Vom Streit um die Willensfreiheit zum Bürgerkrieg? Grüße aus dem 17. Jahrhundert

Wie Martin Luthers und Johannes Calvins Lehren von der Prädestination die Bürgerschaft gegen die Krone aufbrachten – bis der Streit mit dem Schwert entschieden wurde

In den letzten Jahrzehnten haben wir oft das Argument gehört, der Mensch sei nicht frei, weil alles naturgesetzlich festgelegt oder das Gehirn determiniert ist. Erst kürzlich diskutierte ich hier das prominente Beispiel des Zoologen Carl Vogt aus dem 19. Jahrhundert. (Dass weder das mit der Determination so klar ist, noch Determination Freiheit ausschließen muss, behandeln wir ein anderes Mal.) Doch schon lange vor diesen Debatten stritt man sich über die Willensfreiheit – und ein solcher Streit führte sogar fast zum Bürgerkrieg.

So wies beispielsweise schon Martin Luther (1483-1546) in seiner Schrift Vom unfreien Willen (1525) – eine Reaktion auf das ein Jahr vorher erschienene Werk Vom freien Willen von Erasmus von Rotterdam (ca. 1467-1536) – darauf hin, dass die Vorstellung der Willensfreiheit mit der Annahme eines allmächtigen und allwissenden Gottes in Konflikt steht:

“Das ist die Vernunft selbst gezwungen zuzugeben, die zugleich selbst bezeugt, dass es einen freien Willen weder im Menschen noch im Engel, noch in sonst einer Kreatur geben kann.” (Martin Luther, 1525)

Johannes Calvin (1509-1564) entwickelte das zur doppelten Prädestinationslehre weiter: Wir Menschen würden von vorneherein, entweder zu den Auserwählten oder Verdammten gehören. Angeblich könne man nur durch Erfolg in diesem Leben herausfinden, in welche der Gruppen man gehört – und habe dieses Erfolgsstreben das Goldene Zeitalter der Niederlande mitbedingt. Jahrhunderte später beschrieb der Soziologe Max Weber (1864-1920) in Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, wie gut diese religiösen Lehre zum ewigen Wachstums- und Gewinnstreben passt.

Allgütigkeit

Doch unter den Protestanten gab es unterschiedliche Ansichten zur Prädestination. So bildete sich um 1600 die Gruppe der sogenannten Remonstranten, als Abspaltung von der Niederdeutsch-Reformierten Kirche mit ihrem Sitz im niedersächsischen Emden. Die Remonstranten betonten die Allgütigkeit Gottes: Diese passe nicht zur Vorstellung der ewigen Verdammung von Menschen ohne eigenes Zutun. Insbesondere könne man durch sein Bekenntnis zu Jesus Christus Gnade erfahren und so sein Schicksal zum Guten wenden. Und in dieser Hinsicht hätten wir Menschen einen freien Willen.

So weit die Theologie. Das in jener Zeit erstarkende Bürgertum wollte sich sowohl von der alten Autorität der Herrschenden “von Gottes Gnaden” befreien als auch seine individuelle Freiheit erweitern und nutzen. Passend dazu emanzipierten sich die Städte, die zu ihrer Verteidigung eigene Bürgerwehren aufstellen wollte. Diese Truppen gefährdeten allerdings das Machtmonopol der Krone. Der Konflikt – einerseits um Willensfreiheit, andererseits um bürgerliche Autonomie – eskalierte.

Was heute Deutschland ist, war damals ein Flickenteppich von Herzogtümern und Königreichen. Im Westen, den heutigen Niederlanden, hatte sich gerade die Republik der Vereinigten Niederlande gebildet. Dieser Bund wollte sich – letztlich erfolgreich – von der Herrschaft der spanischen Habsburger befreien. (Bis hin zur vollständigen Unabhängigkeit musste allerdings noch ein Achtzigjähriger Krieg gewonnen werden, von 1568-1648.)

Neben diesem weltlichen Streit um Autonomie und Unabhängigkeit des Volks entstand, mit dem Aufkommen der Remonstranten, also auch ein Zwist um die geistige Freiheit des Menschen – um seine Willensfreiheit. Gegen diese Strömung entstand unter den Protestanten schnell eine Opposition, die sich praktischerweise als “Kontraremonstranten” bezeichneten. Diese beriefen sich wieder auf Calvin und kritisierten ihre Gegner dafür, dass sich ihre Vorstellung von menschlicher Freiheit nicht mit dem Bild des allmächtigen Gottes vereinbaren ließe.

Es drohte Bürgerkrieg

Neben dem äußeren Konflikt mit den (katholischen) Spanien bedrohte also auch der innere ideologische Streit im Lager der Protestanten den Fortbestand der noch jungen Republik. Um Letzteren beizulegen, schickte man im Jahr 1611 jeweils sechs Vertreter von beiden Seiten – Remonstranten und Kontraremonstranten – zu einem Kongress nach Den Haag. Allerdings stellte sich dabei vor allem die Unvereinbarkeit beider Lager heraus; die Polarisation gesellschaftlicher Debatten ist also kein ganz neues Phänomen.

Ob aus Frömmigkeit oder Machtkalkül, das wissen wir nicht genau – doch die festgefahrene Situation nutzte Prinz Moritz von Oranien (1567-1625), gebürtiger Deutscher und Graf zu Nassau-Dillenburg. Er war damals Statthalter der niederländischen Republik und verfügte damit über große exekutive Vollmachten. Jedenfalls hatte er einen Interessenkonflikt: Denn je mehr Autonomie den Städten zukam, desto kleiner war sein Einfluss.

Daher dürfte es kein Zufall sein, dass er sich auf die Seite der Kontraremonstranten stellte. Die Fürsten leiteten ihre Vormachtstellung ja selbst von der göttlichen Allmacht ab. Bürgerliche Freiheiten und Autonomie bedrohten dieses Denken. Außerdem konnte Moritz sich damit gleichzeitig als Beschützer der Religion inszenieren und den drohenden Bürgerkrieg abwenden, der auch seine eigene Position gefährdet hätte.

Mit dem Schwert

Der Ausgang um den – je nach Sichtweise – Streit um die individuelle Willensfreiheit oder göttliche Prädestination, bürgerliche Autonomie oder Herrschaft der Krone wurde auf diesem Kupferstich von Salomon Savery (1594-1666) festgehalten. Zusammen mit einem Gedicht, das den Remonstranten die besseren Argumente attestiert, erfuhr er als Pamphlet große Verbreitung – insbesondere bei den “kleyne luyden”, den kleinen Leuten, also dem einfachen Volk.

Hinter der Waage auf der linken Seite steht mit zum Beten gefalteten Händen Franciscus Gomarus (1563-1641), Theologieprofessor und führender Kontraremonstrant; als junger Mann war er einmal Prediger in Frankfurt am Main gewesen und hatte dort religiös verfolgten Niederländern beigestanden. In der Waagschale auf seiner Seite sieht man die Schriften Calvins – und das Schwert, das Prinz Moritz gerade dazugelegt hat. Zusammen wog dies schwerer als der Anwaltsrock mit anderen Symbolen bürgerlicher Freiheiten auf der rechten Seite.

Abbildung: “Op de Waegschael”, Auf der Waagschale, vom zeitgenössischen Künstler Salomon Savery

Die Geste mit dem Schwert ist nicht nur symbolisch zu verstehen: Der prominent neben der rechten Waagschale stehende Staatsmann, Advokat und führende Remonstrant Johan van Oldenbarneveld (1547-1619) wurde schließlich mit einem geköpft. Der Konflikt eskalierte 1617, als die Städte per Gesetz das Recht bekamen, selbstständig Söldner anzustellen. In der Praxis sollten damit mögliche Aufstände der Kontraremonstranten niedergeschlagen werden. Dadurch war der Prinz gleich doppelt bedroht: Sowohl als religiöser Schutzpatron dieses Lagers als auch als Oberbefehlshaber des regulären Heeres.

Sein Widersacher van Oldenbarneveld wurde trotz seines großen Einflusses als Landesverräter beschuldigt und am 13. Mai 1619 aufs Schafott gebracht. Das geschah ebenfalls in Den Haag, wo wenige Jahre zuvor die Konferenz der beiden religiösen Gruppen stattgefunden hatte. Die öffentliche Hinrichtung ging wie ein Schock durch die Bürgerschaft.

Verfolgung

Parallel dazu fand eine religiöse Säuberungsaktion statt: Die Remonstranten verloren ihre Ämter. Wer kein Predigtverbot akzeptieren wollte, musste ins Exil. Wie wohl häufiger bei solchen ideologischen Verfolgungen in der Menschheitsgeschichte traf es dabei auch “Unschuldige”. Wer im dominanten Lager Widersacher hatte, wurde einfach mit denunziert und so aus dem Weg geräumt oder zumindest machtpolitisch kaltgestellt.

Und auch die Bürgerwehren mussten ihre Waffen abliefern. Auf dem Kupferstich sieht man eine solche Szene durchs Fenster rechts, auf dem heute bei Touristen sehr beliebten Neudeplatz in der Innenstadt Utrechts. Hätten sich in diesem Machtkampf die Bürgerlichen durchgesetzt, dann wäre aus den Niederlanden vielleicht nie das Königreich geworden, das es noch heute ist, sondern eine frühe Republik.

Erst nach Moritzens Tod im Jahr 1625 kehrten die Geflüchteten oder Verbannten Remonstranten allmählich zurück. Ihre Glaubensrichtung blieb zwar noch bis 1795 verboten. Doch, typisch niederländisch, tolerierte man in der Praxis diese Bestrebungen, zumal sie sich in Geheimkirchen abspielten. Auch heute noch ermöglicht diese “Toleranzpolitik” Coffeeshops und Prostitution, auch wenn der Besitz von Cannabis oder Sexarbeit eigentlich verboten ist.

Und auch in einem anderen Sinne prägt die Erfahrung dieser religiösen Verfolgung das Land bis heute: So genießen in dem – verglichen mit der Bundesrepublik – in vielerlei Hinsicht säkulareren niederländischen Staat die Kirchen besonderen grundgesetzlichen Schutz. Sogar in der Coronapandemie war unklar, inwieweit die verordneten Schutzmaßnahmen von staatlichen Akteuren in Glaubenshäusern durchgesetzt werden können.

Manche Vereine oder andere Gruppierungen ließen sich darum als religiöse Gemeinschaft registrierten und stellten vielleicht einen Buddha oder ein ähnliches Symbol auf einen “Altar”, um die Verbote zu unterlaufen. Man ließ sie – meines Wissens – größtenteils gewähren, während man in Deutschland Lesende von der Parkbank jagte.

Die Moral von der Geschicht

Aus dem doch sehr eigenwilligen Streit um die Willensfreiheit im 17. Jahrhundert lassen sich für unsere Zeit mehrere Lehren ziehen:

Philosophisch-naturwissenschaftlich gesehen fällt auf, dass der Glaube an die Determination durch Gott wenig später durch den an die Naturgesetze beziehungsweise das Gehirn ersetzt wurde. Doch bis heute streitet man sich darüber, ob Determination Willensfreiheit unbedingt ausschließt – die Mehrheit der heutigen Philosophen denkt das nicht – oder das Universum überhaupt deterministisch ist.

An Letzterem sind mit den Erkenntnissen der Quantenphysik doch zumindest berechtigte Zweifel aufgekommen. Ob sich hinter den unbestimmten Quantenphänomenen echter oder nur scheinbarer Zufall verbirgt, lässt sich nach heutigem Kenntnisstand aber nicht experimentell entscheiden. Ein Problem ist, dass die Experimente diese Zustände wesentlich verändern.

Gesellschaftlich-moralisch kann man sich merken, wie aus dem Gedanken der Prädestination die Überlegenheit der führenden Elite abgeleitet wurde: Diese waren eben von Gott auserkoren; Pech für die anderen. Ähnlich verbrämte man später die soziale Ungleichheit mithilfe von Evolutionsbiologie und Genetik: Die führende Elite hatte dann nicht in der göttlichen, sondern der biologischen Lotterie gewonnen; Pech für die anderen.

Nicht nur national verfestigte das die Spaltung in oben und unten, sondern auch der Rassismus und Kolonialismus der angeblichen “weißen Herrenrassen” wurde so gerechtfertigt. Gewissensbisse gegen Ausbeutung und Unterdrückung ließen sich abmildern, indem man die Zustände als gott- beziehungsweise naturgegeben darstellte. Ähnlich dürfte heute der Glaube an die Meritokratie funktionieren: Wer oben ist, hat eben mehr geleistet; Pech für die anderen.

Karma

Auch die asiatische Karma-Lehre, mit der das Kastensystem gerechtfertigt wurde und wird, entmutigt wahrscheinlich die Unterdrückten: Ich bin eben da, wo ich hingehöre, weil Gott oder die Natur das so eingerichtet hat – oder weil ich in der Vergangenheit, zur Not in imaginierten früheren Leben, Sünden begangen habe. In letzterem Fall ist das heutige Elend sogar noch die eigene Schuld.

Erst wenn man seine karmischen Früchte geerntet hat und sich das Rad des Dharma bei einer neuen Geburt weiterdreht, winkt vielleicht ein besseres Leben; aber selbstverständlich nur, wenn man nicht wieder sündigt! Oder die Priesterkaste ordentlich mit Spenden bedacht hat. Wussten Sie schon, dass Spenden desto besser wirken, je höher der Mönch in der Hierarchie ist? Pech eben für die Ärmsten der Armen.

Und schließlich lassen sich solche ideologischen Konflikte machtpolitisch ausnutzen. Auch heute noch streiten sich zum Beispiel Schiiten und Sunniten über die rechte Auslegung des Islams; oder Hindus mit Moslems, Buddhisten mit Moslems, Moslems mit Juden und so weiter um die Gültigkeit ihrer heiligen Schriften in der heutigen Zeit.

Wenn aber ein Wissenschaftler wieder einmal die “Neuro-Revolution” ausruft, weil wir angeblich keinen freien Willen hätten – und das wird mit an 100 Prozent grenzender Sicherheit wieder passen. Wenn das passiert, dann erinnern wir uns vielleicht an den hier beschriebenen Tumult im 17. Jahrhundert und zeigen uns wenig beeindruckt.

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21 Kommentare

  1. Für mich ist der freie Wille der Teufel im Fass – er tobt, er will heraus, er will entkommen, doch alles, was man draußen sieht, ist ein zappelndes Fass. Weil das Fass zappelt, bewegen sich Hebel, Zahnräder, Mechanismen, ein Gehirn klickt und denkt, eine Marionette bewegt sich. Und wenn die Marionette bestimmte Dinge macht, bekommt der Teufel Feedback – das Fass weitet sich, oder wird mit anderen Fässern zu einem Ring zusammengeschlossen, in dem er im Kreis laufen kann, und so das Gefühl bekommt – ich bin frei. Meist finden sich Analogien im Verhalten der Marionette, den Mechanismus müsste sich mal ein Mechaniker ansehen.

    Eigentlich sind da drei Fässer mit drei Teufeln, die sich drei Dinge wünschen – Freiheit, Sicherheit, Frieden. Einer will rennen, einer will stur stehen bleiben und die Welt in starre Wiederholungsmuster zwingen, einer will einfach pennen, das ganze System abschalten, Bewusstsein, Gefühle, Existenz, alles offline. Und weil sich die Wünsche gegenseitig ausschließen, aber einander brauchen, um erfüllt zu werden, findet der Mensch nur das Glück, wenn er alle drei Teufel abwechselnd glücklich macht, sodass keiner allzu viel Randale macht und den Anderen den Spaß verdirbt.

    Nichts davon ist speziell mit unserem Universum verbunden. Ist ja nirgendwo festgeschrieben, dass uns das Rennen das Gefühl der Freiheit gibt, und nicht die Farbe Rot, oder dass eine bestimmte Lichtfrequenz mit der Farbe Rot wiedergegeben wird, und nicht mit einem Trompetenlaut, und dass ein Trompetenlaut ein Geräusch ist und nicht der Geschmack von Vanilleeis, und dass wir den Geschmack von Vanilleeis als angenehm empfinden, weil er die Marionette dazu bewegt, die drei Teufel gleichzeitig zufrieden zu stellen. Sie sind die Primärfarben, mit denen unser Gefühlsleben gemalt ist, doch unser Gefühlsleben ist ja sehr farbenfroh und reich an Tönungen und Schattierungen.

    Und so löst sich die ganze Debatte im Grunde auf. Ich mag ja frei sein, was auch immer das bedeutet, doch ich brauche einen Raumanzug, ein Raumschiff, einen Roboter, um in einer konkreten Umwelt zu überleben – einem Universum, einem Planeten in diesem Universum, einer konkreten Situation auf diesem Planeten. Und wenn dieser Roboter meiner Drei-Teufel-Seele keine Matrix baut, keine virtuelle Welt, die vom Schleier der Maya von der Wirklichkeit getrennt ist, keine CPU, die die Reize der Umwelt derart verarbeitet, dass sie die Teufel angemessen zum Zucken und Zappeln bringt, die Emotionen nicht versklavt, mein Verhaltensspektrum nicht auf das Nützliche und Mögliche einschränkt, meine Wahrnehmung nicht so manipuliert, dass ich mich den Zwängen der Realität füge – bin ich nicht frei, sondern tot.

    Ich bin ein Baby in einem Terminator, ein Knäuel Gefühle, das eine CPU und eine Maschine braucht, um zu überleben. Sie können laufen, weil die CPU Sie belügt – Sie kriegen schon Angst vorm Umfallen, bevor Sie auf die Schnauze gefallen sind, deswegen strecken Sie ein Bein rechtzeitig vor. Die Maschine namens Staat hat noch kein solches Frühwarnsystem, deswegen rufen ja alle „Lügenpresse!“ bis die Katastrophe, vor der sie gewarnt wurden, eingetreten ist.

    Ich kann mein Verhaltensspektrum erweitern, dann werde ich freier, weil ich dann in jeder Situation die Möglichkeit kenne oder finden kann, den Teufel Freiheit anzurempeln. Deswegen entwickeln wir Verstand und Sinnesorgane. Vielleicht sprengen wir irgendwann auch die Ketten der Naturgesetze und finden Ausdrucksformen für unsere Freiheit, die uns dieses Universum verwehrt. Doch innerhalb dieser Ketten ist entfesselte Freiheit einfach Amoklauf, Rausch, Feuersbrunst, die nur Chaos und Zerstörung erzeugt. Der Teufel Sicherheit sperrt uns in Marionetten ein, zu unserem eigenen Schutz. Und ist es nicht irgendwie das, was die Kirchen und die Fürsten von Gottes Gnaden schon immer predigten?

    Falls es Glück ist, das Sie suchen, suchen Sie die Balance zwischen den drei Kräften. Dass Gleichgewicht irgendwie wichtig ist, ist auch so eine Binsenweisheit vieler Religionen.

  2. Mir scheint, dass die Menschheit immer wieder halb verstandenen Ideen viel zu viel Bedeutung und Macht gab und zugestand. Zu diesen halb verstandenen Ideen zähle ich etwa
    – viele Aussagen in den „heiligen“ Schriften
    – Gesellschaftstheorien wie den Marxismus
    – philosophische Begriffe und Ideen wie die der Willensfreiheit und vieles mehr

    Meine These: Der Mensch ist zwar bis zu einem gewissen Grade ein Verstandeswesen, allerdings das allerste Wesen in der Tierwelt mit Verstand und offensichtlich überschätzen die meisten Menschen ihren Verstand und neigen zudem dazu, Ratio, Triebe, Emotionen und Neigungen bunt zu mischen und als Vernunft und Verstand auszugeben, was in Wirklichkeit sehr viel primitivere und rohere Hintergründe hat.

    Mein Imperativ: Traue Menschen und Argumenten nicht, die sich logisch und rational geben, die aber mit ihren Argumenten letztlich Gewalt rechtfertigen.

  3. Willensfreiheit aus evolutionärer Sicht
    Arthur Schopenhauers Verdikt: «Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.» zeigt einerseits auf,
    – dass das Konzept der Willensfreiheit ein Rekursivitätsproblem hat, denn die Idee, dass der Willen sich selber steuert („man will, was man will“), ähnelt der Aufforderung, sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen.
    – dass in den Augen Schopenhauers in Bezug auf die Willensfreiheit kein Unterschied zwischen Tier und Mensch besteht. Tatsächlich würden die meisten sofort zugestehen, dass Tiere nicht wollen können, was sie wollen, denn eine solche selbstmanipulierende Operation, seinen eigenen Willen zu beeinflussen, den traut man Tieren zu Recht wohl nicht zu. Die Frage für Befürworter der Willensfreiheit wäre dann, ob Menschen so etwas können wie ihren eigenen Willen zu beeinflussen.

    Ich behaupte nun, dass viele sogenannte Kompatibilisten in einem gewissen Sinne dem Menschen zugestehen, den eigenen Willen mehr formen zu können als das selbst höheren Tieren möglich ist.
    Ein Beispiel dafür ist die Ansicht des kürzlich verstorbenen Philosophen des Geistes Daniel Dennett, der Mensch, ja intelligente Wesen überhaupt, verfügten unter bestimmten Voraussetzungen über einen freien Willen. Dennett nannte als Voraussetzungen für einen freien Willen folgendes:
    – Rationalität
    – die Fähigkeit zu Selbstkontrolle und Selbstreflexion

    Tatsächlich ist ein rationales Wesen, dass sich selber kontrollieren kann und über sich selbst reflektieren kann in seinen Entscheidungen freier als ein Wesen, dem dies fehlt, denn ein rationales und reflektierendes Wesen verfügt über eine grössere Antizipitationsfähigkeit, also eine grössere Fähigkeit künftige Ereignisse vor allem über sogenannt schwache Signale richtig voraus zu sagen, vorwegzunehmen bzw. einzuschätzen. Folglich wird ein rationales und reflektierendes Wesen eher auf Rache verzichten, weil es weiss, dass Gewalt Gewalt hervorbringt. Rationale und selbstreflektierende Menschen setzen auch Prioritäten in ihren Willensbestrebungen. Wenn ein rationaler Mensch etwa als wichtiges Ziel seines Lebens den Wunsch hat, in Frieden und Eintracht mit anderen zusammenzuleben, dann wird er bei jedem sich anbahnenden Konflikt, nach Handlungsalternativen suchen, die den Konflikt entschärfen.

    Fazit: Selbst wenn die Idee der Willensfreiheit an und für sich problematisch ist, so gibt es auch keinen Zweifel daran, dass nicht alle Wesen in ihren Entscheidungen gleich frei sind. Wer sich von Emotionen, Affekten und Impulsen mitreissen lässt, der ist weniger frei als ein rationaler und selbstreflektierender Mensch.

  4. Der Calvinismus hat auch eine materielle Grundlage, sie heißt: Wohlstandsevangelium (nach englisch prosperity gospel, in anderen Sprachen auch Erfolgstheologie) ist die religiöse Auffassung, Wohlstand, vor allem Geldvermögen und geschäftlicher wie persönlicher Erfolg und Gesundheit, seien der sichtbare Beweis für Gottes Gunst.

    Deswegen hat sich der Protestantismus calvinistischer Prägung auch in England und den USA durchgesetzt.
    Und es ist auch kein Zufall, dass die Schweiz zu den reichsten Ländern gehört und dass Genf die teuerste Stadt ist. Für einen Bobbel Eis habe ich dort 5 Schweizer Franken bezahlt und für eine Flache Mineralwasser 9 Schweizer Franken.

    Tipp: In St Pierre in Genf kann man den Stuhl von Calvin ansehen. Tun Sie es, dann verstehen Sie ein wenig diesen Menschen.

  5. “Doch bis heute streitet man sich darüber, ob Determination Willensfreiheit unbedingt ausschließt – die Mehrheit der heutigen Philosophen denkt das nicht – oder das Universum überhaupt deterministisch ist.”

    Das kann man auch in die andere Richtung drehen. Indeterminismus bedingt nicht unbedingt Willensfreiheit. Angenommen eine Münzwurf wäre tatsächlich starker Determinismus muss dahinter keine Willensentscheidung stehen. So richtig offen ist das Tor durch Quantenphysik auch nicht. Die Willensentscheidung dürfte nur die Quantenzustände im möglichen Rahmen verändern ohne die Statistik zu brechen. Das alles um dann am Ende nur den Arm zu heben sieht nach einer schwer zu erledigender Aufgabe aus, aber vielleicht gibt es dann doch die ‘deus ex machina’, die dieses übernimmt und dafür sorgt, dass die Entscheidungen des Geistes in der physikalischen Welt ankommen.

  6. Interessant ist ja, dass einige strenge Deterministen selbst daran glaubten, die Gesellschaft sei in eine bestimmte Richtung zu verändern – eine utopische Haltung also, die man üblicherweise als nicht kompatibel mit dem Determinismus einschätzt, wird doch Determinismus häufig mit Vorausbestimmung, mit Prädestination gleichgesetzt. Ein solches Beispiel ist der Philosoph Baruch Spinoza, ein Determinist, der an die ununterbrochene Wirkung der Naturgesetze glaubte, der aber gleichzeitig die Demokratie als ideale Form der Regierung empfahl und der in seiner ETHIK, Ratschläge gab, wie man mit seinen Affekten und Passionen zu Rande kommt.

    Mit dem heutigen physikalischen Weltbild kann man aber sagen, dass selbst die ununterbrochene Wirkung von Naturgesetzen allüberall nicht bedeutet, dass man die Zukunft in jeder Hinsicht voraussagen kann. Es gibt mehrere Gründe, warum eine Voraussage der Zukunft nicht möglich ist:
    – auf Quantenebene gibt es echte Zufälle. Man kann ohne weiteres sagen, dass wohl auch das biologische Leben solchen Zufällen zu verdanken ist. Inzwischen ist aber das biologische Leben in Form des Menschen auf diesem Planeten so dominant geworden, dass es den Planeten verändert auf dem es entstanden ist (oder sich mindestens ausgebreitet hat).
    – selbst eine streng deterministische Welt ist praktisch gesehen nicht vorausberechenbar weil kleinste Unterschiede in den Ausgangsbedingungen einen grossen Unterschied in den Ergebnissen bedeuten können. Das zeigt etwa das Phänomen des deterministischen Chaos wie es beim gekoppelten Pend3l zu beobachten ist
    – es gibt auch praktische Gründe für die Unberechenbarkeit der Zukunft, denn selbst extrem schnelle Computer sind in ihrer Rechenleistung sehr beschränkt und können heute nicht einmal eine 1000-stellige Zahl in endlicher, nützlicher Zeit in ihre Primfaktoren zerlegen
    – ähnlich wie beim deterministischen Chaos können einzelne Menschen, falls sie zu genügend Macht kommen oder etwas Umwälzendes erfinden/entdecken, die ganze Menschheitsgeschichte verändern. Welche Menschen das aber sein werden , das hängt von sehr vielen Faktoren und auch von Zufällen ab.

    Fazit: Nach heutigem Wissen ist Determinismus nicht gleichbedeutend mit Vorausbestimmung, nach heutigem Wissen bewirken Naturgesetze keine Prädetermination.

  7. @Holzherr 10:09. 13:43

    „Fazit: Nach heutigem Wissen ist Determinismus nicht gleichbedeutend mit Vorausbestimmung, nach heutigem Wissen bewirken Naturgesetze keine Prädetermination.“

    Also ist der Weg frei, sich gründlich zu überlegen, was man macht. Und dann zu versuchen, das auch umzusetzen.

    Und wenn dann wirklich vernünftige Vorhaben angefasst werden, dann darf man auch auf Unterstützung von Geisteswelten hoffen, zumindest soweit dies erforderlich ist.

  8. Tobias Jeckenburger,
    ” dann darf man auch auf Unterstützung von Geisteswelten hoffen,”
    dazu gehört das Toi, Toi, Toi, auch zu Ihren gemäßigten und optimistischen Beiträgen.
    Gerade gelesen, ein Moonball, der sprungkräftigste Ball, der je auf der Erde aufprallte, zu kaufen bei Edeka.

  9. Martin Holzherr
    10.09.2024, 08:23 Uhr

    Willensfreiheit aus evolutionärer Sicht

    Ich bitte um Aufklärung:
    Wo finde ich beispielsweise bei Arthur Schopenhauer die ‘evolutionäre Sicht’?

  10. @Karl Meier, Zitat: Wo finde ich beispielsweise bei Arthur Schopenhauer die ‘evolutionäre Sicht’?
    Bei Schopenhauer findet man keine evolutionäre Sicht, wohl aber eine biologische Sicht, indem Schopenhauer annimmt, der Wille (zum Leben) sei eine Urkraft, die jedem Lebewesen eingepflanzt ist.
    Die eigentliche evolutionäre Sicht erkennt man bei Daniel Dennett, der dem Menschen ein höheres Bewusstsein zuschreibt und ihm zusammen mit seiner Fähigkeit zur Selbstkontrolle, zur Reflexion und zur Vernunft, auch eine höhere Freiheit bei Entscheidungen zugesteht. Schopenhauer hat also mit seiner Auffassung des (Lebens-)Willens Mensch und Tier zuerst einmal gleichgesetzt, die Evolutionisten haben dann den Begriff des graduellen Bewusstseins eingebracht, also die Auffassung, „niedere“ Tiere hätten weniger Bewusstsein und höhere, hätten ein entwickelteres Bewusstsein. Dennett sagt dann, mit einem höheren Bewusstsein hat man auch mehr Entscheidungsfreiheit.

  11. @ Holzherr:

    … dass in den Augen Schopenhauers in Bezug auf die Willensfreiheit kein Unterschied zwischen Tier und Mensch besteht.

    Achtung, hier muss man bei Schopenhauers Hauptwerk verschiedene Ebenen differenzieren, nämlich die phänomenale, empirische und die metaphysische. Denn so stimmt Ihre Aussage nicht komplett.

    In Arthur Schopenhauers Hauptwerk (Band 1 und 2 von “Die Welt als Wille und Vorstellung”) wird so etwas wie ein evolutionärer Gedanke im Bezug auf die Selbstreflektion (auch von Handlungen) durchaus immer wieder von ihm angesprochen. Und das explizit.

    Erst einmal gibt es bei Schopenhauer keine Willensfreiheit da der Wille so etwas wie der Brahman des Hinduismus bzw. der Upanishaden ist. Der Wille ist das metaphysische Prinzip hinter der Welt. Schopenhauer erklärt dass er diese Idee selbst entwickelt hat und erst später, also als er auf die Upanishaden etc. stoß, entdeckte dass andere Menschen ja die gleiche Idee schon lange vor ihm hatten.

    Warum er dieses metaphysische Prinzip “Wille” nennt erklärt er auch ausführlich, aber das hier alles zu wiederholen würde zu weit führen. Jedenfalls steckt dieser Wille bei Schopenhauer nicht nur in organischer Materie, also in Lebewesen, sondern auch in Steinen, den Naturgesetzen, etc.

    Die Idee dass es eine Entwicklung gab und gibt kommt dann auch bei Schopenhauer vor, nämlich wenn er beschreibt wie der Wille beispielsweise in Steinen und Bäumen eher “blind” sei und sich dann in höheren Lebewesen wie Tieren und Menschen bis zur Selbsterkenntnis entwickelt hat um somit die Welt (und damit letztendlich sich selbst) in immer höheren Graden detailierter und immer selbstreflektierter erlebt. Damit gehen dann für Tiere mehr Freiheitsgrade als für einen Stein einher, und für den Menschen mitunter wieder mehr als für viele Tierarten.

    Schopenhauer differenziert also klar zwischen Bewusstseinsgraden und auch Handlungsmöglichkeiten bei verschiedenen Lebewesen in der empirischen und phänomenalen Welt. Nur auf der metaphysischen Ebene setzt er alles gleich da hinter allen Phänomenen der empirischen Welt letztendlich der gleiche Wille steht. Darwin hat übrigens Schopenhauer gelesen.

    Der Begriff “Wille” bei Schopenhauer kann im Bezug auf unsere heutige Verwendung des Begriffs, gerade in der Diskussion um die Willensfreiheit, mitunter irreführend sein. Aus heutiger Sicht würde man Schopenhauers “Wille” vielleicht eher mit “Urenergie” oder so übersetzen.

  12. Philipp
    ähnlich metaphysisch sieht Jean Paul Sartre die menschliche Freiheit aber im gegenteiligen Sinn. Er spricht davon, wir sind in die Welt geworfen und zur Freiheit verdammt.
    Wer will denn für so eine Freiheit kämpfen ? Und so erscheint ihm die menschliche Existenz als absurd.

  13. @N:

    Bezüglich Sartrte: Existenzialismus in einem Determinismus bzw. ohne “freien Willen” ist eben schwer vereinbar. 🙂

    Für die meisten Existenzialisten und Phänomenologen sind metaphysische bzw. ontologische Diskussionen wie die Frage nach dem freien Willen wohl eher Nebensache, da bei ihnen die Phänomenologie selbst primär ist.

    Bezüglich Schopenhauer kann man noch hinzufügen dass er die Willensverneinung als Fähigkeit ja nur dem Menschen zusprach. Der Wille könne sich im Menschen selbst verneinen (dies stellt eine höhere Freiheit gegenüber Tieren und der restlichen Natur dar).

    Das ist ja auch ein Punkt für den er kritisiert wurde, denn einerseits treibt uns der metaphysische Wille an, andererseits solle er sich dann selbst verneinen… Für viele seiner Leser war das auch schon damals nach der Publikation etwas paradox.

  14. Philipp, bezüglich Schopenhauer
    “dass er die Willensverneinung als Fähigkeit ja nur dem Menschen zusprach”

    Wenn Hunde trauern, fressen sie nicht.

  15. “Evolutionär Sicht…”
    Tiere sind auch Menschen, sarkastisch gesehen, oder haben sie schon mal gehört dass sich ein Tier freiwillig einem Fresspartner zum Fressen anbietet, so mit Messer und Gabel ? Gemeinhin nennt man so etwas Überlebenstrieb und in dem Sinne haben Tiere auch einen “Willen” da sie frei-willig- nicht gefressen werden wollen. Da scheinen sie intelligenter als Menschen zu sein die sich zum Bsp. in Kriegen als Kanonenfutter anbieten weil es “Ihr” Wille ist- Oder besser gesagt, weil sie dahingehend von den Mächtigen abgerichtet wurden also ihren Überlebenstrieb gegen einen fremden Willen eingetauscht haben. Diesen WILLEN dann noch für “Frei” zu halten ist die hohe Kunst der Massensuggestion bzw. Manipulation (Verdummung) denn das Schwein müßte ja mit diesem menschlichen Freien Willen freiwillig zum Schlächter gehen…

  16. Hakel was Tiere betrifft
    “Da scheinen sie intelligenter als Menschen zu sein”

    Auch ein Hund verteidigt seinen Herrn/sein Frauchen ohne Rücksicht auf das eigne Leben.
    Auch Feuerwehrleute setzen bei jedem Brand ihr Leben ein und Polizeibeamte.

    Und was die Soldaten betrifft, die setzen ihr Leben nicht aufs Spiel, jedenfalls nicht bewusst.
    Die Zeiten, wo die Infanterie mit Hurrah in das gegnerische Machinengewehrfeuer gelaufen ist, die sind vorbei.
    Nur wer noch lebt kann gewinnen.

    Fazit: Tiere sind uns sehr ähnlich, vielleicht, weil wir zu 49 % auch noch Tiere sind. Manche sogar mit 50 %.

    Unser Thema heißt ja Willensfreiheit, die beweist sich beim Durchsetzen des Willens. Bei Wölfen sind wir etweder Feinde oder Beute.
    Bei Hunden geht es zu unserem Glück nur noch um die Rangordnung, wenn sie uns beißen.

    Und jetzt wage ich mal die These, bei Bürgerkriegen geht es auch um die Rangordnung.

  17. Martin Holzherr
    10.09.2024, 21:35 Uhr

    … Schopenhauer findet …

    Die Biologie kennt keine Wörter und Begriffe, sie selektiert wort- und gnadenlos nach dem Prinzip ‘non-survival of the least fittest’, das ist die Art & Weise, wie etwas ( ‘ohne Sinn und Verstand’ ) erfolgreich ist, wenn man eben nicht in die Zukunft schauen kann.
    In der Kultur des homo sapiens sapiens mit seinen Sprachen gibt es Wörter und Begriffe und zur Definition dessen, was der verehrte Philosoph ‘meint’, braucht er wieder Wörter und Begriffe, die er aber auch definieren müsste …
    Und dann kann man trefflich die Wörter und Begriffe nach allen Regeln der Kunst zerlegen, in Relation zueinander setzen, wieder synthetisieren … nur, was das dann noch mit ‘evolutionärer Sicht’ zu tun haben sollte ( = die Evolution hat keine Augen ), vermag ich nicht nachzuvollziehen.
    Der Verweis auf ‘Philosoph A hat gesagt …’ und ‘Philosoph B hat dazu angemerkt …’ bringt mir keinerlei sachliche Erkenntnis dessen, was ‘freier Wille’ eigentlich sein könnte.
    Spontan fällt mir ( als Bild ) dazu nur ‘Die Welt am Draht’ ein, die Simulation einer Simulation, die ( im Vorgriff auf die ‘KI’ ) erkennt, dass sie eine Simulation ( und später: einer Simulation ) ist.
    Das Gehirn ‘rackert’ sich ab, aus den eingehenden Informations-Bits die größtmögliche Wahrscheinlichkeit des Überleben zu berechnen, je feingranularer die Berechnung ist, desto höher ist die Überlebensrate. Und dabei mag das, was wir ‘freien Willen’ nennen, einen weiteren Vorteil ausmachen. Wir können diese Fähigkeit aber auch satt und sicher am warmen Lagerfeuer in der Höhle nutzen, um uns die Zeit zu vertreiben. Wir sollten das nur nicht zu hoch bewerten.

  18. N
    11.09.2024, 16:59 Uhr

    Fazit: Tiere sind uns sehr ähnlich, vielleicht, weil wir zu 49 % auch noch Tiere sind. Manche sogar mit 50 %.

    … sind die genetischen Unterschiede zwischen Maus und Mensch nur wenig größer als zwischen Mensch und Schimpanse … ( SdW, Mai 2002 )

    Mehr als 90% der Gene codieren für Hardware und Firmware und im Rest sind es vielfach nicht unterschiedliche Gene, sondern die Art, wie die vorhandenen Gene abgelesen werden, 1x, 2x, mehrfach, einfach gesagt.
    Der Unterschied, auf den wir so saumäßig stolz sind, ist nur mikroskopisch klein, macht aber durchaus in der ‘Draufsicht’ einiges aus.

  19. Karl Maier,
    die genannten Prozentzahlen sind nur bildhaft zu bewerten.
    Lustig ist ihr letzter Satz. Einerseits wären wir stolz auf das Menschsein, allerdings mit der Einschränkung , nur saumäßig. Das relativiert dann wieder den Stolz.
    Anmerkung: Haben sie schon mal Chinesen beim Essen zugesehen. In China gilt es als fein, laut zu schmatzen. Dabei sind mir wieder die Schweine eingefallen.

  20. N
    11.09.2024, 20:37 Uhr

    Es ist eben schwierig, die Komplexität des Lebens in wenigen Worten auszudrücken, Philosophen machen profitabel ganze Bücher daraus, aber ich bin eben keinen …
    Alles hat seine Zeit, die Kulturen sind unterschiedlich, nur eins scheint gewiss: Jede Gesellschaft fühlt sich den anderen Gesellschaften überlegen und innerhalb der Gesellschaften sind eben manche gleicher.

  21. Karl Maier Betreff die Komplexität des Lebens.
    um mal eine Zwischenbilanz zu ziehen.

    Der abstrakte Begriff der psychologisch/philosphischen Willensfreiheit allein reicht nicht aus Bürgerkriege und Freiheitskriege zu erklären.

    Mehr Einsicht gewährt ein geschichtlicher Längsschnitt, wie es Herr Schleim ja schon gemacht hat am Beispiel der Niederlande.

    Und wenn man jetzt die gegenwärtige Situation bezüglich Ukraine/Rußland betrachtet , zeigen sich Parallelen.
    Die EU vertritt die Rolle der Remonstranten mit der Allgemeingütigkeit demokratischer Prinzipien, wie sie in unserem Grundgesetz niedergeschrieben sind.
    Die Kontraremonstraten finden man in Rußland und China, die um ihren Machteinfluss fürchten.

    Also nichts Neues.
    Was also die Friedensforscher fordern ist logisch und vernünftig, man muss zu einem Ausgleich kommen, bei dem beide Seiten” nicht ihr Gesicht verlieren.”

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