen hat sich wohl seit Urzeiten nicht verändert im Gegensatz zum materiellem Überbau . Damals wie heute ,will man Buddha glauben, werden (alle) Menschen von ihrem Dukkha getrieben, sind Opfer ihrer Leidenschaften, Krankheiten, Traumas, Egoismen ,Triebe ,Fehleinschätzungen, Lügen etc…Bei den Krankheiten kann man zum Glück sagen, dass die heutige Medizin den Menschen eine längere Lebenserwartung ermöglicht. Kriege werden auch nicht nur mehr wegen schöner Frauen oder wegen Gott geführt sondern mehr um wirtschaftliche Motive . Ich komme gerade vom Einkauf. Das “Besser” ist, dass ich im Winter Erdbeeren kaufen kann bzw. beinahe alles was ich will….Aber zu welchem Preis, wenn ich bedenke wie in Spanien der Boden zunehmen versteppt, weil der Grundwasserspiegel wegen der Erdbeerfelder sinkt, afrikanische Tagelöhner für Hungerlöhne arbeiten…Das “Besser” wird über das materielle Lebensniveau definiert ,auch über die Gier und Arroganz dieser heutigen Generation, die mit dieser angeblich immer besseren Befriedigung ihrer entbehrlichen Bedürfnisse diesen Planeten für die folgenden Generationen zunehmend zerstört. Was die Fähigkeit zur Empathie anbetrifft, so ist diese auch negativ zu sehen, wenn ich bedenke das man mit Empathie auch andere Menschen manipulieren kann in dem man ihre Ängste bzw. andere Gefühle aufgreift und sie steuert, was besonders im Geschäftsleben bzw. in der Politik wichtig ist.

  20. @ Dr. Webbaer 30.01.2021, 11:47 Uhr

    Zitat: „Quellenarbeit?“

    Nach meiner Erinnerung stammt die Aussage sinngemäß von Cherno Jobatey, geäußert in der ARD Sendung „Maischberger vom 27.1.2021“.

  21. @hwied (Zitat): “ In Afrika gilt : back to the jungle.“
    Afrika ist keine Einheit. Neben Länder, die in Chaos und Kleptokratie versinken gibt es auch einige, die sich gut entwickeln. Die 50 bis 70 Jahre seit dem Ende des Kolonialismus in Afrika sind geschichtlich gesehen eine kurze Phase, kürzer gar als viele chaotische, von Kriegen bestimmte Phasen Europas.

    Die nähere Zukunft wird aber wohl in Asien bestimmt und China könnte das Zeitalter der Moderne im Westen später einmal für einen kurzen Unterbruch eines schon Jahrtausende dauernden chinesischen Zeitalters halten.

  22. Leben wir schon heute in vielen Welten? Werden wir es immer tun?

    Was Steven Pinker, seine Apologeten und Kritiker und viele Kommentatoren hier an Gedanken verbreiten ist bei allen Differenzen letztlich die Sicht der westlichen Welt. Ist diese Weltsicht der Westler aber die für alle relevante Sicht?
    Bestimmen Palo Alto, Mountain View, Biden, Merkel, die EU und die USA unsere Zukunft?
    Ja vielleicht, solange wir selbst hier Westler sind und bleiben und die geistigen und physischen Führer des Westens die Kontrolle über den Westen behalten.
    Nein aber für viele Menschen ausserhalb der westlichen Kultur, wenn es auch sicher so ist, dass die Moderne, die im Westen entstand den ganzen Globus erobert hat. Doch das muss nicht so bleiben. Es können sich neue Zentren der Entwicklung bilden und die Welt kann gar – je nach Sicht – wieder in eine Vielzahl von Kulturen zerfallen oder – die andere Sicht – sich auf vielfältige Weise entfalten.

    Es könnte durchaus sein, dass in 50 Jahren das Leben in Berlin ein völlig anderes ist als das in Peking und dass das Leben in Lagos noch einmal völlig anders ist. Und ja, vielleicht ist das heute schon so.

  23. Ganz viele Zukünfte erwarten uns

    Das subsaharische Afrika hat im Jahr 2020 mehr als eine Milliarde Einwohner und im Jahr 2050 voraussichtlich mehr als 2 Milliarden Einwohner von denen die Hälfte jünger sein wird als 25. Für das Jahr 2100 werden zwischen 3 und 4 Milliarden Bewohner in Afrika erwartet.

    Die EU hat im Jahr 2020 446 Millionen Einwohner und im Jahr 2050 etwa 420 Millionen Einwohner. Im Jahr 2100 wird es zwischen 365 und 300 Millionen EU-Bewohner geben.

    China hat im Jahr 2020 1.4 Milliarden Einwohner, im Jahr 2050 1.3 Milliarden und im Jahr 2100 1 Milliarden Einwohner.

    Allein schon diese Unterschiede bedeuten ganz verschiedene Zukünfte für die verschiedenen Teile der Welt.

  24. @Holzherr: Sprachwitz

    Mit Ihren Sprachwitzen (“Lechts und Rinks”) sollten Sie übrigens aufpassen: Inzwischen wird das als rassistisch angesehen. Davon kann der Europaparlamentarier Martin Sonneborn ein Lied singen.

  25. @Stephan Schleim (Zitat sinngemäss): “Sprachwitz Lechts und Rinks wird als rassistisch angesehen.
    Uns muss es noch viel besser gehen als Steven Pinker sagt, wenn das inzwischen unsere Top-Themen sind mit denen wir uns beschäftigen.

  26. @Martin Holzherr 30.01. 13:38

    „Das subsaharische Afrika hat im Jahr 2020 mehr als eine Milliarde Einwohner und im Jahr 2050 voraussichtlich mehr als 2 Milliarden Einwohner von denen die Hälfte jünger sein wird als 25. Für das Jahr 2100 werden zwischen 3 und 4 Milliarden Bewohner in Afrika erwartet.“

    Wie soll das gehen, was sollen die denn essen? Importe von Nahrungsmitteln wird es kaum geben, mag sein dass es denen wirtschaftlich besser geht, aber dass die z.B. in der EU Nahrungsmittel in großem Stil einkaufen, die wir lieber selber essen wollen, das wird wohl kaum laufen.

    Wenn das aber mit den essbaren Bakterienkulturen was wird, dann schon. Gerade in Afrika ist Photovoltaik sehr bequem nutzbar, die Sonneneinstrahlung ist intensiv und übers Jahr ziemlich konstant. Dort könnten dann mit grünem Wasserstoff gefütterte Bakterienkulturen die Hauptnahrungsquelle sein. Ich hoffe mal für Afrika, dass das auch schmeckt.

    Neben den Bakterienkulturen bräuchte man wohl noch zusätzlich frisches Gemüse und Obst. Als Wohnorte bieten sich also die Wüstenregionen an, dort verbraucht man kein Land, das landwirtschaftlich nutzbar wäre. Und da sind auch die PV-Anlagen am effektivsten. Trinkwasser ist auch kein grundsätzliches Problem, im Vergleich zum Wasserbedarf der Landwirtschaft ist der tägliche Bedarf unwesentlich. Mit zeitweiligen Stromüberschüssen könnte man notfalls Meerwasser entsalzen.

    Wir haben das Jahr 2070. Ich stelle mir hier eine Megastadt vor, die sich zwischen Sahelzone und Sahara erstreckt und 2.5 Mrd Menschen beherbergt. Größtenteils aus Lehm gebaut, aber mit moderner Technik ausgestattet. Also Strom, Internet, Klimaanlagen, Wasser und eine Abwasseraufbereitung, die die Nährstoffe für die Bakterienkulturen wieder in den Kreislauf zurückführt.

    Mit afrikanischer Lebensfreude können sich die Bewohner einfach mit sich selbst beschäftigen, praktischerweise erst mit Bildung, und darauf folgend auch mit Wissenschaft. Neben der Beschäftigung mit den eigenen Häusern, die auch deutlich größer sein können als die Hütten, in denen man heute in Afrika wohnt. Dazwischen kleine kühle Gärten für Frischgemüse, und ein paar Hühner oder Schweine dazu, die Nahrungsreste verwerten. Das macht dann auch den Kindern Spaß.

    Die grünen Gegenden in Afrika dienen dann überwiegend der Landwirtschaft, die die Bakteriennahrung ergänzt, und es können womöglich sogar weiterhin die großen Naturparks erhalten bleiben, wo dann auch der Afrikaner ausgiebig Urlaub machen kann.

    Also, geht doch?

    Kann sogar sein, dass der Afrikaner besser mit einer Welt zurechtkommt, in der Roboter und KI die meiste Arbeit machen, und wir Menschen nicht daran vorbeikommen, uns überwiegend jenseits von Erwerbsarbeit irgendwie sinnvoll und ausfüllend zu beschäftigen.

    Während sich die leistungsorientierten Länder dieser Welt gegenseitig das Leben schwer machen, wenn Mensch nicht mehr weiß, wohin mit seiner Arbeitswut, zieht dann Afrika ganz unspektakulär in seine moderne Megastadt aus Lehm am Rande der Sahara ein, und lässt das weitere Leben einfach auf sich zu kommen.

  27. @Tobias Jeckenburger: bei 3 Milliarden Einwohnern wäre die Bevölkerungsdichte in Afrika 100 Einwohner pro Quadratkilometer, in Asien leben aber heute 145 Einwohner pro Quadratkilometer, in Europa 32 Einwohner pro Quadratkilometer. Afrika wäre also 3 Mal so dicht bevölkert wie heute Europa, aber deutlich weniger dicht bevölkert als als Asien.
    Das wäre also zu bewältigen. Das Problem liegt eher in der sehr ungleichen Bevölkerungsentwicklung. Nigeria hat heute 195 Millionen Einwohner, im Jahr 2050 aber bereits 400 Millionen, also deutlich mehr als die USA heute und bereits gleich viel wie die ganze EU im Jahr 2050. Im Jahr 2100 werden in Nigeria 790 Millionen Einwohner erwartet, womit es dann bevölkerungsmässig das drittgrösste Land der Welt wäre. Das bei einer Landesfläche von etwa 1 Million Quadratkilometern und heute schon einer Bevölkerungsdichte von 230 Menschen pro Quadratkilometern. Mit andern Worten: Nigeria wird im Jahr 2100 eine Bevölkerungsdichte von mehr als 900 Menschen pro Quadratkilometer haben und damit ähnlich dicht bewohnt sein wie heute Bangladesh. Paris als sehr kleinflächige, dicht bevölkerte Stadt hat heute 3000 Einwohner pro Quadratkilometer. Ganz Nigeria wird also im Jahr 2100 eine grosse Stadt sein mit einer Bevölkerungsdichte, die 1/3 so gross ist wie die von Paris heute. Eine Stadt mit fast 800 Millionen Einwohnern. Das wird Nigeria im Jahr 2100 sein.

  28. M.Holzherr,
    eine Stadt mit 800 Millionen Einwohnern, das ist unmöglich. Dazu braucht man Logistik. Die Staaten nördlich der Sahara schaffen es nicht den Standard während der Kolonialzeit aufrecht zu erhalten.
    Und woher sollen die Nahrungsmittel kommen und woher das Geld dazu ?

  29. @hwied: Ja, objektiv, aber auch im Vergleich gesehen ist das Leben in Europa, gerade auch Deutschland, angenehm und die Probleme sind überschaubar . Denn da müssen wir uns im Klaren sein, wenn die grössten Probleme Deutschlands etwa gemäss Umfragen im Jahr 2018 Umwelt/Klimawandel 22%, Renten 18%, Bildungssystem 18%, Gesundheit 15%, Steigende Preise/Inflation/Lebenshaltungskosten 14% sind, dann sind das im Vergleich zu den Problemen Nigerias lösbare Probleme.

    Wenn Steven Pinker denkt, das Schlimmste habe die Menschheit bereits hinter sich und Aufklärung, Vernunft und Bildung könnten noch die restlichen Probleme lösen, dann sieht er vor allem die Lage im Westen und vielleicht auch noch den Aufstieg in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern. Was Steven Pinker aber ziemlich sicher nicht auf seiner Landkarte hat sind etwa die Entwicklungen in Afrika in den nächsten 50 Jahren. Die Frage hier ist: Kann Technologie diese Probleme lösen. Denn Steven Pinker glaubt neben Vernunft, Aufkärung und Bildung auch an die Macht der Technologie.

  30. Holzherr,
    volle Zustimmung. Und die richtigen Probleme bekommen wir, wenn die Völkerwanderung nach Norden einsetzt.

  31. Enlightenment ist eine westliche Erfindung. Mit globalen Auswirkungen sicherlich. Aber möglicherweise werden in 50 Jahren nur noch wenige davon sprechen – einfach, weil es nicht mehr aktuell ist. Nicht mehr aktuell könnte es allein schon dann werden, wenn Europa und die USA auf der Weltbühne keine wichtige Rolle mehr spielen und wenn auch ihre kulturelle Ausstrahlung, heute oft unter dem Begriff Soft Power aufgeführt, schwindet.

    Viele Chinesen und Asiaten erwarten bereits diese Entwicklung, dieses „Verdämmern“ des westlichen Blocks. Ein gutes Beispiel dafür findet sich im SPON-Artikel Chinesischer Politologe sagt neue Weltordnung voraus »Der Niedergang der USA wird nach dem Beispiel Großbritanniens ablaufen«
    Dort liest man (Zitat):

    Weder schockiert mich der Niedergang der USA, noch überrascht er mich. Die Frage ist, wie er sich entfaltet. Das Vereinigte Königreich war für lange Zeit die führende Macht der Welt, und sein Niedergang war sehr langsam, er dauerte mehrere Jahrzehnte. Die Sowjetunion zersprang wie ein Glas, das auf den Boden fällt. Ich denke, der Niedergang der USA wird eher nach dem Beispiel Großbritanniens ablaufen.

    Der chinesische Politologe, der da interviewt wird, lässt zudem deutlich erkennen, dass er an die Stabilität Chinas glaubt und nicht davon ausgeht, dass China in den nächsten Jahrzehnten politisch instabil wird. Wenn schon, dann hält er das für Länder wie die USA für möglich.

    Wenn sich die Weltordnung aber tatsächlich so ändert, dass der Westen nur noch ein Spieler unter vielen ist und sich nur noch wenige von den dort kursierenden Ideen inspirieren lassen, dann wird Enlightenment zu einem Begriff aus der Mottenkiste – und damit auch Steven Pinker‘s Buch Enlightenment Now.

  32. Für viele Menschen ist Leben und Gesundheit sehr wertvoll.
    Jedes Jahr werden bessere medizinische Diagnosemethoden, Behandlungsmethoden und Medikamente entwickelt.
    Deshalb sind Reisen in die Vergangenheit nicht zu empfehlen, denn früher war auch die medizinische Versorgung von Königen sehr schlecht.
    Einige Teile der Erde hinken der positiven medizinischen Entwicklung etwas hinterher, aber auch dort gibt es langsame Verbesserungen.

  33. Martin Holzherr,
    auch in China werden die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Deren Problem ist das fehlende ökologische Bewusstsein. Die Luftverschmutzung in Peking ist so groß, dass man die Sonne nicht mehr sieht.
    Noch gefährlicher ist das fehlende Bewusstsein im Umgang mit Tieren. Die Viren, die bislang nur Tiere befallen haben überspringen die Grenze zum Menschen. Die Ursache ist das enge Zusammenleben von Mensch und Tier.

    Die innere Spaltung der USA ist schon öfter vorausgesagt worden, besonders die Spaltung Kaliforniens in Latinos und Yankees.
    Ob das ein Vor- oder Nachteil für die übrige Welt wird , dazu braucht es eine genaue Analyse.
    Was Europa betrifft, das wird das Erbe Griechenlands antreten, so wie die Römer ihre Lehrer aus Griechenland geholt haben.
    Fazit: Leute lernt Chinesisch . Dann verkaufen wir ihnen unsere Daimler für 1 Mio. € das Stück. Je teurer desto besser.
    Ich habe selbst erlebt, wie in Interlaken ein Juwelier einem Chinesen eine Uhr für 26 000 € verkauft hat.

  34. @Karl Bednarik (Zitat): “ Für viele Menschen ist Leben und Gesundheit sehr wertvoll.“
    Ja, fast alle Kranken und Verwundeten wollen nichts mehr als wieder gesund werden. Doch kaum ein Gesunder oder junger Mensch ohne gesundheitliche Probleme, schätzt das. Wie wertvoll Gesundheit ist merken die meisten erst, wenn sie plötzlich fehlt.

    Zitat 2: “ früher war auch die medizinische Versorgung von Königen sehr schlecht.“
    Ja, die Reichen von früher waren oft arm dran selbst im Vergleich zu denen, die heute bescheiden leben, die aber im Notfall auf ein gutes Gesundheitssystem vertrauen können.

    Dinge wie die humanmedizinische Kunst oder Technologien, die Altersleiden hinausschieben oder ein Leben zuhause trotz Einschränkungen ermöglichen, scheinen mir im wahren Sinn humanistische, lebensverbessernde Technologien, Technologien auf die wir nicht so schnell verzichten sollten. Wer Probleme unserer Überfluss- und Verschwendungsgesellschaft durch Wachstumsverzicht und Verzicht auf technologischen Fortschritt lösen will, der sollte auch diese Seite sehen: Technologischer Fortschritt und mehr Wohlstand hat das Potential das Leben zu verbessern. Sogar neueste technologische Wunder wie das Smartphone haben wohl bei einigen das Leben verbessert.

    Steven Pinker tritt in seinen Büchern explizit für technologischen Fortschritt ein und gegen Bewegungen wie DeGrowth. Allein damit hat er schon einige aus einer bestimmten linken und intellektuellen Ecke gegen sich. Allerdings verdrängt und verharmlost er auch Gefahren, die der technologische Fortschritt mit sich bringen kann. In nature liest man dazu:

    Pinker hebt die Bedeutung von Ideen für den menschlichen Fortschritt hervor, behauptet aber, dass “Intellektuelle den Fortschritt hassen” – eine überraschende Verallgemeinerung in einem Fall für Beweise und Vernunft. Und hier liegt sowohl die Stärke als auch die Schwäche dieses Buches. Es liefert reichlich Gründe für Optimismus. Es erhebt den Anspruch, ein wissenschaftlicher, evidenzbasierter Bericht zu sein; aber das wird untergraben durch seine geringe Aufmerksamkeit für die zunehmenden Beweise für neue Risiken.

  35. @hwied (Zitat): “ Deren Problem ist das fehlende ökologische Bewusstsein. Die Luftverschmutzung in Peking ist so groß, dass man die Sonne nicht mehr sieht.“
    Antwort: China ist bereits auf dem Weg zu einer ökologischerer Gesellschaft, zu weniger Luft- und Umweltverschmutzung. Die Extreme, die sie berichten sind Wachstumsraten von 10% und mehr jedes Jahr und das über Jahrzehnte zuzuschreiben. Dieses Wachstum ist nun abgeflaut oder sogar vorbei. Jetzt geht es China darum das Erreichte zu festigen und die negativen Auswirkungen des Wachstums wieder zu beseitigen.

    In vielen Grossstädten Indiens ist heute die Luft- und Umweltqualität schlechter als in vergleichbaren chinesischen Grossstädten.

    China ist besser für die Zukunft gerüstet, als fast jedes andere Land. China ist sogar so weit gegangen, die 1-Kind-Familie zu erzwingen, weil sie in der 1-Kind-Familie die Lösung von wirtschaftlich/ökologischen Problemen sah.

    China wird nicht an der Umwelt scheitern, sondern eher an der fehlenden politischen und gesellschaftlichen Freiheit und der Unterschätzung des Individuums.

  36. Zu M. Holzherr
    Ich finde ihren Vergleich mit dem Imperium Romanum sehr treffend. In einem Nachbarblock wird darüber diskutiert, ob sich Geschichte wiederholt. Das Spätrömische Reich hatte, um seinen Lebensstandart zu halten, damals germanische Stämme integrieren wollen, die allerdings gar nicht daran dachten die römische Kultur und Werte zu übernehmen . Diese permanenten Völkerwanderungen -bei den Germanen auch durch Klimaveränderungen hervorgerufen- zeigen auch ,dass sich Geschichte immer wiederholt und solche Hochkulturen wie die Mayas oder Römer untergehen konnten. Völkerwanderungen werden auch im Rahmen dieser Bevölkerungsexplosion eine dominierende Rolle spielen. Die Römer siedelten damals diese “Völker” in ihrem Reich an in dem Glauben, dass sie Religion, Kultur und ihre liberalen Lebensstil sowie ihre Form von Demokratie übernehmen … In den Geschichtsbüchern kann man nachlesen, was daraus geworden ist.

  37. Golzower,
    Ich finde den Vergleich mit dem Römischen Weltreich auch sehr treffend.
    Vorallem was den Umgang mit fremden Kulturen betrifft.
    Unser technolgischer Vorsprung wird uns nicht schützen, wenn im Innern keine Bereitschaft mehr besteht unsere Kultur aufrechtzuerhalten.
    Die geringe Wertschätzung der christlichen Religion ist in dieser Sicht eine Jahrhundertdummheit.

  38. @ Martin Holzherr 30.01.2021, 23:02 Uhr

    Ich glaube, China hat sich mit seiner 1 Kind Politik selbst und freiwillig, auch zum Nutzen der ganzen Welt, selbst „eingebremst“, mit einer sehr einsichtigen Politik und viel Rücksichtnahme auf die ganze Welt. Das sollte gewürdigt werden, wie auch ihre Entwicklung Richtung Wohlstand und Gerechtigkeit für alle Menschen. Freiheit, besonders die „Narrenfreiheit“, scheint ihnen weniger wichtig.

    Da hat z.B. Japan 1931 im Mandschurei Krieg, sicherlich aus einer Art Verzweiflung heraus, die Inseln waren extrem übervölkert, ganz anders gehandelt. Damals war die Zeit offenbar nicht reif für „Geburtenkontrolle“.

    China ist ehemals in den Opiumkrieg geschlittert und hat viel daraus gelernt, meine ich zumindest. Sie haben vermutlich, auf psychologische Aspekte Rücksicht nehmend, Regelungsmechanismen entwickelt, um ihr Volk, möglichst ohne anderen Völkern zu schaden bestmöglich zu entwickeln. Eigentlich sind sie Vorbild für die ganze Welt.

  39. Elektroniker,
    ….Vorbild…
    Da stimme ich zu. Ich kannte noch einen Zahnarzt, der war im Boxeraufstand 1900 in Peking. Da haben sich die Europäer von ihrer wahren Seite gezeigt. Haben das die Chinesen vergolten ? Nein.

  40. Das sollte hwied nicht weiter bekümmern, das sind Effekte steigender Bildung. Alle Religionen werden prozentual mit steigender Bildung weniger.
    Nein, bevor da ein üblicher Abwehrreflex kommt, das heisst nicht, dass religiöse Menschen automatisch ungebildet oder gar dumm wären, es ist lediglich eine empirisch ermittelbare Mess- bzw. Zählgröße:

    Als Beispiel hier das Abnehmen des Christentums in den USA:

    https://www.pewforum.org/2019/10/17/in-u-s-decline-of-christianity-continues-at-rapid-pace/

    Bildung hat ja auch auf andere Bereiche des Lebens einen hohen Einfluss, z.B. auf die Geburtenrate. Auch diese sinkt ja stark ab, wenn v.a. Frauen eine steigende Bildungsrate haben:

    https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)30677-2/fulltext

  41. @hwied (Zitat)

    Unser technolgischer Vorsprung wird uns nicht schützen, wenn im Innern keine Bereitschaft mehr besteht unsere Kultur aufrechtzuerhalten.
    Die geringe Wertschätzung der christlichen Religion ist in dieser Sicht eine Jahrhundertdummheit.

    Ja zu „unser technologischer Vorsprung wird uns nicht schützen „, das ich noch ergänzen würde mit: „das vermeintlich bessere hat nicht die Geschichte auf seiner Seite, sondern muss verteidigt werden. „

    zu „ Die geringe Wertschätzung der christlichen Religion ist in dieser Sicht eine Jahrhundertdummheit.“ möchte ich aber einwenden, dass bereits die Aufklärung im 18.Jahrhundert Vernunft und Wissen über die christlichen Autoritäten und oft auch über die Religion überhaupt gesetzt hat.

    Auch Steven Pinker verteidigt übrigens die Werte der Auklärung nicht nur gegenüber der Kirche, sondern gegenüber fast jeder Form von Religion. Zitat aus Pinker: No Scientific Evidence for God

    Pinker verwarf außerdem die Idee der Religion als “Quelle höherer ethischer Sehnsüchte” und als eindeutige moralische Anleitung.

    “Die Bibel ist ein Handbuch für Vergewaltigung, Völkermord und die Zerstörung von Familien… Die Religion hat uns Steinigungen, Hexenverbrennungen, Kreuzzüge, Inquisitionen, Dschihads, Fatwas, Selbstmordattentäter… und Mütter, die ihre Kinder im Fluss ertränken, beschert”, sagte er.

  42. @Elektroniker (Zitat):

    “ Ich glaube, China hat sich mit seiner 1 Kind Politik selbst und freiwillig, auch zum Nutzen der ganzen Welt, selbst „eingebremst“, mit einer sehr einsichtigen Politik und viel Rücksichtnahme auf die ganze Welt. Das sollte gewürdigt werden, wie auch ihre Entwicklung Richtung Wohlstand und Gerechtigkeit für alle Menschen. “

    Die 1-Kind Politik Chinas ist 2 Einsichten der politischen Führung Chinas zu „verdanken“:
    1) Zu viele Kinder halten China zurück in einer Malthusianischen Ökonomie, einer Ökonomie in der jeder Fortschritt von der Nachkommenschaft verkonsumiert wird
    2) In der Moderne ist Macht nicht mehr an eine grosse Bevölkerung gebunden, sondern an die technologischen Fähigkeiten und die wirtschaftliche Macht.

    Fazit: China will wieder das Reich der Mitte werden, das aber in einer modernen Welt und in dieser ist Technologie entscheidend und nicht Kinder.

    Nachbemerkung: Heute will die chin. Regierung die Familien sogar zu mehr als einem Kind zwingen. Zitat aus „Can China recover from its disastrous one-child policy?“ :“ Familien werden jetzt dazu gedrängt, mindestens zwei Kinder zu haben, aber es könnte zu spät sein, um Eltern davon zu überzeugen, die Änderung zu akzeptieren von Lily Kuo und Xueying Wang in Shenyang“

  43. Martin Holzherr,
    wenn wir zwischen christlicher Religion und der “christlichen Kirche” unterscheiden, dann fällt das Urteil anders aus.
    die ev. Kirche hat 1945 ein Schuldbekenntnis abgelegt, die katholische Kirche hat 1945 ein Schuldbekenntnis abgelegt.
    Die Fehler der Kirchen mit der Inquisition sind unentschuldbar, aus der Bibel lassen sich die Grausamkeiten nicht ableiten.
    Und dass Herr Pinker auf dieser Welle reitet, das disqualifiziert ihn.

  44. Steven Pinker: Ein Psychologie glaubt an Naturwissenschaft und Technologie
    2 Kulturen gebe es, eine geisteswissenschaftlich-literarischer Kultur einerseits und eine naturwissenschaftlich-technischer Kultur und dahinter stünden diametral verschiedene Weltsichten, schrieb C.P.Snow 1959. Diese Diagnose von 1959, dass Naturwissenschaftler nichts mit Geisteswissenschaftlern anfangen können und umgekehrt, die ist bis heute gültig geblieben.
    Mit wenigen Ausnahmen und Steven Pinker ist eine solche Ausnahme. Als Psychologe würde man ihn in der geisteswissenschaftlichen Kultur positioniert erwarten, in Wirklichkeit aber kennt er zwar die philosophische und geisteswissenschaftliche Literatur, nimmt aber immer wieder Stellung für eine wissenschaftliche/technische und technooptimisrische Sicht und unterstellt der Mehrzahl der Geisteswissenschaftler gar die Ablehnung von Fortschritt und einen hartnäckigen Pessimismus.

    Der Artikel the two cultures revisited: on steven pinker’s enlightenment now greift das auf. Dort liest man:

    Für Pinker ist die Kultur der literarischen Intellektuellen und Künstler von romantischen Vorstellungen des Selbst durchdrungen, die das Individuum als heilig und den modernen Zustand als hohl, korrupt, geistig und moralisch leer ansehen. Pinker neigt dazu, so unterschiedliche Autoren wie Thoreau, Eliot, Yeats, Camus, Burroughs und Beckett in einen Topf zu werfen, und fühlt sich dabei wohl. So intellektuell rigoros und datengetrieben Enlightenment Now auch ist, ist dies praktisch die einzige Behauptung, die unbegründet bleibt. Pinker führt lediglich Werke wie Walden und “The Waste Land” als Beispiele für die Feindseligkeit der literarischen Kultur gegenüber der Moderne an und begründet einen Großteil dieser Antipathie mit “ästhetischer Abscheu”.

    Pinker weitet seine Verachtung auf die neomarxistischen postmodernen Philosophen und deren Einfluss auf die Geisteswissenschaften aus. Gerade die französischen Intellektuellen reiht er in die Riege der Kulturpessimisten ein, als moralische Relativisten, die mit dem Totalitarismus sympathisierten und der wissenschaftlichen Objektivität ablehnend gegenüberstanden (z.B. Foucaults Behauptung, die Diagnostik psychischer Krankheiten sei eine Form der sozialen Kontrolle). In diesen Zusammenhang wirft Pinker auch den faschistischen Heidegger, den blutrünstigen Sartre und die gesamte Frankfurter Schule.

    Interessanterweise ist aber Steven Pinker nicht der einzige aus der eher geisteswissenschaftlichen Ecke, die Geisteswissenschaftlern eine antimoderne Haltung vorwirft. Auch Saul Bellow hat vor 50 Jahren genau das gleiche getan (Zitat):

    Die Literatur hat seit Generationen… von ihren eigenen Traditionen gelebt und eine romantische Trennung oder Entfremdung von der gewöhnlichen Welt akzeptiert… Der Separatismus der Schriftsteller wird von der mehr oder weniger bewussten Akzeptanz einer Theorie der modernen Zivilisation begleitet. Diese Theorie besagt in der Tat, dass die moderne Massengesellschaft furchtbar, brutal, feindlich gegenüber allem, was im menschlichen Geist rein ist, ein Ödland und ein Horror ist… Dies ist eine der Traditionen, von denen die Literatur unkritisch gelebt hat.

    Eigene Einschätzung: Es gibt die 2 Kulturen. Aber beide Kulturen sind eurozentriert, sind westlich bis zum geht nicht mehr. Und beide verwechseln die Welt mit dem Westen.

  45. Gibt es ein Leben ohne Naturwissenschaft und Technik?
    Kurze Antwort: Nicht mehr. Die 8 und bald schon 10 Milliarden Menschen brauchen sogar neue Technologien, Technologien, die Naturwissenschaftler und Techniker noch entwickeln müssen.

    Konsequenz 1: Ein Verzicht auf Wissenschaft und Technik ist keine Option mehr und neue Mächte wie China müssen Technologie zum Teil des chinesischen Lebens machen damit das neue China ein Modell für sich und andere sein kann.
    Das gilt aber auch für den Westen selbst: Ein naturnahes Leben für alle ist nicht mehr möglich ohne Zerstörung der Natur und damit der eigenen Lebensgrundlagen.

    Konsequenz 2: Auch Literaten, Geisteswissenschaftler, Künstler und sozial Tätige müssen akzeptieren lernen, dass Naturwissenschaft und Technik für die Menschheit nun so wichtig sind wie für die Jäger und Sammler es Beutetiere und Früchte waren. Wenn schon sollten sie eine Technologie anstreben, die mit ihrer Vorstellung eines lebenswerten Menschen vereinbar ist.

    Konsequenz 3: Wenn Wissenschaft und Technik die neuen Lebensgrundlagen sind heisst das auch, dass nicht nur das Gute von ihnen kommt, sondern fast alles. Auch das Schlechte. Pinker‘s Technooptimismus ist zwar insoweit berechtigt, als es die moderne Welt mit ihren vielfältigen Möglichkeiten ohne Technologie nicht gäbe, aber sie insoweit gefährlich und unberechtigt, wenn dahinter die Annahme steckt, im Endeffekt bringe Wissenschaft und Technologie immer etwas Gutes und mit ein paar Blindgängern und Unfällen müsse man halt leben.
    Diese Haltung spürt man teilweise bei Steven Pinker. Damit verkennt er aber, dass Technik (bis jetzt) immer in den Händen von Menschen und oft bei wichtigen Technologien fast exklusiv in den Händen von Mächtigen liegt – und nicht allen Mächtigen liegt das Wohlergehen der von ihnen Abhängigen am Herzen.

  46. @ Martin Holzherr 31.01.2021, 14:42 Uhr

    Zitat: „ … Fazit: China will wieder das Reich der Mitte werden, das aber in einer modernen Welt und in dieser ist Technologie entscheidend und nicht Kinder.

    Nachbemerkung: Heute will die chin. Regierung die Familien sogar zu mehr als einem Kind zwingen. Zitat aus „Can China recover from its disastrous one-child policy?“ :“ Familien werden jetzt dazu gedrängt, mindestens zwei Kinder zu haben, aber es könnte zu spät sein, um Eltern davon zu überzeugen, die Änderung zu akzeptieren von Lily Kuo und Xueying Wang in Shenyang““

    Sehe ich auch so. Aber die Chinesen werden ihre Gesellschaft auf die jeweils „optimale“ Kinderzahl „einregeln“. Sie werden einfach besonders geeignete Menschen so fördern, mehrere Kinder zu bekommen.

    An sich hätte künstliche „Geburtenregelung“ praktisch das Ende jeder Gesellschaft bedeutet, die derartiges zugelassen hätte. Man war praktisch gezwungen, Kriege zu akzeptieren, was aus Evolutionsgründen notwendig erscheint.

    Früher gab es immer wieder einen „Neuanfang“. Aber auch „Überbevölkerung“ birgt schwere Gefahren, nicht nur wegen z.B. Pandemie und Klimagefahren, Stichwort „Overkill“.

    Es wäre fraglich, ob die Gesellschaft überhaupt zu einem „Neuanfang“ in einer „Atomwüste“ fähig wäre.

  47. Herr Holzherr,
    Was ist denn das ? “Auch Literaten, Geisteswissenschaftler, Künstler und sozial Tätige müssen akzeptieren lernen, ……

    Der genannte Personenkreis, das ist die Führungselite eines Landes.
    Die brauchen nicht zu wissen, wie ein Büchsenöffner funktioniert, der wird auch China importiert.
    Spass beiseite, Techniker erholen sich in ihrer Freizeit bei Musik, Tanz, Literatur.
    Mathematisch Begabte, die sind oft auch musisch begabt.
    Hören Sie auf Feindbilder zu schaffen. Zwischen einem kulturell orientierten Menschen und einem technisch verliebten Menschen, da gibt es keinen Unterschied.

  48. @Martin Holzherr 31.01. 23:10

    „Das gilt aber auch für den Westen selbst: Ein naturnahes Leben für alle ist nicht mehr möglich ohne Zerstörung der Natur und damit der eigenen Lebensgrundlagen.“

    Wer will den schon wie die Amish People leben? Professioneller Bioanbau z.B. hat langfristig bei höherer Qualität nicht niedrigere Erträge, wenn man an Jahrzehnte dabei denkt, in denen sich die Bodenqualität immer mehr verbessert, während sie im konventionellem Anbau immer schlechter wird.

    Angesichts der immer noch steigenden Weltbevölkerung hören sich die Experimente mit Bakterienkulturen, die mit grünem Wasserstoff gefüttert werden, doch gut an. Es ist allerdings wohl noch nicht abzusehen, ob das wirklich gut essbar und dabei noch kostengünstig ist. Aber das kann man doch problemlos damit kombinieren, dass man die Städte fahrradfreundlich macht, und so der Natur an anderer Stelle wieder näher kommt.

    Wenn das mit den Bakterienkulturen was wird, könnte man auch bei uns sogar die Anbauflächen reduzieren, und so mehr wilde Natur im eigenen Land wachsen lassen. Das dann auch touristisch genutzt werden kann, und so manchen einladen würde, lokal auf Fahrradtour zu gehen, anstatt mit dem Flieger um die halbe Welt zu fliegen.

    Wirtschaftswachstum ist in diesem Sinne auch nicht grundsätzlich sinnvoll. Genug ist genug, man kann auch weniger leisten und weniger arbeiten, und sich anderweitig auch reichlich sinnvoll beschäftigen.

    Ich verstehe auch nicht recht, wieso dieses Thema eines des Westens sein soll. Auch China und Afrika ist der Klimawandel, und die Probleme beim Bedarf an Lebensmitteln, insbesondere wenn sich der Wohlstand verbessert, wohl durchaus bekannt und entsprechende Lösungen in der Diskussion.

    Wesentliche Unterschiede gibt es wohl was Demokratie angeht. Aber auch hier sind wir tatsächlich nicht nur vorbildlich. Die Lobbyisten sind bei uns durchaus problematisch.

    „Damit verkennt er aber, dass Technik (bis jetzt) immer in den Händen von Menschen und oft bei wichtigen Technologien fast exklusiv in den Händen von Mächtigen liegt – und nicht allen Mächtigen liegt das Wohlergehen der von ihnen Abhängigen am Herzen.“

    Das ist ein wichtiger Aspekt. Einerseits kann das dazu führen, das China im Klimaschutz schneller vorankommt wie wir. Und andererseits ist auch Demokratie in Afrika schwierig umzusetzen, wenn die Lobbyisten aus dem Reichen Westen dort auch noch mitspielen, und z.B. die Rohstoffe unterm Preis aus dem Land holen, und nur die lokalen Politiker dafür schmieren müssen.

    Ich bin keineswegs gegen Demokratie, aber die Lobbyisten sind eben Realität. Auch Chinas wirtschaftlicher Fortschritt wäre mit Demokratie eventuell so gar nicht möglich gewesen, wenn sich westliche Großkonzerne mittels Bestechung der lokalen Entscheidungsträger dort hätten ausbreiten können.

    Lobbyismus ist bei uns schon unangenehm, für ein armes Land dann aber noch unangenehmer, wenn zahlungskräftige Konzerne aus dem reichen Westen machen können, was sie wollen.

    Langfristig hoffe ich, dass auch China ihren Menschen mehr persönliche Freiheiten einräumt, wenn sich das System wirtschaftlich noch weiter etabliert hat. Die Gefahr, dass solvente Konzerne aus dem Westen die Entwicklung stören, wird immer kleiner, je mehr die eigene Wirtschaftskraft zunimmt.

  49. @ Tobias Jeckenburger 01.02.2021, 14:20 Uhr

    Zitat: „Und andererseits ist auch Demokratie in Afrika schwierig umzusetzen, wenn die Lobbyisten aus dem Reichen Westen dort auch noch mitspielen, und z.B. die Rohstoffe unterm Preis aus dem Land holen, und nur die lokalen Politiker dafür schmieren müssen.“

    Das ist die eine Seite der „Realität“.

    Die erste „andere Seite“ ist, dass die vom Westen „geraubten (Boden)Schätze“ so unermesslich wertvoll wären, dass es nicht reichen würde, wenn alle Menschen im „Westen“ selbst Tag, Nacht und ewig arbeiten müssten um den „Schaden“ zu begleichen.

    Die zweite andere Seite ist, dass selbstverständlich nicht nur die lokalen Politiker „geschmiert“ werden dürfen, sondern z.B. alle Afrikaner von Kapstadt bis Kairo das Recht haben entschädigt zu werden ….

    Was das bedeutet scheint klar?

  50. @Elektroniker 01.02. 14:47

    „Die erste „andere Seite“ ist, dass die vom Westen „geraubten (Boden)Schätze“ so unermesslich wertvoll wären, dass es nicht reichen würde, wenn alle Menschen im „Westen“ selbst Tag, Nacht und ewig arbeiten müssten um den „Schaden“ zu begleichen.“

    Ich glaube nicht, dass dies so dramatisch wäre. Fossile Energieträger sollen im Zuge des Klimaschutzes sowieso wegfallen, und wenn z.B. Eisnerz knapp und teuer würde, könnte man in der Bauwirtschaft teils auf Holz umstellen, und bei Fahrzeugen auf Verbundwerkstoffe, die wären dann sogar leichter.

    Und wenn dann große PKW entsprechend doch noch teurer werden, tut es auch ein kleineres Fahrzeug. Und bevor man Tag und Nacht arbeitet, dann lieber Fahrradfahren. Auch deshalb sind vernünftige Radwege ja so wichtig.

    „z.B. alle Afrikaner von Kapstadt bis Kairo das Recht haben entschädigt zu werden…“

    Das wichtigste wäre wohl Bildung. Wie wäre das, 200.000 Afrikaner pro Jahr hier einzuladen, zu studieren oder ihren Meister zu machen, sie hier ein paar Jahre Berufserfahrung sammeln lassen, um sie dann nach Hause zu schicken, dass sie ihr Land aufbauen? Wohl auch als eine gewisse Entschädigung.

    Allemal besser, als sie als Asylbewerber im Niedriglohnsektor arbeiten zu lassen, womit sie den unqualifizierten Einheimischen noch das Leben schwer machen.

  51. @Elektroniker(Zitat): “ Es wäre fraglich, ob die Gesellschaft überhaupt zu einem „Neuanfang“ in einer „Atomwüste“ fähig wäre.“
    Ja, und es ist fraglich ob die Menschheit solche existenziellen Gefahren wie einen Atomkrieg auf alle Zeit verhindern kann. Steven Pinker gehört zur Gruppe der Leute, die daran glauben, das Gute könne sich durchsetzen.
    Allerdings, selbst wenn das so wäre, genügte ein mit allen technologischen Mitteln ausgestatteter Bösewicht 🦹‍♀️ um dennoch eine regionale oder globale Katastrophe auszulösen.

    Das ist wohl mit ein Grund, dass Stephen Hawking meinte, um zu überleben müsse die Menschheit die Erde verlassen. Tatsächlich: gäbe es mehrere durch planetaren Distanzen getrennte Zivilisationen, wäre es sehr unwahrscheinlich bis unmöglich, dass eine Katastrophe alle aufs Mal auslöschen könnte.

  52. @Tobias Jeckenburger (Zitat):

    Ich verstehe auch nicht recht, wieso dieses Thema eines des Westens sein soll. Auch China und Afrika ist der Klimawandel, und die Probleme beim Bedarf an Lebensmitteln, insbesondere wenn sich der Wohlstand verbessert, wohl durchaus bekannt und entsprechende Lösungen in der Diskussion.

    Klar, das habe ich ja schon geschrieben, China will das Reich der Mitte in der Gegenwart, in der Moderne, wieder aufbauen. Das heisst auf technologischer, wirtschaftlicher und Umweltebene bewegt sich China in der gleichen Welt wie wir hier im Westen. Doch der geistige Hintergrund, der ja im Buch von Steven Pinker so eine grosse Rolle spielt, die Aufklärung und Figuren wie Nietzsche, Heidegger, Hume oder Rousseau, die spielen für die Chinesen wahrscheinlich eine kleinere bis irgendwann überhaupt keine Rolle mehr. In diesem Beitrag der Psychologen Dr. Fabian Hutmacher und Roland Mayrhofer geht es ja gerade um das „richtige“ Geschichtsbild (das Steven Pinker fehle) und um all die grossen Denker und Phasen der zivilisatorischen Entwicklung in Europa und dem Westen.

    Übrigens sind auch viele ihrer Ideen für eine nachhaltige, von Biolandbau geprägten Zukunft, in der die Landschaft von Wind- und Solaranlagen überstellt ist, einer bestimmtem zeitgeistigen Strömung zu verdanken, die ihre Wurzeln einerseits in der deutschen Romantik, andererseits in einer der Moderne gegenüber kritischen Haltung hat und die in ihrem Gepräge auch ein Kind der westlichen Zivilisation ist und zwar dem Teil der Zivilisation, die nicht unbedingt in der Aufklärung, der Wissenschaft und Technologie die Lösung der Menschheitsprobleme sieht.

    Wenn sie in der Wirtschaft und Industrie vor allem Lobbyismus, Korruption und Raffgier am Werke sehen, dann erwarten sie möglicherweise Heil oder mindestens eine Verbesserung in einer gesamtgesellschaftlich, vor allem politisch gesteuerten Wirtschaft. Das jedenfalls legt folgende Aussage nahe (Zitat):

    Auch Chinas wirtschaftlicher Fortschritt wäre mit Demokratie eventuell so gar nicht möglich gewesen, wenn sich westliche Großkonzerne mittels Bestechung der lokalen Entscheidungsträger dort hätten ausbreiten können.

    Tatsache ist aber, dass die Elektromobile und Batterien der Firma Tesla dem Klima mehr bringen und gebracht haben als der deutsche Staat, der im Jahr 2020 das Kohlekraftwerk Datteln 4 unter expliziter Zustimmung von Armin Laschet ans Netz gebracht hat und der das letzte Kohlekraftwerk erst im Jahr 2038 vom Netz nehmen will.

  53. @ Tobias Jeckenburger 01.02.2021, 15:53 Uhr

    Meine Argumente waren mehr als „Rechtsextremismus auf Afrikanisch“ zu verstehen.

    Wir hätten jedenfalls „nichts zu lachen“ falls sich diese Ansichten womöglich durchsetzen würden.

    Die Sache mit „Holz“ ist nicht so einfach. Das dicht besiedelte Japan hat z.B. viel zu wenig Holz. Bedeutet, sie mussten traditionell auf dem Fußboden sitzen, essen, schlafen. Statt Holz wurden Schiebetüren mit Papier bespannt ….

    Zumindest bestens gebildete Afrikaner wollen nicht mehr zurück in ihre alte Heimat um die Gesellschaft weiter zu entwickeln. Ärzte wären z.B. gezwungen, dort ihre ganze sehr große Sippschaft zu ernähren, die wäre aber nicht bereit Gegenleitung zu erbringen, wenn der Arzt jemand bittet, z.B. die Ordinationsräume zu reinigen ….

    Geschmacksprobleme dürfte es künftig eher weniger geben, weil man den Geschmack von Lebensmitteln heutzutage fast beliebig manipulieren kann. Z.B. Kunstfleisch aus Erbsen…

  54. @Martin Holzherr 01.02. 17:41

    „Wenn sie in der Wirtschaft und Industrie vor allem Lobbyismus, Korruption und Raffgier am Werke sehen, dann erwarten sie möglicherweise Heil oder mindestens eine Verbesserung in einer gesamtgesellschaftlich, vor allem politisch gesteuerten Wirtschaft.“

    Wo die Konkurrenz funktioniert, ist die freie Marktwirtschaft recht effektiv. Aber wo sich Monopole bilden oft nicht mehr. Und auch sowas wie CO2-Steuern sind letztlich nicht zu umgehen, weil die unter Konkurrenzdruck stehenden Betriebe von selber nicht hinreichend in Klimaschutz investieren. Und dann auch der Autokäufer motiviert wird, etwas für Klimaschutz zu tun.

    Auch im medizinischem Bereich ist reine Marktwirtschaft nicht so gut, inzwischen soll es Krankenhäuser geben, die unnötige Operationen nur des Geldes wegen durchführen. Das ist nicht nur ungesund, sondern auch teuer. Vielleicht kann man hier von Großbritanniens Gesundheitssystem was lernen.

    Was China angeht, so haben die nun mal durchgreifenden wirtschaftlichen Erfolg gehabt. Ich denke, dass das viel damit zu tun hat, dass die bei der Öffnung gegenüber den westlichen Konzernen genau hingeguckt haben, dass sie dabei nicht über den Tisch gezogen werden. Immerhin waren hier 40 Jahre technischer Vorsprung aufzuholen.

    „Doch der geistige Hintergrund, der ja im Buch von Steven Pinker so eine grosse Rolle spielt, die Aufklärung und Figuren wie Nietzsche, Heidegger, Hume oder Rousseau, die spielen für die Chinesen wahrscheinlich eine kleinere bis irgendwann überhaupt keine Rolle mehr.“

    In der Tat denken die wie sie selber wollen. So hat auch Japan einen recht anderen Hintergrund, was eigentlich seit dem 2. Weltkrieg kein Problem mehr gewesen ist. Chinas Traditionen mit Laotse und Konfuzius finde ich recht interessant, was die Chinesen heute kulturell so umtreibt, da habe ich kaum Informationen drüber. Indien oder Afrika sind dann kulturell noch mal anders unterwegs.

    Zumindest China ist aber schon mal der Wissenschaft gegenüber positiv eingestellt. Mag sein das wir Europäer im 20. Jahrhundert die Wissenschaft voran gebracht haben, aber die anderen Kulturen können da wohl alle auch was mit anfangen. Geistig-religiöse Traditionen sind zumindest bei einer gewissen Weltoffenheit mit Wissenschaft ganz gut verträglich, scheint mir. Auf keinen Fall würde ich sagen, das Wissenschaft auf christliche Traditionen angewiesen ist.

    Inwieweit Humanismus in der Welt dann doch verbreitet ist, das ist eine sehr interessante Frage.

  55. @Tobias Jeckenburger. (Zitat):

    Wo die Konkurrenz funktioniert, ist die freie Marktwirtschaft recht effektiv. Aber wo sich Monopole bilden oft nicht mehr. Und auch sowas wie CO2-Steuern sind letztlich nicht zu umgehen, weil die unter Konkurrenzdruck stehenden Betriebe von selber nicht hinreichend in Klimaschutz investieren.

    Sie haben ein völlig falsches Bild von Marktwirtschaft. Die USA ist um Längen wirtschaftsliberaler als Europa, hatte aber das erste Antimonopolgesetz 1890, das erstmals unter Theodor Roosevelt angewendet wurden. Später wurde der marktbeherrschende Telefonkonzern Bell Labs durch Anwendung des Antimonopolgesetzes zerschlagen. Und jetzt gab es erstmals Antimonopolanhörungen in Bezug auf Google, Facebook, Apple, Amazon und Co. Und das noch unter Donald Trump. In Europa aber gibt es einen grossen staatswirtschaftlichen Anteil in Frankreich und neuerdings sogar Bestrebungen in Deutschland „Wirtschafts-Champions“ (staatlich geförderte Wirtschaftssektoren) zu fördern (sowohl Altmeier als auch Laschet wollen das). Letztlich ist das nichts anderes als staatlich geförderter Monopolismus.

    Die Idee zu einem CO2-Handelssystem entstand in den USA, wurde aber letztlich von den Republikanern torpediert. Mehrere US-Staaten wollten seither CO2-Steuern einführen, sind aber jeweils an den Wählern gescheitert, denn in den USA sind Steuern auf Energieprodukte denkbar unbeliebt.

    Ihre Haltung ist aber repräsentativ für einen Grossteil der Deutschen, die sich insgeheim einen Staatsmonopolkapitalismus wünschen, da sie den Politikern als Lenkern auch der Wirtschaft mehr trauen als einem dezentralen System in dem Wirtschaft und Staat getrennt sind und Private mehr Initiativrecht haben.

  56. Ich glaube, dass Optimismus, Kreativität und positive Utopien viel nützlicher sind, als Pessimismus, Angst und Dystopien.
    —–
    Wenn ein technisch begabter Mensch eine große Anzahl von Menschen umbringen kann, dann ist ein chinesisches Überwachungssystem vielleicht ganz nützlich.

  57. @Karl Bednarik (Zitat):

    “ Wenn ein technisch begabter Mensch eine große Anzahl von Menschen umbringen kann, dann ist ein chinesisches Überwachungssystem vielleicht ganz nützlich.“

    Antwort : Hongkong und die Uiguren zeigen aber, dass das chinesische Überwachungssystem einen ganz anderen Zweck hat als Super-Schurken abzuwehren. Es soll vielmehr Opposition im Keim ersticken.

  58. Holzherr,
    –Staatsmonopolkapitalismus….
    sehr gut, in die Aufsichtsräte werden dann die pensionierten Politiker entsandt.
    Ein Alarmsignal ist Bayer und Monsanto. Die haben sich gegen jede Vernunft durchgesetzt. Die Konzentration der Autokonzerne ist auch besorgniserregend.
    Fiat ist von Peugeot aufgekauft.
    Es gibt nur noch vier Großkonzerne in Europa: PSA, Renault, VW/Audi/Porsche und Daimler.

  59. @ Tobias Jeckenburger
    @Martin Holzherr

    Ob „privat“ oder „staatlich“ kommt darauf an, ob höchste Innovation erforderlich ist (Medizinforschung, Elektronik, Informatik, ….), oder ob staatliche „Billigmanager“ die Aufgaben bestens erledigen können (Pensionskassen, Gesundheitswesen, Infrastruktur…).

    Im Ami Gesundheitswesen hat sich das Kapital mit einem Rattenschwanz an Werbeleuten, Provisionsgeiern, …. parasitär in das System „eingeschlichen“. Die Gelder landen nur mehr zum geringen Teil bei den dort Beschäftigten, z.B. Ärzten, Pflegepersonal …., sondern beim Kapital und ihren „Tempeldienern“. Viele können sich Gesundheitsleistungen wegen der sinnlosen Verteuerung nicht mehr leisten.

    Unser gewissenhaften „Wächter“ über die „staatlichen Geldsäcke“ haben jetzt ein Problem, weil sie sich mit ihren „sparsamen Geschäftsmethoden“ angesichts der „Wildwestmethoden“ am Impfstoffsektor, wo derzeit ein extremer Mangel herrscht, mit ihrem Geiz lächerlich machen.

    Die gleiche Journaille die jetzt über sie herfällt, würde sie nachher in der Luft zerreißen, würde sie das Geld mit lockerer Hand ausgegeben haben. So wie jetzt Israel gezwungen ist, angesichts der großen Not im Land den 3 fachen Preis zu bezahlen, die Firmen vor Schadenersatzforderungen zu schützen und auch noch die Nutzer als „Versuchskarnickel“ herhalten müssen.

  60. @Elektroniker (Zitat):

    Im Ami Gesundheitswesen hat sich das Kapital mit einem Rattenschwanz an Werbeleuten, Provisionsgeiern, …. parasitär in das System „eingeschlichen“.

    Jein: denn Kapital+Angst+Justiz haben das US-Gesundheitssystem so teuer gemacht.
    – Kapital+Angst: weil Menschen fast beliebige Summen zahlen, wenn sie krank werden und das die Gesundheitsindustrie ausnützt um beispielsweise mehr Untersuchungen zu machen als nötig werden und um neue Medikamente zu überhöhten Preisen abzusetzen.
    – Justiz: Jede ärztliche Intervention muss rechtlich abgesichert und detailliert dokumentiert werden so dass Mediziner und Pfleger mehr Zeit mit Dokumentation als mit den Patienten verbringen.

    Es stimmt, dass staatliche Gesundheitssysteme wie das britische sehr viel billiger kommen, allerdings mit dem Effekt, dass Gesundheitsleistungen verknappt werden und der Staat bei Steuerkürzungen auch mal die Ausgaben für das Gesundheitswesen massiv kürzt.

    Fazit: Gesundheit zu verkaufen ist potentiell ein gutes Geschäft – sowohl für die Dienstleister als auch für die, die sie überwachen. Das aber kann bedeuten, dass Gesundheit so teuer wird, dass man sie sich nicht mehr leisten kann.

  61. @hwied (Zitat):

    Die Konzentration der Autokonzerne ist auch besorgniserregend. Fiat ist von Peugeot aufgekauft.
    Es gibt nur noch vier Großkonzerne in Europa: PSA, Renault, VW/Audi/Porsche und Daimler.

    Ja, wobei wirklich schlecht sind nur wettbewerbsbehindernde Monopole die mit unfairen Mitteln ihre Position verteidigen. Das ist bei PSA, Renault, der VW-Gruppe und Daimler nicht der Fall. All diese Konzerne könnten durch Tesla und die Elektromobilität in Bedrängnis kommen.
    Solange Giganten nur vorübergehend marktbeherrschend sind, kann man damit leben. Vor kurzem – wenn 20 Jahre kurz sind – war noch Microsoft marktbeherrschend, heute ist es nur ein Player unter anderen. Ich hoffe, dass auch Google, Amazon und die andern Internetgiganten irgendwann ernszunehmende Konkurrenz erhalten.

    Ein weiteres Beispiel dafür, dass auch vermeintlich marktbeherrschende Konzerne in Schwierigkeiten geraten können und dann eventuell von andern abgelöst werden ist Boeing, welches nicht nur mit den Folgen der Abstürze der Boeing-737-MAX zu kämpfen hat, sondern auch mit Verzögerungen des Nachfolgers der Boeing 777 und mit dem Raumfahrtsektor, ist doch der Starliner als Beförderungsmittel zur ISS immer noch nicht einsatzbereit.

    Solange reine Grösse die Folgen von Missmanagement und Fehlverhalten nicht überspielen und aushebeln kann, solange können sich keine permanente Machtblöcke in der Privatwirtschaft ausbilden und jeder erhält eine Chance zu zeigen, dass er es besser kann.

  62. Holzherr,
    Tesla ist erfolgreich (noch) weil die ein konsequentes Auto gebaut haben. Leichtbau mit einem riesigen Akku.
    Bei uns parken zwei Tesla. Wenn man genauer hinsieht, dann ist das ein abgespeckter Audi. Die Türen sind so schmal, dass du bei einem Seitencrash keine Schultern mehr hast.
    Der Hype wird vorbeigehen. Was bei Boeing los ist, das weiß niemand so recht.
    Tipp: Bald kommen indische Autos auf den Markt. Wenn die dann noch von Bollywood beworben werden und Tim Kaulitz einen kauft, dann bekommt VW Schwierigkeiten.

  63. Ich hoffe ja immer noch darauf,dass man die Wechselwirkung zwischen Konkurrenz und Kooperation erkennt.
    Mir macht es stark den Eindruck,wir erkennen vor lauter Distinktion die Bedeutung der Kooperation nicht. Das beschäftigt mich seit vierzig Jahren.
    Jedenfalls hat unser Bundespräsident für Deutschland in einem präsenten deutschen Medium im November bekannt,dass die ‘Logik der Kooperation’ Zukunft hat.
    Warum nur?
    Warum tun wir uns mit der Kooperation so schwer?

  64. @ Mussi 02.02.2021, 18:27 Uhr

    Zitat: „Warum tun wir uns mit der Kooperation so schwer?“

    Es ist komplexer als man denkt.
    Ich bin für „faire“ Kooperation. Allerdings bestimmt ein nicht Betroffener, sagen wir ein „Schiedsrichter“ was „fair“ ist.

    Sonst bestünde die Gefahr, dass sich z.B. Arbeitnehmer „verbünden“ und so „kooperieren“ um möglichst „wenig“ zu arbeiten, gegen die Unternehmer, gegen die Kunden, gegen die Gesellschaft.

    Es wird befürchtet, dass sich „Betroffene“ egoistisch der „lästigen“ Konkurrenz entledigen wollen, zu Lasten der Dritten (Gesellschaft)….

  65. @Elektroniker
    Ein Kaufvertrag ist Kooperation. Eine Wahlentscheidung ist Kooperation.
    Sex ist Kooperation. Freundschaften sind Kooperation.
    Warum haben wir das Wesen der Kooperation so vernachlässigt?
    Warum ‘wissen’ wir darüber so wenig?

  66. @ Mussi

    An „Kooperation“ haftet, wie auch an Begriffen wie „Assoziation“, „Genossenschaften“, „Kooperativen“ der „Geruch“ von „Kommunismus“ und darüber rümpft man bei uns bekanntlich traditionell die Nase.

  67. @Elektroniker
    Was ja völliger Quatsch zu Egoismus und Altruismus ist.
    Gerade Egoisten sind auf Kooperation angewiesen,sonst würde Kapitalismus nicht funktionieren.

  68. Steven Pinker als Abweichler, der geächtet werden muss
    Um die Diskussion von Mussi und Elektroniker bezüglich Kooperation aufzunehmen, möcht ich feststellen, dass Kooperation Menschen mehr ausmacht als fast alles andere, inklusive Intelligenz. Doch: Kooperation ist sehr häufig eine Kooperation von Gleichgesinnten, die sich aber zusammen gegen andere richtet. Kooperation schafft oder bekräftigt also sehr häufig Freundschaft und verbündet die Freundesbande gegen „Feinde“.
    Ein Beispiel dafür findet sich etwa in einem gegen Steven Pinker gerichteten Brief (siehe The Chilling Effect of an Attack on a Scholar ), der von hunderten von Linguisten unterschrieben wurde, wobei sich diese Linguisten offenbar selbst als politisch korrekt, Steven Pinker aber als politisch inkorrekt einstufen. Diese politisch korrekten Linguisten fordern, dass Pinker von der Liste der “angesehenen akademischen Stipendiaten und Medienexperten” gestrichen wird. Grund: Sein letztes Buch „Enlightenment now“ und einige Twitter-Nachrichten von ihm deuteten darauf hin, dass er sich in die Nähe des wissenschaftlichen Rassismus begehe. Dazu komme noch, dass er öffentlich den konservativen New York Times Journalisten David Brooks unterstütze, früher einmal ein positives Zeugnis über Jeffrey Epstein geschrieben habe und es zweifelhafte Aussagen von ihm zu Vergewaltigung und Feminismus gebe. Zitat:

    Wir lassen Fragen zu Dr. Pinkers Tendenz beiseite, sich in der Nähe dessen zu bewegen, was The Guardian ein Wiederaufleben des “wissenschaftlichen Rassismus” nannte, zu seiner öffentlichen Unterstützung für David Brooks (dem nachgesagt wurde, ein Verfechter des “Gender-Essenzialismus” zu sein), zu seiner Expertenaussage zugunsten von Jeffrey Epstein (was Dr. Pinker jetzt bereut) oder zu seinen fragwürdigen früheren Positionen zu Vergewaltigung und Feminismus.

    Eine zweite Passage des öffentlichen Briefs enthält dann folgende Sätze:

    Wir wollen hier zeigen, dass Dr. Pinker als öffentliche Person ein Muster hat, die Stimmen von Menschen, die unter rassistischer und sexistischer Gewalt leiden, zu übertönen, insbesondere in der unmittelbaren Folge von Gewalttaten und/oder Protesten gegen die Systeme, die sie verursacht haben. Im Folgenden dokumentieren wir sechs relevante Anlässe, die zeigen, wie Dr. Pinkers Verhalten systematisch und direkt im Widerspruch zu den erklärten Zielen der LSA [Linguist Society of America] steht.

    Weiter unten wird ihm dann noch vorgeworfen, dass er sich anlässlich der Ermordung von George Floyd durch Polizisten auf Twitter beschwichtigend äusserte, indem er Statistiken über abnehmende rassistische Gewalt in den USA verbreitete.

    Zusammengefasst zeigt der Brief und der von mir hier zitierte Artikel aus der Zeitschrift Atlantic, dass eine grosse Gruppe von Linguisten sich gegen Steven Pinker wendet, weil Steven Pinker die Losungen der politisch Korrekten zuwenig vertrete oder tendenziell gar gegen sie verstosse. Im Atlantic-Artikel wird das als Signal interpretiert, das an alle Linguisten und Studenten der Linguistik gerichtet sei und folgende Bedeutung habe: „Deine Karriere als Linguist kann zu Ende sein, wenn es Grund für Zweifel an deiner politischen Korrektheit gibt,“

    Fazit: Kooperationen, Bündnisse und ideelle Vereinigungen sind nicht nur Manifestationen der Freundschaft und Zusammenarbeit, sondern dienen auch der Ausgrenzung.

  69. @Holzherr
    So ist es. Stellt sich die Frage, für welches Ziel man konkurriert oder kooperiert.

  70. Enlightenment ist eine westliche Erfindung. Mit globalen Auswirkungen sicherlich. Aber möglicherweise werden in 50 Jahren nur noch wenige davon sprechen – einfach, weil es nicht mehr aktuell ist. [Herr “Martin Holzherr”]

    Die Aufklärung, die europäische (vs. westliche – ‘westlich’ ist womöglich eine Metapher, die nie jemals verstanden, gar definiert hat), das Sapere Aude! meinen ja schon etwas mehr als eine ‘Erfindung’.
    Die modernen (skeptizistischen, es wird ja nicht mehr verifiziert und magisch scheint diese Welt auch nicht zu sein) Wissenschaften leben von ihr, wie auch die liberalen Demokratien, dieser Austausch und selbst China lebt mit seinem “kapitalistischen Kommunismus” von der Aufklärung, die SU mit Anhängsel ebenfalls, auch bei unseren nationalsozialistischen Freunden könnte geforscht werden, wie stark sie von der Aufklärung, von ihrer französischen Linie zuvörderst, beeinflusst waren (und sind).
    Das Eigenschaftswort ‘aktuell’ scheint mir hier gänzlich fehlplatziert zu sein, Kommentatorenfreund.

    MFG
    Wb

  71. …Und es wird “alles besser”, eine Metaphorik liegt vor, weil u.a. die technologische Revolution (eine direkte Folge der Aufklärung) erfolgreich war, weniger gehungert wird, das Faustrecht im Rückgang ist und generell die friedliche Konfliktlösung, es gibt weniger Kriege, die diesbezüglichen Todesraten sinken global, angesagter wird, selbst das gute alte “Auge um Auge” (eine deutliche Verbesserung zum Faustrecht) wird weniger benötigt, vgl. u.a. auch hiermit :

    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Demokratischer_Frieden (diese Theorie ist empirisch adäquat)

  72. @ Kommentatorenfreund “Mussi” :

    Die Spieltheorie bemüht sich dem Wesen der Kooperation auch mathematisch nachzuspüren, vgl. bspw. hiermit :

    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Tit_for_Tat

    Dazu gibt es wirtschaftswissenschaftlich noch den Homo oeconomicus, bestens empirisch belegt, die diesbezüglichen Kritiker sind nicht selten besonders “geldgeil”, und sehr viel philosophische, politologische Überlegung, der Aufklärung war sozusagen immer auch Moralist und Politologe.
    Im Religiösen und Esoterischen (jede Person ist gelegentlich esoterisch, vs. exoterisch) enthielt sich der Aufklärer meist, stellte sich agnostisch, ja, es gibt auch heute noch Probleme, die nicht wissenschaftlich angegangen werden können, die püschologisch, ergo wissenschaftlich, mit wissenschaftlichem Anspruch kaum sinnhaft bearbeitet werden können, anders meint nur ein Szientist.

    MFG
    Dr. Webbaer (der Überlegungen zur Kompetitivität mag, kompetitiverweise, der auch geschwätzig ist, sozial also, auch wenn der ideale Philosoph natürlich immer auch Idiot (im Wortsinne) zu bleiben hat)

  73. Bonuskommentar hierzu (@ Herr “Holzherr”) :

    Doch: Kooperation ist sehr häufig eine Kooperation von Gleichgesinnten, die sich aber zusammen gegen andere richtet. Kooperation schafft oder bekräftigt also sehr häufig Freundschaft und verbündet die Freundesbande gegen „Feinde“.

    Negativ, negativ & negativ, Kooperation meidet oft sinnhafterweise die Emotion, also auch die Freundschaft wie die Feindschaft, im Wirtschaftlichen wird dies (einigen) direkt klar, wenn wirtschaftliche Kooperationen, die nachfolgend webverwiesene Verhältnisse anstreben, zu nennen sind :

    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Win-win (lässt sich gut mathematisieren, vgl. auch mit dem o.g. “Tit for Tat”)

    Nehmen Sie bspw. sich selbst, Herr “Holzherr”, Dr. Webbaer mag Sie, Sie sind u.a. nett, verständig, gebildet und haben sozusagen Google im Tank, und dennoch reitet der Webbaer (fast ständig) auf Ihnen herum, tritt Sie mit Ihren kleinen Meinungen (nicht selten, oft abär auch nicht) sozusagen in die Tonne.
    Und Sie nehmen’s nicht persönlich, weil sie zivilisiert sind, einem mittelalterlichen Herrn “Holzherr” würde Dr. Webbaer nur sehr ungerne mit offenem Visier ins Auge treten, selbst dann, wenn er, anzunehmenderweise, stärker und besser gerüstet wäre; dann wäre ein wie hier vorgenommener kleiner Austausch unmöglich, also in voraufklärerischer Zeit.

    MFG
    Wb

  74. @ Kommentatorenfreund “Elektroniker’ und hierzu kurz :

    An „Kooperation“ haftet, wie auch an Begriffen wie „Assoziation“, „Genossenschaften“, „Kooperativen“ der „Geruch“ von „Kommunismus“ und darüber rümpft man bei uns bekanntlich traditionell die Nase.

    Andere Einschätzung :
    ‘Kooperation’ wird auch heute noch positiv gesehen, auch von unseren neumarxistischen Freunden positiv konnotiert (die Konnotation von Begrifflichkeit ist ein Problem an sich, die Sprache, Altvordere haben hart um sie gerungen, ist erst einmal im literalistischen-intentionalistischen Sinne zu verstehen, im Sinne der Begriffsgeschichte, die oft (überraschend?) klar ist); es geht womöglich um Kollaboration, die ebenfalls semantisch OK und in diesem Sinne nett ist, aber auch historisch belastet.

    ‘Kooperation’ also auch heutzutage OK sein, sofern, lol, an dieser Stelle seien unsere “politisch korrekten” Freunde gegrüsst, die “richtige” gemeint ist.

    Bei ‘Kommunismus’ wird ja auch in zunehmend kollektivistischer Umgebung, wie sie bspw. in der BRD seit einigen Jahren entstanden ist, weniger die “Nase gerümpft”, auch wenn der dem Kommunismus innewohnende Totalitarismus klar ist.

    Sicherlich ritt Dr. Webbaer hier ein wenig auf Begriffen herum, linguistischerweise sozusagen, aber anders geht es nicht.

    MFG
    Wb

  75. Warum Aufklärung eine europäische Epoche ist und kein globales Phänomen
    Schon der Titel von Steven Pinker‘s Buch
    Enlightenment Now. The Case for Reason, Science, Humanism, and Progress oder zu Deutsch Aufklärung Jetzt. Für Vernunft, Wissenschaft, Humanismus und Fortschritt
    enthält eine Anhäufung von Begriffen aus der europäischen Geistesgeschichte:
    – „Vernunft“ soll gemäss der Idee der Aufklärer der neue Goldstandard bei der Beurteilung einer Idee sein. Tradition und die Aussagen alter Autoren und Autoritäten genügen nicht mehr.
    – „Wissenschaft“ meint hier vor allem die Naturwissenschaft, jedenfalls die empirischen Wissenschaften, womit sich die Aufklärung auch hier von den alten Autoritäten und kanonischen Lehren verabschiedet.
    – „Humanismus“ bezieht sich auf eine Bewegung während der Renaissance, welche den sich bildenden Menschen und eine auf den Menschen ausgerichtete Gesellschaft als Ideal sah
    – Fortschritt meint eine Gesellschaftspolitik, welche auf mehr persönliche Handlungsfreiheit (Emanzipation), Bildung, Bürgerrechte und allgemeine Menschenrechte setzt.

    Wenn Pinker mit diesem Titel – der gespickt ist mit Begriffen, die ihre Bedeutung in der europäischen Geistesgeschichte erhielten -, für die Aufklärungsideale wirbt und er dabei einen globalen Anspruch hat, dann will er im Prinzip eine westliche Idee zur globalen Leitidee machen.

    Doch China beispielsweise hat eine jahrtausende alte Geschichte ohne Aufklärung. Trotzdem gab es in China früh bedeutende technisch/wissenschaftliche Leistungen und eine Hochkultur, die den Chinesen ein besseres Leben ernöglichte als vielen anderen Völkern.

    Meiner Meinung nach gibt es mehr als einen Pfad in die Zukunft und nicht jeder dieser Pfade muss eine Fortsetzung des europäisch/westlichen sein.

  76. @Martin Holzherr 04.02. 20:52

    „Meiner Meinung nach gibt es mehr als einen Pfad in die Zukunft und nicht jeder dieser Pfade muss eine Fortsetzung des europäisch/westlichen sein.“

    Soweit der Humanismus auch aus einem biologischem bzw. psychologischem Verständnis des Menschen resultiert, so wird er sich auch mit einer weltweiten Akzeptanz von wissenschaftlichen Erkenntnissen tendenziell ausbreiten.

    Dass die meisten Kulturen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse übernehmen, dürfte auch tatsächlich der Fall sein. Und die Wissenschaft wird auch z.B. in China unabhängig von uns in Europa weiter forschen, was dann auch auf uns wieder zurückwirken wird. Ich denke, die Wissenschaft wird noch internationaler werden, als sie es jetzt schon ist. Das interessiert einfach jeden weltoffenen Menschen.

    Gerade auch die Menschenrechte resultieren doch irgendwie aus der Psychologie des Menschen: Keiner will missachtet werden, und jeder will sein Leben leben. Das ist doch universal. Das Kollektive ist doch immer sekundär, wenn auch nicht unbedeutend.

  77. @Tobias Jeckenburger (Zitat):

    Gerade auch die Menschenrechte resultieren doch irgendwie aus der Psychologie des Menschen: Keiner will missachtet werden, und jeder will sein Leben leben. Das ist doch universal.

    Klar. Doch: Dass das Glück des Indivduums oder möglichst vieler Individuen das Hauptziel einer Gesellschaft sein soll, das ist vor allem für uns Europäer eine erstrebenswerte Vision, nicht aber in Asien – auch nicht in China. Dort haben übergeordnete gesellschaftliche Ziele Vorrang. In der Wikipedia liest man beispielsweise unter dem Eintrag Chinesischer Traum

    Xi Jinping sagte, die Verwirklichung einer großen Wiederbelebung der chinesischen Nation sei der größte Traum der chinesischen Nation seit der Neuzeit. Dieser Chinesische Traum könne bestimmt erfüllt werden.[1][2]

    Die Hauptziele des „Chinesischen Traums“, auch die Ziele der „Zweimal hundert Jahre“, sind nämlich hundert Jahre nach der Gründung der KP Chinas (1921) eine Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand umfassend zu vollenden und hundert Jahre nach der Gründung der Volksrepublik China (1949) den Aufbau eines modernen sozialistischen Landes, das reich, stark, demokratisch, zivilisiert und harmonisch ist, zu verwirklichen.

    China will also eine reiche, starke, demokratische, zivilisierte und harmonische Gesellschaft werden.
    Es fällt auf, dass das Individuum hier nirgends vorkommt. Xi Jinping spricht nicht von Gleichberechtigung, Emanzipation oder davon, dass er sich wünscht, dass jeder Chinese sein persönliches Lebensziel verwirklichen kann.

    Wenn aber in derAufklärung von Fortschritt gesprochen wurde, dann meinte das gesellschaftspolitischen Fortschritt, es meinte eine Zukunft in der der Einzelne mehr zu sagen hat mit mehr Gestaltungsmöglichkeiten in seinem Leben.

    Klar spielen Menschenrechte überall eine Rolle – auch in China. Nur zählen die Chinesen das wohl eher zum Bereich „harmonische Gesellschaft“ als dem Thema eine eigenständige Bedeutung zu geben.

  78. Martin Holzherr
    Xi Jinping wäre ja ein Selbstmörder, wenn er sich die amerikanische Unabhängigkeitserklärung als Vorbild für den chinesischen Traum gewählt hätte.
    Ich finde, wir sollten uns nicht anmaßen über chinesische Innenpolitik zu urteilen. Dort leben 1,5 Mrd. Menschen. Wir würden uns auch verwahren, wen Xi Jinping uns vorschriebe, wie wir unsere Landtagswahlen durchführen.

  79. @Martin Holzherr 05.02. 21:54

    „…auch nicht in China. Dort haben übergeordnete gesellschaftliche Ziele Vorrang.“

    Die gibts hier auch. Und vor allem noch Arbeitgeber, die ihre eigenen Ziele haben, was nicht immer mit den Zielen der Arbeitnehmer harmoniert. Und neben ihrer Machtposition am Arbeitsplatz haben dann die Arbeitgeber über ihre Lobbyisten noch viel Einfluss auf die Politik.

    „Xi Jinping spricht nicht von Gleichberechtigung, Emanzipation oder davon, dass er sich wünscht, dass jeder Chinese sein persönliches Lebensziel verwirklichen kann.“

    Den meisten Menschen bleibt auch bei uns kaum was anderes übrig, sich unter den angebotenen beruflichen Karrieren was auszusuchen, dass im gefällt, bzw. was das geringste Übel wäre. Nur wer richtig was drauf hat, der kann hier auch Einiges mitgestalten. Immerhin. Und viele Unternehmen können hier recht unabhängig agieren, und in eigener Verantwortung auf eigene Rechnung Risiken eingehen. Mutmaßlich fehlte vor allem genau das in der Ex-DDR, und das hat der chinesische Kommunismus offenbar überwunden.

    Das ist aber nur die wirtschaftliche Seite. Die Meinungsfreiheit ist ein anderer Bereich, der insbesondere für den Austausch untereinander und die Weiterentwicklung der Kultur ganz wichtig ist.

  80. @hwied, @Tobias Jeckenburger
    Zitat: hwied:

    Ich finde, wir sollten uns nicht anmaßen über chinesische Innenpolitik zu urteilen.

    Zitat Jeckenburger:

    Die Meinungsfreiheit ist ein anderer Bereich, der insbesondere für den Austausch untereinander und die Weiterentwicklung der Kultur ganz wichtig ist.

    Ja. Wobei für Europäer Verstösse gegen die Menschenrechte wie beim Umgang mit den Uiguren (Internierung in Umerziehungslager) eben nicht reine Innenpolitik sind. Denn wir Europäer glauben die Menschenrechte seien universal gültig. Zudem glauben wir hier, jede Ethnie/Volksgruppe habe das Recht zu einer gewissen Autonomie. Und das wird im Fall der Uiguren von der chinesischen Regierung verletzt wie vorher schon bei den Tibetern.

    Europa hat eine Geschichte der nationalen und regionalen Vielfalt hinter sich. Viele europäische Länder hatten bereits einmal ein goldenes Zeitalter (Oberitalien:Renaissance, Grossbritannien: Empire, Niederlande: Welthandel im 17.Jahrhundert), das allerdings meist weit in der Vergangenheit liegt, das aber dennoch ein Fixpunkt im nationalen Bewusstsein bleibt. Daraus haben wir Europäer gelernt, dass Vielfalt positiv zu bewerten ist. Zudem gab es in Europas Geschichte eine Hinwendung zum Individuum mit dem Glauben, dass individuelle Freiheiten bis hin zur Freiheit gehen, selbst bestimmen zu können, welchen religiösen Überzeugungen man anhängt. Eine Freiheit, die es in den islamischen Ländern nicht gibt und die selbst in China in Frage gestellt ist, wurden/werden dort doch Christen oder Anhänger von Falun Gong verfolgt.

    Viele hier in Europa oder den USA sind sich zuwenig bewusst, dass Dinge wie Demokratie, Religionsfreiheit, das Streben nach Gleichberechtigung und vieles mehr selbst hier im Westen jüngeren Datums sind und dass es keinesfalls so sein muss, dass diese Entwicklung hin zu mehr Freiheiten für kleine bis kleinste Gruppen und für Individuen die Zukunft der Menschheit insgesamt sind.

    Für den Westen ist eigentlich schon viel erreicht, wenn sein Ideale nicht von innen zerstört werden und wenn die Länder hier ihre Eigenständigkeit bewahren.
    Wir sollten uns hier stärker bewusst werden, dass unsere Ideen nicht unbedingt zu den Leitlinien für die weitere Menschheitsentwicklung werden. Was allerdings nicht heisst, dass wir nicht für diese Ideen kämpfen sollten.

    Steven Pinker‘s Buch „Enlightement Now: The Case for Reason, Science, Humanism, and Progress“ hat sein Publikum im Westen und insoweit auch auf der ganzen Welt als dass wir hier eben einen universellen Anspruch erheben und glauben das weltweit richtig sei, was wir hier als richtig erkannt haben. Steven Pinker ergreift dabei Partei für eine Fraktion im Westen, nämlich die Fraktion derjenigen, die eine positive Entwicklung erkennen, die mehr vom bisherigen wollen und die sich gegen diejenigen stellen, die uns immer noch in einer schlechten Welt sehen, die es umzustürzen gelte.

  81. Holzherr,
    bevor wir über die Chinesen urteilen, sollten wir vor unserer eigenen Haustür anfangen. Beispiele gibt es genug. England-Nordirland. Dieses Problem wird in Bälde aufbrechen. Spanien-Katalonien, das ist auch noch nicht ausgestanden.
    Spanien-Gibraltar. Zypern-Türkei.

  82. @ Martin Holzherr
    30.01.2021, 11:02 Uhr

    Vernunft, Aufklärung, Humanismus versus Wissen, Fähigkeit und Macht

    Pinkers Enlightement könnte ein Euphemismus für Fähigkeit und Macht sein.

    Das ist nicht falsch gedacht.
    Aber “Erleuchtung” ist ein theologischer (oder spiritueller) Begriff, der letztlich eindeutig zu deuten ist.

    Grundlage ist, das christlich gesehen ein “heiliger Geist” über den Menschen komme. Mit der Aufklärung aber begann ja eine Umorientierung:
    Der “heilige Geist” als Strukturelement blieb zwar erhalten, wurde aber zur technischen Intelligenz, die über die Menschen “ausgegossen” wurde/wird.

    Bildungsinstitutionen, aufbau einer Wissenschaftsinstitution, Säkularisierung (oder wenigstens doppelte Buchführung in der allgemeinen Bildung), und weitere Prioritäten-Änderungen waren dazu nötig. Eine erneute antisemitische Radikalkur war wohl auch nötig (was man nicht vergessen sollte, das eine Nachkriegszeit, die man allgemein ja auch als die beste aller Zeiten erkennt und auch Pinker ja insgesamt lobt), war nur möglich, weil die europäische Population durch zwei Eregnisse dezimiert und verändert wurde: Spanische Grippe und der Holocaust mit verheerendem Krieg in ganz Europa (und Nordafrika).

    Das hat vollkommen neue Verhältnisse geschaffen. Das Problem dabei ist aber, das sich die Verhältnisse der Vorkatastrophenzeit langsam wieder herstellen – allein wegen der normalen Entwicklungen der jeweiligen Populationen. Und wenn eine betohnt freiheitliche Gesellschaft, die auf Ausgleich und Dialog und Kompromiss beruhen soll, und vor allem auf humkanistische Ideale, es nicht schafft, die dann in normal entwickelte Populationen entstehende probleme zu lösen (ohne erneut Krieg zu führen), dann ist diese Zivilisation allerdings dysfunktional, weil sie auch nur mit Brutalität die Verhältnisse herstellt, die eine “Demokratie” nicht selbst herstellen kann. Und offenbar geht das nur mit Massenmord und Genozid derjenigen Subjekte, die dem “freien Ideal” im wege stehen: deswegen wohl auch die ganzen Friedensmissionen in den Regionen der traditionelsten Kulturgruppe: Muslime (und zugleich die Regionen, in denen die Y-DNA-Haplogruppe E überwiegend beheimatet sind).

    Denn: Gott ist eigendlich (oder theolgisch eh) Vater allen Seins. Auf die Gene runtergerechnet bedeutet es, das die ältesten Gene also göttlicher seien, als die jungen Gene. Und die Haplogruppe E ist einer der ältesten Gengruppen.

    Insofern: Der Holocaust hat nie aufgehört…so scheint es unleugbar.

    Die “Erleuchtung” war ja früher im Angesichts des religiösen Dogmas eine wundersam plötzliche Erkenntnis über die Wahrheit Gottes. Heute ist es die Erkenntnis darüber, das die Technologie und die Ideologie über jeden Gott siegen kann, und das mit sehr subtilen und ausnutzenden Mitteln, wie sie keinem “Normalmenschen” je ereilen sollten…so frei nach der üblichen Idee der Menschenwürde und Freiheitsideologie mitsamt dem Recht auf körperliche Unversehrtheit.

    Und weil Gott direkt aus dem Metall in den Gehirnen der Menschen hervorgeht, muß man also Metallvergiftungen tätigen, um Götter zu erzeugen und um mit erzeugten Göttern bestehende Götter zu töten.

    Und eine der sich früher oder später einstellenden Nebenwirkung von derartigen Metallvergiftungen ist, das man “erleuchtet” wird. Was man halt so nennt in der Moderne. Oder nennen könnte – weil man das “Konzept” der Erleuchtung ja mit der Aufklärung, etwa wegen Gegenstandslosigkeit, aus allen Weltsichten verbannte.

  83. @ demolog
    20.03.2021, 02:44 Uhr

    Tatsächlich lässt sich das “Erleuchten” in der modernen Sprache mit dem Prozess der “Assimilierung” beschreiben. Denn niemand wird einfach so “erleuchtet”, sondern wird dazu gezwungen, indem er eben Metallvergiftungen aufgezwungen bekommt.

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