Trick 17: Wie die OECD mit verfälschenden Forschungsdaten die Bildungspolitik beeinflussen will (Update)

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Mensch, Gesellschaft und Wissenschaft
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Einmal eine Kurzmeldung, die den Wissenschaftstheoretiker erfreut. Ich hatte in meinem Gespräch bei den Zwischentönen mit Michael Langer (wen es interessiert: nur noch bis 12. Februar online) schon auf die fragwürdige politische Verwendung der PISA-Studien hingewiesen.

Die grundlegende Frage, wieso eine Wirtschaftsinstitution wie die OECD sich auf einmal dazu berufen fühlte, Bildungsreformen anzustoßen, und welche Interessenkonflikte dabei vielleicht eine Rolle spielen könnten, ist kaum diskutiert worden. Oder was eigentlich die demokratische Legitimation für ein solches Vorgehen sein könnte. Für die meisten ging es nur darum, auf welchem Platz das eigene Land steht, frei nach der Maxime: Ganz egal, was für ein Quatsch da gemessen wird, Hauptsache wir stehen gut da!

Auch das für die Universitäten so wichtige Shanghai-Ranking funktioniert nach demselben Prinzip. Beispiele für die Macht der Zahlen – und die Ohnmacht der Gezählten. Ich muss jetzt doch an Geschichten wie Die Welle denken: Wenn man Leuten weismacht, die Blauäugigen seien intelligenter, dann wollen die einen blaue Augen und die anderen schämen sich. Die Aussage in Zweifel zu ziehen, das traut sich aber kaum jemand.

Nun hat die ZEIT den Bildungsforscher und früheren PISA-Zuständigen für Deutschland, Eckhard Klieme, ausführlich zum Thema ans Wort gelassen. Dieser findet deutliche Worte über die Studie:

Sie stellt im Kern bereits bekannte Befunde dar und versieht sie mit neuen schillernden Etiketten, interpretiert Daten teilweise fehlerhaft und zieht gewagte Schlussfolgerungen. (Eckhard Klieme)

Das ist ein virtueller Schlag ins Gesicht des ebenfalls deutschen Andreas Schleicher, dem Statistiker hinter den PISA-Studien, mit Sitz im vornehmen Paris. Dieser lobt seine Methodik gerne in den siebten Himmel. Wie man mit Daten Schulen verbessern könne, erklärt er sogar in einem TED-Talk.

Im Psychologie-Grundstudium lernt man, dass eine Messung nicht nur zuverlässig (Stichwort: Reliabilität) sein, also mit einem guten Instrument gemessen werden muss, sondern auch sinnvoll (Stichwort: Validität), also auch wirklich das messen muss, was sie zu messen vorgibt. Ein Zufallsgenerator ist beispielsweise weder ein zuverlässiges noch ein sinnvolles Maß für die Zeit; eine Waage kann äußerst zuverlässig funktionieren – aber ist trotzdem kein sinnvolles Maß für die Zeit.

Bei physikalischen Messgrößen leuchtet uns das sofort ein. Im sozial-psychologischen Bereich scheint unser Denken aber nicht so gut zu funktionieren. Anders ist nicht zu erklären, warum viele den erzeugten Ranglisten von PISA oder Shanghai hinterherlaufen wie ein Bär dem Honigtopf

Konkret geht es nun um die Vorwürfe, die OECD würde ein “positives Schulklima” und den Erfolg von Ganztagsschulen auf verfälschende Weise messen. Ersteres sei schlicht als störungsfreier Ablauf definiert, was die Lehrer-Schüler-Beziehung außen vor lässt und auch nur Altbekanntes bestätigt: dass Störungen eben den Lernvorgang behindern.

Politisch in sich hat es aber das Verständnis der OECD von Ganztagsschulen. Dafür wurde dem Bericht nach schlicht erhoben, ob Schulen nachmittags auch Aktivitäten wie Theater oder soziales Engagement anbieten, nicht unbedingt Schulunterricht. Nun muss man wissen, dass solche Angebote an Gymnasien häufiger sind. Wenn also die “wissenschaftliche” Studie im Ergebnis zeigt, dass Schüler von Ganztagsschulen bessere Leistungen erbringen, dann verbergen sich dahinter wahrscheinlich die besseren Leistungen von Gymnasiasten gegenüber anderen Schülern.

Jetzt sollte man einen Schritt weiter denken und sich überlegen, was für ein Interesse die OECD am Bewerben von Ganztagsschulen haben könnte: Elterliche Verpflichtungen können mit beruflichen Pflichten kollidieren. Das ist schlecht für die wirtschaftliche Effizienz. Je weniger Aufgaben Eltern also für die Erziehung übernehmen müssen, desto mehr stehen sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Am besten verzichten sie vielleicht gänzlich auf den Kinderwunsch, wie es uns manche Karrieremenschen und Führungspersönlichkeiten vormachen?

Oder um es einmal extremer zu formulieren: Kinder stören den Betriebsablauf; Kinder stören die Produktivität. Dabei sind sie aber notwendige Voraussetzung für eine gesellschaftliche Stabilität, wie man zwar nachdenkend schnell einsehen, aber mit statistischen Methoden nur schwieriger erheben kann. Auch geht es hier um Langzeiteffekte, die auf der politischen Agenda von geringerem Stellenwert sind.

Tja, was interessiert es die OECD, wie viel Zeit Eltern mit ihren Kindern verbringen? Hauptsache, die Wirtschaft läuft und die Arbeitgeber verfügen über möglichst viel uneingeschränkte Arbeitskraft. Bei der Regulierung des Arbeitsrechts stehen die Weichen ja auch seit Längerem auf Arbeitgeberseite.

Und die Moral von der Geschicht? Kennst du die Definitionen nicht, dann glaub der Studie besser nicht.

Update vom 9. Februar, 13:40 Uhr

Durch die Diskussion mit Lesern stieß ich auf die Pressemitteilung der OECD vom 29. Januar, der die im Artikel genannte Präsentation des OECD-Direktors für Bildung Andreas Schleicher entsprechen dürfte. Darin fällt erst einmal auf, dass die Auswertung mit Förderung der Vodafone Stiftung Deutschland erstellt wurde.

Inhaltlich ist an der Interpretation interessant, dass zwar eine niedrige Lehrerfluktuation und mehr Motivation des Lehrkörpers durch die Schulleitung helfen sollen, jedoch keine Investitionen in Schulen, um etwa die Klassengröße zu verringern oder bessere Computer anzuschaffen. Ein Blick in die Originalveröffentlichung bestätigt, dass die Lernumgebung über ein “diszipliniertes Klima” und Schwänzen definiert wurde.

Besonders heikel ist die Empfehlung über Ganztagsangebote aus der Pressemitteilung: “So zeigt die Studie insbesondere für Deutschland einen positiven Effekt von schulischen Aktivitäten jenseits des Unterrichts. Dies lässt darauf schließen, dass sich Investitionen in Ganztagsangebote positiv auf den Lernerfolg sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler auswirken.”

Wenn es stimmt, wie der Bildungsforscher Eckhard Klieme kritisierte und mir auch plausibel erscheint, dass solche Angebote an Gymnasien häufiger sind, dann zeigt die Auswertung lediglich – verzerrt über die Analyse der Ganztagsangebote –, dass Schüler auf Gymnasien besser sind als auf anderen Schulformen.

Die Feststellung, dass die OECD-Auswertung schulische Sachverhalte verkürzt und verfälscht, bleibt damit bestehen. Danke, dass Sie an der Qualitätsverbesserung mitwirken.

Hinweis: Dieser Beitrag erscheint parallel auf Telepolis – Magazin für Netzkultur.

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70 Kommentare

  1. Internationale Institutionen haben immer mehrere Forschungsergebnisse in der Schublade. Je nachdem, ob ein besonderes Land gelobt werden soll, oder ob die Instution selbst noch Gelder benötigt. Das ist jahrzehntelange Praxis und alle Betroffenen wissen Bescheid.

  2. Hier wird der OECD und konkret der Abteilung, die für die Bildung zuständig ist, einiges unterstellt. Doch bedeutet die positive Bewertung von Ganztagesschulen durch die OECD, dass sie Ganztagesschulen darum will, weil dadurch Eltern von der Erziehung entlastet und damit im Berufsleben produktiver werden? Das geht mir zu weit. Viel näherliegend ist die Annahme, dass die OECD-Bildungsabteilung glaubt, dass soziale Unterschiede durch Ganztagesschulen stärker ausgeglichen werden, weil dann Kinder mit bildungsfernen Eltern eine anregendere Umgebung geniessen.
    Das ist nämlich, was ich häufig als Grund für Ganztagesschulen höre – wobei ich nicht weiss, inwieweit es überhaupt zutrifft.

  3. Kennst du die Definitionen nicht, dann glaub der Studie besser nicht.

    verfälschenden Forschungsdaten

    Was sind “verfälschende Forschungsdaten”???
    Eine interessante Floskel in diesem aus meiner Sicht doch etwas oberflächlichen Beitrag, der wiederum über ähnlich oberflächliche Beiträge anderer, aber nicht über konkrete Inhalte der Studie schreibt.
    Falsche Daten, gefälschte Daten, dass kennt man als Naturwissenschaftler, aber “verfälschende Daten”. Daten, die die Eigenschaft haben, etwas zu verfälschen?

    Macht sich die “Boulevardisierung des Wissenschaftsjournalismus” jetzt auch hier im Forum immer mehr breit?

  4. MH
    statistische Daten zu interpretieren ist eine Kunst für sich. Aus erster Quelle weiß ich , wie das bei der UNO gehandhabt wird. Da ist kein Betrug dabei, alles legal. Ansonsten schließe ich mich der Kritik von Sachse an.

  5. @Holzherr: Wer ist hier wie Robin Hood?

    Die OECD als Verfechter der Witwen und Waisen? Der Arbeiter- und Hartz-IV-Kinder?

    Das wäre mir neu. Und woran machen Sie das fest?

    Wenn hier jemand zuständig ist, dann doch die UNESCO – und die hat in den letzten Jahren u.a. durch Veruntreuung auch an Prestige verloren.

  6. @Sachse & hmann: gut lesen und selber machen

    Sie haben hier doch zwei konkrete Kritikpunkte: Erstens wird ein gutes Klassenklima darauf reduziert, dass der Unterricht nicht gestört wird; zweitens wird behauptet, Schulen mit Freizeitangebot seien Ganztagsschulen. Warum äußern Sie sich nicht einmal dazu?

    Ich kann hier nicht jedes Mal eine Tiefenanalyse anstellen, dafür bräuchte ich eine Kopie meiner selbst; zumal das einem auch kaum einer dankt.

    Kaufen Sie sich die aktuelle ZEIT für den ganzen Artikel; oder machen Sie es doch selbst. “Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Habe den Mut, dich deiner Vernunft selbst zu bedienen.” In der Zeit, die Sie hier mit einem Kommentar vertrödeln, hätten Sie die Studie schon downloaden können.

  7. @Sachse: verfälschende Daten

    Das sind Daten, die ein falsches Bild der Wirklichkeit geben, also das Bild verfälschen.

    Definitionen (oder auch: Konstrukte) zu verwenden, die Gymnasien mit Freizeitangebot als Ganztagsschulen zählen, und auf Grundlage dessen zu dem Schluss kommen, Ganztagsschulen würden die Leistungen verbessern, ist schlicht falsch (ergo mehr Kinder auf Ganztagsschulen zu schicken). Der korrekte Schluss müsste schlicht heißen, dass Schüler auf Gymnasien leistungsfähiger sind als auf Real- und Hauptschulen. Das weiß jeder. So sind die Schulformen schlicht definiert.

    Nein, diese Definition ist so falsch, dass ich annehmen muss, gerade wenn es sich um erfahrende Bildungsforscher handelt, dass das nicht nur grob fahrlässig ist, sondern hier aller Wahrscheinlichkeit nach sogar Vorsatz im Spiel ist.

  8. Erstens wird ein gutes Klassenklima darauf reduziert, dass der Unterricht nicht gestört wird; zweitens wird behauptet, Schulen mit Freizeitangebot seien Ganztagsschulen.

    Ich habe versucht, auf den Webseiten der Pisa-Studie und auch in den dort veröffentlichten Dokumenten diese Aussagen zu finden, allerdings war ich dabei erfolglos. Könnten Sie nähere Informationen dazu liefern, wo ich dies nachlesen kann (Seitenzahlen/Kapitel)? Steht das tatsächlich so in der Studie oder sind das schon Interpretationen?

    Auch wenn ich Die Zeit als lesenswertes Informationsmedium schätze , welches oft Nachdenkenswertes bietet, so hat auch diese Zeitung oft das Problem, dass Inhalte von Artikeln, egal ob von Fachjournalisten oder Fachleuten oft mehr die persönlichen Denkansätze der Schreiber wiedergeben als die sachlichen Inhalte und Fakten der Studien. Deshalb würde ich lieber über die Inhalte der Studien und nicht über deren Interpretation in der Zeit diskutieren.

    Nach eine Anmerkung zu den verfälschenden Daten: Es sind eben nicht die Daten, sondern deren falsche Interpretation, die dieses verfälschende Bild liefern.

  9. Der Kult um die diversen Schulstudien sollte in der Tat mehr hinterfragt werden, als ob die Protagonisten des neoliberalen Denkens plötzlich eine progressive Idee vertreten würden, wenn es ausgerechnet um das Lieblingskind aller Ideologien geht, der Beeinflussung des Nachwuchses.
    Auch die Idendität der Forderungen zwischen OECD und SPD ist augenfällig, Ganztagsschulen als linke Idee?

    @Martin Holzherr
    Selbst wenn es der OECD um soziale Unterschiede ginge- was ich bezweifle- stellt sich die Frage, warum es denn ausgerechnet die Schüler ausbaden sollen, daß die erwachsene Gesellschaft dieses Problem nicht in den Griff kriegt.

  10. @JoeSachse: Quellenarbeit

    Mich hat es jetzt ca. fünf Minuten gekostet, auf der PISA-Seite die im ZEIT-Artikel genannte Sonderauswertung zum Schulerfolg sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler (“Erfolgsfaktor Resilienz”) zu downloaden.

    Wenn man diese zum 3. Kapitel durchscollt (“Die Studienergebnisse im Detail”), findet sich links der Hinweis:

    Eine ausführliche, englischsprachige Darstellung aller Ergebnisse sowie Details zum methodischen Vorgehen finden sich im OECD Working-Paper No. XXXX „Academic resilience: What schools and countries do to help disadvantaged students succeed in PISA“

    Man hat wohl vergessen, die XXXX bei der Veröffentlichung auszufüllen und der angegebene Link funktioniert auch nicht, was schon einmal für die Sorgfältigkeit der OECD spricht, nicht wahr? Wenn man aber nach dem Titel des Papiers sucht, findet man es hier.

    Weil ich keine Lust hatte, für Sie die ganzen 40 englischsprachigen Seiten zu lesen, überflog ich erst den Methodenteil und sucht ich dann nach “climate” (für Schulklima) und fand u.a. auf S. 19 die Aussage:

    Two key independent variables are used to characterise the learning environment: i) the school average of students’ individual perceptions of the classroom climate expressed by the PISA index of disciplinary climate (DISCLIMA) and ii) a measure of school truancy expressed by the school percentage of students who had skipped a whole school day in the two weeks prior to the PISA test.

    Wie es der im ZEIT-Artikel und bei mir genannte Bildungsforscher Eckhard Klieme kritisiert, wird die Lernumgebung durch ein disziplinäres Klima (das ist der genannte störungsfreie Ablauf) und Schwänzen charakterisiert.

    Eine Bestätigung dessen sowie ein Hinweis auf die Sache mit den Ganztagsschulen findet sich in der folgenden Tabelle 4.1 auf S. 20 “Variables used in this study (PISA 2012 and PISA 2015)”, wo unter “School Resources” auf die “Number of extracurricular activities at school (based on items common to the PISA 2012 and PISA 2015 school questionnaires)” verwiesen wird.

    Um den Bogen vollständig schließen zu können, müsste man die Präsentation des OECD-Bildungsdirektors Andreas Schleicher kennen, die er, laut ZEIT-Bericht, “in der vergangenen Woche vorgestellt hatte.” Die ist, soweit ich es sehe, aber nicht veröffentlicht. Also war es wohl so, dass der deutsche Bildungsforscher Eckhard Klieme an dieser Präsentation teilgenommen hat und, weil er die Definitionen aus der PISA-Studie kannte, ihm auffiel, wie verfälschend mit den Daten umgegangen ist.

    Also ich nenne das guten Journalismus, wenn er die Öffentlichkeit darüber informiert, und ich danke ihm dafür. In einzelnen Punkten wurde seine Kritik hiermit bestätigt. Dass es sich nicht weiter nachvollziehen lässt, liegt an der schlechten Informationspolitik der OECD. Das werfen Sie aber wahrscheinlich wieder den Kritikern vor und nicht denjenigen, die den Mist produzieren. Aber wenn es Sie freut: Damit befinden Sie sich in guter deutscher Tradition.

    P.S. Achtung, die PDF-Seitenzahlen stimmen nicht ganz mit den Dokumentseitenzahlen überein; ich verwendete letztere.

  11. @JoeSachse: Über Daten und Interpretationen

    Nach eine Anmerkung zu den verfälschenden Daten: Es sind eben nicht die Daten, sondern deren falsche Interpretation, die dieses verfälschende Bild liefern.

    Alle Wissenschaft basiert auf Definitionen; Sie können keine Messung anfangen, ohne nicht erst eine Definition (die kann auch schlicht darin ausgedrückt sein, was ein Messinstrument misst) zu haben. Wenn Sie mit mir übereinstimmen, dass darin bereits ein interpretatives Element liegt (etwa: messe ich das Gewicht mit einer digitalen oder mit einer analogen Waage?), das das Ergebnis beeinflusst, dann sind wir einer Meinung.

    Sie bezogen sich aber darauf, was hinterher mit den Daten passiert, und nannten das “Interpretation”. Ich nenne noch einmal zwei Beispiele:

    Nehmen wir an, man würde die Häufigkeit von Prostatakrebs und Herzinfarkten untersuchen wollen, würde dann aber nur Nonnen untersuchen, also eine Stichprobe, in der die Probleme kaum vorkommen. Dann ergeben also die Daten das Bild, dass es kaum Prostatakrebs und Herzinfarkte gibt. Das nenne ich verfälschende Daten und die Verfälschung liegt darin, das Problem in einer Stichprobe zu messen, die für die Aussage nicht repräsentativ ist.

    Oder nehmen wir an, Forscher untersuchen das Suchtverhalten der Konsumenten von Stimulanzien, in der Gruppe sind aber nur Ecstasy-Konsumenten. Drogenforscher wissen, dass Ecstasy zwar ein Stimulans ist, in der Regel aber mit keinem Suchtverhalten einhergeht. Damit sind auch diese Ergebnisse verfälscht, obwohl hier niemand direkt lügt. (Das hier ist übrigens ein wahres Beispiel von Forschern, die in führenden Zeitschriften publizieren.) Hiermit würde ich die im Text genannte Sache mit den Ganztagsschulen am ehesten vergleichen.

    Sie sehen, man muss nicht erst aktiv interpretieren, um die Daten zu verfälschen. Wenn sie auf falschen Definitionen beruhen, zeichnen sie ein falsches Bild der Wirklichkeit. Das gehört eigentlich zum kleinen Einmaleins guter Wissenschaft. Dass viele Menschen mit so einem trivialen Gedanken Schwierigkeiten haben, Sie eingeschlossen, beweist den desolaten Zustand wissenschaftstheoretischen Wissens der heutigen Universität.

    Werfen Sie aber Ihr Unwissen bitte nicht mir vor, sondern lesen Sie lieber ein gutes Buch (ein Anfang: Chalmers, A., What is that thing called science? Gerne auch Thomas Kuhns Structure of Scientific Revolutions.) Ersteres habe ich zufällig doppelt. Wenn Sie es sich in meinem Büro abholen oder mir einen frankierten Rückumschlag zuschicken, dann können Sie es gerne gratis haben.

    Wozu aber auch dieses wichtige Wissen, wenn es die Menschen allenfalls weniger produktiv macht anstatt produktiver? Und heute so gut wie alle den Fetisch Produktivität anbeten?

  12. Ja, die Konfusion und die systematische Bildung zu systemrationaler Suppenkaspermentalität, für den nun “freiheitlichen” Wettbewerb um KOMMUNIKATIONSMÜLL, Schuld- und Sündenbocksuche inbegriffen, man könnte denken das wachsen seltsame Blüten – der stumpf-, blöd- und wahnsinnige Kreislauf des geistigen Stillstandes seit … 😎

  13. Was macht die OECD, die dem Schreiber dieser Zeilen in regelmäßigen zeitlichen Abständen auffällt, meist negativ, eigentlich? Bewirbt sie vielleicht einen ungünstigen Globalismus / Internationalismus (der in starker Ausprägung einigen in etwa so schädlich scheint wie der Nationalismus in starker Ausprägung – ansonsten OK zu sein scheint)? Den insbesondere global wirtschaftlich günstig verfügbaren Menschen?

  14. Aha, semantisches Problem detektiert :
    Daten können auf falsche Art und Weise gewonnen werden, wenn etwas gemessen werden soll und dann auch gemessen worden ist. Sie wären dann sozusagen verfälschend. (Ob Daten nun “wirklich” falsch oder verfälschend sein können, ob nicht vielleicht ein Kategorienfehler vorliegt, bleibt eine interessante Frage. – Bonusfrage : Können Daten böse sein?)
    Macht aber den Braten in keinerlei Hinsicht fett, hier fein nachzudenken, im Semantischen; erlaubt bleiben metaphorische Aussagen.

  15. @web🐻

    KATEGORISCH, dienen Daten im Imperium dieser Welt- und “Werteordnung”, der KONFUSION – da kann auch die Verfälschung LOGISCH doch nicht falsch sein!? 😎

  16. Sie sehen die OECD scheinbar als Klassenfeind. Doch sie strebt ja nur eine günstige Wirtschaftsentwicklung ihrer Mitglieder an, etwas was letztlich Linke und Rechte gleichermassen interessiert. Eine bessere schulische und berufliche Entwicklung der sozial Schwächeren, der Bildungsfernernen ist letztlich auch im Interesse der Gesamtwirtschaft und damit im Interesse der OECD. Beispiel: Auch Skandinavien gehört zur OECD und Schweden beispielsweise entwickelt sich wirschaftlich sehr gut. Skandinavien hat aber im Vergleich zu Deutschland weit mehr Chancengleichheit realisiert. In Warum Skandinavien sozialer ist liest man: Die skandinavischen Gesellschaften liegen bei der Chancengleichheit weit vorn. Eine aktuelle Analyse zeigt: Das ist das Ergebnis politischer Anstrengungen, vor allem in den Bereichen Bildung und Geschlechtergleichstellung. Weiter liest man dort: Mittlerweile hätten Schweden aus bildungsfernen Familien eine dreimal, Dänen eine viermal so große Chance auf höhere Bildung wie Deutsche oder Amerikaner. Die Wahrscheinlichkeit, als Sohn eines Ungelernten später im unteren Fünftel der Einkommenspyramide zu landen, war laut der Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen für die Jahrgänge 1945 bis 1957 in allen Ländern ähnlich. Für 1968 bis 1977 geborene Skandinavier sei ein signifikanter Rückgang festzustellen, während es in Frankreich, Italien oder Spanien keine messbare Änderung gegeben habe.
    Wie gesagt: Mir leuchtet nicht ein, warum die OECD eher für das deutsche Modell mit der inhärenten Chancenungerechtigkeit sein soll. Die OECD will ja nur eine positive Wirtschaftsentwicklung und die findet sich auch im egalitären Skandinavien.

  17. @ Kommentatorenkollege ‘hto’ :

    Sie mal wieder.
    Daten werden bedarfsweise erfasst oder gewonnen, ihre Interpretation dient dann in der Tat oft nicht sachnah, sondern oft : politisch, auch die Art und Weise wie Daten, eben : bedarfsweise, erfasst werden, kann bereits politisch und für spätere politische Ausnutzung angelegt geplant sein.
    Es lägen dann “falsche”, “verfälschende” oder “böse” Daten vor.

    In Unternehmen der Wirtschaft ist es gang und gäbe, bspw. die unternehmerische Außensicht meinend, das unternehmerische Werben auf dem Markt meinend, derart vorzugehen.

    Letztlich darf sich immer gefragt werden, ob die Gewinnung von Daten der Erkenntnis, also den Bedürfnissen der Wissenschaft oder “Wahrheit” gedient hat oder eher einer politischer Veranstaltung dienlich war.

    Sehr nett natürlich das hier :
    MFG, Web-🐻

  18. @Stephan Schleim: Ich denke, wir sind inhaltlich nicht soweit voneinander entfernt, was den Umgang mit Daten angeht. Um bei Ihrem Beispiel mit den Nonnen zu bleiben: Die dabei erhobenen Daten liefern Aussagen zur Häufigkeit von Herzinfarkt und Prostatakrebs unter Nonnen, nicht mehr und nicht weniger. Dafür sind die Daten (mal solide wissenschaftliche Arbeit vorausgesetzt) korrekt. Wenn jetzt aus diesen Daten auf die Häufigkeit genannter Krankheiten in der Allgemeinheit geschlossen wird, dann werden diese Daten einfach nicht korrekt interpretiert, Sie nannten völlig richtig das Problem der falschen Stichprobe. Genau so verhält es sich mit dem Beispiel der Ecstasy-Patienten.
    Zugegebenermaßen ist die Definition dessen, was ich eigentlich messe in den Naturwissenschaften meist einfacher und klarer als in Wissenschaften, deren Messungen auf Befragung von Menschen beruhen.

  19. Zugegebenermaßen ist die Definition dessen, was ich eigentlich messe in den Naturwissenschaften meist einfacher und klarer als in Wissenschaften, deren Messungen auf Befragung von Menschen beruhen.

    In etwa so.

    Zu beachten bleibt, dass immer Menschen oder Erkenntnissubjekte messen, Instrumente oder Messapparate meinend und immer, auch in der Naturlehre, ausschnittsartig, näherungsweise und an Interessen (!) gebunden, gemessen wird, einer bestimmten Mess-Theorie folgend, die wiederum ausschnittsartig, näherungsweise und an Interessen (!) gebunden ist, den Versuch meinend bestimmte naturwissenschaftliche Theorie zu prüfen.

    Der Veranstaltungscharakter i.p. Gewinnung von Erkenntnis bleibt zentral, Erkenntnis wird am besten oder notwendigerweise in “n:m”-Beziehungen zwischen erkennendem Subjekt und Gegenstand verwaltet.

    MFG + schönes Wochenende schon einmal,
    Dr. Webbaer

  20. @Dr. Webbaer

    Letztlich darf sich immer gefragt werden, ob die Gewinnung von Daten der Erkenntnis, also den Bedürfnissen der Wissenschaft oder “Wahrheit” gedient hat oder eher einer politischer Veranstaltung dienlich war.

    “Cui bono?” ist nicht nur in Krimis, sondern auch bei wissenschaftlichen Veröffentlichen eine nicht zu vernachlässigende Frage. Dabei ist es ja häufig so, dass uns wissenschaftliche Veröffentlichungen nicht direkt erreichen, sondern meint in der Interpretation durch Journalisten, Reporter oder gar Politiker. Dann wird es noch wichtiger, sich diese Frage zu stellen.
    Es ist ja allgemein so, dass die schon die Fragestellung/Aufgabenstellung einer Studie die Ergebnisse beeinflusst, da unterschiedliche Erwartungshaltungen einen Einfluss auf das Ergebnis haben.

  21. Der Webbaer ist kein Naturwissenschaftler, sieht sich beim hiesigen werten Inhaltegeber abär in guten Händen, und klar, wie heißt es so schön badisch :
    Wer frägt, führt.

  22. @JoeSachse Kategorisierung & Interpretation

    Schön, dass wir darüber diskutieren können und sich unsere Standpunkte einander annähern.

    Nur würde ich eben nicht alles unter “Interpretation” abhandeln. Das komplementäre Wort ist “Kategorisierung” oder “Klassifikation”, was ich vorher mit “Definition” beschrieb.

    Der Erhebung von Daten geht schon eine Kategorisierung, abstrakt gesagt eine Auswahl, voraus; nämlich dessen, was und wie gesammelt wird, also was zum lat. datum = Gegebenen wird. Eigentlich hat man es sich ja genommen (lat. rapere, siehe auch unser Wort rauben).

    Korrekt ist dann die Reihenfolge: Kategorisierung -> Datenerhebung -> Auswertung -> Interpretation. Dann sieht man, dass auch die Interpretation von der Kategorisierung abhängig ist.

  23. Stefan Schleim
    zuerst einmal zu den Ganztagesschulen. Dieser Begriff ist nicht genau definiert und besagt nur , dass die Schüler nicht nur am Vormittag , sondern auch nachmittags betreut werden. Ich sage bewusst betreut, weil das Ganztagesangebot eben von Schule zu Schule variert. Die eine Schule macht nachmittags regulären Unterricht, wobei hierbei den musischen Fächern der Vorrang eingeräumt wird. Die andere Schule bietet nachmittags AG’s an oder nur Sport, je nachdem welche Lehrer zur Verfügung stehen. Dazu muss man wissen, dass nicht alle Schüler das Mittagessensangebot der Schule nützen, weil die Gemeinden das nicht bezahlen. Diese Schüler gehen über die Mittagszeit nach Hause zum Essen.
    Also für die Eltern ist nur wichtig, dass die Kinder erst um 16 Uhr nach Hause kommen. Wer jetzt denkt, dass ein Schüler mit Ganztagesunterricht mehr weiß und bessere Noten nach Hause bringt der irrt .
    Die Ganztagesschule war eine politisch gewollte Entscheidung, um den linkspolitisch regierten Bundesländern den Wind aus den Segeln zu nehmen.
    Grundsätzlich ist die Ganztagesschule keine bessere Lösung als die Halbtagesschule. Als Ex- Lehrer mit 20 Jahren Erfahrung in Halbtagesschulen und 20 Jahren in Ganztagesschulen kann ich das beurteilen.

    Was hat das jetzt mit der OECD zu tun?
    Deren ursprüngliches Ziel war es die Bedingungen für wirtschaftliches Wachstum in den Entwicklungsländern zu verbessern. Also hat man jetzt die Schulbildung als Grundlage dafür entdeckt.
    Und neben den Inhalten geht es um die Schulorganistion. Und was braucht man dazu ? Geld und nochmal Geld für die Entwicklungsländer. Und wie bekommt man besonders viel Geld? Indem man ein Schulmodell hochstilisiert, das besonders viel Geld kostet, die Ganztagesschule. Man muss jetzt nur noch beweisen, das die Ganztagesschule der Halbtagesschule überlegen ist. Mit Hilfe der Statistik gehört das zu den Fingerübungen jedes Politikers.
    Für mich ist diese Situation ziemlich durchsichtig, weil es am Ende um Geld geht.

  24. @JoeSachse, hmann, alle: Präsentation in Berlin & Ganztagsschulen

    Ich habe jetzt die Pressemitteilung gefunden, die wohl der Präsentation in Berlin mehr oder weniger entsprechen dürfte.

    Die konkreten Empfehlungen “für eine gute Lernumgebung” sind, dass die Lehrer wenig fluktuieren sollen und die Schulleitung das Personal gut motivieren soll:

    Die Studienergebnisse geben Aufschluss über zwei Faktoren, die ein solch gutes Lernklima befördern können. Dies ist zum einen eine niedrige Lehrerfluktuation, durch die sich eine offene Kommunikation und vertrauensvolle Beziehungen entwickeln können. Zum anderen braucht es eine motivierende Schulleitung, der es gelingt, das Lehrerkollegium von einer gemeinsamen Mission zu überzeugen und auf strategische Ziele und Ergebnisse auszurichten.

    Letzteres hört sich für mich sehr nach Economy-Sprech an. Investitionen, um die Klassen zu verkleinern oder Computer anzuschaffen, würden sich hingegen nicht auszahlen. Und jetzt kommt der Punkt mit den Ganztagsangeboten:

    So zeigt die Studie insbesondere für Deutschland einen positiven Effekt von schulischen Aktivitäten jenseits des Unterrichts. Dies lässt darauf schließen, dass sich Investitionen in Ganztagsangebote positiv auf den Lernerfolg sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler auswirken.

    Wenn hier, wie die Kritik und auch der Methodenteil des Arbeitspapiers nahelegt, nicht berücksichtigt wurde, dass solche Angebote an Gymnasien häufiger sind, dann verfälscht das ganz klar die Aussage der Studie.

    Schön, dass wir das hier zusammen herausgearbeitet haben.

  25. Stellen nicht alle Rankings (Randordnungen) eine Konkurrenzsituation dar? Und führen solche Rankings nicht in der Bildung dazu, dass die Schüler, statt intrinsisch motiviert zu werden anhand der eigenen Interesse an den Inhalten, extrinsisch konditioniert werden und damit für das gesamte restliche Leben diesem Mechanismus unterworfen zu sein?

    Dies möchte ich hiermit untermauern:

    Rangordnungen als extreme Ausprägung des Konkurrenzprinzips: Zwei unterschiedliche Ränge sind gegeneinander als höherer und niedrigerer Rang bestimmt. Höherer und niedrigerer Rang bilden einen Gegensatz und setzten einander wechselseitig voraus. Jede höherrangige Qualität hat vor einer Qualität mit einem niedrigeren Rang einen Vorsprung von einer bestimmten Anzahl von Rängen, während die Qualität mit dem niedrigeren Rang einen Rückstand mit derselben Anzahl von Rängen auf die höherrangige Qualität aufweist. In beiden Fällen ist die Differenz durch eine natürliche Zahl mit identischem Zahlenwert bestimmt.
    Bsp: Ein Drittplatzierter hat gegenüber einem Achtplatzierten einen Vorsprung von fünf Rängen, der Achtplatzierte hingegen einen Rückstand von fünf Rängen auf den Drittplatzierten.
    -> Höherer und niedrigerer Rang sind die einander entgegengesetzen Besonderheiten zweier einzelner miteinander konkurrierender Qualitäten, während die Ranghöhe das allgemeine Kriterium des Vergleiches ihrer Besonderheiten darstellt.

    In der Rangordnung findet das Konkurrenzprinzip im Rahmen der Logik seine höchste und vorerst letzte Ausprägung, indem hier jede Einzelheit gegen jede andere Einzelheit gesetzt ist und gegenüber allen anderen Einzelheiten einen möglichst hohen Rang anstrebt. Dies ist nur durch eine wechselseitige Konkurrenz aller an der Bildung einer Rangordnung beteiligten Einzelheiten möglich. Die Rangordnung bzw. das ‘Ranking’ – im Sport ein probates Mittel zur Differenzierung der jeweiligen Leistungsstärke unterschiedlicher Einzelkämpfer oder Mannschaften – ist die antisozialste aller logischen Formen, da sie zum ‘Kampf jeder gegen jeden’ nötigt: Ein Konkurrent kann nur dann einen höheren Rang als ein Mitkonkurrent erzielen, wenn er diesen auf einen niedrigeren Rang verweist. Jeder, der einen möglichst hohen Rang anstrebt, strebt zugleich niedrigere Ränge aller seiner Mitkonkurrenten an, was zweifellos den Inbegriff einer antisozialen Zielsetzung darstellt. Darauf folgt auch, dass ein Kontrahent nicht nur dann einen höheren Rang erreichen wird, wenn er selber seine Leistung verbessert, sondern auch dann, wenn es ihm gelingt, die Leistungsfähigkeit seiner Konkurrenten derartig zu schwächen, dass diese niedrigere Ränge als er selbst einnehmen. So kann sich das Prinzip des Strebens nach höheren Rängen ausgesprochen destruktiv auswirken, indem es die gezielte Schwächung der Konkurrenten nahelegt, um eine bessere Quantifizierung in Form eines höheren Ranges zu erreichen.
    – Ein naheliegendes Bsp. hierfür wären die PISA-Bildungsstudien, in welcher ein höherer Rang – und damit eine vermeintliche Verbesserung eines nationalen Bildungssystems – nur auf Kosten entsprechend niedrigerer Ränge von Mitkonkurrenten erzielt werden kann, an deren möglichst schwachen Rängen daher notwendigerweise ein ausgeprägtes Interesse bestehen muss. Die PISA-Studie postuliert daher – von vielen unbemerkt – ihrer Methode nach den Bildungskrieg aller beteiligten Länder. Dass der Vergleich unterschiedlicher Bildungssysteme primär auf dem Konkurrenzprinzip basiert, darf als eine Perversion des ursprünglichen Bildungsgedankens[…] aufgefasst werden. […]

    Extreme Veräußerlichung des Konkurrenzprinzips in der Rangordnung: Der Rang einer Qualität wird (wie wir gesehen haben) nicht durch ihre Intensität, sondern lediglich durch die relative Stärke ihres Umfeldes – d. h. der mit ihr verglichenen Qualitäten – bestimmt. Die konsequente Anwendung des Konkurrenzprinzips auf Qualitäten führt daher in eine totale Veräußerlichung: Wer seine eigenen Qualitäten lediglich an denjenigen seines Umfeldes bzw. seiner Mitkonkurrenten misst, kann niemals wissen, wo er für sich selber steht (und wer er selber ist), sondern lediglich, wie sich seine eigene Stärke relativ zur Stärke anderer ausnimmt. […] Selbstentfremdung und Antisozialität sind die beiden notwendigen Folgen der mit dem Konkurrenzprinzip verbundenen Veräußerlichung.
    Damit soll nicht behauptet werden, dass das Konkurrenzprinzip sich nicht leistungssteigernd auswirken kann: Die Stärke anderer kann Motivation sein, die eigene Leistung zu steigern, um die Stärke seiner Mitkonkurrenten noch zu übertreffen. […] Zu den Folgen des Konkurrenzprinzips zählen im übrigen nicht nur die erzielten Leistungsverbesserungen, sondern auch die Resignation derjenigen, die im Konkurrenzkampf nicht mehr mithalten können. […]Hier wirkt das Konkurrenzprinzips nicht etwa leistungsfördernd, sondern leistungsschwächend […].”

    Aus dem Buch “Ist Qualität messbar?” von Lars Grünewald.

  26. Stefan Schleim
    “PISA-Sonderauswertung zum Schulerfolg sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler: Durch ein geordnetes Lernumfeld können die sozial schwächsten zu den leistungsstärksten gehören”

    Das sind Binsenweisheiten, wenn man die Formulierungen liest. Einige Aspekte, die bis jetzt nicht explizit hervorgehoben wurden, möchte ich noch anfügen.
    Durch die Ganztagesschule mit dem erweiterten Angebot wird die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund verbessert. Das ist sehr wichtig im Hinblick auf die Innere Sicherheit.
    Das ist auch wichtig für alleinerziehende Mütter, die keine Möglichkeiten haben ihre Kinder “aufzubewahren”.
    Wenn man das aber mal familienpolitisch sieht, dann wird die Erziehung von der Familie in die Hände des Staates gelegt. Ob das so wünschenswert ist?
    Also, nicht nur generelle Ablehnung von mir, diese positiven Aspekte schienen mir wichtig.

  27. @Web🐻

    Wirtschaft & Politik

    Die (Un)Wahrheit dieser Realität ist: Alles / das Leben und … dient vorrangig dem Geschäfts(Un)Sinn – So, also konkret ohne konsequente Benennung eines anderen / menschenwürdigeren / UNKORRUMPIERBAREN Weges zu einer möglichst zweifelsfrei eindeutig-wahrhaftigen Wirklichkeit, ist alles nur Populismus / Surfen auf dem Zeitgeist / Finger in die logischen Wunden des einzig verachtenswerten Systems “Zusammenzuleben”!? 😎

  28. @ Kommentatorenkollege ‘hto’ :

    Dr. Webbaer ist tatsächlich in der Lage, halbwegs, sich in Sie hineinzudenken.
    Will hier freundlicherweise einige Aussagen sozusagen hervorstoßen (ein Langzeit-Training bleibt unbeabsichtigt) :
    1.) Das Geschäft meint das Schaffen, auch oder gerade die soziale Interaktion.
    2.) Was dem einen unsinnig erscheint, erscheint dem anderen nicht so.
    3.) Weil Sie hier nicht als Misanthrop bekannt sind, sondern sich i.p. “Christlichem Sozialismus” auszuweisen wussten, an anderer Stelle, können Sie ja eigentlich kein Misanthrop sein, vgl. mit Ihrem ‘ des einzig verachtenswerten Systems “Zusammenzuleben”!? ‘
    4.) Das mit der ‘Unkorrumpierbarkeit’ ist hier gut angekommen, der Philosoph ist bekanntlich (idealerweise) immer auch Idiot (“Privatmensch”, “Privatier” sozusagen).
    5.) Wir sind alle nur “kleine Lichter”, der eine mag ein wenig besser sein als der andere, aber der Veranstaltungscharakter der Suche nach Erkenntnis bleibt klar.
    6.) Irgendwo stand da wohl weiter oben auch etwas i.p. Logik, was allerdings hier nicht so-o gut klang.

    MFG + schönes Wochenende,
    Dr. Webbaer

  29. @Web🐻

    Nur zu 5.):
    Kleine Leute / kleine Lichter, Bezeichnungen / systemrationale Reduzierungen dieser (Un)Art mag ich schon seit Kindertagen nicht – Wir sind alle im SELBEN Maße “durchströmt” vom Geist der “Gott” ist / der uns Licht / die Möglichkeit zu befriedend-fusionierender Weisheit gibt, was wir aber in SCHEINBAR unfassbarer Dummheit gegenseitig klein und stets nur “individualbewusst” in den schwachsinnigen Grenzen des Systems halten!?

  30. @hinrchirurg: Psychologie der Ranglisten

    Wie Sie es selbst sagen: Durch Ranglisten entsteht eine Konkurrenzsituation.

    Stellen Sie sich vor, für Ihr Fachgebiet würde jemand eine Rangliste erstellen, also eine Liste, wie gut die Hirnchirurgen der verschiedenen Länder sind. Und das würde jetzt in den Medien breit diskutiert, da Deutschland nur in der unteren Hälfte auftaucht, genauso wie damals bei PISA.

    Jetzt können wir einen Schritt weiter gehen: Die Rangliste gibt es nicht nur für Deutschland, sondern für die verschiedenen Kliniken innerhalb des Landes. Gesundheitspolitiker und -Ökonomen diskutieren die großen Unterschiede.

    Spüren Sie schon einen Druck, wenn Sie sich dieses Beispiel vorstellen? Doch wir sind noch nicht am Ende.

    Jetzt gibt es nämlich so eine Rangliste innerhalb Ihrer Klinik – und die hängt in der Mensa am Schwarzen Brett, wo 90% der Belegschaft tagtäglich vorbeigehen. Und Ihr Name steht leider nicht weit oben.

    Es handelt sich bei diesem “Instrument” um nichts anderes als eine umgekehrte Version des mittelalterlichen Prangers; es ist eine Methode, um Menschen unter Druck zu setzen, damit sie noch härter arbeiten. Es ist eine Disziplinierungsmaßnahme, die pseudowissenschaftlich daherkommt.

    Das Schlimmste ist aber an dem Ganzen, dass derjenige, der die Rangliste erstellt hat, höchstwahrscheinlich kein Hirnchirurg war, sondern ein BWLer mit Aufbaukurs Medizin. So geht das heute: Die Zähler, die uns einreden, dass alles zählbar (und damit auch vergleichbar) sein muss, verstehen vielleicht etwas vom Zählen – doch nichts von dem, was sie eigentlich zählen.

  31. Das “gesunde” Konkurrenzdenken des nun “freiheitlichen” Wettbewerb um … – Druck für die unverarbeitete und somit leicht manipulierbare Bewusstseinsschwäche in Angst, Gewalt und “Individualbewusstsein” 😎

  32. Das Schlimmste ist aber an dem Ganzen, dass derjenige, der die Rangliste erstellt hat, höchstwahrscheinlich kein Hirnchirurg war, sondern ein BWLer mit Aufbaukurs Medizin.

    Na! (als Ablehnungslaut gemeint und kurz gesprochen).
    Nichts gegen Wirtschaftswissenschaftler, nichts gegen Konkurrenz, abär etwas gegen Projektion, wie Ersatzhandlung.

    So geht das heute: Die Zähler, die uns einreden, dass alles zählbar (und damit auch vergleichbar) sein muss, verstehen vielleicht etwas vom Zählen – doch nichts von dem, was sie eigentlich zählen.

    Sondern von Management, Opi W erlaubt sich an dieser Stelle, auch wenn Sie schon irgendwie recht haben, werter Herr Dr. Schleim, wie folgt zu zitieren :

    1.) -> ‘what you cannot measure you cannot manage’ (Quelle : unbekannt)

    2.) -> ‘Measure what is measurable, and make measurable what is not so.’ (wohl von Galilei, auch wenn einige meinen, dass nicht)

    MFG + schönes Wochenende noch,
    Dr. Webbaer

  33. @hmann: Innenpolitisches

    Herzlichen Dank noch einmal, dass Sie Ihre Erfahrungen hier mit uns teilen.

    Ich würde allgemeiner Formulieren, dass jeder Schulabbruch ein Verlust für die Gesellschaft ist, ganz unabhängig von Hautfarbe und Migrationshintergrund; und aus solchen Verlusten können unter Umständen Risiken entstehen, ja.

    Wenn man das aber mal familienpolitisch sieht, dann wird die Erziehung von der Familie in die Hände des Staates gelegt. Ob das so wünschenswert ist?

    In den kommunistischen Regimen gab es ja solche Versuche; in Huxleys Schöner neuen Welt ist die Erziehung auch in staatliche Hände “outgesourced”.

    Ich glaube nicht, dass man hierüber eine allgemeine Aussage treffen kann. In manchen Familien wäre das sinnvoll; in anderen dramatisch. Leider passiert es auch, dass Kinder, die auf rechtlichem Wege, etwa wegen Missbrauchs, aus einer Familie geholt werden, in einer neuen Umgebung ähnlich oder vielleicht sogar noch mehr missbraucht werden. Gute Familien kann man nicht aus dem Ärmel schütteln; und Schulen können nicht alle Erziehungsprobleme lösen.

    Vielleicht wäre ein Familien-Clan, in dem viele Erwachsene gemeinsam viele Kinder ziehen, eine gute Alternative; wenn ich richtig informiert bin, dann war das auch der natürliche Zustand der Menschheit und nicht das Mann-Frau-Kind-Modell. Denken Sie an so etwas wie einen Kibbutz. Das sollte man mal den konservativen Politikern aufs Brot schmieren, die gegen Veränderung sind.

  34. […] der natürliche Zustand der Menschheit und nicht das Mann-Frau-Kind-Modell.

    Sie haben, werter Herr Dr. Schleim, womöglich nicht verstanden, dass die zivilisierte Menschheit genau von der Verteilung einer Dame auf einen Herrn lebt.
    Auch um Verteilungskämpfen, es will ja gelebt werden, bestmöglich vorzubeugen.
    Es gibt zudem anderes tradierte Kooperationsverhalten, anthropologisch durchaus beschreibbar.
    Die womöglich ebenfalls nicht verstanden worden sind.

    MFG
    Dr. Webbaer (der sich nun langsam auszuklinken gedenkt, danke!, es war wieder schön, “Fressie” wartet)

  35. @Stephan Schleim

    Ein Aspekt wurde nicht angesprochen, der für mich entscheidend war (und ist), die Einführung der Ganztagsschule abzulehnen: die Möglichkeit, Kinder und Jugendliche zu indoktrinieren und zu manipulieren. Da ich zur Generation gehöre, die noch mitbekommen hat, wie dieses Ganztagsschulen-Modell inklusive der Kurse an Nachmittagen in der DDR funktionierte, habe ich dafür plädiert, dass Eltern zumindest an den Nachmittagen und den Wochenenden die Gelegenheit haben, solchen “Bemühungen” entgegenzuwirken. Meine KInder sind zwar in der Bundesrepublik und in verschiedenen Bundesländern zur Schule gegangen, aber es hat auch bei uns nicht an solchen Versuchen gefehlt.
    Sie schreiben:

    Die grundlegende Frage, wieso eine Wirtschaftsinstitution wie die OECD sich auf einmal dazu berufen fühlte, Bildungsreformen anzustoßen,

    Diese Frage haben wir, in meinem Freundeskreis, uns ebenfalls gestellt und sind uns darin einig, dass ein nicht unwesentliches Motiv die Intention sein könnte, die neoliberalistische Idee der politischen Korrektheit bereits in den Schulen zu vermitteln, ohne dass es unmittelbar auffällt. Und daran und am Machterhalt kann eine Wirtschaftsinstitution – als Teil einer der vier Machteliten – ein starkes Interesse haben, der gewährleistet ist, wenn nachfolgende Generationen diese Idee mittragen. Ich erinnere mich an ein Interview mit Katharina Witt, die damals sehr kritisiert wurde für ihre Bemerkung, wie dankbar sie dem Bildungssystem der DDR gewesen sei, das nicht nur viel für sie, sondern für Kinder und Jugendliche überhaupt getan habe.
    Und glauben Sie bitte nicht, das könne bei uns nicht vorkommen: in den letzten Jahren sind mehrfach Schulen und Schüler für ihr politsch korrektes Engagement geehrt und belobigt worden.
    Da Sie den Film “Die Welle” angesprochen haben, dürfte auch klar sein, dass Schüler, die sich da ausnehmen, sehr schnell ins Abseits geraten.

    und welche Interessenkonflikte dabei vielleicht eine Rolle spielen könnten, ist kaum diskutiert worden.

    Das spricht doch eigentlich für den erwähnten Aspekt – es soll ja auch niemand merken, was dahinter steckt. Falls Sie sie nicht kennen, lesen die Vorträge – bzw. hören Sie sie sich auf Youtube an – Ihres Kollege Rainer Mausfeld zur Angst der Machteliten vor dem Volk .

    Politisch in sich hat es aber das Verständnis der OECD von Ganztagsschulen. Dafür wurde dem Bericht nach schlicht erhoben, ob Schulen nachmittags auch Aktivitäten wie Theater oder soziales Engagement anbieten, nicht unbedingt Schulunterricht

    Unabhängig von den von Ihnen genannten Argumenten, die das Bild verzerren bzw. verfälschen, sind es auch immer solche Angebote, die dazu beitragen, das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken und mitreden zu können, und die verhindern, dass man sie hinterfragt.

  36. @Webbär: Frau & Mann

    Sie haben, werter Herr Dr. Schleim, womöglich nicht verstanden, dass die zivilisierte Menschheit genau von der Verteilung einer Dame auf einen Herrn lebt.

    Sie haben Recht. Jetzt wo Sie’s sagen. Wir leben wirklich in einer friedlichen, zivilisierten Gesellschaft ohne Verteilungs- und Konkurrenzkämpfe. Es lebe die Ehe!

  37. @Trice: Indoktrination

    Aber es ist doch interessant, dass selbst die Nazis, die das Bildungssystem nach ihren Blut-und-Boden-Vorstellungen umformten und dabei wirklich freie Hand hatten, den Widerstand im Inneren nicht vollständig brechen konnten. Wenn man die mitzählt, die schlicht von der Angst terrorisiert waren, würde es mich nicht wundern, wenn die Mehrheit zumindest in ihren Köpfen gegen die Diktatur gewesen wäre. Das zu äußern war allerdings lebensgefährlich (Spitzel, Geheime Staatspolizei, Konzentrationslager, Heimtückegesetz, mitunter Todesstrafe für “Wehrkraftszersetzung”). Nur einmal ein Beispiel für den Lehrstoff: Grundschulkinder mussten damals Reiters Morgenlied singen. Was denken Sie als Pädagogin, macht es mit Kindern, wenn sie lernen, den Heldentod zu verherrlichen?

    …die Intention sein könnte, die neoliberalistische Idee der politischen Korrektheit bereits in den Schulen zu vermitteln, ohne dass es unmittelbar auffällt.

    Mir wurde in den 1990ern auch eingetrichtert, dass lebenslanges Lernen eine Selbstverständlichkeit ist. Das hat von uns Schülern damals, wir waren ja alle am Lernen und kannten es nicht anders, niemand hinterfragt.

    Ich bin noch nicht einmal gegen die Aussage – die Frage ist nur, wer die Lerninhalte festlegt; und mit welchem Ziel.

    Ich verrate Ihnen im Vorgriff auf einen Text, der möglicherweise eines Tages das Licht der Welt erblickt, eine Anekdote:

    In Artikel 1.3, Absatz 5 des niederländischen Gesetzes für die höhere Bildung (gemeint ist: Fachhochschule und Universitäten) steht, dass diese Bildungseinrichtungen die persönliche Entwicklung und das gesellschaftliche Verantwortungsbewusstsein der Studierenden berücksichtigen müssen. Ich vermute, dass nicht einmal eine Handvoll meiner Kollegen das überhaupt wissen.

    Die Pointe kommt aber noch: Diese oder eine ähnliche Formulierung findet sich seit 1806 in den niederländischen Gesetzen über die Bildung. Früher verstand man darunter natürlich die Erziehung zu einem guten Christen. Als das Gesetz 2006 geändert wurde, verschob man die damals gültige Formulierung nur um einen Absatz. Im Begründungstext steht als Erläuterung für diesen Passus:

    Die Studenten müssen die Möglichkeit bekommen, sich derart zu entwickeln, dass sie nach dem Abschließen ihrer Ausbildung fertig für den Arbeitsmarkt sind. (De studenten moeten de mogelijkheid krijgen zich zodanig te ontwikkelen dat zij na het afronden van hun opleiding klaar zijn voor de arbeidsmarkt.) (Memorie van toelichting d.d. 8 juni 2006, blz. 315)

    Ich könnte mich vor lachen auf dem Boden rollen, wenn es nicht auch so traurig wäre, dass hier persönliche Entwicklung und gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein auf die Arbeitsfähigkeit reduziert wäre; aber ja, so denken unsere Politiker heutzutage leider.

    (Nebenbei bemerkt ist dieses Verständnis auch widersprüchlich, denn ein paar Absätze vorher steht ausdrücklich im Gesetz, dass Universitäten wissenschaftliche Bildung und nur die Fachhochschulen [niederl. hogescholen] ein berufsqualifizierendes Studium anbieten.)

  38. Stefan Schleim
    Ihre Aussagen sind differenziert und umschreiben die Problematik sehr gut.
    Was zum Sitzenbleiben zu sagen ist.
    Geht man pragmatisch an dieses Problem oder moralisch?
    Meine persönliche Meinung: Vorneweg, Sitzenbleiben ist die schlechteste Lösung, man darf sie aber nicht kategorisch ausschließen, wenn Schule “glaubhaft” bleiben soll.
    Für Kinder ist das Sitzenbleichen psychologisch eine Katastrophe für den Lehrer ist sie eine Niederlage.
    Es gibt aber nun Kinder, die wollen ihre Eltern bestrafen, indem sie die Leistung verweigern. Wenn man so einen Fall konstatiert, dann bleibt immer eine Möglichkeit die Gesamtnote so zu verändern um die Versetzungsordnung zu erfüllen. Meistens erledigt sich so ein Problem im nächsten Schuljahr von selbst.
    Liegen schwerwiegende Gründe vor, Krankheit z.B. die nicht vom Kinde zu verteten sind, bietet die Versetzungsordnung die Möglichkeit auf Probe zu versetzen.
    Bei Abschlussklassen, und wenn der Schüler reif genug ist, dann ist eine korrekte Beurteilung angebracht. Dann sollte bei fehlendem Wissen eine Wiederholung sinnvoll sein, sonst wird der Schulabschluss unglaubwürdig. Diesen Zustand haben wir gerade in BW, wo die Firmen nicht mehr nur auf die Zeugnisnoten schauen, sondern die Schüler eine Aufnahmeprüfung machen lassen.

  39. @hmann: Sitzenbleiben

    Wenn ich mir das G8 anschaue und dann den B3 (dreijährigen Bachelor), gefolgt vielleicht von nur einem M1 (einjährigem Master), dann wünsche ich den Studierenden von heute eine “Ehrenrunde”. Natürlich würde ich das niemals offiziell als Universitätsdozent so sagen.

    Ich habe im mittleren Teil die Schule gehasst, am Ende aber geliebt und heute vermisse ich sie manchmal. Für mich war das Sitzenbleiben keine Schande, sondern eine Befreiung, ein Neuanfang. Ich bin auch persönlich in die Schule gegangen, mir dieses Zeugnis abzuholen, obwohl die Direktorin brieflich nahegelegt hatte, an diesem Tag zuhause zu bleiben.

    Aber ich kann hier natürlich nur für mich selbst sprechen. Dennoch halte ich die Bemühungen, das Sitzenbleiben abzuschaffen, wobei gerne auf angebliche Kosten und Nutzlosigkeit abgehoben wird, also oberflächlich ökonomisch argumentiert wird, für grundfalsch und gefährlich.

  40. Herr Dr. Schleim, von Ehe stand weiter oben nichts, Herr und Dame dürfen auch mal wechselseitig austauschen, am besten im funktionalen Sinne den biologischen Bestandserhalt meinend, die Institution Ehe war nicht gemeint, sondern die Monogamie.
    Herr Dr. Blume, Ihr hiesiger Nachbar sozusagen, sieht’s ähnlich, es liegt eine zivilisatorische Errungenschaft vor, die bestimmten Konflikten sozusagen bestmöglich vorbeugt und andererseits der Zivilisation dadurch nützlich ist, dass die Erziehung von Kindern in sogenannten Familien (die durchaus auch ein wenig flexibel sein dürfen, in der Zusammensetzung) zumindest halbwegs gelingt, wie einige finden.
    (Ein Autoritäts-Argument ist durch diese Namensnennung hoffentlich nicht beigebracht worden. >:-> )

    Dafür gibt es natürlich einen Bonuspunkt : es wird tatsächlich in einer ‘friedlichen, zivilisierten Gesellschaft’ (Ihr Zitat) gelebt, an manchen Flecken dieses Planetens.
    Die von Ihnen genannten Kämpfe erfolgen streng ritualisiert sozusagen oder in einem Gesetzes-Rahmen wohl begleitet, zivilisiert.

    Wenn Sie mal anderswo hinschauen, wird’s vielleicht klarer, vgl. auch mit diesem Konzept :

    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Demokratischer_Frieden

    MFG + schönen Tag des Herrn noch,
    Dr. Webbaer

    PS :
    Sind wir eigentlich schon mal ein wenig gereist, in Länder, die dem Anthropologen das weiter oben Geschriebene noch deutlicher machen könnten?

  41. @Stephan Schleim: Indoktrination in der Schule

    Der gemeinnützige Verein LobbyControll hat ein Diskussionspapier erstellt. Darin wird beschrieben wie Unternehmen und Wirtschaftsverbände seit den 1990iger Jahren versuchen ihren Einfluss an Schulen auszubauen, indem sie Unterrichtsmaterialien bereitstellen, Schulwettbewerbe veranstalten oder Lehrer fortbilden. Der Pisa-Schock diente dabei als Einfallstor, da sich Unternehmer wie Schüler einem globalen Wettbewerb ausgesetzt sahen, der zu einem Paradigmenwechsel führte und die Schulen veranlasste sich immer mehr als Dienstleister der Wirtschaft zu begreifen. Näheres hier:
    https://www.lobbycontrol.de/wp-content/uploads/Lobbyismus_an_Schulen.pdf#pk_campaign=Schulstudie

  42. @Mona // Schulen als „Dienstleister der Wirtschaft“

    Nun ja, ohne „die Wirtschaft“ gäbe es nun mal keine Schulen und Hochschulen. In der Schule wachsen die Menschen heran, die „die Wirtschaft“ einmal mitgestalten werden. Entweder als „Big Boss“ oder als „ausgebeutete Arbeitskraft“. Werbung sollte außerhalb der Schulmauern bleiben, das sehe ich auch so, aber ein Schulfach ‚Wirtschaft‘ oder ‚Ökonomie‘ wäre sicherlich nicht schlecht für eine Gesellschaft wie die unsere.

    Schulen, Hochschulen und Universitäten sind so gesehen auch „Dienstleister“ für die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft.

  43. @Balanus

    Nun ja, ohne „die Wirtschaft“ gäbe es nun mal keine Schulen und Hochschulen.

    Schulen und Hochschulen werden normalerweise aus Steuermitteln finanziert. Früher wäre es deshalb unvorstellbar gewesen, dass Unternehmen in die Schulen gehen und dort Werbung machen. Es geht auch nicht um Fächer wie Wirtschaft und Ökonomie, sondern um den Zugriff auf unsere Kinder. Ein Beispiel: Als mein Sohn die zehnte Klasse Gymnasium besuchte wurden die Schüler mit Billigung der Schulleitung von einer großen Krankenkasse zu einem Assessment Workshop eingeladen. Das Ganze fand auf Kosten der regulären Fächer an einem normalen Schultag statt und sollte der Weiterbildung dienen. Nachdem alle Schüler einen vorgefertigten Personalbogen mit sämtlichen Daten ausgefüllt hatten tat sich kaum noch etwas. Mitarbeiter der Krankenkasse riefen die Schüler in den nächsten Wochen jedoch ständig an, um herauszubekommen wer eine Lehre anfangen wollte und sich dann selbst versichern musste. Der Familie einer Freundin statteten sie sogar einen unangemeldeten Besuch ab und nahmen die Tochter regelrecht in die Mangel. Meine Freundin musste mit der Polizei drohen, um in Ruhe gelassen zu werden.

  44. Mona
    Schule und Wirtschaft
    Wirtschaftsverbände stellen kostenlos Unterrichtsmaterialien zur Verfügung, die gut strukturiert zu den Lehrplänen passen. Es liegt im Ermessensbereich des Lehrers das zu nutzen.
    Daran sehe ich nichts Verwerfliches, wenn es unseren Volksvertretern selbst erlaubt ist Aufsichtsratsposten in der Privatwirtschaft anzunehmen.
    Sachnähe ist wichtig.
    Andererseits ist das eine bedenkliche Entwicklung, weil eben Missbrauch nicht auszuschließen ist.
    Mt diesem Zwiespalt müssen wir leben und man kann gut leben, wenn man den Mechanismus durchschaut.

  45. @Balanus: Ursprung der Schulen

    Nun ja, ohne „die Wirtschaft“ gäbe es nun mal keine Schulen und Hochschulen.

    Das ist historisch falsch. Die ersten Schulen sind älter als unsere Wirtschaftsordnung. Die erste Universität Europas (Bologna) und viele weitere nach ihr waren Gründungen der Kirchen. Zugegeben, das waren recht elitäre Bildungseinrichtungen für einen ausgewählten Kreis, in denen es aber um andere Dinge als wirtschaftliche Verwertbarkeit ging.

    Korrekt ist, dass im Zuge der Industrialisierung öffentliche Schulen eingerichtet wurden, eben um über hinreichend qualifizierte Arbeitskräfte zu verfügen. Dieses Bild prägt das System bis heute.

    Aus humanistischer Sicht geht es aber darum, den Menschen dazu zu befähigen, sein eigenes Leben zu entfalten und zu bestimmen (Autonomie). Aus demokratisch-rechtsstaatlicher Sicht geht es auch um politische Bildung und gesellschaftliches Verantwortungsgefühl.

    Das heutige Schulsystem in der Bundesrepublik Deutschland und vielen anderen Länder ist sozial ungerecht und dient vor allem den gebildeteren und wohlhabenderen Schichten. Das kann, ja muss man kritisieren, unabhängig von der Geschichte des Bildungswesens.

  46. @Mona, hmann: finanzielle Abhängigkeit

    Es ist aber doch so, dass die Bildungseinrichtungen durch politisches Handeln unter finanziellen Druck geraten (sinkende Budgets bei steigenden Anforderungen), sodass das Tagesgeschäft eigentlich nicht mehr hinreichend finanzierbar ist. Unter Bedingungen dieses künstlich erzeugten Defizits bieten sich dann Unternehmen oder andere Investoren als Retter an.

    Welche Verzerrungen das in Wissenschaft und Medizin (denken wir an psychopharmakologische Forschung) erzeugt, wurde hier und an anderen Orten bereits beschrieben.

    Bildung ist eine der wichtigsten öffentlichen Aufgaben eines sozialen und demokratischen Rechtsstaats. Bei allen anderen Investoren und Parteien muss man aufpassen, welche Interessenkonflikte es gibt. (Und natürlich sind auch die öffentlichen Lehrpläne dementsprechend zu prüfen.)

  47. Entscheidungen auf ‘hoher’ Ebene werden in der Regel auf Grundlage der Spieltheorie getroffen. Der Nutzen spielt eine gehörige Rolle. Neben der normativen Spieltheorie,die eher dem Egoismus näher steht,entwickelt sich die kooperative Spieltheorie,die versucht,Altruismus aufzunehmen. Nutzen ist dennoch in beiden Strängen das Kernaxiom. Pisa orientiert sich am Axiom. An anderer Stelle wurde schon mal die Allukationsfunktion angesprochen. Bildung und Wissen ist der Flaschenhals im jetzigen System. Es stellt sich eher die Frage,gerade für die Wissenschaft,welches Axiom wir akzeptieren. Ist es tatsächlich der allgemein ‘allgemein verstandene Nutzen’für die/eine Gesellschaft oder ist die Spieltheorie,gerade die kooperative,zu erweitern um das Maß der jeglichen individuellen Würde/Freiheitauf einer Knappen Erde? Dessen Mass an Distinktion qua Realität schon ist und begrenzt ist?

  48. Ich denke, man sollte zwei Dinge auseinanderhalten: Falsche Schlussfolgerungen aufgrund von Studienergebnissen einerseits und die Bewertung bzw. „Bewerbung“ diverser Schulformen und Bildungsziele anderseits.

    Der Bildungsforscher Eckhard Klieme kritisiert die „überzogenen“ Schlüsse, die aus der Resilienz-Studie gezogen werden, insbesondere mit Blick auf deutsche Verhältnisse. Da rächt es sich offenbar, dass bei der Datenerfassung die Selektion deutscher Schüler nach der der Grundschule nicht berücksichtigt wurde.

    Die Frage ist, ob Andreas Schleicher das einfach nur übersehen hat, was schlimm genug wäre, oder ob er wissentlich die Fakten ignoriert und seine Reputation aufs Spiel setzt, um seine schul- und bildungspolitischen Überzeugungen unters Volk zu bringen.

    Vielleicht reagiert er ja noch auf Eckhard Klieme, so ganz unbedeutend ist letzterer ja wohl nicht.

    Unabhängig davon gibt es laut Klieme aber „viele gute Gründe, eine breitere “soziale Mischung” in den Schulen herzustellen, Ganztagsschulen einzurichten und am Schulklima zu arbeiten“. Im Ziel scheinen sich Eckhard Klieme und Andreas Schleicher also einig zu sein.

  49. @Stephan Schleim: Ihre Bezeichnung “Disziplinierungsmaßnahme” trifft den Sachverhalt auch ganz gut. Vielen Dank für die Ergänzung.

  50. @Mona // Steuermittel

    »Schulen und Hochschulen werden normalerweise aus Steuermitteln finanziert. «

    Darauf wollte ich hinaus. Diese Steuermittel müssen schließlich erst mal erwirtschaftet werden. Jeder Steuerzahler, also auch der Beschäftigte eines Unternehmens, trägt somit dazu bei, dass es Schulen und Hochschulen geben kann.

    Zu dem von Ihnen geschilderten Fall: Auch die Mitarbeiter des Versicherungsunternehmens, die die Kinder für ihre Zwecke „missbraucht“ haben, müssen schauen, dass ihr Unternehmen floriert, damit sie ein Einkommen haben und Steuern zahlen können, womit dann u. a. auch die Schulen und Hochschulen finanziert werden.

    Der Zweck heiligt aber nicht immer die Mittel, ich denke, da sind wir uns einig.

  51. @Stephan Schleim: Indoktrination

    Aber es ist doch interessant, dass selbst die Nazis, die das Bildungssystem nach ihren Blut-und-Boden-Vorstellungen umformten und dabei wirklich freie Hand hatten, den Widerstand im Inneren nicht vollständig brechen konnten. Wenn man die mitzählt, die schlicht von der Angst terrorisiert waren, würde es mich nicht wundern, wenn die Mehrheit zumindest in ihren Köpfen gegen die Diktatur gewesen wäre.

    Jetzt hatte ich zu Mausfelds Vortrag eigentlich deshalb verlinkt, um eben diesen Unterschied deutlich zu machen: es ist etwas völlig anderes, ob man in einer Diktatur ein Bildungssystem nach den eigenen Vorstellungen umformt und dabei Druck aufbaut, Angst erzeugt und damit klar macht, dass es hierbei nicht um das Interesse am Kind geht, oder ob man subtil so vorgeht, dass man sogar die Zustimmung der Menschen erhält, denen gar nicht klar ist, womit sie sich einverstanden erklären und was sie da eigentlich vertreten.
    Es gibt in jedem System Gegner, auch und gerade in einer Diktatur. Der Trick ist, die Menschen davon zu überzeugen, dass sie wollen, was sie wollen sollen und dies in ihrem Interesse liegt, auch wenn das nicht der Fall ist.
    Ich weiß nicht, ob Sie sich einmal mit Dörners Studien zum komplexen Problemlösen beschäftigt haben. Für Dörner ging es dabei um die Frage, wie menschliches Denken funktioniert, und das wesentliche seiner Ergebnisse war die Erkenntnis, dass die Menschen erst mit den katastrophalen Folgen und Konsequenzen von Entscheidungen konfrontiert sein müssen, Entscheidungen, die sie vor Jahren getroffen haben, um sie begreifen, dass sie Fehler gemacht haben. Sagt man es ihnen, bevor die Folgen eintreten, glauben sie es nicht. So, wie sie es auch jetzt nicht glauben, dass daraufhin gearbeitet wird, das Schulsytem zum Zweck der Indoktrination umzumodeln.

    Was denken Sie als Pädagogin, macht es mit Kindern, wenn sie lernen, den Heldentod zu verherrlichen?

    Dazu müsste ich den Kontext kennen, in dem das geschieht. Sehen Sie, ich kenne rund 400 Volkslieder, einige davon handeln von Krieg, vom Tod, einige von der Liebe, usw. die meisten habe ich in meiner Kindheit gelernt, wir haben sie gesungen, ohne uns dabei etwas zu denken oder darüber nachzudenken. Es war etwas, mit dem wir keinerlei Erfahrung hatten. Auch wenn ich es rückblickend nicht mehr gut finde, was darin zum Ausdruck kam, es ist ein Stück unserer Geschichte und ich würde es als Verlust empfinden, diese Lieder nicht gelernt zu haben, da ich mich später mit ihnen ihrem Inhalt und dem leben, dem menschsein beschäftigt habe – anders vermutlich, als wenn ich sie nicht gekannt hätte.

    Die Studenten müssen die Möglichkeit bekommen, sich derart zu entwickeln, dass sie nach dem Abschließen ihrer Ausbildung fertig für den Arbeitsmarkt sind.

    Was überrascht Sie daran? Ist das nicht der Sinn einer Ausbildung, fertig für den Arbeitsmarkt zu sein? Was hilft es den Studenten, wenn sie kompetenzlos ins Arbeitsleben eintreten?

    Ich könnte mich vor lachen auf dem Boden rollen, wenn es nicht auch so traurig wäre, dass hier persönliche Entwicklung und gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein auf die Arbeitsfähigkeit reduziert wäre; aber ja, so denken unsere Politiker heutzutage leider.

    Ich finde es viel bedenklicher, wenn Politiker so denken, dass auch die persönliche Entwicklung in eine ideologiekonforme Richtung gelenkt und Verantwortungsbewusstsein umgedeutet und falsch etikettiert werden soll.

  52. Nachtrag: Zu schnell abgeschickt, deshalb hat es mit dem Zitieren nicht geklappt. so herum ist es richtig:

    Ich könnte mich vor lachen auf dem Boden rollen, wenn es nicht auch so traurig wäre, dass hier persönliche Entwicklung und gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein auf die Arbeitsfähigkeit reduziert wäre; aber ja, so denken unsere Politiker heutzutage leider.

    Ich finde es viel bedenklicher, wenn Politiker so denken, dass auch die persönliche Entwicklung in eine ideologiekonforme Richtung gelenkt und Verantwortungsbewusstsein umgedeutet und falsch etikettiert werden soll.

  53. @Trice: Indoktrination

    Danke nochmal für den Hinweis. Ich kenne einige von Mausfelds Vorträgen zu diesem Thema, ja; inhaltlich ist das interessant, in seiner Form finde ich ihn nicht immer geschickt. Dass Mausfeld sehr früh auf die Verstrickung einiger Psychologen in Folterpraktiken hingewiesen hat, ist und bleibt ein Verdienst. Ein Bundesverdienstkreuz bekommt man mit solch unangenehmen Hinweisen wohl eher nicht.

    Es gibt in jedem System Gegner, auch und gerade in einer Diktatur. Der Trick ist, die Menschen davon zu überzeugen, dass sie wollen, was sie wollen sollen und dies in ihrem Interesse liegt, auch wenn das nicht der Fall ist.

    Tja… nur so lässt sich wohl erklären, dass eine Mehrheit immer wieder Politiker wählt, die sie schrittweise ausgrenzt.

    Ich denke, wenn man die Normen in kleinen Schritten verändert, dann kann man so weit kommen, ja. So dumm, wie es in so manchem Bioethik-Seminar unterstellt wurde, waren die “Dammbruchargumente” gar nicht. Dass ich das mal sagen würde…

    Aber dass man jemanden z.B. durch schrittweise Manipulation zu einem KZ-Wärter der Totenkopfdivision machen kann, um mal ein krasses Beispiel zu nennen, das kann (oder will) ich mir nicht vorstellen.

    Sagt man es ihnen, bevor die Folgen eintreten, glauben sie es nicht.

    Tja, die Hoffnung stirbt zuletzt? Spontan denke ich, dass wir Menschen i.d.R. Gewohnheitstiere sind und schon viel passieren muss, um eingeschliffene Denk- oder Verhaltensmuster zu ändern. Für viele sind das dann Momente wie ein Scheitern, eine Trennung, eine Krankheit, ein Unfall, ein Todesfall… aber das liegt meiner Meinung nach auch an unserer Umwelt, mit Strukturen, die uns zum “immer weiter so” antreiben. Das ist jetzt natürlich nicht wissenschaftlich gestützt.

    …es ist ein Stück unserer Geschichte und ich würde es als Verlust empfinden, diese Lieder nicht gelernt zu haben…

    Nun gut, da kann ich nicht mitreden; das muss ich so stehen lassen.

    Ich finde es auch schade, dass nicht mehr gesungen wird; aber damit meine ich weder Lieder, die den Heldentod verherrlichen, noch amerikanische Popsongs.

  54. @Trice: Bildung

    So wie ich beim Einkaufen kürzlich die Zucchini vergessen habe, derentwegen ich überhaupt erst einkaufen ging, habe ich jetzt auch den zentralen Punkt vergessen:

    Was überrascht Sie daran? Ist das nicht der Sinn einer Ausbildung, fertig für den Arbeitsmarkt zu sein? Was hilft es den Studenten, wenn sie kompetenzlos ins Arbeitsleben eintreten?

    Erstens ist Sinn der Universitäten, laut niederländischem Gesetz, nicht die Berufsausbildung, sondern eine wissenschaftliche Ausbildung. Meiner Erinnerung nach hatte ich das schon geschrieben.

    Zweitens richtete sich meine Kritik nicht gegen die Idee, dass man sich mit einem universitären Studium dennoch für den Arbeitsmarkt qualifizieren kann, sondern die Identifikation der Schlüsselworte “persönliche Entfaltung” und “gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein” durch führende Politiker im Begründungstext des Gesetzes damit, fertig für den Arbeitsmarkt zu sein; auch das stand meiner Erinnerung nach schon oben.

    Der Nutzen der Arbeit und gerade die Besessenheit der Deutschen damit verdient eine eigene Abhandlung; hatten Sie nicht erst kürzlich das Wort “Indoktrination” erwähnt? Ich erinnere hier nur kurz daran, dass schlauere Menschen als ich, etwa Bertrand Russell oder John Maynard Keynes, unabhängig voneinander empfohlen haben, nicht mehr als 15-20 Stundent pro Woche zu arbeiten.

  55. @Stephan Schleim: Indoktrination / Bildung

    Ich denke, wenn man die Normen in kleinen Schritten verändert, dann kann man so weit kommen, ja.

    Genau das passiert ja in den letzten Jahrzehnten. In den Jahren nach 68′ , in dem die Zerstörung gewachsener Strukturen mit der “Brechstange” gefordert, und dann vom “Marsch durch die Institutionen” abgelöst wurde, hat meine Generation, die dem nicht folgen wollte, und unsere Elterngeneration von einem rapiden Werteverlust, der die Normen verändert, gesprochen. Irgendwann wurde dann klar, dass es sich um einen Wertewandel handelte, der sich dann zwar weniger gewaltsam, dafür aber umso wirksamer vollzog.

    So dumm, wie es in so manchem Bioethik-Seminar unterstellt wurde, waren die “Dammbruchargumente” gar nicht. Dass ich das mal sagen würde…

    Und ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal lesen würde, 😉
    Nein, stimmt nicht ganz – schließlich hat schon Hans Jonas darauf verwiesen, dass wir beim ersten Schritt frei sind, ihn zu tun, aber bei jedem weiteren Sklave dieses ersten. Dörner hat dann später zeigen können, dass zumindest bei der Lösung komplexer Probleme einzelne Handlungen in der Zukunft dammbruchartige Folgen zeitigen.

    Dass man durch Indoktrination oder Manipulation einen Menschen vom Folterknecht machen kann, das sehe ich so auch nicht – dazu muss schon die Bereitschaft latent vorhanden sein. Viel eher möglich ist, Menschen dahingehend zu manipulieren, in einer bestimmten Situation einer Handlung, Aktion usw. zuzustimmen, eine Zustimmung, die sie unter anderen Umständen nie gegeben hätten – Beispiel: Goebbels Sportpalastrede. Hätte er die Frage “Wollt ihr den totalen Krieg?” zu Beginn seiner Rede gestellt, hätte er vermutlich diese Reaktion nicht erzielt – obwohl nicht auszuschließen ist, da er sie ja vor seinen “Volksgenossen” hielt, dass doch einige zugestimmt hätten.

    Sagt man es ihnen, bevor die Folgen eintreten, glauben sie es nicht.
    Tja, die Hoffnung stirbt zuletzt? Spontan denke ich, dass wir Menschen i.d.R. Gewohnheitstiere sind und schon viel passieren muss, um eingeschliffene Denk- oder Verhaltensmuster zu ändern.

    Nein, daran liegt es nicht. Es liegt am Denken selbst. Das normale Denken ist dafür nicht ausgelegt. Dörner schrieb in seiner “Logik des Misslingens: “Die Versuchspersonen sind über diese Zeitverzögerung [dem Eintreten einer Wirkung als Folge ihres Handelns] informiert.”
    Trotzdem hatte diese Information nicht zur Folge, dass sich die Mehrheit der Teilnehmer deshalb überlegte, wie sie vorgehen sollten.

    Und das Singen – ja, ich finde es auch schade, vor allem, wenn ich zurückdenke an Situationen, in denen es sich spontan ergab, dass gesungen wurde und welche Freude wir damit ausgelöst haben.

    Ad Bildung:

    Erstens ist Sinn der Universitäten, laut niederländischem Gesetz, nicht die Berufsausbildung, sondern eine wissenschaftliche Ausbildung.

    Ja, das hatten Sie geschrieben, nur: Was die “persönliche Entfaltung” betrifft, liegt dies nicht in der Macht der Hochschulen. Dozenten können dazu ihren Teil beitragen, aber inwieweit der einzelne Student, die einzelne Studentin diese Möglichkeit wahrnimmt und umsetzt, darauf haben weder Unis noch Profs einen Einfluss.
    Was das “gesellschaftliche(s) Verantwortungsbewusstsein” betrifft, ist dies in erster Linie Aufgabe der Familie. Auch wenn im niederländischen Hochschulgesetz diese Eigenschaft als Resultat der Ausbildung gefordert wird, zeigt das nur, dass wir uns daran gewöhnt haben, Verantwortung zu delegieren – nicht mehr die Familie, sondern vermehrt Schulen und Hochschulen werden in die Pflicht genommen.

    hatten Sie nicht erst kürzlich das Wort “Indoktrination” erwähnt?

    Ja, im Zusammenhang mit der Schule, die diese Möglichkeit hat. Nicht im Zusammenhang mit der Arbeit.

    Ich erinnere hier nur kurz daran, dass schlauere Menschen als ich, etwa Bertrand Russell oder John Maynard Keynes, unabhängig voneinander empfohlen haben, nicht mehr als 15-20 Stundent pro Woche zu arbeiten.

    Schlau oder nicht schlau – ich wette, diese Maßnahme würde die Wirtschaft zusammenbrechen lassen.
    Mein jüngerer Sohn hat für seine Diplomarbeit untersucht, wieviel ein Unternehmen an Kosten einsparen könnte, wenn es soundso vielen Arbeitnehmern kündigt und stattdessen eine Maschine anschafft, die deren Arbeit leistet. Dazu hat er u.a. auch die tatsächlichen Arbeitszeiten untersucht, d.h., es wurde eingerechnet, wieviele Minuten ein Arbeiter für einen Handgriff braucht, wieviele Minuten für einzelne Schritte, wieviele Minuten, um zur Toilette zu gehen usw. Bei Handgriffen und Schritten ist irgendwo eine Grenze erreicht, das lässt sich nicht mehr optimieren, und zur Toilette muss eine Maschine nicht, sie braucht auch keine Pausen. Wenn so etwas aber mitzählt bei der Frage zur Anschaffung von Maschinen, sehe ich schwarz für die Arbeitnehmer, wenn eine Arbeitszeit von nur 15 – 20 Stunden gefordert wird.
    Ganz davon abgesehen, dass ich nicht glaube, dass Searle sich selbst an diese Forderung gehalten hat, ;-).

    Um über die Hochschulbildung und die Aufgaben der Hochschulen zum Blog-Thema überzuleiten, welches Interesse (Indoktrination?) eine Wirtschaftsinstitution an der Schulbildung hat: Vor kurzem las ich im Schreiben eines Verlegers an einen Journalisten:

    “Unter unser beider Augen und mit viel Beifall von der linken Straßenseite sind die Wissenschaften in den vergangenen 40 Jahren aus ihrem Elfenbeinturm herauskomplementiert worden, damit sie ‘gesellschaftsrelevanter’ und ‘anwendungsorientierter’ arbeiten. Wo sind sie gelandet? In den Konferenzräumen, in denen sich die schon erwähnten voradministrativen und administrativen ‘Diskursmanager’ mit der Politik zum Umtrunk versammeln. Dabei wurden Soziologen zu ‘Genderwissenschaftlern’ und Meteorologen zu ‘Klimawissenschaftlern’ umgemodelt. So verwandelt betreiben sie ‘postnormale Wissenschaft’ oder ‘Wissenschaft im Modus II’, was beides Euphemismen für eine politisch, legitimatorisch und diskursstrategisch dienlich gemachte ‘Wissenschaft’ sind. ”

    Die Folgen dieser Transformation der Wissenschaft haben Sie in Ihrem Beitrag Warum die Wissenschaft nicht frei ist beschrieben – und zum Umtrunk mit der Politik können wir die Wirtschaft getrost hinzufügen, denke ich.

    Quellen:
    Hans Jonas (1984): Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Frankfurt Suhrkamp

    Dietrich Dörner(1989): Die Logik des Misslngens. Strategisches Denken in komplexen Situationen. Reinbek: Rowohlt

    Thomas Hoof in Manuscriptum vom 6. September 2017

  56. @Trice: Bildung und Freiheit

    …einen Menschen vom Folterknecht machen kann, das sehe ich so auch nicht – dazu muss schon die Bereitschaft latent vorhanden sein.

    Mag sein – oder man muss die Menschen dermaßen in Angst versetzen, dass sie denken: “Lieber der andere als ich!” Das ist ja auch in Orwells 1984 anschaulich dargelegt. Das System gewinnt am Ende, als der Protagonist darum bittet, seine Geliebte an seiner Stelle zu foltern: “Do it to Julia!” Das sind die Zauberworte in die “Freiheit”, wo er freilich nur noch als Marionette lebt.

    Nein, daran liegt es nicht. Es liegt am Denken selbst. Das normale Denken ist dafür nicht ausgelegt.

    Es ging um: “Die Hoffnung stirbt zu letzt.” Das ist mir so zu platt und ich habe leider nicht die Zeit und Muße, mich in Dörners Literatur einzulesen, auch wenn ich nicht bezweifle, dass das interessant wäre.

    Wissen muss man nicht nur haben, sondern auch aktiv verfügbar haben, wenn es bei einer Entscheidung eine Rolle spielen soll.

    Meine Prognose für die SPD-Urabstimmung übermorgen: Man wird zähneknirschend doch die Pläne der Parteiführung tragen, trotz aller Kehrtwenden und gebrochenen Versprechen, schlicht weil jetzt schon so viel Zeit und Kraft darin gesteckt wurde und man hofft, dass vielleicht doch noch ein Wunder geschieht und der Wähler einem das Pokern um die besten Ministerien, die Machtspielchen hoch anrechnet.

    Was die “persönliche Entfaltung” betrifft, liegt dies nicht in der Macht der Hochschulen. Dozenten können dazu ihren Teil beitragen, aber inwieweit der einzelne Student, die einzelne Studentin diese Möglichkeit wahrnimmt und umsetzt, darauf haben weder Unis noch Profs einen Einfluss.

    Warum denke ich, dass wir uns hier im Kreis drehen. Es geht um einen gesetzlichen Bildungsauftrag.

    Man kann jetzt die Studierenden schnellstmöglich durch das Studium jagen, also an die Tröge der Credit Points, oder ihnen mehr Wahlmöglichkeiten anbieten, philosophische Fächer, ein studium generale, solche Dinge. Die gibt es in unterschiedlichen Ausmaßen ja auch.

    Wenn so etwas aber mitzählt bei der Frage zur Anschaffung von Maschinen, sehe ich schwarz für die Arbeitnehmer, wenn eine Arbeitszeit von nur 15 – 20 Stunden gefordert wird.

    Ich kann Ihrer Logik nicht folgen – durch die Verknappung der Ressource Arbeit soll ihr Wert verringert werden? Die Automatisierung schreitet so oder so seit Jahrhunderten voran; wie wir sie gesellschaftlich gestalten, ist eine andere Frage.

    Und durch die 15- bis 20-Stundenwoche brechen vielleicht bestimmte Wirtschaftszweige zusammen, eben die überflüssigen, nicht aber zwangsläufig die Gesellschaft. Nach einem Reinigungsprozess entstünde neue Freiheit.

  57. @ Stephan Schleim: offenes Ende 😉

    oder man muss die Menschen dermaßen in Angst versetzen, dass sie denken: “Lieber der andere als ich!”

    Oder das, ja.

    Es ging um: “Die Hoffnung stirbt zu letzt.” Das ist mir so zu platt

    Eben, und es besagt nichts (steht so in etwa auch bei Dörner, 😉 )

    Warum denke ich, dass wir uns hier im Kreis drehen.

    Weil wir von unterschiedlichen Positionen ausgehend argumentieren. Sie gehören zum “System”, ich nicht.

    Es geht um einen gesetzlichen Bildungsauftrag.

    Ja, und das habe ich auch gemeint. Denn der gesetzliche Bildungsauftrag fällt ja auch nicht vom Himmel, sondern hat seine Wurzeln in der Gesellschaft und deren Grundeinstellungen.

    Ok, danke fürs diskutieren und bis demnächst, 🙂

  58. @Trice: System

    Sie gehören zum “System”, ich nicht.

    Das klingt fast wie eine Herausforderung.

    Ich muss Sie wohl bei Gelegenheit einmal über meine amtsärztlich diagnostizierte Anpassungsstörung aufklären.

    So viel zur Systemtreue.

  59. @Stephan Schleim: Systemtreue 😉

    Sie gehören zum “System”, ich nicht.
    Das klingt fast wie eine Herausforderung.

    Oh je, ich entschuldige mich, :-(. Das war schon ein wenig zu kurz geantwortet, und auf jeden Fall nicht als Herausforderung gemeint, denn …

    Ich muss Sie wohl bei Gelegenheit einmal über meine amtsärztlich diagnostizierte Anpassungsstörung aufklären.

    … das müssen Sie nicht, weil es mir schon mehrfach aufgefallen ist, ;-). Was ich mit obiger Bemerkung meinte war, dass Sie das System von innen kennen, während ich es “nur” von außen beobachte. Weshalb wir zwangsläufig zu unterschiedlichen Beurteilungen kommen.

    So viel zur Systemtreue.

    Puer robustus? Finde ich gut, 🙂

    Noch ein Nachtrag dazu:

    oder man muss die Menschen dermaßen in Angst versetzen, dass sie denken: “Lieber der andere als ich!”

    Doch auch damit macht man jemanden noch nicht zum Folterknecht. Winston Smith befand sich in einer Ausnahmesituation, für einen Folterknecht trifft das nicht zu. Der tut es, weil er es kann oder weil ihm das Gefühl der Macht Vergnügen bereitet.
    Ich meine, das sollte man schon unterscheiden.

  60. @Trice: Perspektiven

    Was ich mit obiger Bemerkung meinte war, dass Sie das System von innen kennen, während ich es “nur” von außen beobachte. Weshalb wir zwangsläufig zu unterschiedlichen Beurteilungen kommen.

    Ich störe mich an dem “zwangsläufig”; schöne wäre es doch, wenn man aus unterschiedlichen Blickwinkeln zum selben Ergebnis kommt. Sollte man das nicht gerade von der wissenschaftlichen Methode erwarten?

    Und zu den Folterknechten: Da gibt es meiner Meinung nach genauso Sadisten wie Opportunisten.

  61. @Stephan Schleim: Anpassung /Perspektive

    Ich störe mich an dem “zwangsläufig”; schöne wäre es doch, wenn man aus unterschiedlichen Blickwinkeln zum selben Ergebnis kommt. Sollte man das nicht gerade von der wissenschaftlichen Methode erwarten?

    Von der wissenschaftlichen Methode sollte man das erwarten können. Um wissenschaftliche Methoden geht es aber nicht bei Urteilen, die sich mit dem Blickwinkel aus der jeweiligen Umgebung ergeben. Insofern ist es m.E. zwangsläufig der Fall, dass wir zu verschiedenen Urteilen kommen
    Da Sie und ich aber beide nicht an überzogenem Konformismus leiden, wäre das schon einmal eine Basis, um zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen – aus unterschiedlichen Richtungen.
    In unserer Diskussion geht es ja um den gesetzlichen Bildungsauftrag, mit dem führende Politiker als Ziel definiert haben, dass zum “Fertig für den Arbeitsmarkt” zu sein explizit auch “persönliche Entfaltung” und “gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein” zur wissenschaftlichen Bildung gehören – was dann aber letztlich nicht mehr erwähnt oder gar angestrebt wird.

    Unabhängig davon, was im Bildungsauftragstext steht – Papier ist geduldig -, dürften diese Zielforderungen wohl so ziemlich für alle Bildungsanstalten gelten. Nur befindet sich zwischen der idealen Forderung und der realen Umsetzung ein riesiger Graben, der erst einmal zugeschüttet werden müsste mit Anweisungen zu Maßnahmen mit denen man das Ziel erreichen will. Im Grundschulbereich hat das dazu geführt, dass die Lehrpläne inzwischen fast schneller gewechselt werden, als manche Leute ihre Hemden wechseln. Hinzu kommt und darauf wollte ich hinaus – ist es sehr fraglich, ob die persönliche Entwicklung und die Entwicklung von Verantwortungsbewusstsein überhaupt vom Bildungssystem erreichbare Ziele sind. Beides vollzieht sich weitestgehend in einem Bereich, auf den ein Lehrer allenfalls durch Vorbildverhalten Einfluss hat – oder eben durch Indoktrination. Da liegt es dann allerdings am System, ob die erwünscht ist.
    Das ist das Leidige an hehren Zielen: sie sind leicht zu fordern, aber wie man vorgehen sollte, um sie zu erreichen und nicht das Gegenteil dessen bewirkt, was man wollte, und ob sie überhaupt erreichbar sind, ist nicht Teil der Überlegungen.

    Und zu den Folterknechten: Da gibt es meiner Meinung nach genauso Sadisten wie Opportunisten.

    Das ist aber wieder eine andere Ebene. Folterknechte müssen vor allem eins sein: Psychopathen. Auf dieser Ebene lässt sich dann unterscheiden zwischen Sadisten und Opportunisten. Orwells Winston Smith gehört nicht in die Kategorie der Psychopathen, im Unterschied zu O’Brien, den ich aber auch nicht als Sadisten sehe.

  62. @Trice: Bildungsauftrag

    Das Problem mit der Indoktrination könnte man vielleicht umgehen, indem man eher Methoden als Inhalte lehrt. Das heißt, man bringt den Schülerinnen und Schülern beziehungsweise Studierenden bei, Aussagen selbst kritisch zu überprüfen, anstatt sie nur aufgrund einer Autorität zu glauben.

    Das sollte in einem modernen demokratischen Rechtsstaat eine Selbstverständlichkeit sein.

    Mit anderen Worten: Prüfe die Aussagen anderer kritisch und bilde dir dann deine eigene Meinung.

    Damit will ich freilich nicht sagen, dass in der Schule/im Studium keine Inhalte, etwa zur Geschichte, Literatur und so weiter gelehrt werden sollten; aber auch bei diesen kann man Methoden der kritischen Prüfung anwenden.

  63. Anpassungsstörung

    Na wenn, mit 10 oder 15, deshalb nun ein solcher …!? 😎

    Ich habe mir schon einigemale Fragen und Kommentare verkniffen!!!

  64. „Zu kurz gedacht“

    Andreas Schleicher hat in der ZEIT auf Eckhard Kliemes Kritik (ziemlich ausweichend) geantwortet.

  65. @Stephan Schleim: Konsens

    ich entschuldige mich für die verspätete Antwort, die ich schuldig bin, weil ich denke, wir haben tatsächlich einen Konsens erreicht:

    Das Problem mit der Indoktrination könnte man vielleicht umgehen, indem man eher Methoden als Inhalte lehrt.

    Ja, es wäre gut wenn Methoden zu einem kritischen Nachfragen gelehrt würden, auch wenn ich denke, dass der Zeitpunkt bereits verpasst ist. Und es wäre gut, wenn auch die Inhalte nicht in einer Weise vermittelt werden, die den Schülern das kritische Denken bereits abnimmt, so dass nicht mehr nach-, sondern nur noch hinterhergedacht werden muss.

  66. Sehr geehrter Herr Stefan Schleim und Kommilitonen

    Fast vergessen bei dem Temperament…Ich wollte den äußeren Fortschritt mit dem inneren beschreiben und darstellen…Vielleicht wird es dann anschaulicher und bewusster für viele Menschen ? Also vor kurzen schaute ich mir die Baupläne eines Radios an…Und auch vorher schon hatte , ich das ein oder anderes Gespräch Grundig,Loewe,Canon usw. vom Niedergang von Qualität zu Quantität…Heute hat man statt Qualitätsmanagement und hohe Lebensdauer – Chips und Module die eine kurze Lebensdauer haben….Die Analogie ist verkalkte oder offene Zirbeldrüse….die für den bewussten Menschen das Tor zu erweiterten Bewusstsein darstellt…Bei den übrigen Menschen ist das dann ein Reiz -Reaktions-Muster eingeschränktes Bewusstsein …was man aber schon früher wusste…nur man trommelte noch zum nächsten Krieg….Heute laut Untersuchung von Apple im Kernspintomographen ,weiss man welche Bilder und Botschaften man medial bedienen muss , um die Gesellschaft zu steuern…. Nur eben nach Algorithmen….Nun ist es an euch Menschen ,bewusster mit der Technik umzugehen…und nicht alles als sog. Fortschritt blindlings zu feiern !!!…Eben das vermittelt auch der Blog-Schreiber : Alexander Berg….Es geht um eine innere Transformation und Entfaltung /Entwicklung des unbekannten menschlichen Potentials…Ich habe das schon 2006 angeboten und zuerst praktisch bei meiner damaligen Firma getestet….Schon da wurde klar ,was läuft….Nur stimmte halt immer das hoch und heilig „verehrte Leistungsprinzip “ in Deutschland…Irgend wann wurde es mir zu langweilig und mir passte die Personal-Besetzung Planung nicht ,so das ich mich mit den Kollegen besprach und abstimmte…Jedenfalls passte es den Vorgesetzten nicht…Und irgendwann verliess ich die Firma ,da der Euro ja eingeführt wurde und die Gehälter man nun nicht mehr zahlen konnte bzw. wollte…Und ich brach zu neuen Ufern auf….Der Traum ist immer noch spannend…doch ich weiss heute es ist Bewusstsein was wir erfahren….!!!!

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