System-Logik: Der Fall Professor Birbaumers

Was uns der Forschungsskandal über das Wissenschaftssystem lehrt

Jetzt ist es also amtlich: “Untersuchungskommission stellt wissenschaftliches Fehlverhalten durch Tübinger Hirnforscher fest” titelt die Pressemitteilung der Universität Tübingen vom 6. Juni. Namen werden darin keine genannt. Bloß vom “Fall zweier Hirnforscher” ist die Rede.

Die Presse war nicht so zurückhaltend. Bereits am 8. April erschien in der Süddeutschen Zeitung ein Artikel über “Massive Zweifel an Studie zum Gedankenlesen.” Science berichtete schon einen Tag später. Dass die Rede vom “Gedankenlesen” hier fehlplatziert ist, lassen wir einmal beiseite.

Es geht schlicht darum, dass (zum Beispiel gelähmte) Versuchspersonen auf Kommando bestimmte Denkprozesse vornehmen, etwa sich die Bewegung mit einem Körperteil vorstellen, die mit bestimmten Gehirnprozessen einhergehen. Diese können unter Umständen über eine Gehirn-Computer-Schnittstelle als Ja-nein-Reaktion interpretiert werden.

Ein Mann sitzt mit einer EEG-Haube vor einem Computer. Vielleicht will er die Eingabe gleich mit seinen Gehirnströmen steuern? Foto: ulrichw/Pixabay Lizenz

Niels Birbaumer, laut SZ “einer der prominentesten Wissenschaftler Deutschlands”, leistete jahrzehntelang Pionierarbeit auf diesem Gebiet. Und diese Forschung ist in der Tat nicht nur wissenschaftlich interessant, indem sie uns mehr über die Arbeitsweise des Gehirns verrät, sondern auch für bestimmte Patientengruppen essenziell: eben diejenigen, die aufgrund fortschreitender Lähmungen nicht mehr mit der Außenwelt kommunizieren können oder eigene Körperfunktionen nicht mehr unter Kontrolle haben. Eine Art Gehirn-Schreibmaschine oder eine gedanklich gesteuerte Neuroprothese kann dann die letzte Hoffnung sein.

Vier Verstöße gegen gute wissenschaftliche Praxis

Keine zwei Monate später liegt nun schon das Untersuchungsergebnis einer Kommission im Auftrag der Universität Tübingen vor. Und diese kommt zum Ergebnis, dass der Hirnforscher und ein Kollege auf vier Weisen gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis verstoßen haben:

Erstens seien bei der Erhebung Daten selektiv ausgewählt worden: So seien auf nicht nachvollziehbare Weise Datensätze bei der Auswertung nicht berücksichtigt worden. Nach Auffassung der Kommission ist das eine “Verfälschung von Daten durch Zurückweisen unerwünschter Ergebnisse ohne Offenlegung.”

Zweitens seien Daten und Skripte nicht offengelegt worden. Somit konnten die in der strittigen Publikation in der Zeitschrift PLoS Biology aus dem Jahr 2017 veröffentlichten Ergebnisse nicht nachvollzogen werden. Die Kommission nennt das “Verfälschung von Daten durch Unterdrücken von relevanten Belegen.”

Drittens würden Daten schlicht fehlen. Für die Studie wurden von mehreren Patienten tagelang Gehirnströme gemessen, zwischen sechs und 17 Tagen pro Patient. Für mehrere Tage seien aber keine Daten vorhanden. “Nach den Ermittlungen der Kommission stimmt die Anzahl der Tage, zu denen Daten vorliegen, mit der Anzahl der Tage, für die im Artikel Auswertungen dargestellt werden, in keinem Fall überein.”

Viertens und letztens gebe es eine mögliche Datenverfälschung durch eine fehlerhafte Analyse. Die statistischen Berechnungen ließen sich, wie gesagt, ohnehin nicht nachvollziehen. Die Kommission fand aber zusätzlich heraus, “dass ein ehemaliger Mitarbeiter des Seniorprofessors diesen bereits im November 2015 darauf hingewiesen hatte, dass sich aus den Daten in statistisch korrekter Auswertung keine signifikanten Ergebnisse belegen lassen.” Das lässt den Verdacht aufkommen, dass hier bewusst falsche Resultate veröffentlicht wurden.

Solch ein Vorgehen wäre schon bei Grundlagenforschung hochproblematisch. In angewandter Forschung mit Patienten, die, wie hier, im Endstadium völlig gelähmt und somit ausgeliefert (“completely locked-in”) sind und deren Angehörige in der Gehirn-Computer-Schnittstelle die einzige Chance zur Kommunikation sehen, fehlt schlicht ein angemessenes Wort. Das Rektorat der Universität Tübingen kündigte dann auch schon Konsequenzen an, darunter eine Anlaufstelle für die Betroffenen.

Birbaumer wehrt sich

Ich will hier nicht viel über den Einzelfall schreiben, sondern auf ein paar Aspekte der System-Logik der heutigen Wissenschaft hinweisen. Dass Birbaumer die Vorwürfe schon im April als “Blödsinn” bezeichnet und gemeint haben soll, die Untersuchung der Kommission interessiere ihn überhaupt nicht, klingt jedenfalls nicht sehr professoral.

Der SWR berichtet nun von einem Brief des Hirnforschers an die Medien, in dem er behaupte, die Universität sei womöglich einem Informanten aufgesessen, der ihn verleumden wolle. Das überzeugt allerdings wenig, wenn man weiß, dass der Untersuchung und den Medienberichten bereits ein langer Streit innerhalb der Wissenschaft vorangegangen war. Und die Kommission sowohl Birbaumer als auch einen anderen Autor der strittigen Veröffentlichung stundenlang befragte.

Wenn die Vorwürfe haltlos wären, dann hätten sie sich doch in dieser Zeit überzeugend zurückweisen lassen können. Und wenn sich, wie oben genannt, fehlende Daten und Skripte spätestens während der über Monate dauernden offiziellen Untersuchung nicht auftreiben ließen, wie sollte sich daran auf einmal etwas ändern?

PLoS Biology ist auch nicht irgendein Journal, sondern genießt einen guten Ruf. Die Redakteure der nun seit 15 Jahren bestehenden Zeitschrift wollten es gerade besser machen als die herkömmlichen Publikationsorgane des Mainstreams: Open Access und so viel wie möglich Open Data als Garant für Offenheit und höchste wissenschaftliche Standards.

Die Dachorganisation PLoS (für Public Library of Science) gibt inzwischen zehn Journals heraus und operiert nicht auf Profitbasis. PLoS Biology ist die älteste davon und gilt laut dem Web of Science als die am dritthäufigsten zitierte Zeitschrift von 85 in der Kategorie Biologie und ist auf Platz 18 von 293 in der Kategorie Biochemie/molekulare Biologie.

Schlüsse auf die System-Logik

Das erste allgemeine Problem, das hier ans Tageslicht kommt, betrifft das Gutachtersystem: Fachkollegen sollen unabhängig und anonym die Methodik und Ergebnisse so einer Studie überprüfen. Das nennen wir Peer Review.

In so einer Forschungsarbeit wie der hier vorliegenden steckt wahrscheinlich monatelange Arbeit, nicht nur für die Datenerhebung, sondern auch die Auswertung und Interpretation. Von Gutachtern wird nun erwartet, diese Arbeit neben den schon zwingend vorhandenen Forschungs-, Lehr- und Verwaltungstätigkeiten durchzuführen – und das alles gratis, aus purem Idealismus.

Dass man als Gutachter überhaupt Originaldaten mitgeschickt bekommt und nicht nur die Ergebnisse, ist eher schon die Ausnahme. Aber wer hat selbst dann Zeit und Muße, alle Auswertungsschritte nachzuvollziehen? Dass selbst die Untersuchungskommission nicht alle Daten oder wenigstens die Skripte, mit denen sie ausgewertet wurden, vorgelegt bekam, stärken meine Vermutung, dass die Peer Reviewer hier nur eine Plausibilitätskontrolle vornehmen konnten. Für mehr reicht die Zeit meist auch gar nicht.

Für eine allumfassende Kontrolle müsste man schlicht Vollzeitpersonal einstellen, das nichts anderes macht, als die Berechnungen und Schlussfolgerungen anderer nachzuvollziehen. Woher sollte aber das Geld hierfür kommen, wo ohnehin viele Forschungszweige und -Institute schon unter Kürzungen leiden? Ab einem gewissen Grad muss man im heutigen System den Forscherkollegen schlicht vertrauen.

Dabei ist noch gar nicht berücksichtigt, dass die Gutachter in so einem hochspezialisierten Gebiet wahrscheinlich alte Bekannte sind, die dem Autorenteam nicht völlig neutral gegenüberstehen (Warum die Wissenschaft nicht frei ist). Das kann sich übrigens sowohl positiv als auch negativ auswirken. Die Letztentscheidung über die Publikation obliegt den Redakteuren, die in erster Linie ihren Unternehmen gegenüber verantwortlich sind und nicht der Wissenschaft.

Karriere nach dem Konkurrenzprinzip

Nun sind die Publikationsplätze in den angesehensten Zeitschriften künstlich beschränkt. Dort, wo die meisten Wissenschaftler publizieren wollen oder müssen, werden die meisten Manuskripte ohne jegliche Begutachtung gleich von der Redaktion abgelehnt. Nature, Science oder auch PNAS gehören dabei zu den begehrtesten Zeitschriften.

Dabei darf man nicht vergessen, dass die Publikationsorgane selbst im Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Zitationen stehen, die sich in Einfluss und finanziellem Gewinn ausdrücken. Nature bekommt inzwischen übrigens jährlich mehr als 10.000 Manuskripte zugeschickt, von denen weniger als 8% veröffentlicht werden. In den 90ern waren es noch um die 8.000, von denen schließlich über 10% akzeptiert wurden.

Ein Kollege aus der Psychologie berichtete mir einmal von seiner jahrelangen Durststrecke, in der er auf Bewerbungen um Professuren nur Absagen erhalten habe. Auf Nachfrage habe ihm ein Bekannter gesagt: “Du hast zwar einen guten Lebenslauf. Dir fehlt aber noch die eine Nature-Publikation.” Dieser Bekannte hat ausgeharrt und inzwischen seinen Lehrstuhl (und für ihn noch wichtiger: endlich ein Kind), auch ohne Nature. Doch nicht jeder hat so viel Geduld.

Wir haben jetzt also schon die Zutaten Wettbewerb, mitunter wird gar vom Hyperwettbewerb gesprochen, dazu kommen begrenzte Ressourcen, Konkurrenz – um Stellen und Forschungsmittel – und begrenzte Kontrolle. Letztere bezieht sich sowohl auf das, was die Gutachter tun können, als auch auf die Anonymität ihres Handelns und auf die Entscheidung der Redakteure.

Nun hatten wir im Sport (Doping), in der Wirtschaft (Korruption) und in der Politik (Vetternwirtschaft) in den letzten Jahren schon so viele Skandale. Sollten wir einfach so glauben, dass Wissenschaftler über alle menschlichen Motive und Bedürfnisse erhaben sind? Im Hyperwettbewerb? Damit ist nicht gesagt, dass es zwangsweise schiefgehen muss. Allerdings sind in der System-Logik bestimmte Stellschrauben darauf ausgelegt.

Das Schweigen der Fachwelt

Bemerkenswert ist auch, dass sich bei der umfangreichen Untersuchung durch die Süddeutsche Zeitung kein einziger Fachkollege namentlich zum Fall Birbaumers äußern wollte. Dazu hieß es in der immerhin zwölfseitigen Reportage im SZ-Magazin:

Namentlich will niemand genannt werden. Das sei gefährlich, sagen sogar jene, die längst nicht mehr angewiesen wären auf das Wohlwollen des berühmten Pioniers ihres Fachs. “Wir kennen uns alle sehr gut”, erklärt ein Professor, “jeder ist Gutachter von jedem.” Birbaumer habe einen “Riesenruf” und viel Einfluss. (SZ Magazin 15/2019, S. 14)

Die einzigen Ausnahmen waren der junge Informatiker Martin Spüler, der mit seinen Auswertungen und seiner Beharrlichkeit den Stein überhaupt erst ins Rollen brachte. Sein Vertrag wurde von der Universität Tübingen übrigens nicht verlängert. Und eine extern eingeschaltete Statistikerin, die die Datenauswertung der strittigen Studie laut SZ als “praktisch wertlos” bezeichnet.

Das hört sich jedenfalls nicht nach einer freien Kommunikationskultur an. Und gerade das Gutachterwesen ist hier ein Knackpunkt: Der Kollege, den man heute kritisiert, kriegt morgen vielleicht schon die Publikation oder den Forschungsantrag zur Beurteilung, an dem die zukünftige Karriere hängt. In einem kleinen Fachgebiet ist das sogar recht wahrscheinlich.

Kein Raum für Zweifel und Kritik

Aus System-Logik ist es so, dass man sich mit Kritik vor allem Feinde schafft. Belohnt wird das keinesfalls. Warum sollte man also diesen Preis bezahlen, wenn man in der Wissenschaft Karriere machen will? Ähnlich wurde auch Karl Poppers Falsifikationismus in die Schranken verwiesen: Wissenschaftler würden ihre Hypothesen oder Theorien in der Praxis gar nicht widerlegen, sondern vor allem bestätigen wollen.

Laut Popper kommt die Wissenschaft als ganze aber gerade durch die Falsifikation starker Theorien voran. Für einen Wissenschaftler kann die Einsicht, dass der jahrelang verfolgte Ansatz nicht funktioniert, mitunter ein ganzes Lebenswerk in Frage stellen. Da bedarf es schon besonderer Charakterstärke, sich dem zu stellen.

Dazu ein denkwürdiges Zitat aus der Denkschrift zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG):

Forschung als Tätigkeit ist Suche nach neuen Erkenntnissen. Diese entstehen aus einer stets durch Irrtum und Selbsttäuschung gefährdeten Verbindung von Systematik und Eingebung. Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und gegenüber anderen ist eine Grundbedingung dafür, dass neue Erkenntnisse – als vorläufig gesicherte Ausgangsbasis für weitere Fragen – überhaupt zustande kommen können. “Ein Naturwissenschaftler wird durch seine Arbeit dazu erzogen, an allem, was er tut und herausbringt, zu zweifeln, … besonders an dem, was seinem Herzen nahe liegt.” (DFG Denkschrift, 2013, S. 40)

Die fast schon rührende Sache mit dem Herzen ist ein Zitat des Physikers Heinz Maier-Leibnitz (1911-2000), der früher selbst Präsident der DFG war. Der Satz steht in seinem Aufsatz “Über das Forschen” aus dem Jahre 1981. Er wirkt auf mich aber wie ein Anachronismus.

Nach meiner Erfahrung haben Forscher heute gar keine Zeit zum Zweifeln. Jedes Experiment, das man nicht veröffentlicht, ist ein möglicher Wettbewerbsnachteil im Konkurrenzkampf. Nach Thomas Kuhns Paradigmenmodell kann allenfalls in der vorwissenschaftlichen Phase gezweifelt und gestritten werden. Kommt ein Paradigma aber erst einmal ins Rollen, dann geht es schlicht um Produktivität. “Stillstand ist der Tod”, könnte man mit Herbert Grönemeyer singen.

Von mutigen jungen Leuten

Bleiben wir noch einen Moment bei der Tatsache, dass der beharrliche Kritiker, der für Birbaumer und seinen Mitarbeiter zum Problem wurde, ein junger Informatiker ist, namentlich Martin Spüler.

Beim Aufdecken des umfangreichen Forschungsbetrugs des Sozialpsychologen Diderik Stapel von der Universität Tilburg in den Niederlanden vor ein paar Jahren war es auch ein junger Wissenschaftler, der sich gegen den Widerstand des Establishments durchsetzen musste. Und dem Harvard-Primatologen Marc Hauser wurden die eigenen studentischen Hilfskräfte zum Verhängnis, die unmoralische Praktiken des Moralforschers ans Tageslicht brachten (Unmoralischer Moralforscher?).

Wie gesagt, es gibt überhaupt keinen Anreiz, im Gegenteil sogar viele Gründe dagegen, einem Forscher öffentlich Fehlverhalten nachzuweisen. Das gilt umso mehr für Koryphäen wie Birbaumer, Hauser oder Stapel. Die Mehrheit übt sich dann lieber in Schweigen und es sind nur ein paar unverbesserliche und unangepasste Idealisten, die sich die Unbequemlichkeit des Zweifels zumuten und dafür sogar ihren Kopf hinhalten.

Aus eigener Erfahrung

An dieser Stelle kann ich eine eigene Erfahrung hinzufügen: Ich hatte nicht viel mit Birbaumer zu tun, der übrigens meine am häufigsten zitierte Arbeit begutachtete, jedoch einmal mit einem jungen Wissenschaftler aus seinem Institut.

Wir hatten ein gemeinsames Forschungsprojekt, an dem noch einige andere beteiligt waren. Auf eine gemeinsame Tagung lud dieser Kollege seinen Chef als Sprecher ein, also Birbaumer. Der Rest von uns hatte jeweils externe Fachleute eingeladen, die neue Perspektiven in die Diskussion einbrachten.

Mit diesem Forscher hatte ich ein gemeinsames Experiment geplant: Ein Versuch mit dem Kernspintomographen (fMRT) aus meiner Forschung sollte mit einer Interventionsstudie mit transcranieller Gleichstromstimulation (TDCS) aus seiner Forschung kombiniert werden. Gesagt, getan.

Der Kollege schien mir dann aber recht schnell die Daten bestimmter Versuchspersonen auszuschließen, die nicht zur Hypothese passten, siehe “selektive Datenauswahl” oben. Mein Verdacht, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht, interessierte aber niemanden. Stattdessen entstand eine Meinungsverschiedenheit darüber, wer nun Erst- und Letztautor sein würde, die wichtigsten Stellen auf der Autorenliste.

Letztlich lief es darauf hinaus, dass ich, der den Großteil der experimentellen Arbeit und 100% der Schreibarbeit für das erste Manuskript geleistet hatte, die erste Stelle aufgeben sollte. Da ließ ich es bleiben. Mein Dateisystem verrät mir, dass dieses Manuskript seit dem 30. März 2009 unangetastet blieb. Gemäß der System-Logik gab es aber jeden Anreiz, es doch zu veröffentlichen.

Der Forscherkollege, der sich, wie ich später herausfand, auch schon lange Doktor genannt hatte, bevor er promoviert war (siehe übrigens §132a StGB), rief mich noch Jahre später in Groningen an, ob ich die Arbeit nicht doch noch veröffentlichen wolle. Das habe ich jeweils diplomatisch abgelehnt.

Dabei half mir aber auch, dass das Psychologische Institut der Universität Groningen meine Arbeit inhaltlich beurteilte und wertschätzte, und nicht nur auf die Anzahl und die Zeitschriften meiner Publikationen schielte. Das ist eine alternative System-Logik, die meiner Erfahrung nach heute leider eher die Ausnahme als die Regel ist.

Den Ruf wahren

In der Reportage über den Fall Birbaumers im SZ-Magazin wird noch ein anderer interessanter Aspekt genannt, der die Sache weiter verkompliziert: Da äußern sich die – aus besagten Gründen lieber anonym bleibenden – Forscherkollegen dahingehend, dass hier der Ruf eines ganzen Forschungsgebiets auf dem Spiel stehe, eben das der Gehirn-Computer-Schnittstellen. Wenn nun einer Koryphäe aus diesem Gebiet wissenschaftliches Fehlverhalten nachgewiesen wird, dann beschädige das möglicherweise das ganze Feld.

Das ist nun ein hervorragendes Beispiel strategischen Denkens, das einerseits menschlich nachvollziehbar ist, die Sache andererseits aber nur schlimmer macht. Denn für das Forschungsgebiet wäre es natürlich besser gewesen, wenn die Fachkollegen die Probleme selbst aufgedeckt hätten und das nicht einem idealistischen Informatiker überlassen hätten, der dem Anschein nach dafür jetzt auch noch von seinem Arbeitgeber geschasst wurde. So viel zum Mythos, die Wissenschaft korrigiere sich auf lange Sicht selbst.

Dieser Arbeitgeber könnte selbst einen Interessenkonflikt in der Sache haben. So wird in der SZ-Reportage darauf verwiesen, dass die Universität Tübingen ihren Ruf als Exzellenzuniversität zu verlieren hat. Es könnte durchaus sein, dass Birbaumers Name in der milliardenschweren Bewerbungsrunde großes Gewicht hatte.

So verrät mir das Web of Science, dass er 811 Veröffentlichungen hat, von denen neun mehr als 500-mal zitiert wurden. Die Nature-Journals tauchen dabei zehnmal auf, Science einmal, PNAS viermal. Mitveröffentlichte Daten gebe es übrigens nur für sieben, also nicht einmal ein Prozent.

So hat auch die Exzellenzuniversität Tübingen durch eine Aufklärung nichts zu gewinnen und möglicherweise viel zu verlieren. Das folgt aus der System-Logik. Was jetzt geschieht, wo sich die Probleme nicht länger leugnen lassen, dürfte vor allem Schadensbegrenzung sein.

Im Falle Hausers hatte sich die Harvard-Universität übrigens sehr bedeckt gehalten und auch die Frage des Vorsatzes offengelassen. In dieser Hinsicht war die Universität Tübingen bisher immerhin transparenter.

Die Göttinger Sieben

An dieser Stelle will ich einen kurzen historischen Exkurs einschieben: Bewegen wir uns 450km nördlich von der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (laut Selbstdarstellung “ein Ort der Spitzenforschung und der exzellenten Lehre”), dann gelangen wir zur Georg-August-Universität Göttingen (“zum Wohle aller”). Dort ereignete sich 1837 eine Revolte sieben widerspenstiger Professoren, eben der Göttinger Sieben, die sich gegen den Staatsstreich des neuen Königs Ernst August I. stellten.

Dieser erklärte das unter der Herrschaft seines Bruders Wilhelm IV. verabschiedete liberale Staatsgrundgesetz des Königtums Hannover, auf das die Professoren vereidigt worden waren, für nichtig. Denn es war ja ohne seine Mitwirkung zustande gekommen. Zu den dagegen protestierenden Sieben zählten auch die Germanisten und Rechtswissenschaftler Jacob und Wilhelm, besser bekannt als Gebrüder Grimm.

Amts- und Würdenträger der Universität fielen den Göttinger Sieben schnell in den Rücken und dienten sich lieber beim neuen König an. Gut für die Karriere wird es wohl gewesen sein. Schlecht jedoch für das Ansehen der Uni, an die in den Folgejahren weniger Studierende und hochkarätige Professoren kamen.

Von den sieben Widerspenstigen, die ihrer Ämter enthoben wurden, verbannte der König sogar drei des Landes, darunter Jacob Grimm. Dieser Workaholic begann schon im Folgejahr zusammen mit seinem eher müßiggängerischen Bruder Wilhelm die Arbeit am Deutschen Wörterbuch. Dieses wurde, übrigens auch von der DFG gefördert, erst 1961 fertig, also 123 Jahre später, und umfasst 17 Bände, die heute jeder auf den Seiten der Universität Trier (“eine junge Universität in Deutschlands ältester Stadt”) gratis im Internet durchstöbern kann.

Die Grimms fanden schon bald ein neues Zuhause, nämlich in Berlin beim preußischen Friedrich Wilhelm IV., der damals für seine liberale Haltung und Wissenschaftsfreundlichkeit bekannt war. In der Zwischenzeit hatten Bürger die Sieben mit Spendenaktionen unterstützt.

Das sei noch dem Informatiker mit auf den Weg gegeben, dessen Vertrag von der Universität Tübingen nicht verlängert wurde. Er findet bestimmt bald etwas Besseres. Und Günter Grass hat auch dargelegt, dass man vom durchschnittlichen Professor nicht zu viel Rückgrat erwarten sollte. (Lesetipp: Grimms Wörter.)

Das deutsche Doktoranden(un)wesen

Zum Schluss noch ein paar Gedanken zu einer Spezialität des deutschen Wissenschaftsbetriebs, nämlich der Doktorandenausbildung. Da kommt es nämlich regelmäßig vor, dass der Doktorvater auch der Gutachter der Dissertation ist. Hier in den Niederlanden und, nach allem was ich weiß, in Großbritannien, ist das dagegen ausgeschlossen.

Der Doktorvater schlägt hier zwar jemanden zur Promotion vor – das Urteil muss aber eine davon unabhängige Kommission fällen. Wobei “unabhängig” wieder so eine Sache ist. Formal stellt der Dekan, der Chef einer Fakultät, die Promotionskommission zusammen.

Der wird sich aber wahrscheinlich für Vorschläge bedanken, die ihm Zeit und Mühe sparen. Und der Dekan beziehungsweise die Fakultät hat wiederum auch ein Interesse daran, dass eine Doktorarbeit erfolgreich abgeschlossen wird. Bei uns gibt es dafür sogar einen dicken finanziellen Bonus.

Das ist aber unabhängiger als das deutsche Modell, in dem der Betreuer gleichzeitig auch der Chef (im Falle einer Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter) und der Gutachter ist. Ein Schelm, wer denkt, dass so eine mehrfache Abhängigkeit zu Ausbeutung der in Deutschland in der Regel ohnehin unterbezahlten Doktoranden führen kann.

So ist es natürlich auch mir niemals passiert, dass mir unbezahlte Lehre erst schmackhaft gemacht wurde (“gut für deinen Lebenslauf”) oder später Druck ausgeübt wurde (“die anderen stellen sich auch nicht so an”). Und der Geldgeber, eine große Stiftung in Deutschland, hat natürlich Jahre später, als ich dieses Problem nicht ansprach, die Verantwortung nicht auf die Forschungsinstitution abgewälzt: “Wir vertrauen darauf, dass dort die Richtlinien des Arbeitsvertrags eingehalten werden.”

Die Forschungsinstitution hat aber doch ein Interesse daran, Mittel für das Lehrpersonal zu kürzen und lieber in die Anschaffung teurer Apparate oder einen dicken Bonus zum Einwerben einer Koryphäe zu investieren, die dem Prestige nutzen. Das ist wieder System-Logik und hilft vielleicht sogar bei im Exzellenzwettbewerb.

Wer wäre für die Ausbeutung geeigneter als die Knechte der Wissenschaft, eben die Doktoranden in ihrer mehrfachen Abhängigkeit? Medizindoktoranden (in Deutschland) machen das für ihren “Titel” mitunter sogar völlig gratis. Dementsprechend ist ihr akademischer Grad dann auch nicht so viel wert.

Das Schwert des Strafrechts

Man könnte einmal erwägen, ob in den notorischen Fällen solchen Missbrauchs nicht der Tatbestand der Untreue (§266 StGB) erfüllt sein könnte. Immerhin werden dann dezidierte Forschungsmittel zur Füllung von Löchern in der Lehre zweckentfremdet. Auf Untreue stehen neben Geldstrafe übrigens bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe.

Vielleicht liegt in dem einen oder anderen Fall auch eine Nötigung (§240 StGB) vor. Einem widerspenstigen Doktoranden könnte man doch Schwierigkeiten bei der Begutachtung der Dissertation in Aussicht stellen, etwa indem man ein Gutachten so lange verschiebt, bis der Termin der Verteidigung platzt. (Nicht, dass dem Autor dieses Texts so etwas passiert wäre.)

Da könnte doch das ein oder andere Rückgrat brechen, zumal eine nicht abgeschlossene Promotion Schwierigkeiten bei Folgebewerbungen oder gar das Ende der wissenschaftlichen Laufbahn bedeuten kann. Natürlich bleibt man auch auf Empfehlungsschreiben der Professoren angewiesen.

Auf Nötigungen stehen neben Geldstrafe übrigens bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe. Mit Ausnahme von schweren Fällen (§240 StGB, Absatz 4), etwa bei Amtsträgern, dann sind es fünf Jahre. Und was war noch einmal ein Professor? Vielleicht ein Landesbeamter?

Verbesserungsvorschläge

Enden wir aber nicht so trist. Und ich will auch keine guten Leute davon abhalten, in die Wissenschaft zu gehen. Wer aber freie, unabhängige und ehrliche Forschung möchte, der sollte die System-Logik auch demnach ausrichten. Förderlich wären dafür meiner Meinung nach:

  • Offenlegung der Daten zusammen mit der Publikation (Open Data);
  • Offenlegung der Gutachten mit, nach Möglichkeit, Namen der Gutachter;
  • Offenlegung der Entscheidung der Redaktion, eine Arbeit zu akzeptieren beziehungsweise abzulehnen;
  • eine unabhängige Schiedsstelle, an der solche Entscheidungen begründet angefochten werden können;
  • die vorherigen drei Punkte könnte man auch für die Vergabe von Forschungsmitteln und die Besetzung von Lehrstühlen erwägen, wo es um öffentliche Mittel und öffentliche Einrichtungen geht;
  • kontinuierliche Kontrolle und Diskussion durch die wissenschaftliche und Internetgemeinschaft, die durch Open Access und Open Data möglich werden;
  • sinnvolle Beurteilungskriterien in der Wissenschaft auf allen Ebenen, die vor allem inhaltlich ausgerichtet sind und nicht bloß quantitativ;
  • ehrliche Bezahlung für das Personal auf allen Ebenen;
  • Vermeidung mehrfacher Abhängigkeiten, insbesondere bei den Doktoranden;
  • Raum für Zweifel und Kritik in der Wissenschaft, nicht nur für Pragmatiker und Opportunisten; und
  • Einbeziehung von Personen von außerhalb der Wissenschaft, ähnlich der Laienrichter in bestimmten Gerichtsverfahren.

Diese Vorschläge wären zugegebenermaßen ein radikaler Bruch mit der gewachsenen Tradition. Aber wenn man einmal genauer darüber nachdenkt, handelt es sich in den meisten Fällen um logische Prinzipien eines demokratischen Rechtsstaats. Dass etwa ein Strafgericht eine Entscheidung im Geheimen träfe, ohne jede Möglichkeit eines effektiven Einspruchs, und auf der Basis unbekannter Gutachter, würden wir eher mit einem totalitären Regime in Zusammenhang bringen. Ein offenes und faires Verfahren ist ein Menschenrecht. Warum akzeptieren wir wie selbstverständlich, dass es in der Wissenschaft anders zugeht?

Die Vorgänge haben neben der System-Logik aber auch noch eine individualpsychologische Ebene: Warum geht jemand überhaupt so weit, seine Daten zu manipulieren? Um eine Publikation in einem bestimmten Medium zu erzielen, die wiederum ein Türöffner für Forschungsmittel, Stellen, Macht, Einfluss und Geld ist? Es muss erst ein persönlicher Bewertungs- und Identifikationsprozess stattgefunden haben, der diesem Ziel, der Professur oder der Institutsleitung, so einen hohen Wert beimisst.

Es ist ja nicht so, dass jemand, der keine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen kann, darum gleich verhungern müsste. Es geht also nicht ums pure Überleben, sondern um die Ausrichtung des Selbstwerts an einem bestimmten äußeren Maßstab. Und woher kommt der? Dafür kann es in der individuellen Autobiographie Gründe geben. Die starke Ausrichtung auf die “Exzellenz” trägt aber das Ihre dazu bei.

Dann leben wir eben in einer Welt, in der wir so tun, als ob die obersten zehn Prozent alles wären, und wir den ganzen Rest als zweitklassig abstempeln. Auch hierin äußert sich die System-Logik des Konkurrenzprinzips, wie sie nicht zuletzt die Bologna-Erklärung von 1999, die in Kürze ihr zwanzigjähriges Jubiläum haben wird, in die Wissenschaft zementiert hat (Fünfzehn Jahre Bologna-Erklärung – eine Polemik).

Dem möchte ich hier noch einmal die für mich echte Bologna-Erklärung entgegenstellen, nämlich die Magna Charta Universitatum von 1988, die inzwischen von immerhin 388 Rektoren von Universitäten weltweit unterzeichnet wurde, und in der es unter anderem heißt,

dass die Zukunft der Menschheit … in hohem Maße von der kulturellen, wissenschaftlichen und technischen Entwicklung abhängt, die an Universitäten als den wahren Zentren der Kultur, Wissenschaft und Forschung stattfindet; dass die Aufgabe der Universitäten, der jungen Generation Wissen zu vermitteln, die ganze Gesellschaft betrifft, deren kulturelle, soziale und wirtschaftliche Zukunft besondere Bemühungen um ständige Weiterbildung erfordert; dass die Universität eine Bildung und Ausbildung sicherstellen muss, welche es künftigen Generationen ermöglicht, zum Erhalt des umfassenden Gleichgewichts der natürlichen Umgebung und des Lebens beizutragen. (Magna Charta Universitatum)

Und um diese Ziele zu erreichen heißt es unter anderem in den Grundsätzen der Charta, dass die Universitäten “gegenüber allen politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Mächten unabhängig sein” und an ihnen zur “Wahrung der Freiheit von Forschung und Lehre … allen Mitgliedern der Universitätsgemeinschaft die zu ihrer Verwirklichung erforderlichen Instrumentarien zur Verfügung stehen” müssen.

Hinweis: Dieser Beitrag erscheint parallel auf Telepolis – Magazin für Netzkultur.

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217 Kommentare

  1. Ingroup versus Outgroup
    Bei Forschungsskandalen aber auch bei vielem was man letztlich als Verbandelung und Korruption bezeichnen könnte spielen Ingroups and outgroups eine wichtige Rolle. Zitat (übersetzt von DeepL):
    In der Soziologie und Sozialpsychologie ist eine InGroup eine soziale Gruppe, die eine Person psychologisch als Mitglied identifiziert. Im Gegensatz dazu ist eine Outgroup eine soziale Gruppe, mit der sich ein Individuum nicht identifiziert. Zum Beispiel können Menschen es psychologisch sinnvoll finden, sich selbst nach ihrer Rasse, Kultur, ihrem Geschlecht, Alter oder ihrer Religion zu betrachten. Es wurde festgestellt, dass die psychologische Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen und Kategorien mit einer Vielzahl von Phänomenen verbunden ist.
    Tatsächlich erklärt das Gefühl einer Gruppe anzugehören oder eben nicht, sehr vieles. Im Fall Birbaumer erklärt es beispielsweise warum ein eigentlich fachfremder Informatiker (einer aus der outgroup) die problematischen Forschungsaussagen als erster in Frage stellte.

  2. Herr Prof. Schleim
    Sie selbst sind ein konkretes Musterbeispiel für schlechte wissenschaftliche Arbeitsweise.
    Ich habe Sie schon seit 2008 auf das Thema ´Nahtod-Erfahrung´ (NTE) hingewiesen und darauf, dass NTEs komplett erklärbar sind. Als seriöser Wissenschaftler hätten Sie diesen Hinweisen nachgehen müssen: prüfen, prüfen, prüfen!
    Sie aber haben es vorgezogen, meine Hinweise zu ignorieren! Nach den Regeln für ´Gute wissenschaftliche Arbeit´ ist diese Vorgehensweise falsch.
    Mein Buch/E-Buch ´Kinseher Richard: Pfusch, Betrug, Nahtod-Erfahrung´ ist im Handel erhältlich. Darin können Sie mein Erklärungsmodell nachlesen.

    Beim Thema NTE geht es nicht um ein uninteressantes Thema. Wenn mein Erklärungsmodell richtig ist – wovon ich ausgehe – dann sind einige wichtige Ideen der Psychologie/Gehirnforschung fragwürdig/falsch.
    Beispiel 1 ´Infantile Amnesie´: Bei NTEs ist erkennbar, dass Inhalte des episodischen Gedächtnisses ab dem 5. Schwangerschaftsmonat dem bewussten Erinnern zugänglich sind. Nach der Theorie ´infantile Amnesie´ sind Erlebnisse vor dem 4.-2. Lebensjahr dem bewussten Erinnern nicht zugänglich.
    Beispiel 2 ´Spiegelneuronen´: Analysiert man Strukturen/Inhalte von NTEs, dann lässt sich ´Denken´ als Ergebnis einer Mustervergleichsaktivität mit 3 einfachen Regeln beschreiben. ´Spiegelneuronen´ sind dazu nicht notwendig. Die Idee von ´Spiegelneuronen´ wird seit Mitte der 1990er Jahre verbreitet, obwohl sie von Anfang an sinnlos war. Dazu wurden auch zahlreiche Tierversuche durchgeführt.

    Mit den zwei Beispielen ´infantile Amnesie´ und ´Spiegelneuronen´ haben Sie zwei wichtige Forschungsthemen der Psychologie/Gehirnforschung. Wenn Sie Herr Prof. Schleim wirklich an seriöser Wissenschaftsarbeit interessiert sind, sollten Sie meine Hinweise endlich ernst nehmen.
    Natürlich können Sie sich auch über meine Hinweise wieder einmal beschweren, so wie Sie dies schon mehrmals getan haben. Wenn dies Ihre Vorstellung von wissenschaftlicher Arbeit ist.
    Um den möglichen Umfang wissenschaftlichen Fehlverhaltens abzuschätzen, würde es ausreichen zu prüfen, wieviele Arbeiten zu den Themen ´infantile Amnesie´, Spiegelneuronen´ und ´Nahtod-Erfahrung´ im letzten Jahrzehnt veröffentlicht wurden (solange ist mein NTE-Erklärungsmodell veröffentlicht).

  3. @KRichard: Ich habe Sie im Laufe der Jahre wiederholt darauf hingewiesen, dass Ihre Thesen nicht teil meines Forschungsgebietes sind. Meine Pflichten als Arbeitnehmer an einer öffentlichen Universität ergeben sich aus den Gesetzen und meinen Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber.

    Ferner bitte ich Sie noch einmal, sich hier an die Hausregeln zu halten. Das bedeutet insbesondere, sich zum Thema zu äußern. Nahtoderfahrungen gehören definitiv nicht dazu. Wer sich damit beschäftigen will, kann ja z.B. ihr eBook kaufen.

  4. Zur “System-Logik” gehört allerdings *auch*, dass Forschungsfehlverhalten vermieden werden sollte. Einerseits aus den vielen “hehren” Gründen, die immer vollmundig bei Selbstdarstellungen ausformuliert werden. Andererseits, und viel, viel wichtiger: weil einem sowas auch durchaus schnell auf die Füße fallen kann. Und zwar mit Amputationsfolgen und Schlimmerem. Viele Magnifizenzen machen durchaus auch heute noch den Eindruck oder verbreiten zumindest den Nimbus, fachlich “immer” auf der sicheren, unangreifbaren Seite zu sein. Das ist in einer anonymisierten Forschungslandschaft mit globaler Reichweite einfach nicht mehr der Fall. Die grossen Superforscher_*Inn_*en haben die Art der Kontrolle nicht, die sie meinen zu haben.

    Insofern ist jeder Fall auch ein “systemlogischer” Ausweis der Blödheit. (Vor allem dann, wenn man so eklatant auffällig Angriffsflächen offenlässt)

  5. @ajki: System-Logik

    Die System-Logik, wie ich sie hier meine, ist zwingend verhaltenswirksam. (Merkt man, dass ich an einer verhaltenswissenschaftlichen Fakultät arbeite?) Das heißt nicht, dass sich jeder konform dieser Logik verhält, sie sich im großen und ganzen aber so auswirkt. Man könnte auch an das denken, was Burrhus Skinner als die Kontingenzen von Belohnung und Bestrafung (in einer Umgebung) bezeichnet hat.

    Wie verhaltenswirksam die “hehren” Gründe sind, auf die Sie verweisen, müsste man erst noch einmal untersuchen.

    Letztlich ist die Chance, mit Betrug aufzufliegen, in der Wissenschaft wahrscheinlich nicht sehr groß. Anders als im Sport gibt es nicht einmal zwingende Kontrollen. Und falls man dann doch auffliegt, dann kann man sich vielleicht noch mit “Unsorgfältigkeit” herausreden – aber sind so oder so wahrscheinlich schon viele Jahre vergangen.

    P.S. Ich glaube im Übrigen, dass die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler größtenteils ehrlich sind, so wie die meisten Menschen in unserer Gesellschaft überhaupt. Mein Argument ist vielmehr, dass die System-Logik diese Ehrlichkeit zu wenig belohnt und Unehrlichkeit zu viel belohnt.

  6. Ponder Stibbons von der sog. Discworld von Terry Pratchett fiel einigen hier ein, nun die Offenlegung bestimmter Machenschaft, die Denunziation meinend angegriffen.
    Dr. W mag Denunzianten, wenn sie recht haben.
    MFG
    Dr. Webbaer

  7. Zitat Stefan Schleim: Letztlich ist die Chance, mit Betrug aufzufliegen, in der Wissenschaft wahrscheinlich nicht sehr groß.
    Ja, in der biopharamakologischen Forschung oder der Sozialpsychologie ist die Chance aufzufliegen klein. Dort gibt es ja auch die Replikationskrise (fehlende Reproduzierbarkeit).
    In der Physik (oder gar Mathematik) aber ist es schwieriger zu betrügen – und das aus mehreren Gründen:
    1) Es gibt weniger Physiker als etwa Biologen/Pharamakologen oder Psychologen
    2) Ein Grossteil der Physik ruht auf etablierten, gut verstandenen Theorien und Ausführungen hierzu lassen sich von anderen Physikern gut nachvollziehen
    3) Die Wahrscheinlichkeit, dass die Arbeit eines Physikers von anderen kritisch überprüft wird ist grösser als bei einer verhaltenspsychologischen Arbeit oder einer Arbeit aus den “life sciences”.

  8. Bonuskommentar hierzu, das Kommentariat meinend :

    Die System-Logik, wie ich sie hier meine, ist zwingend verhaltenswirksam.
    […]
    P.S. Ich glaube im Übrigen, dass die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler größtenteils ehrlich sind, so wie die meisten Menschen in unserer Gesellschaft überhaupt. Mein Argument ist vielmehr, dass die System-Logik diese Ehrlichkeit zu wenig belohnt und Unehrlichkeit zu viel belohnt.

    ‘System-Logik’ ist die Rahmenbedingung, es liegt streng genommen keine Logik vor. sondern Regeln und Kultur. – Der Folgerichtigkeit geschuldet, nicht irgendeiner Logik.

    Also Veranstaltung.

    Es muss in derartigen Systemen versucht werden Wahrhaftigkeit heraus zu kriegen und möglichst resilient zu werden, immer im Bewusstsein, dass der andere sowieso lügt, es muss sich abgefeimt werden im sozusagen bösen Denken durch dessen Annahme (letztlich natürlich dann wieder im Guten, Dr. W und Dr. S denken fortlaufend im Guten, wie zumindest Dr. W findet).

    MFG
    Dr. Webbaer

  9. @Schleim
    Habe ich etwas falsch verstanden? In Ihrem Blogbeitrag geht es um wissenschaftliches Fehlverhalten – mit dem Beispiel von Prof. Birbaumer.

    Ich weise auch auf konkretes wissenschaftliches Fehlverhalten hin – näher am Thema geht es wohl nicht

  10. @KRichard: Lassen Sie es doch endlich einmal bleiben… Sie sind hier und dem Vernehmen nach auch in anderen Blogs mit Ihren Off-Topic-Beiträgen und auch dem anmaßenden Verhalten nicht willkommen.

  11. @Holzherr: In-/Outgroup

    Da ist sicher ‘was dran… Ich bin ja gewissermaßen auch in der Outgroup und da ist das Schreiben freier.

    Man könnte sich aber auch die umgekehrte Konstellation vorstellen, dass jemand enttäuscht ist und “Rache” üben will und dann mal einen anonymen Tipp gibt. Eigentlich interessant, dass das in der Wissenschaft allem Anschein nach so selten passiert. Vielleicht, weil man denkt, dass man doch irgendwie zusammen in einem Boot sitzt?

  12. Birbaumer war vor zehn Jahren und davor mit der Clique um Otto E. Rössler und Machern von Telepolis über das ZKHI verstrickt. Die neuen Enthüllungen aus dem Tübinger Sumpf verwundern doch wirklich niemanden, der diese Szene beobachtet hat …

  13. Hätte der Informatiker Arbeiten über „technische Prozessoren“ ausgewertet, und wären die Probleme der selektiven Datenauswahl aufgetreten, so wäre es absolut korrekt wenn er dies kritisiert hätte.

    Dies gilt aber keinesfalls bei „biologischen Hirnprozessoren“, noch dazu bei locked in Patienten, da ist es naiv, oder er spielt das Zugpferd für Intriganten.

    Der Unterschied zwischen Technik und Biologie ist eben genau der, dass besonders bei locked in Patienten, die Daten nur sehr schlecht reproduzierbar sind, weil biologische Systeme nun einmal „launenhaft“ reagieren, Patienten unterschiedlich (disponiert) „gut drauf“ sind, was für einen erfahrener Arzt, aber nicht für einen Informatiker sonnenklar ist. Selbst ein Laie kann dies erkennen wenn er Umgang z.B. mit „langsam verlöschenden“ Angehörigen hat.

    Technische Information verarbeitende Systeme sind grundsätzlich so konzipiert, dass sie unter allen normalerweise erwarteten Umständen immer gleich reagieren müssen.

    Biologische Systeme unterscheiden sich genau in diesem Punkt von technischen Systemen. Sie reagieren mehr oder wenige „launenhaft“ und dies ist systembedingt.

    Die Methoden der Wissenschaft eignen sich nur unzureichend für Auswertungen von Daten derartiger Patienten.
    Das ist für die Fachkollegen naheliegend und sie enthalten sich der Kritik, aber Informatiker (Techniker) würde dies normalerweise wegen ihrer grundsätzlich anderen Einstellung nicht tun können.

    Es ist wissenschaftliche Heuchelei wie hier vorgegangen wird, besser gesagt, realistisch so vorgegangen werden muss, sonst kann man die wissenschaftlichen Regeln in die Tonne kippen. Dies ist das Dilemma.

    Zitat @ Holzherr: „Ja, in der biopharamakologischen Forschung oder der Sozialpsychologie ist die Chance aufzufliegen klein. Dort gibt es ja auch die Replikationskrise (fehlende Reproduzierbarkeit).“

    Die Replikationskrise gibt es auch bei neuronalen Systemen und noch einmal verstärkt, ganz besonders bei locked in Patienten.

    Eventuell sollten für Fachgebiete die sich mit hoch komplexen biologischen Systemen beschäftigen eigenen Regeln deklariert werden, sonst nimmt die wissenschaftliche Heuchelei kein Ende.

    So mancher Bierbaumer Kritiker hat eben noch mit ihm ein Hühnchen zu rupfen.

    Mich würde es nicht wundern, wenn wegen der persönlichen Existenzkämpfe die ganze Wissenschaft im Intrigensumpf untergeht….

  14. Niels Birbaumer wird hier wohl schwer falsch liegen, i.p. ‘In angewandter Forschung mit Patienten, die, wie hier, im Endstadium völlig gelähmt und somit ausgeliefert (“completely locked-in”) sind und deren Angehörige in der Gehirn-Computer-Schnittstelle die einzige Chance zur Kommunikation sehen, fehlt schlicht ein angemessenes Wort.’ [Artikeltext], dennoch gilt es diese Position in einem WebLog-Eintrag detailliert darzustellen, möglichst positiv zu bearbeiten, sie stark zu machen, um sie erst dann anzugreifen bis zu vernichten.
    So, wie womöglich von Niels Birbaumer behauptet, kann es anzunehmenderweise nicht sein.
    Der Verdacht, dass da jemand “ins Blaue” gearbeitet hat, liegt auf der Hand, abär diesem Arbeiter ist erst einmal möglichst zärtlich sozusagen zu verstehen zu suchen. [1]

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1]
    Denn für den anderen macht “Bull” Sinn, denn für den anderen funktioniert wenig sinnhaftes bis unsinniges Gebilde.
    Und hier gilt es möglichst tief einzutauchen.

  15. Die derzeitigen wissenschaftlichen Methoden scheinen ungeeignet an locked in Patienten Forschungen vorzunehmen, weil es eben zwangsläufig Probleme mit der Reproduzierbarkeit gibt.

    Entweder man passt die Forschungsmethoden der Situation an, oder man stellt die Forschung an derartigen Menschen ein, weil sich jeder Wissenschaftler zwangsläufig selbst demontieren würde wenn er versucht sich dieser Realität vernünftig anzupassen.

    Es ist mir aber auch klar, dass es seriös sein wollende Wissenschaftler nicht wagen können diese Problem derart offen anzugehen, Heuchelei ist hier gefragt, nur einen “wissenschaftlichen Desperado” ist es völlig egal….

  16. @ Kommentatorenfreund ‘Elektroniker’ :

    Entweder man passt die Forschungsmethoden der Situation an, oder man stellt die Forschung an derartigen Menschen ein, weil sich jeder Wissenschaftler zwangsläufig selbst demontieren würde wenn er versucht sich dieser Realität vernünftig anzupassen.

    Macht schon Sinn, Kosten bleiben zu schonen, es hat wohl gelegentlich sog. ‘locked in Patienten’ zu Sinn und gesellschaftlichem Beitrag verholfen, es darf aber auch schlicht gestorben werden.

    Es ist mir aber auch klar, dass es seriös sein wollende Wissenschaftler nicht wagen können diese Problem derart offen anzugehen, Heuchelei ist hier gefragt, nur eine[m] “wissenschaftlichen Desperado” ist es völlig egal….

    Ganz genau, die Wissenschaftlichkeit ist eine Veranstaltung im Rahmen der Demokratie, also Steuergelder meinend und ansonsten von Sponsoren (oder Mäzenentum) abhängig und sie ist in diesem Sinne nicht idiotisch (“selbstständig”) und kann da nicht, Herrschaftssysteme meinend. herauskommen.
    Der Einzelne schon, sofern ihm dies erlaubt ist.
    MFG
    Wb

  17. Opi W hat teils auch das “Ganz Unten” gesucht und gefunden, sich auf Wanderschaft befindend, und es war auch “ganz OK”, womöglich besteht hier oft ein gewisser Vorteil, wenn sich mit Saturierten zusammengefunden wird.

  18. @Elektroniker: Reproduzierbarkeit vs. Nachvollziehbarkeit

    Es geht in dem hier vorliegenden Fall doch nicht darum, dass das Experiment nicht reproduzierbar wäre. Das ist aus den von Ihnen genannten Gründen auch seh schwierig.

    Es geht vielmehr darum, dass das, was die Forscher in ihrer Publikation behauptet haben sollen, nicht nachvollziehbar sei: Es würden Daten und Skripte zur Auswertung, fehlen, vorhandene Daten seien nicht ausgewertet worden, das berichtete Ergebnis sei womöglich gar bewusst gefälscht worden.

    Daher kann ich Ihre Reaktion diesmal nicht nachvollziehen.

  19. Begutachtung ohne Kenntnis der empirischen Datengrundlage bzw. der Rohdaten. Das ist ja alles noch schlimmer, als letztes Jahr hier bezüglich “peer review” diskutiert wurde.
    Mir ist nach wie vor unerfindlich, wie angesichts der Arbeiten von Popper, Thomas Kuhn, Paul Feyerabend usw. usw. auf solche Weise “Wissenschaft” betrieben werden kann. Die aktuelle Generation von Forschern (mittleren Alters) scheint die Disziplinen Erkenntnistheorie bzw. Wissenschaftstheorie in der Tat für irrelevantes philosophisches Geschwätz zu halten. (Ich war mir dessen bisher trotz einiger Diskussionen manchmal noch unsicher)
    Eventuell ist es aber doch schlimmer, als ich bisher schon befürchtet habe.

    Oder trügt der Schein, und man kann noch Hoffnung haben? (-:

  20. Stephan Schleim schrieb (12. Juni 2019 @ 09:19):
    > […] dass das, was die Forscher in ihrer Publikation behauptet haben sollen, nicht nachvollziehbar sei:
    >
    Es würden Daten und Skripte zur Auswertung fehlen, vorhandene Daten seien nicht ausgewertet worden, das berichtete Ergebnis sei womöglich gar bewusst gefälscht worden.

    To say it in English:

    … that what the researches supposedly claimed in their publication was irreproducible:
    Data and evaluation scripts were missing, available data had not been evaluated, possibly the reported result had been even intentionally falsified.

    > […] Reproduzierbarkeit vs. Nachvollziehbarkeit

    Nein: nicht “vs.“.
    “Reproduzierbarkeit” und “Nachvollziehbarkeit” können als synonym gelten, weil bzw. sofern sich beide auf die ggf. anzuwendende Bewertungs-Methodik oder Mess-Operation beziehen.

    Im Gegensatz dazu, hinsichtlich der dadurch erhaltenen Ergebnisse bzw. Mess-Werte, spricht man ggf. von
    “Wiederholung”, “Nachbildung”, “Bestätigung” (“repetition”, “replication”, “confirmation”).

  21. @Wappler: Reproduzierbarkeit vs. Nachvollziehbarkeit

    Man kann zwar “nachvollziehen” mit “reproduce” übersetzen und selbiges für die Negation der Terme, doch “reproduzieren” hat hier eine spezifische Bedeutung, nämlich ob man bei einem wissenschaftlichen Versuch unter den selben Bedingungen zur selben Beobachtung/zum selben Ergebnis kommt.

    Stellen Sie sich das Rezept Ihres Lieblingskuchens Ihrer Oma vor. Wenn Sie alles mit genau denselben Zutaten genau so tun, wie es auf dem Rezept steht, aber sie doch zu einem anderen Ergebnis kommen, dann muss das Rezept unvollständig sein.

    Bei der Nachvollziehbarkeit ginge es hingegen darum, ob man, wenn man einen konkreten Kuchen sieht und das Rezept kennt und weiß, welche Zutaten dafür verwendet wurden, ob man dann nachvollziehen kann, warum der Kuchen so ist und nicht anders. Wenn nicht, dann stimmt etwas nicht – ohne dass man dafür einen neuen Kuchen backen (= reproduzieren) müsste.

  22. Danke für den informativen Überblick zur Causa Birbaumer, Stephan. Du schreibst:

    Aus System-Logik ist es so, dass man sich mit Kritik vor allem Feinde schafft.

    .
    Das ist doch eigentlich überall so. Mehr oder weniger (kommt wohl auch auf die Art von Kritik an).

    Es ist sicher nicht so, dass die System-Logik des Wissenschaftsbetriebs den Fall Birbaumer geradezu provoziert hat. Auch hier ist es wie überall: Der Erfolgsdruck lässt manche Menschen in bestimmten Situationen schwach werden (ich gehe davon aus, dass die Kritisierten ihr Handwerk verstehen).

    Immerhin hat sich wieder einmal gezeigt, dass wissenschaftliches Fehlverhalten riskant ist. Selbst wenn der „idealistische Informatiker“ die Sache nicht aufgedeckt und ins Rollen gebracht hätte: wenn das behauptete „Gedankenlesen“ nicht funktioniert, wäre das früher oder später gewiss ans Licht gekommen. Es ist eben doch kein „Mythos“: auf lange Sicht korrigiert sich die Wissenschaft selbst, die „Wahrheit“ setzt sich durch.

    Das System Wissenschaft kann sicherlich noch verbessert werden, aber wenn man sieht, wie weltweit die Wissenschaftler zusammenarbeiten und zugleich im fairen Wettbewerb miteinander stehen, dann ist das schon etwas ganz Besonderes. Gerade auch im Vergleich mit dem, was die politischen Akteure so zustande bringen.

    Auf jeden Fall taugen die vereinzelten Fälle von wissenschaftlichem Fehlverhalten oder Unfähigkeit nicht für eine Fundamentalkritik der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung, wie sie hier von manchen wissenschaftsfernen Geistern gepflegt wird, dafür sind die Erfolge der Wissenschaften insgesamt einfach zu überzeugend.

  23. @Balanus: Träumerei

    Hier bei MENSCHEN-BILDER ist (inhaltliche) Kritik willkommen; oder auf Telepolis. Aber wo in der Wissenschaft? Nullfunde, die sehr aussagekräftig sein können, lassen sich doch in den meisten Disziplinen nicht einmal publizieren (“file drawer problem”). Und das ist nur ein Beispiel.

    Nein, weil die Stellschrauben der System-Logik nicht darauf ausgelegt sind, sehen wir wahrscheinlich nur die Ausnahmen, nicht die Regel. D.h. wie viele Prof. X, Y & Z neben Prof. B geschummelt haben, das wissen wir gar nicht. Deine Aussage ist nicht empirisch unterfüttert und damit selbst nicht wissenschaftlich, sondern eher dein Credo.

    Und das Schlimmste ist doch dies: Wenn wir annehmen, dass das in der Karriere von Prof. B kein Einzelfall war, dann hat er im Laufe der letzten Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, im Wettbewerb andere ausgestochen, auf grundlage falscher Daten. Dieser Schaden ist schon entstanden und lässt sich gar nicht mehr korrigieren.

  24. Man sollte sich fragen wie man damit umgeht, wenn Experimente nicht (mehr) reproduzierbar sind, was ein zunehmendes Problem in der Biologie scheint.
    Wenn es um die Bewältigung der Probleme geht, die besonders bei hoch komplexen Systemen dann entstehen, wenn man keine realistischen Zugang (mehr) zu allen (bedeutenden) Komponenten hat.

    Probleme entstehen, wenn hinreichend definierte Zustände aller wichtigen Prozesskomponenten für das Experiment nicht hergestellt werden können.
    Unterschiedliche Ausgangszustände bedeuten unterschiedliche Prozesse, bedeuten unterschiedliche Ergebnisse.

    Bei der Steuerung von Prothesen bei Gesunden ist man z.B. relativ erfolgreich, weil es gute Kommunikationsmöglichkeiten gibt.

    Bei locked in Patienten sind diese Möglichkeiten fast nicht vorhanden.
    Die strengen Testkriterien können nicht eingehalten werden.
    Entweder man reduziert die Ansprüche, lässt subjektive Einflüsse auf die Daten (z.B. durch qualifizierte Ärzte) bei der Testauswertung zu, oder man besteht auf automatisch generierte objektive Daten und man einigt sich auf besondere, objektive Auswertealgorithmen.

    Man könnte auf die Forschung bei derartigen Patienten auch verzichten.

    Algorithmen könnten zwar auch unzureichend „funktionieren“ aber man kann ihnen zumindest nicht unterstellen, z.B. absichtlich zu „betrügen“. Ob sie „besser“ sind als involvierte Mediziner ist zumindest am Anfang eine Frage. Später werden eher KI Systeme besser sein.

    Diesen Sachverhalt sollte jeder kennen. Diese Realität nicht zu berücksichtigen und Involvierte einfach zu kriminalisieren, halte ich für heuchlerisch.

  25. “Kinseher Richard: Pfusch, Betrug, Nahtod-Erfahrung” ist kein im Handel erhältliches Buch, sondern ein selbst publiziertes Werk! Oma Hertha könnte auf gleiche Art und Weise „Ricky kackt ab – oder wie ich den Stuhlgang lernte“ veröffentlichen.

    Ob dies einer „im Handel erhältlichen“ populär-wissenschaftlichen Veröffentlichung” gleichkommt, ist zweifelhaft.

    „Nahtod” ist als Wort übrigens genau so sinnvoll wie „Halbmarathon”.

  26. @Wappler, Elektroniker: Begriffe/Korrektur

    Ich räume (nach längerem Nachdenken) ein, dass die Grenze, die ich zwischen den Begriffen Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit (man könnte auch noch Replizierbarkeit mitnehmen) ziehen wollte, vielleicht doch nicht so stimmig ist.

    Aus den Ausführungen wird aber hoffentlich deutlich, was ich meine: Im einen Fall geht es um das Nachvollziehen dessen, was brereits geschehen (insbesondere: publiziert) ist; im anderen Fall geht es ums Wiederholen der Schritte des “Rezepts” in einem ganz neuen Fall und die Prüfung, ob man dann dasselbe Ergebnis erhält.

    Ich werde gelegentlich darüber nachdenken, welche Begriffe hierzu am besten passen. Danke für die kritische Anmerkung.

  27. @Elektroniker: Replikationen

    Ich stimme Ihren Überlegungen zur (Un)Möglichkeit von Replikationen (d.h. man wiederholt das Experiment Schritt für Schritt und schaut, ob dasselbe herauskommt) weitgehend zu, wundere mich dann aber über Ihr starkes Fazit:

    Diesen Sachverhalt sollte jeder kennen. Diese Realität nicht zu berücksichtigen und Involvierte einfach zu kriminalisieren, halte ich für heuchlerisch.

    Ich kann mich nur wiederholen, dass es im hier vorliegenden Fall nicht um eine gescheiterte Replikation geht, sondern um vier nachgewiesene Arten wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Falls Sie sich die genaue Begründung anschauen wollen, verweise ich noch einmal auf die Pressemitteilung der Universität Tübingen.

    Da Sie sich zudem mit Informatik etcetera besser auskennen als der Durchschnittsleser, finden Sie vielleicht den in der Zeitschrift PLoS Biology veröffentlichten Letter von Martin Spüler interessant, also dem Informatiker, der die Untersuchung erst in Gang gebracht hat (Questioning the evidence for BCI-based communication in the complete locked-in state).

  28. Zum Problem von “Elektroniker”:
    Falls irgendwo Falsifikationen aus irgendwelchen Gründen technisch oder Prinzipiell UN- möglich sind, sollte man die entsrechenden Hypothesen bzw. “Theorien” eben nicht WISSENSCHAFTLICH, sondern metaphysisch oder wenigstens “vorwissenschaftlich volläufig bzw rein spekulativ ” nennen.
    Aber das traut man sich innerhalb der SC dann aus “Imagegründen” (nach innen und außen) dann wohl doch nicht. Denn (Natur-) “Wissenschaft” MUSS ja per (Image- ) Definition immer “knallhart” sein.

  29. Stephan Schleim schrieb (12. Juni 2019 @ 16:52):
    > […] Bei der Nachvollziehbarkeit ginge es […] darum, ob man, wenn man einen konkreten Kuchen sieht und das Rezept kennt und weiß, welche Zutaten dafür verwendet wurden, ob man dann nachvollziehen kann, warum der Kuchen so ist und nicht anders. Wenn nicht, dann stimmt etwas nicht – ohne dass man dafür einen neuen Kuchen backen […] müsste.

    Na, so ungefähr …
    Nachvollziehbarkeit ist eine rein gedankliche (“Gedanken-experimentelle”) Beurteilung des jeweiligen Rezepts, d.h. also von Kenntnis und Verständnis und Mitteilbarkeit des Rezepts;
    auch ohne dass dafür durch tatsächliche Anwendung des Rezeptes (auf die Versuch für Versuch jeweiligen Gegebenheiten) ein konkreter Kuchen gebacken bzw. ein konkreter Messwert ermittelt werden müsste.

    Es geht dabei um die Reproduktion des Rezepts (bzw. der Mess-Methodik bzw. der Versuchs-Anordnung) in der Gesellschaft der Bäcker bzw. Experimentatoren, Versuch für Versuch, und auch über Generationen hinweg.
    Es geht darum, ob man anderen (hinreiched gewissenhaften) Anwendern genauso wie sich selbst zutrauen kann zu beurteilen, dass das betreffende Rezept ggf. befolgt worden wäre, oder nicht.

    > Wenn Sie alles mit genau denselben Zutaten genau so tun, wie es auf dem Rezept steht, aber sie doch zu einem anderen Ergebnis kommen, dann muss das Rezept unvollständig sein.

    Die Forderung nach “genau denselben Zutaten” (einschl. “Bedingungen”, “Teilnehmern”, “Tagesform” etc.) in verschiedenen Versuchen ist absurd, denn deren Unterscheidbarkeit und Verschiedenheit ist überhaupt erst die Voraussetzung dafür, ggf. von verschiedenen Versuchen zu sprechen.
    Sprichwörtlich: “Man kann nicht zweimal im selben Fluss baden.”, bzw. “Man kann nicht zweimal den selben Kuchen backen.”

    Aber, sofern ein nachvollziehbares Rezept vorliegt, kann man jedesmal gewissenhaft Zutaten usw. nach Rezept einsetzen; oder ansonsten gewissenhaft den betreffenden Versuch als “ungültig” abhaken.

    Falls so, dann sind all die in verschiedenen gültigen Versuchen erhaltenen unterscheidbaren Kuchen gleichermaßen “Mein Lieblingskuchen nach Omis Rezept”.
    Weil bzw. sofern es sich bei derlei Kuchen im weitesten Sinne um Naturprodukte handelt (und nicht z.B. um mathematische Theoreme, oder nicht z.B. schlicht um nur eine bestimmte gedachte Zahl) könnten diese Kuchen daneben hinsichtlich bestimmter anderer Maße ungleich sein; hinsichtlich zumindest einiger Maße müssten sie sogar ungleich sein.

    Jedes betreffende Rezept ist dahingehend zwangsläufig “unvollständig“, schon allein weil sich Maße/Messgrößen denken lassen, die inkompatibel bzw. inkommensurabel sind.

    Diese “Unvollständigkeit” kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass typische Rezepte bzw. Messgrößen-Definitionen nicht in allen (gültigen) Versuch ausnahmslos den selben Messwert festlegen, sondern (“nur”) einen Wertebereich, aus dem Versuch für Versuch, je nach gegebenen (stets Rezept-gemäßen) Zutaten bzw. Beobachtungsdaten, jeweils ein bestimmter Kuchen/Messwert erzielt wird.

    > […] ob man bei einem wissenschaftlichen Versuch unter den selben Bedingungen

    … oder eher: unter gleichermaßen Rezept-gemäßen Bedingungen …

    > zur selben Beobachtung/zum selben Ergebnis kommt [wie in einem anderen, vorausgegangenen Versuch].

    Beobachtungen, die in verschiedenen Versuchen gemacht/gesammelt wurden, sind definitionsgemäß voneinander verschieden: “Man kann nicht den selben Kuchen zweimal essen.”
    Die Bewertung(en) der jeweils gegebenen Beobachtungsdaten, also die jeweiligen Rezept-treuen Kuchen/Messwerte, liegen alle zwangsläufig im vom Rezept definierten Wertebereich, können aber Versuch für Versuch gleich oder ungleich sein.
    (Sprich: “Wieder mal mein Lieblingskuchen nach Omis Rezept, aber diesmal sind die Rosinen besonders saftig.”)

    Nur wenn das Kuchen-Rezept nachvollziehbar ist (u.a. “Da kommen Rosinen rein.”) lässt sich beurteilen, in wie fern sich dementsprechend gefertigte Backware ggf. wiederholte, oder nicht.

  30. Die Wahrung von Objektivität bei der Beurteilung von Feldversuchen und Einzelversuchen ist ein grundsätzliches Problem. Wenn die Versuche dann auch nicht reproduzierbar sind, dann kann man nur auf den Berufsethos der Verantwortlichen bauen.
    Um ein konkretes Beispiel zu nennen, die Bewertung der Homöopathie. Hier gibt es ja Feldversuche im Vergleich mit Placebos, aber diese Erkenntnisse bauen alle darauf auf, dass alle Menschen gleich auf HP-Produkte reagieren.
    Dazu kommt, dass die Pharmaindustrie ihre Interessen wahren will und die Ergebnisse von Studien beeinflussen kann.

    Die Gesetzeslage ist ein beredtes Beispiel für die Unsicherheit auf diesem Gebiet.
    Also, wo ist der Ausweg ? Man bräuchte unabhängige Institute, vom Gesetgeber bezahlt, die Studien überprüfen können. Und es bräuchte die gesetzliche Regelung, dass die Ergebnisse dieser Institute von den Parteien anerkannt werden müssen.

  31. Kein Wunder, kein Phänomen, für mich ist das Theater alles Heuchelei – Überproduktion von systemrationalem Kommunikationsmüll.

    Ich kann es nur wiederholen: Wenn ihr eine Welt ohne Lug und Trug wollt, eine wirklichwahrhaftig aufgeklärte, dann gehört der Wettbewerb und seine Symptomatik in “Wer soll das bezahlen?” und “Arbeit macht frei” abgeschafft.

    Aber weil Mensch im Kreislauf des geistigen Stillstandes lieber weiter an “Individualbewusstsein”, Schuld- und Sündenbocksuche glaubt …😨😫😊

  32. Systemlogik: menschliches Fehlverhalten führt zu wissenschaftliches Fehlverhalten!🙅🙌🙆

  33. @Wappler (auch @Elektroniker): doch noch einmal Nachvollziehbarkeit

    Es ist doch eigentlich gar nicht so schwer. Im hier vorliegenden Fall fehlten u.a. Daten und Skripte zur Auswertungen: Zum Beispiel stand im Paper, Patient X wurde an 17 Tagen gemessen (die konkreten Zahlen denke ich mir aus; dem Inhalt nach steht das aber so im Bericht). Jetzt fragte die Kommission nach den Daten für Patient X. Es gibt aber nur Daten von 14 Tagen. Also fehlen Daten von drei Tagen.

    Dass zudem das Skript zur Auswertung fehlt, bedeutet auch, dass man das berichtete (publizierte) Ergebnis nicht aus den vorhandenen Daten nachvollziehen kann. Der Informatiker berechnete zudem aus den verfügbaren Daten, dass es keinen statistisch signifikanten Effekt gibt.

    Das hat alles nichts mit der großen Diskussion über Replikationen zu tun, sondern schlicht damit, dass sich das publizierte Ergebnis nach Würdigung aller heute verfügbarer Fakten nicht nachvollziehen (nicht reproduzieren) lässt. Für die von den Forschern berichtete Aussage, über eine Gehirn-Computer-Schnittstelle mit CLIS-Patienten kommunizieren zu können, fehlt also der schlagende Beweis.

  34. @Wappler: Über Replikation…

    …auch wenn das nicht zum Thema dieses Beitrags gehört, doch noch dieser Hinweis:

    Die Forderung nach “genau denselben Zutaten” (einschl. “Bedingungen”, “Teilnehmern”, “Tagesform” etc.) in verschiedenen Versuchen ist absurd…

    Ist sie nicht.

    Um zu reproduzieren, ob etwa ein Eisenatom durch den Beschuss von Neutronen in X und Y zerfällt, muss ich den Versuch nicht mit demselben Eisenatom oder denselben Neutronen wiederholen, was technisch unmöglich ist, sondern – unter den experimentell gleichen Bedingungen – ein anderes Eisenatom mit anderen Neutronen wiederholen.

    Dass das in den Lebens- und Humanwissenschaften schwieriger ist, liegt vor allem daran, dass z.B. Menschen eben komplexer und diverser sind als Atome und die Umwelten sich hier schwieriger kontrollieren lassen.

    P.S. Auch beim Rezept fürs Kuchenbacken erwartet keiner von Ihnen, dasselbe Ei noch einmal zu verwenden, sondern ein hinreichend ähnliches Ei. Aber eben ein Ei und keine Gurke. Das weiß doch jeder. Warum streiten wir uns über solche Banalitäten?

  35. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, weshalb ein “Experiment” bei vollständiger Offenlegung des Experimentaldesigns (Rezept) vom Prinzip her nicht mit hinreichender Exaktheit wiederholbar sein soll. D.h. warum sich Ergebnisse bezüglich naturGESETZlicher Vorgänge /Abläufe/ Strukturen nicht reproduzieren lassen können sollen.
    Lässt sich etwas tatsächlich nach wiederholten Versuchen nicht reproduzieren, handelt es sich eben entweder um chaotische Abläufe bzw. Strukturen und es kann (noch) keine (naturgesetzliche) “Theorie” daraus gebastelt werden, oder es lassen sich Vorhersagen einer bestehenden Theorie nicht verifizieren, dann stimmt eben etwas mit der Theorie nicht.

  36. off topic @Blindfisch
    Mein Buchtitel ´Pusch, Betrug, Nahtod-Erfahrung´ ist eine Wortspielerei mit drei Begriffen – wobei der folgende Begriff immer etwas deutlich schlimmeres/schlechteres beschreibt als das vorhergehende Wort.
    (somit sollte klar erkennbar sein, was ich vom Begriff ´Nahtod´ halte.)

  37. tephan Schleim schrieb (13. Juni 2019 @ 13:36):
    > […] ob etwa ein Eisenatom durch den Beschuss von Neutronen in X und Y zerfällt, muss ich den Versuch nicht mit demselben Eisenatom oder denselben Neutronen wiederholen, was technisch unmöglich ist

    Es ist also (zumindest) “technisch unmöglich“, dass ein-und-das-selbe Eisenatom zweimal durch den Beschuss von Neutronen in X und Y zerfällt ??

    Ich behaupte (stattdessen): Das ist (sogar) logisch unmöglich.

    > sondern – unter den experimentell gleichen Bedingungen – ein anderes Eisenatom mit anderen Neutronen wiederholen.

    Das ist logisch möglich;
    und falls dabei die gleichen Zerfallsprodukte “X und Y” auftraten, dann mag man wohl schlussfolgern, dass beide Versuche “unter experimentell hinreichend gleichen Bedingungen verliefen”.

    (Logisch möglich wäre allerdings auch ein davon abweichender Befund.)

    > Dass das in den Lebens- und Humanwissenschaften schwieriger ist, liegt vor allem daran, dass z.B. Menschen eben komplexer und diverser sind als Atome und die Umwelten sich hier schwieriger kontrollieren lassen.

    Gewisse Schwierigkeiten (manche sprechen gar von Krisen) der Fundamental-Naturwissenschaft(en) liegen wohl nicht zuletzt daran, dass sich manche Menschen einbilden, jeder könne von vornherein wissen, wieviel Kontrolle man hat; anstatt zu wissen, wie zumindest jeweils im Nachhinein zu beurteilen wäre, ob bzw. inwiefern sie Kontrolle hatten.

    > P.S. Auch beim Rezept fürs Kuchenbacken erwartet keiner von Ihnen, dasselbe Ei noch einmal zu verwenden, sondern ein hinreichend ähnliches Ei.

    q.e.d.

    > Aber eben ein Ei und keine Gurke. Das weiß doch jeder. Warum streiten wir uns über solche Banalitäten?

    Damit z.B. die Rezepte überhaupt erst ausdrücklich zur Sprache kommen und weitergegeben werden können, wie nachvollziehbar beurteilt werden sollte, ob zwei gegebene Eier einander “hinreichend ähnlich” gewesen wären, oder inwiefern nicht. …

  38. @ little Louis
    Genau das was Sie schreiben nenne ich eben “Heuchelei”.

  39. @ Little Louis
    Die vollständige Offenlegung ist bei hoch komplexen Systemen oft unrealistisch.

    Bekommt ein Patient zufällig Blut der passenden Blutgruppe überlebt er, sonst hätte er vor “Landsteiner” Pech gehabt.

  40. @Wappler: logische (Un)Möglichkeit

    Soso… Wenn ein Teilchen A in zwei Teilchen X und Y zerfällt, ich also alle Komponenten benennen und die Energie berechnen kann, dann soll es logisch unmöglich sein, X und Y wieder zu A zusammenzufügen? Welches logische Gesetz sollte das denn verbieten?

    Ich sprach von technischer Unmöglichkeit. Logische Unmöglichkeit impliziert nomologische Unmöglichkeit; die impliziert z.B. physikalische Unmöglichkeit; und die impliziert technische Unmöglichkeit. Das heißt, eigentlich geben Sie mir sowieso Recht.

    Diese ganze Diskussion dreht sich wieder einmal um ein Scheinproblem. Amen.

  41. Frank Wappler,
    kennst du das Rätsel mit dem Frühstücksei ?
    Wieviel Frühstückseier kannst du auf nüchternem Magen essen ?
    (Anmerkung: Es geht um deine Logikvorstellung von gestern)

  42. Stephan Schleim schrieb (13. Juni 2019 @ 23:58):
    > Ich sprach von technischer Unmöglichkeit. Logische Unmöglichkeit […] impliziert technische Unmöglichkeit.

    Ganz recht. Deswegen schrieb ich oben (13. Juni 2019 @ 17:06): »… (sogar) logisch unmöglich.«

    > Das heißt, eigentlich geben Sie mir sowieso Recht.

    Ja, aber nur soweit auch mir damit Recht gegeben würde.

    > Wenn ein Teilchen A in zwei Teilchen X und Y zerfällt, ich also alle Komponenten benennen und die Energie berechnen kann, dann soll es logisch unmöglich sein, X und Y wieder zu A zusammenzufügen?

    Wenn sich der Versuchsabschnitt mit dem “Teilchen A bis zum Zerfall” und der Versuchsabschnitt mit dem “Teilchen A nach dem Wiederzusammenfügen” nachvollziehbar und ausdrücklich unterscheiden lassen,
    dann ist das “Teilchen A” zum Versuchsende nicht mehr genau das selbe “Teilchen A” wie zu Versuchsbeginn,
    und nicht genau das selbe wie in Versuchen ohne ausdrücklichen Zerfall und Wiederzusammenfügen.
    Vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Double-slit_experiment#Which_way

    “Das Teilchen A nach (zuverlässig ausgelöstem) Zerfall und (planmäßigem) Wiederaufbau” mag “dem Teilchen A, wie es leibt und lebt” in vielen Maßen gleichen; aber es wäre eben nicht strikt das selbe.
    In wie fern es hinnehmbar oder praktisch scheinen mag, beide mit dem selben Namen “A” zu bezeichnen, kennzeichnet diejenigen (einschl. ihrer “Umstände”), die das ggf. hinnehmen und praktischen finden mögen, oder eben nicht.

    > Welches logische Gesetz sollte das denn verbieten?

    Das logische Gesetz, das wir uns geben und dem wir folgen, wenn wir mitteilen wollen, was wir gefragt und getan und herausgefunden haben;
    hier insbesondere hinsichtlich “(zuverlässig ausgelöstem) Zerfall” und “(planmäßigem) Wiederaufbau”.

  43. Sbaraquack d.Ä. schrieb (14. Juni 2019 @ 09:09):
    > Wieviel Frühstückseier kannst du auf nüchternem Magen essen ?

    Wie viele Frühstückseier kannst du innerhalb einer Stunde hintereinander essen, wenn du das erste auf nüchternen Magen zu essen anfängst ?

    p.s.
    Und wie viele erst der besonders für seine wohldurchdachten Fragen geschätzte Sbaraquack d.J. ? …

  44. @Wappler: nicht nachvollziehbar

    “Recht geben” ist für Sie also eine Sache sozialer Gefälligkeit? Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, die von den Argumenten und Fakten abhängt.

    Ich fasse einmal zusammen, dass Sie in einer Subdiskussion (über eine tatsächliche, neue Replikation), die mit dem Thema des Artikels nichts zu tun hat (darin geht es um die Nachvollziehbarkeit bereits gewonnener Daten/Ergebnisse), kein überzeugendes Argument für die Aussage bringen, man könne ein und dasselbe Teilchen nicht zweimal zerfallen lassen.

    Ihr “Beleg”, etwa die Anführung des Doppelspaltexperiments (dazu habe ich im LK Physik übrigens mal ein Experiment aufgebaut), also für den Teilchen- vs. Wellencharakter des Lichts, hat doch mit der Frage, ob und wie ein Eisenatom zerfallen würde, überhaupt nichts zu tun. Dennoch führen Sie das hier wie selbstverständlich als Beleg für Ihre Behauptung an.

    Allgemeiner: Wenn A aus X und Y besteht und ich es auf Weise E in X und Y zerteilen kann, warum soll es dann unlogisch sein, die Zusammenfügung von X und Y auf die Weise E’ wieder A zu nennen?

    Ihr Argument ist nicht nur logisch unvollständig, sondern widerspricht auch unserem Sprachgefühl: Nehmen wir an, meine Vase fällt vom Tisch und fällt in zwei gleich große Stücke X und Y. Jetzt gelingt es einer genialen Restaurateurin, diese Stücke wieder so zusammenzusetzen, dass sich die Vase’ (nach dem Fall) nicht mehr von der Vase (vor dem Fall) unterscheiden lässt. Sie müssen behaupten, die Vasen seien nicht dieselben. Doch das ist äußerst kontraintuitiv.

  45. @KRichard

    “… Hinweise nachgehen müssen: prüfen, prüfen, prüfen!”

    Ich könnte da ja auch noch einige Hinweise und Hilfestellung geben, wie man, über Trancezustände, Halluzinationen und Ausserkörpererfahrung, zu einem TODESZUSTAND ohne Mitwirkung des Gehirns kommt, jedenfalls ohne Gehirn bis zu dem Punkt wo es ums Zurück geht. Ist mit ziemlicher Sicherheit eine extreme Tortur, die allerdings keine Garantie beinhaltet. Lohnt sich wenn’s klappt, denn man bekommt einen Einblick, der mit Worten im Grunde nicht zu beschreiben ist.
    Ist allerdings auch ein Trauerspiel, denn es wird klar was Menschsein wirklich sein könnte.

  46. @KRichard

    COMPUTER sagt NEIN – Du hast sicher noch nie SELBST was riskiert, hast nie versucht den Pfad nach innen, zu der Kraftquelle allen Seins, zu finden!?😎

  47. Frank Wappler,
    wenns genau werden soll, Der Filius heißt Sbaroquack d.J. = männlich
    Also zur Lösung. Du kannst nur ein Ei essen, weil du sonst nicht mehr nüchtern bist.
    Was lernt man daraus, übetriebene Genauigkeit ist zum Verständnis einer Aussage nicht notwendig.
    Frauen haben gar keinen Sinn für derartiges Gegackel.

    hto,
    Grenzsituationen sind notwendig, wenn man sich selbst erkennen will . Nicht allen Menschen sind Grenzsituationen vergönnt, also sei gnädig mit ihnen.

  48. @Sbaraquack d.Ä.

    Also ich schaffe auch drei Eier zugleich 😎

    Und Du hast recht, Grenzsituationen sind wichtig, aber nicht nur zur Selbsterkenntnis, denn das was mir anscheinend vergönnt war, ist allein wie eine Strafe.

  49. hto,
    also mein Mitgefühl hast du. Damit bist du nicht mehr allein.
    Hast du schon mal bei internationalen Foren nachgeschaut ? Vielleicht findest du dort Menschen mit ähnlichen Erlebnissen.

  50. Nee, Frau Sbaraquack, lassma stecken, ich will doch keinen Club oder eine Sekte gründen 😄😎

  51. @Sbaraquack: Sprachspiele

    Har har… Dann muss man aber darauf achten, dass man das Ei auf einmal herunterschluckt (kauen vorher ist wohl noch okay), denn sonst ist der Rest nach dem ersten Happen schon nicht mehr auf nüchternen Magen.

    Das liegt jetzt aber an einer bestimmten Interpretation. Wenn man den Satz so auffasst, dass es um die Anzahl Eier geht, die man am Morgen essen kann, bevor man etwas Anderes gegessen hat, dann sind die Antwortmöglichkeiten doch schon wieder ganz anders (und empirisch zu eruieren).

    Duden hierzu:

    nüchtern: … 2. ohne (nach dem nächtlichen Schlaf) schon etwas gegessen, getrunken zu haben

  52. @hto/KRichard: Off Topic

    Darf ich daran erinnern, dass Ihre Diskussion hier nichts mit dem Thema zu tun hat? Es gibt bestimmt ein anderes Forum im internet, in dem Sie sich über Ihre Gedanken austauschen können.

  53. @Schleim

    Hat KRichard denn schon was geantwortet? Und war das nicht “stubenrein”? Weil ich seh nix!😎

  54. Zu:
    ” ..Wieviel Frühstückseier kannst du auf nüchternem Magen essen ?...” (Zitatende)
    Antwort: Natürlich so viele, wie (gleichzeitig) in deinen Mund passen.
    Oder: So viele, wie in Form von Rührei in deinen Magen passen.

    Etwas Besser: Wieviele Menschen können einen leeren Raum durch eine schmale Tür betreten?
    Noch besser:
    Wie oft kann man eine Jungfrau entjungfern?
    Wie viele Nationen sind als erste auf DEM Mond gelandet?

    Also: Rabulistik oder Kreuzwortlogeleien für Angeber und Besserwisser.

  55. Stephan Schleim schrieb (14. Juni 2019 @ 13:48):
    > […] Doppelspaltexperiment […] (dazu habe ich im LK Physik übrigens mal ein Experiment aufgebaut)

    Sehr gut! Dann dürfte ja bekannt sein, dass dabei angesichts gewisser Befunde gesagt würde, dass jedes einzelne der zwischen Quelle und Schirm ausgetauschten Signal-Quanten (Photonen, Elektronen, ganze Atome …) “mit sich selbst interferiert” habe.

    > <[…] hat doch mit der Frage, ob und wie ein Eisenatom zerfallen würde, überhaupt nichts zu tun.

    Da wurde mein Hinweis auf die “Welcher-Weg?”-Experimente wohl übersehen:
    Denken wir uns also das Doppel-Spalt-Experiment mit Eisenkernen durchgeführt (die sich durch Beschuss mit Neutronen zum Zerfall anregen lassen, wie
    13. Juni 2019 @ 13:36 vorgeschlagen wurde); oder meinetwegen auch mit Eisenatomen.

    Stellen wir zwei “black boxes” in die beiden Pfade zu den Spalten der Doppel-Spalt-Blende;
    und in mindestens eine davon (aber gerne auch in beide, einzeln) kommt ein Apparat, der das, was durchfliegt, im Fluge (zuverlässig, nachweislich) zerlegen und anschließend (“so gut das eben gehen mag”) wieder zusammensetzen können soll.

    Auf dem Schirm findet sich dann:
    kein Interferenzmuster!
    (Sondern das Muster der Abbildung zweier unabhängiger Schlitz-Quellen.)

    Jedes einzeln losgeschickte Quant blieb offenbar nicht hinreichend “es selbst”, um wie im LK “mit sich selbst” zu interferieren.

    > Allgemeiner: Wenn A aus X und Y besteht

    … von “daraus bestehen” war zwar bisher konkret noch gar keine Rede; man mag das ja als “durch Zusammensetzen herstellbar” deuten …

    > und ich es auf Weise E in X und Y zerteilen kann, warum soll es dann unlogisch sein, die Zusammenfügung von X und Y auf die Weise E’ wieder A zu nennen?

    Es kommt eben darauf an , ob man mit “A” strikt ein-und-das-selbe individuelle Exemplar meint, oder (nur) irgendein hinreichend gleiches Exemplar.

    > […] widerspricht auch unserem Sprachgefühl:

    Manche bringen tatsächlich verdammt wenig Gefühl für die Unterscheidung zwischen “das Selbe” vs. “verschiedenes Gleiches” mit.

    > Nehmen wir an, meine Vase fällt vom Tisch und fällt in zwei gleich große Stücke X und Y. Jetzt gelingt es einer genialen Restaurateurin, diese Stücke wieder so zusammenzusetzen, dass sich die Vase’ (nach dem Fall) nicht mehr von der Vase (vor dem Fall) unterscheiden lässt.

    Unterscheiden ließen sie sich zumindest durch Befragung der stipulierten Restaurateurin (oder ihrer Helfershelfer). Manche würden vielleicht auf die Idee kommen, bestimmte Vasen zu versichern …

    > Sie müssen behaupten, die Vasen seien nicht dieselben.

    Richtig; und es entspricht durchaus meinem Sprachgefühl (und wohl nicht nur meinem), in diesem Zusammenhang im Plural, von “Vasen” zu sprechen.

    p.s.
    > “Recht geben” ist für Sie also eine Sache sozialer Gefälligkeit? […]

    Ich gab und gebe dem Argument “logisch, also auch technisch” recht.
    Der Einschätzung “technisch, aber nicht logisch” jedoch nicht.

  56. Die Begriffe „Reproduzierbar“ und „Nachvollziehbar“ stehen für unterschiedliche Sachverhalte.

    Allerdings ist es zumindest ein „gutes Zeichen“ wenn Ergebnisse von Experimenten „reproduzierbar“ und womöglich auch noch „nachvollziehbar“ sind.
    Aber wirklich „absolut sicher“ kann man sich nie sein. Man kann Ergebnisse statistisch bewerten und damit erhält man irgend etwas, zumindest „mathematisch Greifbares“ was heutzutage extrem wichtig ist. Ohne Mathematik bliebe die Hirnforschung nur Esoterik.

    Ich habe ausdrücklich die Arbeiten des Informatikers in der Sache Birbaumer nicht kritisiert.

    Aber die Sichtweisen und Herangehensweise auf das zugrunde liegende Problem sind unterschiedlich.

    Die Wissenschaft will eine absolut sachliche objektive Beurteilung der Ergebnisse ohne Rücksicht auf das „Einzelschicksal“ der jeweiligen z.B. locked in Patienten.

    Ein Arzt kämpft absolut darum, einen “informellen Zugang” zum Patienten zu finden, dessen Schicksal es ist, sich (in seinem Schmerz womöglich) nicht mitteilen zu können, was extrem bedauernswert ist. Irgendeiner der besonders dafür qualifizierten Ärzte muss sich auch mit dieser Problematik beschäftigen, wobei auch für die Hirnforschung als Wissenschaft allerhand Wissen „abfallen“ dürfte….

    Bei locked in Patienten funktionieren zumindest bestimmte zentrale Prozesse, die z.B. den Sinusknoten ansteuern, sonst wäre der Patient tot.
    Aber die Kommunikation mit der Außenwelt ist extrem beeinträchtigt, die Signalübertragung zu den peripheren Organen ist gestört. Es ist sozusagen die „Übertragungstechnik“ zur Außenwelt gestört. Es kommt ein mitunter nur kleiner Teil der Signale an bestimmten „Messstellen“ korrekt an.

    Im Krieg z.B. sollen bestimmte Informationen zuverlässig bei der eigenen Truppe ankommen, aber der Feind, den die Infos natürlich auch interessieren, sollte möglichst „abgeschirmt“ werden. Der „Feind“ versucht aber die beeinträchtigten Infos zu empfangen und danach zu entschlüsseln.

    Bei locked in Patienten in der Medizin verhält es sich ähnlich. Ein Arzt wird versuchen die Signale so weit als möglich zu rekonstruieren, weil es ein entsetzliches Schicksal für die Patienten ist wenn sie sich nicht mitteilen können. Ein „Querschnitt Patient“ hat berichtet, dass selbst eine in der Nacht vor dem Gesicht herumschwirrende Gelse ein großes Problem sein kann.

    Die Algorithmen sind darauf optimiert, aus „Bruchstücken von Signalen“ möglichst die ursprünglichen Signale zu rekonstruieren. Man könnte versuchen Signalmuster von Gesunden für Vergleichszwecke zu verwenden. Es ist klar dass dies mitunter fehlerhaft oder überhaupt nicht mehr möglich ist, es auch stark von der Disposition des Patienten abhängt.

    Ich nehme an, in dieser Richtung optimierte Algorithmen hätte sich Birbaumer als Arzt vom Informatiker gewünscht. Dass es eine unüberwindliche Grenze gibt, ist klar. Aber es ist doch Aufgabe der Medizin und der Wissenschaft diese Grenze soweit als möglich hinauszuschieben.

    Dafür ist die Wissenschaft da.

  57. @Elektroniker: Ihre Ausführungen in Ehren…

    …doch das Leiden und Schicksal der Patienten scheint mir hier nichts mit dem formalen Punkt zu tun zu haben, dass es Birbaumer und seinen Kollegen bei der fraglichen Publikation bis heute wohl nicht gelungen ist, nachvollziehbar zu machen, wie das in der Publikation berichtete statistische Ergebnis zustandekommen ist. Das heißt, niemand kann (u.a. aufgrund fehlender Daten und Skripte) bis heute das Ergebnis der statistischen Auswertung reproduzieren.

  58. @Forschungsschwierigkeiten

    Warum machen die hier kritisierten Forscher nicht einfach vernünftige Arbeit? Ist man da nur zu bequem, und haut die Forschungsergebnisse schnell raus, ohne nachvollziehbare Daten und Datenverarbeitung, ohne hier wahrhaftig was Verlässliches gefunden zu haben? Die Folge ist ja, wenn man Neues aus der Hirnforschung oder der Psychologie z.B. auf spektrum.de liest, dass man damit rechnen muss, dass das so nicht unbedingt stimmt.

    Gibt es nicht genug Ideen, was wirklich Existentes erforschen zu können, dass man dann gründlich und mit verlässlicher Gewissheit erforschen kann? Oder beschränkt man sein Forschungsfeld, indem man unbedingt teure Technik einsetzen will? Dass Auftraggeber aus der Industrie sich sehr freuen, wenn neue Anwendungen für ihre teuren Geräte entwickelt werden, ist verständlich. Wirkt sich das auch auf die Forschung aus?

    Insgesamt, wenn ich mir Hirnforschung und Psychologie so anschaue, erscheint es mir fraglich, ob man mit einem Paradigma, dass jegliche Spiritualität ausblendet, wirklich weit kommen kann. Aus meiner Lebenserfahrung heraus ist die Psyche ohne ihre spirituelle Seite kaum nachvollziehbar.

    Evolutionsbiologische Spekulationen, die gar nicht begründet sind, sind genauso untauglich wie Mittelwertrechnereien auf der Grundlage von Fragebögen, die oft von den Probanden gar nicht ehrlich beantworten wurden, und dann noch mit so kleinen Stichproben, dass hier eher der Zufall die Erkenntnisse verursacht.

    Diese teuren Geräte, mit denen das Gehirn bei der Arbeit beobachtet werden kann, sind meiner Meinung nach nicht uninteressant, aber arbeiten mit so schlechter Auflösung, dass man damit kaum verstehen kann, was da im untersuchten Gehirn wirklich vor sich geht. Letztlich bräuchte man eine Auflösung, die einzelne Nervenzellen erfasst – und man müsste auch wissen, wie diese im einzelnen verschaltet sind. Da werden voraussichtlich noch viel Jahrzehnte vor uns liegen, bis wir hier wirklich den Dingen auf den Grund gehen können.

    Immerhin kann ich mir gut vorstellen, dass man dann, wenn man ein ganzes Konnektom im Supercomputer simulieren kann, dass man dann auch die spirituelle Seite der psychischen Existenz da drin finden kann.

  59. Ich musste beim Lesen des Artikels ständig an die Klimaforscher und ihre 97% Übereinstimmung denken. Wenn die Systemlogik im universitären Bereich schon eine solche Wirkung erzielt, wie mag es dann in einem politischen Verein wie dem Weltklimarat zugehen?

  60. @Becker

    » Ich musste beim Lesen des Artikels ständig an die Klimaforscher und ihre 97% Übereinstimmung denken. «

    Ja, die kamen mir beim Lesen auch in den Sinn. Und nicht nur die, auch die 99% Evolutionsbiologen…

  61. @Stephan Schleim / Mathematiker

    »Nicht zu vergessen die 99,99% der Mathematiker… «

    Das sind aber keine Empiriker, die arbeiten nicht naturwissenschaftlich und unterliegen von daher nicht der „System-Logik“.

    Verdächtig sind nur die Datensammler (Klimaforscher, Evolutionsbiologen, Psychologen, Soziologen, etc.).

    Wie siehst Du eigentlich die Institution „Nobelpreis“? Der widerspricht doch eigentlich dem Ideal der Wissenschaft. Die soll doch nur das Wissen vermehren—ohne Ruhmsucht und Karrieredenken.

  62. @Balanus: Mathematik & Nobelpreis

    Vielleicht ist es eine andere System-Logik bei den Mathematikern; ohne wird es dort aber auch nicht zugehen.

    Und der Nobelpreis… ist so unabhängig wie die Kommission, die ihn vergibt. Im Detail habe ich mich damit noch nicht befasst (außer, dass die Wirtschaftswissenschaftler sich in einem genialen Coup ihren eigenen “Nobelpreis” geschaffen haben, der tatsächlich von den meisten Medien nach wie vor so genannt wird).

    Warten wir mal ab, wie die Sache mit den Gravitationswellen ausgeht.

    Aber eher in meinem Fach war es in der Vergangenheit so, dass Kritik gegen eine eigentlich problematische Therapie wie die Lobotomie aus wissenschaftlicher Seite eher aufgegeben wurde, als der Erfinder der Methode einen Nobelpreis erhielt (meiner Erinnerung nach in den 1940ern, müsste ich jetzt nachschauen; die gehirnchirurgischen Eingriffe hat dann… hieß er Freeman?… jahrzehntelang durchgefürt).

  63. @Spritkopf: Das betrifft nur die Nachvollziehbarkeit der alten Publikation, oder?

    Wie ich las, suchen zurzeit drei Labore mit vierfacher Sensitivität unabhängig voneinander nach einer Bestätigung des Befunds. Warten wir’s ab. Aber, wie gesagt: Das ist nicht mein Fachgebiet; auch nicht das Thema dieses Beitrags.

    P.S. Peinlich genug ist so eine Schlamperei bei der Publikation, wenn ich richtig verstanden habe, worum es ging, aber in jedem Fall.

    P.P.S. Persönlich stört mich allerdings, wenn man in so einer Diskussion sofort in eine Verschwörungs-Ecke gestellt wird. Wie gesagt: Zweifeln ist ein Kernwert der Wissenschaft. Sagt sogar die DFG. Darum möge man die Zweifler nicht bestrafen.

  64. @Stephan Schleim

    Das betrifft nur die Nachvollziehbarkeit der alten Publikation, oder?

    Es betrifft sowohl die Nachvollziehbarkeit der alten Publikation, für die Green und Moffat die Daten überprüften wie auch die Methodik, mit der Jackson und seine Gruppe versucht haben, Korrelationen im Rauschen nachzuweisen. Und diese war mindestens dubios, wie Green und Moffat und unabhängig davon Nielsen et al. gezeigt haben.

    Wie ich las, suchen zurzeit drei Labore mit vierfacher Sensitivität unabhängig voneinander nach einer Bestätigung des Befunds.

    Das interessiert mich. Gibt es dafür eine Quelle?

    Persönlich stört mich allerdings, wenn man in so einer Diskussion sofort in eine Verschwörungs-Ecke gestellt wird.

    Ein Vorwurf wie der von Jackson muss selbstverständlich geprüft werden. Wenn allerdings festgestellt wird, dass an Jacksons behaupteten Korrelationen nichts dran ist, aber dennoch bestimmte Leute weiterhin laut “Betrug!” krähen, dann müssen sie sich sehr wohl gefallen lassen, dass an der Lauterkeit ihrer Motive gezweifelt wird.

    Darum möge man die Zweifler nicht bestrafen.

    Den Satz verstehe ich nicht.

  65. @Stephan Schleim / „Zweifler“

    »Wie gesagt: Zweifeln ist ein Kernwert der Wissenschaft.«

    Richtig, Zweifel ist in der Wissenschaft systemimmanent, ist also Teil der „System-Logik“. Deshalb gibt es beim Publizieren ja auch das Peer-Review-Verfahren.

    Daneben gibt es aber auch „Zweifler“, die jede bekannt gewordene wissenschaftliche Verfehlung zum Anlass nehmen, das ganze wissenschaftliche System in Bausch und Bogen zu verdammen.

    Ich fürchte, auch dieser von Dir verfasste Beitrag wird von solchen „Zweiflern“, die den Wissenschaftsbetrieb nur aus den Medien kennen, gerne als weiterer Beleg dafür genommen, dass (den bösen) Wissenschaftlern grundsätzlich nicht zu trauen ist.

  66. @Balanus: Aus Fehlern nicht gelernt

    Richtig, Zweifel ist in der Wissenschaft systemimmanent, ist also Teil der „System-Logik“. Deshalb gibt es beim Publizieren ja auch das Peer-Review-Verfahren.

    Da muss ich jetzt aber mal lachen… Natürlich ist eine Form von Peer Review wichtig, doch inzwischen sind doch schon allein hier in meinem Blog, geschweige denn in der ganzen Diskussion um Probleme in der Wissenschaft, genügend Probleme des heutigen Peer Reviews besprochen worden. Wer das ignoriert, der besitzt meines Erachtens ein hohes Maß an Faktenresistenz. Oder ist es doch eher Naivität? Oder beides?

    Daneben gibt es aber auch „Zweifler“, die jede bekannt gewordene wissenschaftliche Verfehlung zum Anlass nehmen, das ganze wissenschaftliche System in Bausch und Bogen zu verdammen.

    Mir ging es hier nicht so sehr um Birbaumers Fehler, sondern vor allem darum, dass in diesem Forschungszweig (und nicht nur diesem) eine Kultur des Schweigens herrscht, in der sich niemand traut, einen einflussreichen Wissenschaftler zu kritisieren. (Dessen fehlerhafte Arbeiten, wohlgemerkt, durch das von dir so gelobte Peer Review kamen.) Das hat nach meinem Verständnis nichts mit Wissenschaft zu tun. Daher schrieb ich darüber; und das steht so auch im Text.

    Allgemeiner erinnere ich noch einmal an Rettet die Wissenschaft! (ZEIT Online). Das erschien Anfang 2014. Was hast denn z.B. du seitdem für die Rettung der Wissenschaft unternommen? Ich habe immerhin einige konkrete Verbesserungsvorschläge gemacht.

    Ich fürchte, auch dieser von Dir verfasste Beitrag wird von solchen „Zweiflern“, die den Wissenschaftsbetrieb nur aus den Medien kennen, gerne als weiterer Beleg dafür genommen, dass (den bösen) Wissenschaftlern grundsätzlich nicht zu trauen ist.

    Das ist gerade das vertuschende Denken, das Teil des Problems ist, nicht der Lösung.

    Komisch, dass namhafte Wissenschaftler in Lehrbüchern gerne predigen, man müsse die Fakten (oder gar: die Wahrheit!) in die Welt tragen… wenn es dann aber für einen selbst unangenehme Fakten sind, dann muss man auf einmal schweigen? Nein. Nicht hier bei MENSCHEN-BILDER.

  67. 1. Warten wir mal ab, wie die Sache mit den Gravitationswellen ausgeht.

    2. Ist das Thema nicht längst schon abgehandelt?

    (Ende der Zitation)

    Die (wissenschaftstheoretische) Frage ist, ob bei (link) Nr.2 überhaupt auf die Kritik von Nr. 1 eingegangen wurde bzw. ob diese brücksichtigt wurde. Oder auch , ob man sagen kann, dass Nr. 2 zeigt, dass die Kritik von Nr 1 unberechtigt war.
    (Da ich in Englisch erheblich langsamer beim Lesen bin, bin ich jetzt zu unmotiviert, mich durch die Artikel durchzukämpfen (-: )

  68. @Stephan Schleim / „Zweifler 2“

    »Da muss ich jetzt aber mal lachen… Natürlich ist eine Form von Peer Review wichtig,…«

    Dann sind wir uns ja einig. Und dass es Peer Review vor allem deshalb gibt, weil der Zweifel in der Wissenschaft systemimmanent ist, wird ja auch von Dir nicht bestritten. Insofern kannst Du Dir das Spekulieren über das Ignorieren von Fakten schenken, das führt uns nicht weiter.

    In der Antwort an @ajki (11. Juni 2019 @ 16:29) hast Du geschrieben:

    »P.S. Ich glaube im Übrigen, dass die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler größtenteils ehrlich sind, so wie die meisten Menschen in unserer Gesellschaft überhaupt.«

    Das ist der Punkt. Deshalb kann man darauf vertrauen, dass z. B. (auch) der Konsens der Klimaforscher ganz überwiegend auf solider wissenschaftlicher Arbeit beruht. Da gibt es keinen wissenschaftlich begründeten Zweifel, der diesen Konsens in Frage stellen würde.

    »Komisch, dass namhafte Wissenschaftler in Lehrbüchern gerne predigen, man müsse die Fakten (oder gar: die Wahrheit!) in die Welt tragen… wenn es dann aber für einen selbst unangenehme Fakten sind, dann muss man auf einmal schweigen?«

    Von welchen unangenehmen Fakten, die beschwiegen werden sollen, sprichst Du? Wissenschaftliche Tatsachen können ja wohl nicht gemeint sein, oder?

    In Deiner vorherigen Antwort an mich unter dem Stichwort „Träumerei“ lese ich im Zusammenhang mit dem Fall Birbaumer vor allem „wahrscheinlich“, „wissen wir gar nicht“, „wenn wir annehmen“ und „vielleicht“. Mir scheint, Du kommst da etwas schnell von Fakten auf Spekulationen.

    Ich meine, ich als gelernter Wissenschaftler kann das, was Du so schreibst, ja meist richtig einordnen. Aber für wissenschaftliche Laien könnte das schwierig werden, womöglich kriegen die da einiges in den falschen Hals.

  69. @Balanus / 20. Juni 2019 @ 18:00

    »Aber für wissenschaftliche Laien könnte das schwierig werden, womöglich kriegen die da einiges in den falschen Hals.«

    Was genau bereitet Dir Sorgen?

    Als gelernter Wissenschaftler — und gelegentlich zum Widerspruch neigender die-hard materialist — könntest Du meines Erachtens jenseits aller Zweifel Stephan doch auch mal attestieren, mit seinen Beiträgen hier einen verdammt guten Job zu machen.

  70. @Chrys // 21. Juni 2019 @ 16:39

    » …könntest Du meines Erachtens jenseits aller Zweifel Stephan doch auch mal attestieren, mit seinen Beiträgen hier einen verdammt guten Job zu machen. «

    Hm, ich fürchte, wenn ich das täte, käme Stephan ins Grübeln… 😉

    Aber wenn er hier keinen ordentlichen Job machen würde, wäre ich gar nicht hier. Das ist gewissermaßen der Preis, den er zahlen muss für seine gute Arbeit…

    Nichtsdestotrotz, ich finde, Stephan überzeichnet die Probleme des Wissenschaftsbetriebs. Ich kann mich nur wiederholen: Im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Systemen (Wirtschaft, Politik) steht die Wissenschaft sehr gut da, insbesondere im Hinblick auf die internationale Zusammenarbeit und den gemeinsamen Zielen.

    Schlichte Gemüter könnten aus Stephans Schwarzmalerei schließen, dass der Wissenschaft insgesamt nicht zu trauen ist, dass (viele) wissenschaftliche Erkenntnisse das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen (sofern sie nicht anwendungsrelevant sind).

  71. @little Louis

    Die (wissenschaftstheoretische) Frage ist, ob bei (link) Nr.2 überhaupt auf die Kritik von Nr. 1 eingegangen wurde bzw. ob diese brücksichtigt wurde.

    Das geht aus dem Artikel deutlich hervor, dass sowohl Green, Moffat wie auch Nielsen, Nitz sich mit der Methodik der Kopenhagen-Gruppe beschäftigt haben. Ist auch in den verlinkten Originalpapers nachzulesen.

    Oder auch , ob man sagen kann, dass Nr. 2 zeigt, dass die Kritik von Nr 1 unberechtigt war.

    Ja, kann man.

  72. @Balanus

    Schlichte Gemüter könnten aus Stephans Schwarzmalerei schließen, dass der Wissenschaft insgesamt nicht zu trauen ist

    Wie man den Kommentarspalten bei Scilogs entnehmen kann, gibt es einen nicht unerheblichen Anteil von Kommentatoren, die genau diesen Duktus offensiv vertreten. Und die dabei – als Anmerkung zu diesem Kommentar von Stephan Schleim – in der Tat Rückgriff auf absurden Verschwörungsquark nehmen.

  73. @Balanus: Aus Fehlern immer noch nicht gelernt

    Dann sind wir uns ja einig. Und dass es Peer Review vor allem deshalb gibt, weil der Zweifel in der Wissenschaft systemimmanent ist, wird ja auch von Dir nicht bestritten. Insofern kannst Du Dir das Spekulieren über das Ignorieren von Fakten schenken, das führt uns nicht weiter.

    Ich spekuliere hier gar nicht, sondern stelle fest, dass du scheinbar reflexhaft (klassische Konditionierung?) “Peer Review!” als Antwort auf alle Probleme in der Wissenschaft rufst, selbst dann, wenn schon lange begründet nachvollziehbar festgestellt ist, dass die heutige Form des Peer Reviews die Probleme nicht lösen kann.

    Das ist der Punkt. Deshalb kann man darauf vertrauen, dass z. B. (auch) der Konsens der Klimaforscher ganz überwiegend auf solider wissenschaftlicher Arbeit beruht. Da gibt es keinen wissenschaftlich begründeten Zweifel, der diesen Konsens in Frage stellen würde.

    Ich verstehe nicht, was Klimawissenschaft auf einmal damit zu tun hat. Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen, dass selbst dann, wenn die Klimawissenschaftler sich nicht einig wären, die Natur und Erde so wichtige wie einzigartige Ressourcen für das Überleben aller Wesen auf dieser Welt sind, einschließlich der Menschen, dass man sie unter allen Umständen bewahren muss.

    Mein eigener Beitrag ist übrigens, dass ich, seit ich 16 bin, also seit rund 23 Jahren, so gut wie nur vegetarisch gegessen habe, dass ich seit über zehn Jahren nicht mehr Auto gefahren bin, sondern alles mit dem Fahrrad und Zug mache, seit 2013 auch nur zweimal geflogen bin, im Supermarkt so gut wie immer meine eigene Tasche/meinen Rucksack mitnehme, anstatt immer neues Plastik zu kaufen und so weiter…

    Aber ich habe nicht den Eindruck, dass so ein Verhalten in unserer Gesellschaft gewertschätzt wird. Und das ist ein psychologisch-ethisches Problem, kein Problem, das die Klimawissenschaftler für uns ändern können.

    Ich meine, ich als gelernter Wissenschaftler kann das, was Du so schreibst, ja meist richtig einordnen. Aber für wissenschaftliche Laien könnte das schwierig werden, womöglich kriegen die da einiges in den falschen Hals.

    Für mich sind diese “Laien” ohne Doktorgrad keine Deppen, sondern ebenso zur Vernunft fähige Wesen wie du und ich. Daher mute ich denen zu, sich nach Sichtung der Fakten und Erwägung verschiedener Standpunkte, zu einer eigenen, informierten Entscheidung zu kommen. Das ist das Erbe der Aufklärung und damit letztlich auch Gedankenguts der antiken Philosophie.

    Umgekehrt kenne ich so manchen mit Doktorgrad, der mit solchen Denk- und Abwägeprozessen so seine Schwierigkeiten zu haben scheint.

  74. @Chrys: Lob

    Als gelernter Wissenschaftler — und gelegentlich zum Widerspruch neigender die-hard materialist — könntest Du meines Erachtens jenseits aller Zweifel Stephan doch auch mal attestieren, mit seinen Beiträgen hier einen verdammt guten Job zu machen.

    Danke, das ist nett.

    Unser Freund B. stammt meiner Vermutung nach noch aus einer Männergeneration, in der man verinnerlicht hat, dass nichts zu sagen schon genug des Lobs ist. Zum Beispiel schreibe ich seit über 15 Jahren für Telepolis – und da hat noch nie jemand gesagt (von der Redaktion, meine ich), dass er meine Texte gut findet. Aber sie publizieren alles. Nur bei einem Artikel über Feminismus gab’s mal Schwierigkeiten. 😉

  75. @Balanus: Der Stand des Wissenschaftssystems

    Nichtsdestotrotz, ich finde, Stephan überzeichnet die Probleme des Wissenschaftsbetriebs. Ich kann mich nur wiederholen: Im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Systemen (Wirtschaft, Politik) steht die Wissenschaft sehr gut da, insbesondere im Hinblick auf die internationale Zusammenarbeit und den gemeinsamen Zielen.

    Aber gerade dann würde doch anders herum ein Schuh daraus: Gerade deshalb, weil die Wissenschaft so wichtig ist und so einen besonderen Status hat, müsste man Probleme hier doch besonders offen und transparent angehen.

    Allein schon die Tatsache, dass sich niemand namentlich zum Fall Birbaumers äußern will – übrigens auch niemand, der ihn unterstützen würde –, sollte einem doch schon zu denken geben! Wo sind denn all die tollen Wissenschaftler, von denen du so träumst, wenn man sie mal dringend braucht?

  76. @Spritkopf: Missbrauch und Wissenschaft

    Mal ein Beispiel, das näher an meiner eigenen Forschung ist:

    Bestimmte Sekten bedienen sich fundierter wissenschaftstheoretischer Argumente, um Behandlungspraktiken der biologischen Psychiatrie zu kritisieren.

    Soll man darum aufhören, fundierte Kritik an bestimmten Missständen zu üben, weil andere Gruppen, deren Ziele man ablehnt, sich der eigenen Argumente bedienen? Das scheint mir eine verquere Welt.

    Tipp: Manchen Leuten sollte man schlicht keine Aufmerksamkeit schenken; und wenn sie die übrige Kommunikation verunmöglichen, dann muss man eben einmal durchgreifen und sie herausschmeißen bzw. eine Diskussion abdrehen.

  77. @Balanus
    Offenbar kommen Sie genauso wie ich von den harten Naturwissenschaften. Da ist Schlamperei und Betrug m.E. weniger ein Thema, nicht weil Naturwissenschaftler weniger schlampen und betrügen würden als Geisteswissenschaftler, sondern weil es dort sehr viel schneller und sicherer herauskommt. Die Arbeiten von Naturwissenschaftlern lassen sich nun mal wesentlich einfacher reproduzieren oder nachrechnen als Arbeiten etwa von Soziologen.
    In dem Institut, in dem ich seinerzeit beschäftigt war (Fachrichtung Physikalische Chemie), gab es in den 3 Jahren meiner Anstellung in 6 Arbeitsgruppen einen mutmasslichen Betrugsfall -ein Prof hatte behauptet, dass er und nur er imstande sei, die Konzentration von OH-Radikalen in der Atmosphäre sicher zu messen (zur Relevanz solcher Messungen siehe den Artikel von Lars Fischer). Das Experiment, mit dem er seine dreiste Behauptung untermauerte, wurde bereits in der nächsten Ausgabe der veröffentlichenden Zeitschrift von einem Theoretiker zerpflückt, der vorrechnete, dass das angeblich gemessene Spektrum des OH-Radikals zwar dem im Labor ermittelten Spektrum entspricht, dass aber eine Schichtdicke von mehreren km nebst anderen atmosphärischen Beeinflussungen die Spektrenform verändern würde. Des Rätsels Lösung: in dem Arbeitskreis hat man auf dem Grundrauschen, das man in den Feldmessungen bekam, so lange herumgerechnet, bis schliesslich das Laborspektrum herauskam.
    Gesetzt, jemand macht dasselbe mit Daten, die aus komplexen soziologischen Systemen gewonnen werden: wie wollen Sie da ohne die Primärdaten (die ja gewöhnlich nicht veröffentlicht werden) auf die Schummelei kommen? Von einer exakten Wiederholung des Versuchs will ich gar nicht erst reden. Insofern halte ich es für plausibel, dass man das Thema wissenschaftliches Fehlverhalten in medizinischen und Sozialwissenschaften etwas höher aufhängt.
    Der Einwand, dass die Schleimsche Schwarzmalerei absurde Verschwörungstheorien befördert, ist natürlich valide. Andererseits habe ich bei der Lektüre der Diskussionsbeiträge der hiesigen schlichten Gemüter nicht den Eindruck, dass die noch Motivation brauchen -der Schaden hält sich somit in Grenzen.

  78. @Aristius Fuscus: angestaubt

    Für jemanden, der sich des Namens eines antiken Philologen bedient, vermisse ich Umsichtigkeit in Ihrem Denken und Schreiben; mit modernen Worten: Faktentreue.

    Erstens geht es in dem hier vorliegenden Fall um Hirnforschung bzw. Medizin. Wieso wettern Sie jetzt gegen die Sozial- und Geisteswissenschaften? Letztere hantieren in der Regel übrigens nicht einmal mit Daten, weswegen da die Diskussion über Replizierbarkeit schon einmal fehl am Platz ist.

    Zweitens hatten (und haben) auch die von Ihnen so gelobten Chemiker und Physiker ihre eigenen Forschungsskandale. Die Sache mit Jan Hendrik Schön haben Sie wohl schon wieder vergessen? Und der stand damals in der Diskussion, sogar MPI-Direktor zu werden.

    Jan Hendrik Schön (*1970) ist ein deutscher Physiker. Er löste 2002 einen Skandal wegen gefälschter Forschungsergebnisse aus, dem eine Debatte über die Verantwortlichkeiten von Ko-Autoren und Gutachtern von wissenschaftlichen Arbeiten folgte. Schöns Forschungsgebiete waren Nanotechnologie und Festkörperphysik. (Wikipedia.de)

    Ihre offenbare Unkenntnis, Ihr angestaubter Dualismus (Geistes- vs. Naturwissenschaften), Ihr Ingroup-Outgroup-Denken (wir sind gut; die sind schlecht) sowie Ihre diffamierende Redeweise (“Schleimsche Schwarzmalerei”) scheinen mir hier völlig fehl am Platz und werden der Ernsthaftigkeit des Themas bei weitem nicht gerecht. Insbesondere sind sie nach meinem Befinden keines Wissenschaftlers würdig, weder aus den “Geistes-” noch “Naturwissenschaften”.

    Dann lesen Sie doch lieber Horaz.

    P.S. Der Erwerb eines Diploms von der Nat. Fak. oder Dr. rer. nat. ist keine Entschuldigung dafür, seine Vernuft an der Garderobe abzugeben.

  79. @Stephan Schleim:
    Textverständnis scheint ja nicht gerade zu Ihren Stärken zu gehören. Ich habe mit keinem Wort Geistes- und Naturwissenschaftler gegeneinander ausgespielt, ich habe nur darauf hingewiesen, dass das Betrügen in den Naturwissenschaften schwieriger ist als in anderen Disziplinen (jedenfalls auf Dauer), weil Befunde in den Naturwissenschaften leichter reproduziert werden können. Ich zitiere:

    nicht weil Naturwissenschaftler weniger schlampen und betrügen würden als Geisteswissenschaftler, sondern weil es dort sehr viel schneller und sicherer herauskommt.

    Ich habe dann noch ein Beispiel gebracht für einen solchen Betrug in den Naturwissenschaften. Mit meinem Argument setzen Sie sich nocht nicht einmal ansatzweise auseinander.
    Vielmehr geben Sie hier in unflätigster Weise Ihrem abgrundtiefen Hass auf die Naturwissenschaften (und die Naturwissenschaftler?) wieder einmal Raum. Es wäre schön, wenn Sie sich eines Tones befleissigen würden, wie er unter zivilisierten Menschen üblich ist.
    P.S. Der Erwerb eines Magistertitels der Philosophie ist keine Entschuldigung dafür, wutentbrannt Beleidigungen in die Tastatur zu hauen, ohne den inkriminierten Text wenigstens im Ansatz verstanden zu haben.

  80. @Balanus / 21. Juni 2019 @ 22:18

    »Schlichte Gemüter könnten aus Stephans Schwarzmalerei schließen, dass der Wissenschaft insgesamt nicht zu trauen ist, …«

    Das Wort Schwarzmalerei scheint mir in diesem Kontext unangebracht. Die Thematik der Sytem-Logik in einem weiter gefassten Sinne ist doch eigentlich die, wie sich institutionalisierte Communities mit Übelständen in ihren eigenen Reihen auseinandersetzen, mit offenkundig gewordenen Verstössen gegen die konstitutiven Regeln, auf die sich eine Community zur Rechtfertigung ihrer selbst nominell beruft.

    Die dämlichste Strategie im Umgang mit solchen internen Übelständen ist die, sie einfach verschweigen, vertuschen, oder verschleiern zu wollen, getrieben von der Befürchtung, das untadelige Ansehen der Community könne Schaden nehmen, wenn etwas davon publik wird. Das wird sehr schnell zum Boomerang, mit dem man sich die vorgetäuschte Gloriole so elegant wie radikal vom Kopf schiessen kann. An Beispielen dafür herrscht wahrlich kein Mangel, und intelligente Menschen sollten daraus etwas lernen können.

    Die schlichten Gemüter, die der Wissenschaft insgesamt nicht trauen, sind nicht repräsentativ für die öffentliche Wahrnehmung von Wissenschaft. Die Mehrheit wissenschaftl. Laien ist schwarm-intelligent genug, die gesellschaftl. Relevanz — und bisweilen auch Brisanz — von Wissenschaft zu erkennen. Und `Fridays For Future’ zeigt doch auch, dass sogar die professionellen Merchants of Doubt mit ihren Kampagnen zur Diskreditierung der Klimaforschung gerade bei der jungen Generation ziemlich schlechte Karten haben.

    Ist irgendwie dumm gelaufen für die Carbon-Lobby. Da haben sie Millionen USD und EUR zur Manipulation der öffentlichen Meinung investiert, nur Greta Thunberg hatte keiner auf dem Radar. Das Leben schreibt die tollsten Geschichten…

  81. @Aristius Fuscus: Argument?

    Welches Argument?

    Wie schnell wissenschaftliches Fehlverhalten auffliegt, hat nichts mit Natur- oder Geisteswissenschaft zu tun, sondern damit, (1) wie hoch der Anreiz zum Betrug ist, (2) welche Kontrollmechanismen es gibt und (3) wie häufig diese angewendet werden.

    In den Geisteswissenschaften hat man es eher nicht mit Datenfälschung zu tun, da man dort meistens keine Daten hat; dort sind Ideenklau und Plagiate eher ein Problem. Ersterer dürfte in den meisten Fällen schwer nachzuweisen sein (Meinung gegen Meinung), für letztere gibt es automatisierte Algorithmen im Internet. Bei uns am Institut wird jede Bachelor- oder Master-Arbeit so einem Test unterzogen. Das dauert ein paar Sekunden. Was ist daran jetzt schwer? Oder was dauert hier lang?

    Was Sie über die Soziologie (eine Sozialwissenschaft) schreiben, stimmt auch nicht: Oft genug werden hier öffentlich zugängliche Datensätze (etwa aus der Demographie/statistischen Ämtern) verwendet; die sind für alle frei zugänglich. Komische Befunde werden dann natürlich von anderen Kollegen nachgerechnet. Wenn man selbst Daten erhebt, dann verstehe ich nicht, wieso diese mehr oder weniger komplex sein sollen als die bestimmter Naturwissenschaftler.

    Sie sind hier gleich auf der polemischen Ebene eingestiegen; beschweren Sie sich darum nicht, wenn ich Ihnen (auch – aber nicht nur) auf dieser Ebene begegne.

    …abgrundtiefen Hass auf die Naturwissenschaften…

    Was Sie hier für einen Quatsch verbreiten! Wie gesagt, dem Verhalten eines Wissenschaftlers scheint mir das nicht angemessen, ganz gleich welcher Disziplin.

  82. @Stephan Schleim

    Ein zweckdienliches Aufhübschen von Daten (wenn ich das mal euphemistisch so nennen darf) ist gewiss ein system-immanenter Bestandteil empirischer Wissenschaft, und zwar von Beginn an. Schon Galilei hat anscheinend präzisere Messresultate vorgelegt, als mit den Instrumenten seiner Zeit überhaupt zu erhalten waren. Und zu Newton schreibt Richard S. Westfall (Newton and the Fudge Factor):

    Not the least part of the Principia‘s persuasiveness was its deliberate pretense to a degree of precision quite beyond its legitimate claim. If the Principia established the quantitative pattern of modern science, it equally suggested a less sublime truth—that no one can manipulate the fudge factor quite so effectively as the master mathematician himself.

    Sir Isaac war alles andere als ein Heiliger, und Balanus mag sich sorgen, dass diese Erkenntnis schlichte Gemüter zutiefst erschüttern könnte. Ich sehe das anders. Wer sollte einer Wissenschaft noch trauen wollen, die nicht einmal bereit wäre, sich mit den sie selbst betreffenden unangenehmen Wahrheiten sachlich auseinanderzusetzen?

  83. @Schleim:
    Dass ich hier gleich auf einer polemischen Ebene eingestiegen bin ist einfach ein Witz und zeigt, wie dürftig es mit Ihrem Textverständnis (und Selbstbeherrschung) bestellt ist. Sie sind derjenige, der hier vollkommen unprovoziert ad hominem losgegangen ist.
    Allerdings hatte ich auch nicht erwartet, dass Sie Manns genug sind zu erkennen, wo Sie sich verrannt haben -so etwas erfordert Charakter, und den hat man oder eben nicht. Damit verabschiede ich mich von Ihnen und Ihrem Blog mit den Worten des Barden:

    Wir achten unsre Zeit zu hoch, um sie mit solchem Prahler zu verschwenden.

  84. @Chrys: Funding

    Interessant… Musste Galilei sich etwa auch schon Gedanken übers Funding seiner Fürsten machen?

    Ich durfte mal einen brillianten Biologen kennenlernen, der auf seine älteren Tage sehr philosophisch wurde. Der sagte mal (sinngemäß): Da machst du zwanzig, dreißig, vierzig… Aufnahmen einer Zelle mit dem Mikroskop… und die Aufnahme, die das zeigt, wonach du suchst, die veröffentlichst du im Journal. Und die anderen 19, 29, 39… die geben alle nicht die Realität wieder? Komische Welt!

    Kommentatoren wie Balan- oder Fuscus halten die “naturwissenschaftliche Methode” hoch und sagen, wenn etwas schief geht, das sei eben der Mensch… Ich sage, dass sich Mensch und Methode gar nicht voneinander trennen lassen. Und nur dann, wenn wir uns diesen Tatsachen stellen, können wir meiner Meinung nach wissenschaftliches Wissen richtig einordnen.

  85. @Aristius Fuscus: Verschwörungsgefasel

    Nun ja, es steht ja noch hier, wie Sie von “Schleimsche[r] Schwarzmalerei” schrieben, die, Ihrer Meinung nach “absurde Verschwörungstheorien befördert”. Inhaltlich diskutieren geht anders. Vielleicht hätten Sie besser doch mal ein paar Semester Philosophie und/oder Soziologie belegt?

    In diesem Blogbeitrag ging es um die heutige System-Logik wissenschaftlichen Publizierens. Beim besten Willen kann ich nicht feststellen, wie Sie sich inhaltlich zu dieser Frage geäußert hätten. Daher: *winkt*

    P.S. Der von Ihnen so gelobte Balanus schrieb übrigens gerade noch, wegen der hohen Qualität meiner Beiträge seit so vielen Jahren hier zu lesen und zu kommentieren.

  86. @Stephan Schleim / Zwischenfrage

    » Der [Biologe] sagte mal (sinngemäß): Da machst du zwanzig, dreißig, vierzig… Aufnahmen einer Zelle mit dem Mikroskop… und die Aufnahme, die das zeigt, wonach du suchst, die veröffentlichst du im Journal. Und die anderen 19, 29, 39… die geben alle nicht die Realität wieder? Komische Welt! «

    Wo genau endet das sinngemäße Zitat? Hinter „Journal“, wie ich vermute?

  87. @Stephan Schleim

    “Erstens geht es in dem hier vorliegenden Fall um Hirnforschung bzw. Medizin. Wieso wettern Sie [@aristius fuscus] jetzt gegen die Sozial- und Geisteswissenschaften?”

    Ein einziger Fall, wird wohl immer einem speziellen Gebiet zugerechnet, was für ‘das Wissenschaftssystem’ (Untertitel) allerdings nicht gilt. Die Sozialwissenschaften erwähnst du selbst im Artikel: “Beim Aufdecken des umfangreichen Forschungsbetrugs des Sozialpsychologen Diderik Stapel […]”

    “[…]dass man das Thema wissenschaftliches Fehlverhalten in medizinischen und Sozialwissenschaften etwas höher aufhängt” (@aristius fuscus), scheint mir kein Wettern zu sein. Wo also wettert @aristius fuscus gegen die Sozial- und Geisteswissenschaften? Ich kann da beim besten Willen nichts finden.

    “Letztere [die Geisteswissenschaften] hantieren in der Regel übrigens nicht einmal mit Daten, weswegen da die Diskussion über Replizierbarkeit schon einmal fehl am Platz ist.”

    Danke für den Hinweis, aber mir ist nicht klar, warum du das schreibst. @aristius fuscus erwähnt im Zusammenhang mit Geisteswissenschaften nichts von Daten und nichts von Replizierbarkeit. Möglicherweise ist es dein Hinweis, der hier fehl am Platz ist.

    “Zweitens hatten (und haben) auch die von Ihnen so gelobten Chemiker und Physiker ihre eigenen Forschungsskandale.”

    Dass Naturwissenschaftler genauso betrügen würden wie Geisteswissenschaftler und Soziologen (unter gleichen Voraussetzungen), hältst Du für ein Lob?

    @aristius fuscus schrieb, “Da ist Schlamperei und Betrug m.E. weniger ein Thema, nicht weil Naturwissenschaftler weniger schlampen und betrügen würden als Geisteswissenschaftler, sondern weil es dort sehr viel schneller und sicherer herauskommt.”

    Unterstützt das nicht vielmehr deine später geäußerte These, “dass sich Mensch und Methode gar nicht voneinander trennen lassen.”

    Darf ich dich darauf aufmerksam machen, dass @aristius fuscus selbst von einem Forschungsskandal in einem der genannten Gebiete Chemie und Physik berichtet? (Dass daraus kein großer Skandal geworden ist, untermauert nur seine These, dass Fehlverhalten in den Naturwissenschaften schneller entdeckt wird.)

    “Ihre diffamierende Redeweise (“Schleimsche Schwarzmalerei”)”

    @aristius fuscus scheint mir, sein Kommentar war eine Antwort an ihn, nur @Balanus Formulierung “Stephans Schwarzmalerei” übernommen zu haben, und deinen Vornamen durch deinen Nachnamen ersetzt zu haben. Da ihr euch nicht duzt, scheint mir das angemessen zu sein und zeugt eher von Respekt.

    Bei den vielen Befürchtungen und Konjunktiven in deinem Artikel (z.B. , “möglicherweise viel zu verlieren”) wirkt der Begriff Schwarzmalerei, etwas pessimistisch darstellen, auch weniger diffamierend auf mich, als vielmehr deskriptiv und zutreffend.

    “Ihre offenbare Unkenntnis, Ihr angestaubter Dualismus (Geistes- vs. Naturwissenschaften), Ihr Ingroup-Outgroup-Denken (wir sind gut; die sind schlecht)”

    Das ist diffamierend.

    Nichts davon ist belegt, absolut nichts. Deine Auseinandersetzung mit @aristius fuscus war weit entfernt von einem verdammt guten Job.

    Danke für die gute Arbeit, die du sonst hier machst.

  88. @Stephan // Peer-Review und Zweifel

    » Ich spekuliere hier gar nicht, sondern stelle fest, dass du scheinbar reflexhaft (klassische Konditionierung?) “Peer Review!” als Antwort auf alle Probleme in der Wissenschaft rufst, …l«

    Lies bitte noch mal nach, was ich am 19. Juni geschrieben habe:
    „Zweifel ist in der Wissenschaft systemimmanent, ist also Teil der „System-Logik“. Deshalb gibt es beim Publizieren ja auch das Peer-Review-Verfahren.“

    Das ist ja wohl kaum miss zu verstehen: Das Peer-Review-Verfahren dient mir lediglich als Beleg für die grundsätzliche Skepsis, mit denen eingereichte wissenschaftlichen Arbeiten bedacht werden (man könnte ja auch alles einfach durchwinken).

    »Ich verstehe nicht, was Klimawissenschaft auf einmal damit zu tun hat.«

    Die klimabezogenen Wissenschaften zeigen beispielhaft, dass das System (trotz mancherlei Schwächen) insgesamt gut zu funktionieren scheint.

    Es geht also um die solide wissenschaftliche Arbeit, die es nach der von Dir gezeichneten „System-Logik“ eigentlich nur in Ausnahmefällen geben kann—von Leuten, die der System-Logik irgendwie widerstehen konnten.

    » Gerade deshalb, weil die Wissenschaft so wichtig ist und so einen besonderen Status hat, müsste man Probleme hier doch besonders offen und transparent angehen. «

    Da habe ich kein Problem mit. Zumal, wenn dabei die Sachlichkeit gewahrt bleibt. Dass sich bislang kein Fachkollege öffentlich zum „Fall Birbaumer“ Stellung bezogen hat, wundert mich nicht. Wer ist in der Sache schon so umfassend informiert, dass er ein valides Urteil sprechen könnte?

    » Kommentatoren wie Balan- oder Fuscus halten die “naturwissenschaftliche Methode” hoch und sagen, wenn etwas schief geht, das sei eben der Mensch… «

    Wissenschaft ist eine bewährte Methode der menschlichen Erkenntnisgewinnung. Ob im konkreten Einzelfall ein Forscher eine bestimmte, prinzipiell geeignete Methode auch richtig anwendet, steht auf einem anderen Blatt.

    Soviel dazu. Interessanter finde ich das, was @Chrys „zweckdienliches Aufhübschen von Daten“ genannt. Das bedarf noch einer Antwort. Später…

  89. @Balanus: Peer Review

    Wir drehen uns im Kreis. Ich verschiebe meine Antwort auf den Tag, an dem du inhaltlich auf meine Kritik am Peer-Review-Verfahren (insbesondere wegen der Interessenkonflikte und fehlender unabhängiger Schiedsstelle) reagierst.

  90. @Joker: Analyse

    Danke für deine Mühe. Ich kann dein Ergebnis jedoch nicht nachvollziehen. Für mich steht und fällt es mit dem Absatz:

    [1] Der Einwand, dass die Schleimsche Schwarzmalerei absurde Verschwörungstheorien befördert, ist natürlich valide. [2] Andererseits habe ich bei der Lektüre der Diskussionsbeiträge der hiesigen schlichten Gemüter nicht den Eindruck, dass die noch Motivation brauchen -der Schaden hält sich somit in Grenzen.

    Im ersten Satz [1] wird mir Schwarzmalerei attestiert; und das in Zusammenhang mit Verschwörungstheorien gebracht; das “absurd” verstärkt es dann noch einmal.

    Der zweite Satz [2] ist schlicht arrogant und beleidigend: Die schlichten Gemüter hier, also potenziell alle Leser mit Ausnahme von Balanus und Fuscus, hängen bereits den durch Schleimsche Schwarzmalerei beförderten absurden Verschwörungwtheorien an. Darum braucht man sie nicht weiter dazu zu motivieren.

    Jemanden oder etwas diffamieren heißt, jemanden oder etwas “in üblen Ruf bringen”. Dass es ein übler Ruf ist, mit (1) Schwarzmalerei absurde Verschwörungstheorien zu befördern und (2) einen Blog für “schlichte Gemüter” zu betreiben, die (3) zudem schon den angeblichen absurden Verschwörungstheorien anhängen, halte ich für ausdrücklich diffamierend, beleidigend und arrogant.

    Es gibt genug Leute im Internet, die in anderen Foren herumstänkern und beleidigt den Schwanz einziehen, wenn man auf sie in gleicher Tonlage reagiert. Dieses Schau- beziehungsweise Trauerspiel hat uns Aristius Fuscus gerade vorgespielt. Ich vermisse ihn jedenfalls nicht.

    P.S. Zur Schwarzmalerei noch das Folgende: Balanus und ich kennen uns schon seit mehr als zehn Jahren. In der Zeit haben wir uns in Diskussionen schon das eine oder andere an den Kopf geschmissen. Wenn sich ein Fremder unreflektiert dann dieser Begrifflichkeit bedient, dann muss er davon ausgehen, dass das aus seinem Mund anders wirkt.

    Und wenn hier jemand tatsächlich der Überzeugung ist, dass ich die Welt schwarz male und nicht in diesen Aspekten realistisch darstelle, dann steht es ihm oder ihr frei, allen hier aufzuzeigen, warum es die von mir für die “System-Logik” genannten Anreize nicht gibt. Darauf hättest du mal besser deine Zeit und Mühe verwenden können.

  91. @Stephan Schleim / Peer Review im Kreis

    »Wir drehen uns im Kreis.«

    Nun ja, ich habe gesagt, dass man das Peer-Review-Verfahren als Beleg für den der Wissenschaft immanenten Zweifel nehmen kann. Du findest das zum Lachen und sagst, das Verfahren ist fehleranfällig und muss verbessert werden.

    Von mir aus können wir das so stehen lassen.

    Ich hatte Dich heute um 12:40 Uhr gefragt, wo genau das Zitat des „brillanten“ Biologen endet. Könntest Du bitte noch mal nachschauen?

  92. @Balanus: Biologe

    Sorry, das hatte ich übersehen. Du hast Recht, ja, es endet nach “Journal”. Er hat aber in die Richtung “komisch” noch etwas weitergedacht.

    Was ist deine Meinung dazu?

  93. @Balanus

    Findest Du es nicht selbst ein wenig sehr treuherzig, Stephans Blogthema hier mit dem Hinweis auf Peer Review als Allheilmittel begegnen zu wollen?

    Beispiel LiGO und der “Nachweis” von Gravitationswellen (mir fällt gerade nichts besseres ein). Das Detektor-Design steht und fällt mit der Annahme, dass lineare ebene GWs eine Kraft auf die Spiegel ausüben und diese zum Wackeln bringen können. Begründet wird das mit einem Standard-Argument, das man auch in Lehrbüchern ab etwa 1973 finden kann, sodass man damit beim peer review problemlos durchkommt. Dieses Standard-Argument besteht in einer heuristischen Betrachtung zur sog. Jacobi Gleichung, was auf den ersten Blick so plausibel wirkt, dass man gemeinhin meint, sich die Deteils einer rigorosen Durchführung ersparen zu können, sofern man überhaupt dazu befähigt ist. Einige dazu Befähigte haben das aber schliesslich doch gemacht und gefunden, dass das Standard-Argument fehlerhaft ist: grob gesagt wird bei der Heuristik übersehen, dass ein Term, der auf beiden Seiten der Gl erscheint, auf der linken Seite zu null gesetzt wird, während er auf der rechten Seite als ungleich null überlebt und dann irrtümlich als die gesuchte Kraft präsentiert wird. Der Einwand ist seit mindestens 2007 publiziert — peer-reviewed, wie es sich gehört.

    Bis dahin ist es die Geschichte eines Irrtums, wie er nun mal in der Wissenschaft vorkommen kann. Doch entweder ist das Standard-Argument falsch oder der dagegen vorgebrachte Einwand, und den Regeln des wissenschaftl. Diskurses entsprechend wären Kip Thorne & Friends gefordert gewesen, sich mit dem Einwand angemessen zu befassen. Fakt ist indessen, dies ist bis heute in keiner erkennbaren Weise geschehen, was absolut nicht okay ist.

    Davon unbenommen unterstelle ich Kip Thorne nicht, das LIGO Projekt in betrügerischer Absicht angeleiert zu haben. Vermutlich ist er subjektiv seit Jahrzehnten ehrlich davon überzeugt, dass ein Nachweis von GWs damit ganz einfach gelingen muss. So sehr überzeugt, dass ihm gar nicht mehr vorstellbar ist, ihm könne ein Irrtum unterlaufen sein. Und nicht anders als Birbaumer, wenn der, wie im verlinkten SZ-Artikel zitiert, dann sagt: “Das muss klappen! Das kann gar nicht sein, dass es nicht klappt.

  94. Eine “Stellungnahme” Birbaumers ging bereits vor zwei Wochen durch den Medienstrom, in der Birbaumer der Prüfungskomission seines Arbeitgebers die Fachkompetenz absprach und deren Ergebnisse als falsch bezeichnete.
    Wer ist im Fall Prof. Ph. D. Niels Birbaumer am Zug, gibt es eine Frist für die von der Universität Tübingen eingeräumten Stellungnahme? Danke im Voraus.

  95. Chrys // 24. Juni 2019 @ 12:27

    » Findest Du es nicht selbst ein wenig sehr treuherzig, Stephans Blogthema hier mit dem Hinweis auf Peer Review als Allheilmittel begegnen zu wollen? «

    Hm, ich sehe zwei Möglichkeiten: Entweder habe ich grob missverständlich formuliert, oder aber Du hast meinen ersten Kommentar hier nicht gelesen. Was ich geschrieben und gemeint habe und was Stephan gelesen, verstanden und mir unterstellt hat, sind zwei Paar Schuhe.

  96. @Balanus / 24. Juni 2019 @ 14:54

    Wenn ich es richtig sehe, argumentierst Du in Deinem ersten Kommentar oben mit »vereinzelten Fälle[n] von wissenschaftlichem Fehlverhalten«, wo Stephan ein system-logisch bedingtes Muster behauptet, was Du nachfolgend als Schwarzmalerei bezeichnet hast, die gewisse schlichte Gemüter in den falschen Hals kriegen könnten. Habe ich das so halbwegs korrekt verstanden?

    Wie liesse sich also entscheiden, ob solche Fälle nur sporadisch auftreten, oder ob da doch womöglich ein Muster erkennbar wird? Als gelernter Wissenschaftler solltest Du die zweite Möglichkeit jedenfalls nicht a priori ausschliessen, oder?

    Ginge es um Fälle von Fehlverhalten in der kath. Kirche, würde ich vermuten, dass Du viel eher geneigt wärest, dahinter ein system-logisches Muster zu erkennen. Während mancher kath. Bischof sich einer beschwichtigenden Rhetorik bedienen würde, wie Du sie hier praktizierst. Nur so ein Gedankenspiel…

  97. @Chrys

    “Als gelernter Wissenschaftler solltest Du [@Balanus] die zweite Möglichkeit [ein Muster] jedenfalls nicht a priori ausschliessen, oder?”

    Lass uns doch weniger über die Kommentare von möglicherweise schlichten Gemütern (ich weiß gerade nicht, wer von wem genau damit gemeint ist und schon gar nicht, wer wirklich welches Gemüt hat), sondern mehr um den Blogtext und Aussagen des Autors streiten. Als gelernter Wissenschaftler sollte Stephan Schleim die erste Möglichkeit [sporadisches Auftreten] jedenfalls auch nicht ganz ausschließen, oder? Die “System-Logik”, für die er argumentiert, tut das aber.

    Alleine zu dem, warum sich kein Wissenschaftler zu Birbaumer äußern mag, fallen mir ein halbes Dutzend andere plausible Gründe ein, die alle ehrenhaft wären, die auch noch von Wissenschaftler zu Wissenschaftler ganz unterschiedlich sein mögen, als die von Stephan genannten. Wenn man solche Gründe gar nicht in Betracht zieht, oder ohne Überprüfung verwirft, was ist das denn sonst, wenn nicht Schwarzmalerei?

    Wenn das stimmen würde, was Stephan schreibt, “es gibt überhaupt keinen Anreiz, […] einem Forscher öffentlich Fehlverhalten nachzuweisen.”, wie erklärt sich dann, dass eine Kommission genau das gerade getan hat?

    Vielleicht sollten wir mal versuchen die Grenzen des Systems zu bestimmen, in dem die Logik gelten soll. Gehört eine Kommission nicht mehr zum System, gehört er selbst, Stephan Schleim, nicht mehr zum System Wissenschaft?

  98. zweckdienliches Aufhübschen von Daten“ (@Chrys)

    Dagegen ist wenig einzuwenden, so etwas ist gang gäbe. Gerade auch im biologischen Bereich. Wenn man am lebenden Objekt Messungen vornimmt, dann streuen die Daten meist mehr oder weniger, und gelegentlich liegt ein Wert weit außerhalb des normalen Bereichs. Der wird dann nach bestimmten statistischen Kriterien eliminiert.

    Oder wenn zum Beispiel der zeitliche Verlauf einer Messung unter Einfluss eines Wirkstoffs gezeigt werden soll, dann sucht man sich halt unter den vielen Aufzeichnung die „schönste“, also typischste, aus. Ebenso verhält es sich mit Aufnahmen (siehe @Stephans „brillanten Biologen“): Die, welche das Ergebnis besonders eindrücklich zeigt, wird genommen. Da ist, finde ich, überhaupt nichts gegen zu sagen. Das machen alle so, und alle wissen, dass es sich nur um eine subjektiv ausgewählte Illustration handelt.

    Eine gewisse Gefahr liegt aber schon darin, denn es mag schon ein falscher Eindruck entstehen, wenn z. B. von 30 Aufnahmen nur fünf gut genug sind für eine Publikation. Dem Leser entgeht womöglich, welcher Aufwand für die eine ausgewählte gute Abbildung getrieben werden musste—und wie sich die Sache meistens im Mikroskop (oder sonst wo) darstellt.

  99. @Chrys // 24. Juni 2019 @ 17:48

    Ich muss mich entschuldigen, mit dem „ersten Kommentar“ hatte ich den gemeint, wo es um die „Zweifler“ und nachfolgend eben um Peer Review geht. Dort habe ich nämlich Stephans Aussage:

    »Wie gesagt: Zweifeln ist ein Kernwert der Wissenschaft.«

    zugestimmt und geschrieben:

    »Richtig, Zweifel ist in der Wissenschaft systemimmanent, ist also Teil der „System-Logik“. Deshalb gibt es beim Publizieren ja auch das Peer-Review-Verfahren.«

    Daraus machst Du nun im Verein mit Stephan: „Peer Review als Allheilmittel“.

    Findest Du, dass damit meine Intention korrekt wiedergegeben ist?

    Über die Häufigkeit von wissenschaftlichem Fehlverhalten gibt es wohl keine verlässlichen Zahlen, aber wenn in der Wissenschaft genauso oft gelogen würde wie vor Gericht (oder in der kath. Kirche), wäre uns das gewiss nicht verborgen geblieben.

    Apropos Kirche: Du hast mich oben, wertfrei, wie ich hoffe, als die-hard-materialist bezeichnet. Habe ich mich eigentlich jemals selbst ‚Materialist‘ genannt? Es ist doch nur so, dass ich keinen vernünftigen Grund sehe, an immaterielle Entitäten oder Kräfte zu glauben. Ist man dann schon ‚Materialist‘?

  100. Nummer eins zu :
    “…Wer sollte einer Wissenschaft noch trauen wollen, die nicht einmal bereit wäre, sich mit den sie selbst betreffenden unangenehmen Wahrheiten sachlich auseinanderzusetzen?……
    Getroffen.

    Nummer zwei:
    Ein hiesiges schlichets Gemüt hätte doch mal gern von einem harten Naturwissenschaftler mit dem Namen eines mir unbekannten antiken Philosophen eine Auskunft darüber erhalten, was denn in den Kreisen von harten Wissenschaftlern unter dem Ausdruck
    üble Verschwörungstheorien” verstanden wird.
    Schließlich sollten sich schlichte Gemüter ja vor sowas besonders in Acht nehmen. Denn völlig anders als die besonders gehärteten Naturwissenschaftler mit Namen von antiken Philosophen, von denen ich noch nichts gehört habe, sind schlichte Gemüter ja kaum in der Lage , harte Theorien von solchen ganz gefährlich üblen Theorien zu unterscheiden, die das harte Image eventuell verweichlichen könnten. Und es könnte ja in der Tat der Gau eintreten, dass des Kaisers harte Kleider auch für weniger schlichte Gemütern allmählich etwas zu transparent werden. Wobei ich mich keinesfalls zu der Behauptung versteigen möchte, dass es überhaupt keine wirklich harten Kaiser mit wirklich von allen gut erkennbaren Kleidern gäbe.

    (Anmerkung: Die Sätze wurden etwas verschachtelter konstruiert, weil nicht nur manche schlichteren Gemüter dann zum Fehlschluss auf härtere Intellllektualllität verleitet werden. Allerdings muss zugegeben werden, dass zum Beispiel ein Dr. W. auf manchen blogs hier das noch besser kann.
    Zumindest gelegentlich.)

  101. @Balanus, Chrys, Joker: System-Logik

    Jetzt wird die Diskussion doch noch einmal interessant.

    Stellen wir uns mal ein einfaches Beispiel vor: Im Supermarkt X arbeiten 100 Mitarbeiter. Der Besitzer von X vertraut den Mitarbeitern völlig. Darum gibt es keine Vorkehrungen gegen Diebstahl.

    Das Erlangen von Gütern ist in unserer Gesellschaft ein Belohnungsreiz. So ist jeder der 100 Mitarbeiter konditioniert. Klar, jeder weiß, dass man ehrlich sein sollte, doch das ist ein eher abstrakter Wert. Und X ist groß und wenn es doch niemandem auffällt…?

    Ich treffe keine Aussage darüber, wie viele der Mitarbeiter in X stehlen. Es könnten 50 sein oder zehn oder auch nur einer oder gar keiner.

    Mein Argument ist schlicht, dass es in X keine (oder unzureichende) Maßnahmen gegen Diebstahl gibt, während es einen immanenten Druck gibt, ab und an ein paar Waren “mitgehen” zu lassen. Darum wird man verhaltenswissenschaftlich gesehen davon ausgehen können, dass es zu Diebstählen kommt.

  102. @Arne K.: Danke für den Hinweis. Wenn ich es schaffe, schreibe ich Anfang Juli einen Folgeartikel. Am Aussagekräftigsten dürfte der Ausgang der Untersuchung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft sein.

  103. @Joker: ehrenhafte Gründe fürs Schweigen

    Nur zu, ein halbes Dutzend. Nenne sie mal, damit wir an deinem Denken teilhaben können.

    Bei näherer Betrachtung war es nicht nur auffällig, dass ihn niemand öffentlich kritisierte, sondern auch, dass ihm niemand öffentlich den Rücken stärkte.

  104. @Joker: Aufklärung

    “es gibt überhaupt keinen Anreiz, […] einem Forscher öffentlich Fehlverhalten nachzuweisen.”, wie erklärt sich dann, dass eine Kommission genau das gerade getan hat?

    Also langsam werden deine Fragen recht naiv… Aber nun gut: Die Beharrlichkeit des Informatikers Spüler ließ der Uni gar keine andere Wahl, als den Fall schließlich zu untersuchen. Es geht jetzt um Schadensbegrenzung. Das steht auch schon im Artikel. Die Medien berichten doch seit April. Wie würde die Uni dastehen, wenn sie solchen Beschuldigungen nicht nachgehen würde? Dann hätten wir gleich zwei Skandale.

  105. @Balanus: Auswahl

    Heute lerne ich noch etwas! Das “typischste” Messergebnis ist also das nach Ansicht des Forschers “schönste”. Aber natürlich haben wir es hier mit harter Naturwissenschaft zu tun, in der alles rein Objektiv zugeht und die Forscherperson keine Rolle spielt.

    Das machen alle so, und alle wissen, dass es sich nur um eine subjektiv ausgewählte Illustration handelt.

    Hochinteressant. Ich bezweifle, dass alle das wissen.

    Das wäre doch mal ein Vorschlag, dass man neben die Abbildung in der Zeitschrift schreibt: “Dies ist eine von 40 unterschiedlichen Beobachtungen und dient rein illustrativen Zwecken.”

  106. @Joker / 24. Juni 2019 @ 21:03

    Eigentlich wollte ich vorschlagen, dass Stephan im Bedarfsfalle selbst nochmals kurz begründet, wieso aus seiner Sicht die besagten Regelverstösse einem bestimmten, system-logisch bedingten Muster folgen und eben nicht als nur sporadisch auftretende Einzelfälle von “schwarzen Schafen” abzuhandeln sind. Und wer meint, dass er damit falsch liegt, sollte dies seinerseits möglichst sachlich und nachvollziehbar darlegen.

    Da Stephan nun auch schon reagiert hat, weiss ich nicht, ob er dazu noch mehr sagen muss. Für mich müsste er das nicht tun, doch wer da noch Klärungsbedarf sieht, kann das hier ja angemessen vortragen.

  107. @Chrys: schwarze Schafe

    Die Rede von den “schwarzen Schafen” ist doch selbst eine systemerhaltende Strategie: Let’s blame the individual!

    Nein, das Wort “Hyperwettbewerb” ist hier im Blog schon oft genug gefallen. Im Sport haben wir stadardmäßige Dopingkontrollen und kommt es doch immer wieder zu Schummeleien. In der Wissenschaft haben wir schlicht… Vertrauen.

    Leute, die wie Balanus, Fuscus oder Joker argumentieren, müssten erklären, warum Wissenschaftler etwa im Vergleich zu Sportlern die besseren Menschen sind.

    P.S. Im Übrigen ist die Diskussion zu Open Science etc. ja nicht vom Himmel gefallen. Maßnahmen wie z.B. pre-registered trials verhindern schon einmal eine Reihe von Schummeleien, und zwar auf Systemebene. Dazu habe ich gerade erst letzte Woche wieder einen Vortrag einer jungen Wissenschaftlerin gehört. Die Tools sind da. Aber, tja, Hyperwettbewerb eben.

  108. @Balanus / 24. Juni 2019 @ 23:31

    Vielleicht können wir uns dahingehend einigen, dass Peer Review als ein Verfahren konzipiert ist, mit dem erreicht werden soll, dass nur solche Beiträge zum wissenschftl. Diskurs von einem bestimmten Journal akzeptiert werden, die gewissen formalen sowie inhaltlichen Standards genügen. Ein Ersatz für diesen Diskurs kann und soll es keinesfalls sein, so ist das zumindest nicht gedacht. Ist das so okay?

    »Habe ich mich eigentlich jemals selbst ‚Materialist‘ genannt?«

    Mario Bunge bezeichnet seine philos. Position als Scientific Materialism, und das ist jetzt nicht so weit entfernt von der, die Du gelegentlich vertrittst. Aber ich will Dir kein Etikett als Verfechter dieses oder jenes -ismus anhängen. Gibt es, statt Materialist, eine philos. Bezeichnung, die Dir eher genehm wäre?

  109. Stephan Schleim // 25. Juni 2019 @ 11:15

    »Leute, die wie Balanus, Fuscus oder Joker argumentieren, müssten erklären, warum Wissenschaftler etwa im Vergleich zu Sportlern die besseren Menschen sind.«

    Keiner von den Dreien hat behauptet, dass das Peer-Review-Verfahren perfekt ist und nicht ausgetrickst werden kann.

    Es gibt zum Sport aber einen wesentlichen Unterschied: Wer in den Wissenschaften trickst, erreicht nie im Leben das Siegertreppchen (Nobelpreis). Im Sport kann Tricksen (Doping) bis zum Weltmeistertitel führen.

    Wer in den Wissenschaften trickst, der verbiegt sozusagen die Natur, die Wirklichkeit, die naturgegebenen Fakten. Analog dazu müsste ein Sportler mit einem manipulierten Sportgerät antreten (z. B. mit einer 5 kg leichten Kugel beim Kugelstoßen). Aber da sorgt ein dem Peer-Review analoges Verfahren dafür, dass dies nahezu ausgeschlossen ist.

    Im Übrigen, lieber Stephan, ich habe schon das Versagen des Peer-Review-Verfahrens erlebt, als Du noch in der Grundschule das Buchstabieren gelernt hast (1988, Jacques Benveniste—Wasser hat ein Gedächtnis).

  110. @Balanus: Nobelpreis und Doping

    Da scheinst du mir ja nun weitgehend Recht zu geben.

    Es gibt zum Sport aber einen wesentlichen Unterschied: Wer in den Wissenschaften trickst, erreicht nie im Leben das Siegertreppchen (Nobelpreis). Im Sport kann Tricksen (Doping) bis zum Weltmeistertitel führen.

    Das beruhigt mich jetzt aber aus verschiedenen Gründen nicht wirklich: Erstens gibt es den Nobelpreis nicht für alle Disziplinen. Zweitens hätten wir dann ein Gütekriterium für wohl noch nicht einmal ein Prozent der Forschung; das ist mir zu wenig. Drittens werden auch diese Preise von Menschen hinter verschlossenen Türen vergeben, geht es dabei um Prestige, Macht und Geld; welche Gründe haben wir, davon auszugehen, dass diese Menschen nicht auch denselben Einflüssen unterliegen wie alle anderen Menschen?

    (Eben kurz gegoogelt: Es gibt doch diese Diskussion über Sexismus bei der Preisvergabe und laut einer Übersicht auf Wikipedia gingen bisher 321 von 371 Nobelpreisen an Forscher aus den Ländern Deutschland, Frankreich, Großbritannien und USA. Damit entfallen 86% der Preise auf 2% der Länder. Komisch. Ich denke, dass sich darin vor allem ausdrückt, wer in der Wissenschaft die “Spielregeln” bestimmte bzw. bestimmt.)

  111. @Chrys // 25. Juni 2019 @ 17:40

    »Ein Ersatz für diesen [wissenschaftl.] Diskurs kann und soll es [Peer Review] keinesfalls sein, so ist das zumindest nicht gedacht.«

    Peer Review ist nach meinem Dafürhalten in der Mehrzahl der Fälle quasi die Voraussetzung für einen vernünftigen Diskurs. Denn wenn noch nicht mal die wissenschaftlichen Standards eingehalten wurden, worüber will man dann inhaltlich diskutieren?

    Man sieht es doch auch an der „Birbaumer-Studie“: Auch wenn da einiges wegen fehlender Daten nicht stimmt, kann man immer noch über den potentiellen Nutzen des Verfahrens diskutieren. Schließlich bewegt sich hier alles im validen Rahmen der Biophysik. Bei dem von mir erwähnten Jacques Benveniste verhielt es sich seinerzeit anders.


    »Gibt es, statt Materialist, eine philos. Bezeichnung, die Dir eher genehm wäre? «

    Solange die philosophische Schublade nicht die Existenz immaterieller Entitäten und Kräfte impliziert, ist mir (fast) alles recht.

  112. @Balanus, Chrys: Materialismus

    Solange die philosophische Schublade nicht die Existenz immaterieller Entitäten und Kräfte impliziert, ist mir (fast) alles recht.

    Willkommen in der Gedankenwelt des 18. Jahrhunderts.

    Kann man einem Biologen durchgehen lassen, entscheidende physikalische Fortschritte der letzten 200 Jahre nicht zur Kenntnis zu nehmen?

    P.S. Der hier schon einmal erwähnte Biologe mit Harvard-Connection bekannte sich im kleinen Kreis übrigens zum Christentum. Er habe sich aber nie getraut, das offen zu sagen, aus Angst, dann von den Kollegen nicht mehr ernst genommen zu werden. Ein guter Wissenschaftler und Institutsleiter war er trotzdem. Es spricht aber nicht gerade für die gedankliche Offenheit seines Forschungsgebiets.

  113. P.S. Materialismus

    Dass “Materie” und damit auch “Materialismus” von lat. mater = Mutter abgeleitet ist, das wisst ihr aber, oder?

    So auch “Mutter Erde”. Das hört sich ja fast schon irgendwie beseelt an… Alles Mutteranbeter, diese Materialisten. 😉

  114. @Stephan Schleim // Physik und Materie

    » …entscheidende physikalische Fortschritte…«

    Du meinst sicherlich metaphysi(kali)sche Fortschritte (oder muss ich befürchten, dass Du auf quantenphysikalische Phänomene anspielst?)

    »Der hier schon einmal erwähnte Biologe mit Harvard-Connection bekannte sich im kleinen Kreis übrigens zum Christentum.«

    Und somit auch zu einer theistischen Evolutionstheorie?

    » Dass “Materie” und damit auch “Materialismus” von lat. mater = Mutter abgeleitet ist, das wisst ihr aber, oder? «

    Ja und, was folgt Deiner Ansicht nach aus der Wortherkunft?

  115. @Balanus: Materialismus & Mystik

    Du bestrittest gerade die Existenz immaterieller Entitäten. Nach allem, was wir heute wissen, ist Materielles aber aus Nichtmateriellem aufgebaut. Damit entziehst du der Physik ihr Fundament.

    Der christliche Biologe zweifelte nicht an der Evolutionstheorie, sondern forschte im Gegenteil sogar dazu, aber ging vielleicht davon aus, dass die Welt so von seinem Gott eingerichtet wurde.

    Wie sah das eigentlich Mr. “Nothing in Biology Makes Sense Except in the Light of Evolution” Theodosius Dobzhansky? Der war meines Wissens doch nicht nur seinem Vornamen nach frommer Katholik.

    Und mater = Mutter… daraus folgt erst einmal nichts, sonst wäre das ja ein genealogischer Fehlschluss. Aber es legt doch schon etwas Mystisches nahe… Trefft ihr Materialisten euch manchmal nachts zum Tanz um das heilige Atom oder so?

  116. @Stephan Schleim

    “ein halbes Dutzend. Nenne sie mal”

    Die Bitte habe ich erwartet, deswegen hatte ich mich nachträglich noch entschlossen, ‘halbes’ einzufügen. Später mehr dazu.

    “Also langsam werden deine Fragen recht naiv…”

    Meine Frage war, warum du eine Universitäts-Kommission und Wissenschaftler, die beharrlich an Aufklärung arbeiten, außerhalb des Systems verortest? Beide folgen nicht deiner “System-Logik”. Diese Frage hast du bisher nicht beantwortet.

    Unter Anreizen scheinst du ja im Wesentlichen monetäres und karriererelevantes zu verstehen. (Veröffentliche, nicht weil Wichtiges herausgefunden wurde, sondern um einen besseren, besser bezahlten Job zu bekommen). Gerade im Wissenschaftsbetrieb könnten sich aber vielleicht auch eine Menge Leute finden lassen, die auf Geld und Karriere verzichten, die Erfüllung in ihrem Job suchen, sich der Sache widmen, Forschung und Lehre, auch stolz sind auf jeden marginalen Erkenntnisgewinn und der Wahrheit verpflichtet bleiben.

    Schönfärberisch könnte man dann zu dem Schluss kommen, dass in der Wissenschaft eine System-Logik herrscht, die Betrug unmöglich macht. Zumindest auf lange Sicht unmöglich, weil sich irgendwann eben immer jemand findet, der sich die Zeit nimmt, nachzurechnen.

    Es ist doch vollkommen unrealistisch sich ein System zu wünschen oder gar eines zu fordern, dass jeden Betrug verhindern soll. Möchtest Du die Freiheit der Forschung gefährden und noch mehr Bürokratie einführen? Oder wolltest Du uns nur deine Entdeckung mitteilen, dass dort wo Menschen sich Gewinn versprechen, betrogen wird und sich Schweigekartelle bilden können? Ist das überraschend, für einen Psychologen?

  117. @Joker: Publish or Perish…

    …ist seit 1928 zum geflügelten Wort geworden. Check mal den deutschen Wikipedia-Eintrag dazu für einen kurzen Überblick über das wissenschaftliche Anreizsystem.

    Meine Frage war, warum du eine Universitäts-Kommission und Wissenschaftler, die beharrlich an Aufklärung arbeiten, außerhalb des Systems verortest? Beide folgen nicht deiner “System-Logik”. Diese Frage hast du bisher nicht beantwortet.

    Hast du den Text gelesen? Vielleicht solltest du dein Gedächtnis mal wieder auffrischen. Dein Held bekam nämlich seinen Vertrag nicht verlängert, womit er allem Anschein nach aus dem Wissenschaftsbetrieb ausscheiden wird, und er musste sich gegen große Widerstände durchsetzen, bis es zur Untersuchung kam oder seine Kritik veröffentlicht wurde. Lies doch wenigstens mal die Quellen (hier etwa die Texte in SZ und SZ-Magazin), wenn du hier so stark auftrittst.

    Bei den anderen Fällen war es dasselbe: Die Forscher aus dem Establishment wehrten sich so lange wie möglich gegen Untersuchungen.

    Schönfärberisch könnte man dann zu dem Schluss kommen, dass in der Wissenschaft eine System-Logik herrscht, die Betrug unmöglich macht. Zumindest auf lange Sicht unmöglich, weil sich irgendwann eben immer jemand findet, der sich die Zeit nimmt, nachzurechnen.

    Das geht doch gar nicht, weil die Anzahl der Publikationen immer weiter steigt. Nicht kritisches Nachprüfen wird belohnt, sondern fabrikmäßiges Publizieren… oder perish.

    Es ist doch vollkommen unrealistisch sich ein System zu wünschen oder gar eines zu fordern, dass jeden Betrug verhindern soll. Möchtest Du die Freiheit der Forschung gefährden und noch mehr Bürokratie einführen?

    Das hat hier keiner gefordert. Nur bessere Anreize, dass ehrliches Arbeiten belohnt wird. (Die Freiheit der Forschung ist wegen falscher Anreize, Interessenkonflikten, finanzieller sowie politischer Abhängigkeit und fehlender Transparenz doch gar nicht mehr vorhanden. Liest du überhaupt nicht die Beiträge zum Thema?)

    Oder wolltest Du uns nur deine Entdeckung mitteilen, dass dort wo Menschen sich Gewinn versprechen, betrogen wird und sich Schweigekartelle bilden können? Ist das überraschend, für einen Psychologen?

    Wenn ich sehe, a) wie viele Zuschriften ich von Kollegen bekommen habe und b) wie du, Balan- und Fuscus hier auftreten, dann kann ich nur schlussfolgern, dass Beiträge wie meiner nötig sind. Dringend.

    P.S. Auf dein halbes Dutzend warte ich noch… ebenso wie auf eine Reaktion auf die Fuscus-Sache, wenn du deine Glaubwürdigkeit hier nicht völlig verlieren willst.

  118. @Stephan Schleim // Physik und das Immaterielle

    »Nach allem, was wir heute wissen, ist Materielles aber aus Nichtmateriellem aufgebaut. «

    Aha! Hat man diese immateriellen Entitäten, auf denen die Physik dMn seit 200 Jahren fußt, bereits mit Namen versehen?

    Die Bezeichnung „Gottesteilchen“ ist ja leider schon vergeben—für eine materiellen Entität.

    Dobzhansky schrieb (1973):” I am a creationist and an evolutionist. Evolution is God’s, or Nature’s, method of Creation”

    Natur = Gott, naja… Hat das noch viel mit dem christlichen, insbesondere kath. Glauben zu tun? Wo bleibt die „Seele“, die immaterielle Entität par excellence?

  119. @Balanus: Wie wäre es mit Energie oder Information?

    Das mit dem “Gottesteilchen” ist doch eher PR als seriöse Wissenschaft. (Ich meine den Namen, nicht das Ding.)

    Und “Seele”, ja, da unterhältst du dich besser mit einem Anderen. Ich habe dazu wenig zu sagen.

    Aber wenn du Gott und Natur gleichsetzt, dann fallen schließlich auch Theologie und Physik ineinander. Ich verstehe nicht, welchen Sinn das haben sollte. Heben wir uns das vielleicht für ein Andermal auf?

  120. @Stephan Schleim // Physik und das Immaterielle

    » Aber wenn du Gott und Natur gleichsetzt,…«

    Nicht ich, der von Dir ins Spiel gebrachte Dobzhansky hat hier gleichgesetzt. Und zur „Seele“ müssen sich die religiös/christlich gläubigen Naturwissenschaftler irgendwie verhalten, auch wenn’s schwer fällt. Was ‚Energie‘ und ‚Information‘ anbelangt, diese Dinge dürften Materialisten auch nicht ins Grübeln bringen.

    »Heben wir uns das vielleicht für ein Andermal auf? «

    Gerne!

  121. @Balanus: Hoffnungslose Fälle

    Was ‚Energie‘ und ‚Information‘ anbelangt, diese Dinge dürften Materialisten auch nicht ins Grübeln bringen.

    Das ist zu befürchten.

  122. @Balanus

    Mir ist noch immer völlig unklar, woher die üblichen Verdächtigen jetzt so genau wissen, dass wir es hier grundsätzlich immer nur mit vereinzelten Fällen von wissenschaftlichem Fehlverhalten zu tun haben, die nicht dafür taugen, ein system-bedingtes Muster hinsichtlich ihres Auftretens erkennen zu lassen.

    Wie kann man ohne jedes ersichtliche Nachdenken zu einem rational begründbaren Urteil kommen, dass hier a priori kein verhaltentheoret. plausibles Muster vorliegen kann, wie von Stephan behauptet? Wenn man das kann, wie lautet die Urteilsbegründung?

    N.B. Wenn der schon mal zum Smartest Man of the World gekürte Richard Feynman als Physiker bei der Energie ins Grübeln gekommen ist, die Materialisten aber nicht, dann erscheint fraglich, ob dieses Nicht-Grübeln sehr für den Materialismus spricht.

  123. @Chrys: schöne Ergebnisse

    Balanus hat es doch gerade offen ausformuliert: Der erfahrene Wissenschaftler weiß, wie ein schönes (@Joker ergänze ich: publizierbares) Ergebnis auszusehen hat und selektiert dementsprechend seine Daten. Das stellt den Forschungsprozess gewissermaßen auf den Kopf.

    Das muss dann nicht gleich wissenschaftliches Fehlverhalten sein. Aber ehrlich wäre es doch, neben der schönen, publizierten Darstellung zu erwähnen, dass es 39 andere Beobachtungen gab, die Abbildung also eher illustrativen Zwecken dient als “die Realität” wiedergibt.

    (Bei älteren fMRT-Studien z.B. zu Wahrnehmungsprozessen wurden noch Abbildungen einzelner Versuchspersonen publiziert. Da sah man sehr schön, dass die Aktivierung bei manchen eher links, bei anderen rechts, bei wieder anderen beidseitig und bei manchen gar nicht vorhanden war.

    Später publizierte man nur noch Gruppenmittelwerte, die diese Variabilität zwischen den Menschen unter den Tisch fallen lassen. Diese Abbildungen sind dann sehr suggestiv, nach dem Motto: Aha, da wird gedacht, da sitzt das Modul, diese Region ist für dies oder das verantwortlich. Das war natürlich alles Unsinn. In “Die Neurogesellschaft” von 2011 schrieb ich mehr darüber. Es war auch einer der Gründe, warum ich in dieser Forschung nicht weitermachen wollte.

    Und jetzt sagt Balanus, typisches Argument, ich habe es schon so oft gehört: Jeder wisse, was es mit diesen Abbildungen auf sich habe. Mitnichten! Von den verzerrenden Darstellungen in den Medien haben einige Forscher jahrelang profitiert, ohne die Journalisten richtig aufzuklären.

    Ein Interessenkonflikt eben. Das Nachsehen hatten Forscher, die gute Experimente machen wollten, aber mit Methoden, die nicht so “in” waren wie die Kernspintomographie. Dafür gab es dann kein Geld mehr. Pech gehabt.)

  124. @Chrys // 27. Juni 2019 @ 11:00

    » Wenn der schon mal zum Smartest Man of the World gekürte Richard Feynman als Physiker bei der Energie ins Grübeln gekommen ist«

    Und, kam er als Physiker zu dem Schluss, es handele sich bei dem, was landläufig unter „Energie“ verstanden wird, um (eine) immaterielle Entität(en)?

  125. @all: Materialismus

    Mein Vorschlag: Lassen wir die Materialisten erst einmal widerspruchsfrei und nicht-tautologisch definieren, was sein Standpunkt ist.

    Die Definition von Materialismus, dass alles, was existiert, materiell ist, oder es existiert nicht, ist zwar widerspruchsfrei aber tautologisch und lässt die Frage unbeantwortet, was überhaupt Materie ist.

    Demnächst würde ich übrigens an einem Artikel zum Leib-Seele-Problem arbeiten, zu dem diese Diskussion eher passt; bin gerade noch im Urlaub.

    P.S. Balanus: Im (englischen) Wikipedia-Artikel über das Higgs-Boson las ich gerade zum Thema “Gottesteilchen”:

    In mainstream media the Higgs boson has often been called the “God particle”, from a 1993 book on the topic, although the nickname is strongly disliked by many physicists, including Higgs himself, who regard it as sensationalism.

    Ich hab’s dir doch gesagt… Nicht alles so unreflektiert absorbieren, was du in den Medien liest.

  126. @Chrys // 27. Juni 2019 @ 11:00

    »Mir ist noch immer völlig unklar, woher die üblichen Verdächtigen jetzt so genau wissen, dass wir es hier grundsätzlich immer nur mit vereinzelten Fällen von wissenschaftlichem Fehlverhalten zu tun haben, die nicht dafür taugen, ein system-bedingtes Muster hinsichtlich ihres Auftretens erkennen zu lassen.«

    Doch doch, die „vereinzelten Fällen von wissenschaftlichem Fehlverhalten“ lassen m. E. sehr wohl ein system-bedingtes Muster erkennen: Dass sie relativ selten sind, ist nämlich auch (!) der Logik des wissenschaftlichen Systems geschuldet. Wobei Fehlverhalten seltener ist als schlechte Wissenschaft, weil die Peer-Review-Hürde gar nicht erst schafft.

    Ich weiß, laut Stephan verhält es sich genau anders herum: Die gute, ehrliche, aber eben auch hässliche Wissenschaft scheitert am Peer Review, weil dort vor allem die Datenfälscher mit ihren schönen Abbildungen reüssieren.

    Wäre wissenschaftliches Fehlverhalten systembedingt die Regel, und nicht die Ausnahme, dann wäre es schlecht um den technisch-wissenschaftlichen Fortschritt bestellt (es würden noch mehr Flugzeuge vom Himmel fallen, Satelliten-Navigation könnte man vergessen, Homöopathie wäre eine respektable Wissenschaftsdisziplin, und, und, und…). Und wir würden uns dann über die ans Licht gekommenen seltenen weißen Schafe freuen.

    Ebenfalls vergessen könnte man übrigens auch den wissenschaftlichen Konsens hinsichtlich der Klimafrage.

  127. @ Stephan // Definition Materialismus

    Es gibt wohl nicht die eine, über die allgemeine Einigkeit bestünde. Mir kann es egal sein, mein Standpunkt ist nach wie vor (siehe oben), dass ich keinen vernünftigen Grund sehe, über die Existenz immaterieller Entitäten zu spekulieren. Ob solch eine Haltung unter Materialismus fällt oder nicht, mögen Philosophen entscheiden.

    PS: „Gottesteilchen“

    Tja, aber gib’s zu, „Gottesteilchen“ wäre ein idealer Name für ein immaterielles „Teilchen“ gewesen (wenn Mainstream-Medien nicht schon das Higgs-Boson so getauft hätten—diese Spielverderber).

  128. @Balanus

    Es gibt wohl nicht die eine, über die allgemeine Einigkeit bestünde.

    Eben. Denn sobald mal jemand versucht, Materialismus etwas genauer zu definieren, landet er in einem Widerspruch.

    Mir kann es egal sein

    Das ist nicht sehr reflektiert.

    , mein Standpunkt ist nach wie vor (siehe oben), dass ich keinen vernünftigen Grund sehe, über die Existenz immaterieller Entitäten zu spekulieren.

    Sieh es ein. Du kannst ohne Metaphysik (oder etwas analogem) nicht mal einen Fuß vor den anderen setzen. Geschweige denn hier kommentieren.

    Ob solch eine Haltung unter Materialismus fällt oder nicht, mögen Philosophen entscheiden.

    Weiterhin nicht sehr reflektiert: “Ich denke mir irgendwas schwammiges aus; lass mich auf nichts genaues festklopfen; überlasse das Denken den anderen; und wenn die Probleme finden, dann nur, weil sie mich falsch verstanden haben.”
    Somit sind sie immun gegen jegliche Kritik, aber werden niemals einsehen, was sie für einem Glaubenskonstrukt anhängen.

    Und noch etwas zum eigentlichen Thema. Ich bin immer wieder leicht überrascht, wie Wissenschaftler, die sich selbst ja auch gerne als progressive Kräfte sehen, so unglaublich konservativ in ihrem Wissenschaftsverständnis sind bzw. an ihrer Wissenschaftspraxis hängen.
    Eigentlich bin ich auch nicht mehr so überrascht, denn warum sollte es in der Wissenschaft anders sein als überall sonst? Aber dieses Paradox sticht doch immer wieder ins Auge.

  129. @Balanus / 27. Juni 2019 @ 12:58

    Apropos Feynman. Aus gegebenem Anlass sei an seinen Aufsatz Cargo Cult Science (1974) erinner, wo u.a. folgende Anekdote geschildert wird:

    For example, I was a little surprised when I was talking to a friend who was going to go on the radio. He does work on cosmology and astronomy, and he wondered how he would explain what the applications of this work were. “Well,” I said, “there aren’t any.” He said, “Yes, but then we won’t get support for more research of this kind.” I think that’s kind of dishonest. If you’re representing yourself as a scientist, then you should explain to the layman what you’re doing—and if they don’t want to support you under those circumstances, then that’s their decision.


    Ist es gerade bei Grossprojekten überhaupt reealistisch vorstellbar, dass die Verantwortlichen angesichts einer drohenden Projekteinstellung wegen chronischer Erfolglosigkeit einen Misserfolg öffentlich konzedieren würden, wenn die Möglichkeit gegeben ist, dieser peinlichen Situation zu entgehen durch eine, sagen wir mal, “clevere Anwendung des Fudge Factors”, die so gut wie unmöglich nachzuweisen ist? Man kann sich beispielsweise auch fragen, was wir wohl vom HBP zu erwarten haben, wenn irgendwann die “Stunde der Wahrheit” naht.

    Zum Energie-Problem. Da hat es folgende recht bekannte Stelle in den Feynman Lectures:

    It is important to realize that in physics today, we have no knowledge of what energy is. We do not have a picture that energy comes in little blobs of a definite amount. It is not that way. However, there are formulas for calculating some numerical quantity, and when we add it all together it gives “28”—always the same number. It is an abstract thing in that it does not tell us the mechanism or the reasons for the various formulas.

  130. @Balanus: naiv

    Doch doch, die „vereinzelten Fällen von wissenschaftlichem Fehlverhalten“ lassen m. E. sehr wohl ein system-bedingtes Muster erkennen: Dass sie relativ selten sind, ist nämlich auch (!) der Logik des wissenschaftlichen Systems geschuldet.

    Das halte ich, mit Verlaub, nicht nur für naiv, sondern auch für unwissenschaftlich.

    Das ist so, als würde man über die Berichte von Zusammenstößen mit Eisbergen in der Tageszeitung darauf schließen, dass Eisberge ein seltenes Phänomen sind. Aber ohne jemals systematisch nach Eisbergen gesucht zu haben, lässt sich schlicht keine wissenschaftliche Aussage über deren Häufigkeit tätigen.

    Du bleibst nach wie vor den Nachweis schuldig, dass Wissenschaftler im Schnitt ehrlichere Menschen sind als andere Menschen. Das wirft für sich genommen schon kein gutes Licht auf deine Wissenschaft.

  131. @Balanus: Wissenschaft und Technik

    Wäre wissenschaftliches Fehlverhalten systembedingt die Regel, und nicht die Ausnahme, dann wäre es schlecht um den technisch-wissenschaftlichen Fortschritt bestellt (es würden noch mehr Flugzeuge vom Himmel fallen, Satelliten-Navigation könnte man vergessen, Homöopathie wäre eine respektable Wissenschaftsdisziplin, und, und, und…).

    Das Argument war schon im Original (das No Miracle-Argument von Hilary Putnam) nicht sehr überzeugend. Deine Variante ist es noch weniger.

    Zu zeigen wäre hier erst einmal, bei wie viel Prozent der Forschung es überhaupt einen Technik- bzw. Anwendungsbezug gibt.

  132. @Chrys: Human Brain Project

    Man kann sich beispielsweise auch fragen, was wir wohl vom HBP zu erwarten haben, wenn irgendwann die “Stunde der Wahrheit” naht.

    Gute Frage. Wir werden es wohl noch miterleben.

    Meine Vermutung ist: Man wird sagen, dass man viel Neues gelernt hat, dass es aber doch alles noch komplexer ist, als man dachte, dass jetzt aber der große Durchbruch bevorsteht, man also bitteschön noch das HBP#2 finanzieren möge.

    (So ungefähr stand es schon in der Decade of the Brain-Erklärung von 1990.)

    P.S. Danke auch für die erhellenden Feynman-Zitate.

  133. @Stephan / HBP

    Ja, dass ein HBP#2 unbedingt gebraucht wird, dürfte eine Forderung sein, über die bei den am Projekt Beteiligten kein Streit zu erwarten ist, darauf kann man getrost wetten.

    Insgesamt scheinen sich die Sensationsmeldungen einstweilen eher in Grenzen zu halten. Aber immerhin, Blue Brain team discovers a multi-dimensional universe in brain networks:

    Neuroscience has also been struggling to find where the brain stores its memories. “They may be ‘hiding’ in high-dimensional cavities,” Markram speculates.


    Man beachte auch die in der Legende zur Abb. als “black-hole” bezeichnete Struktur. “Schwarze Löcher” sind halt die ultimativen Werbeträger der postmodernen Wissenschaft.

    Ob sich Balanus als Biologe künftig mit einem 11-dimensionalen Gehirn arrangieren kann?

  134. @ Stephan // Von Eisbergen und Menschen

    » Aber ohne jemals systematisch nach Eisbergen gesucht zu haben, lässt sich schlicht keine wissenschaftliche Aussage über deren Häufigkeit tätigen. «

    Und warum tust Du es dann?

    »Du bleibst nach wie vor den Nachweis schuldig, dass Wissenschaftler im Schnitt ehrlichere Menschen sind als andere Menschen.«

    Bereits am 12. Juli schrieb ich:

    »Auch hier [in der Wissenschaft] ist es wie überall: Der Erfolgsdruck lässt manche Menschen in bestimmten Situationen schwach werden.«

  135. @ Stephan // Nachtrag

    Korrektur: ‚Juni‘ war gemeint, nicht Juli 😉

    Und noch eine Anmerkungen:

    Du stellst ohne jeglichen Beleg Mutmaßungen über die Häufigkeit von wiss. Fehlverhalten an und forderst von Deinen Kritikern den Nachweis, dass Du mit Deinen Vermutungen falsch liegst. Wie passt das zu Deiner Forderung nach mehr Wissenschaftlichkeit?

  136. @Balanus / 28. Juni 2019 @ 20:00

    Der folgende Artikel wurde laut google scholar 1214mal zitiert:

    Fanelli, D. (2009). How many scientists fabricate and falsify research? A systematic review and meta-analysis of survey data. PloS one, 4(5), e5738. DOI 10.1371/journal.pone.0005738

    Auf welche zitierfähige Quelle stützt sich eigentlich Deine kühne Behauptung, »Über die Häufigkeit von wissenschaftlichem Fehlverhalten gibt es wohl keine verlässlichen Zahlen« (24. Juni 2019 @ 23:31)?

    Auf gar keine, würde ich mal schätzen. Stimmt’s?

  137. @Balanus: Anreize

    Zum x-ten Mal: In meinem Beitrag geht es um die Offenlegung der Anreizstruktur, eben der System-Logik. Über die tatsächliche Häufigkeit sage ich gar nichts. Das schrieb ich gerade bei meinem Supermarkt-Vergleich ausdrücklich.

    Aber deine Reaktionen passen sehr typisch zum allgemeinen Muster: Das Problem, ohne jegliche Evidenz, so lange klein reden, bis es sich nicht mehr leugnen lässt.

  138. @Chrys // 28.Juni 2019

    11:59
    »Ist es gerade bei Grossprojekten überhaupt reealistisch vorstellbar, dass die Verantwortlichen angesichts einer drohenden Projekteinstellung wegen chronischer Erfolglosigkeit einen Misserfolg öffentlich konzedieren würden, … «

    Selbst wenn bei allen solchen Großprojekten die ehrenhafte Wissenschaft auf der Strecke bleibt, ist es immer noch ein winziger Anteil an der Gesamtheit der wissenschaftlichen Arbeiten.

    Feynman:

    „If you’re representing yourself as a scientist, then you should explain to the layman what you’re doing—and if they don’t want to support you under those circumstances, then that’s their decision.

    .
    Na, ich weiß nicht, so gesehen könnte man auch jede Menge Opernhäuser und Theater schließen (wenn man sich von Kulturbanausen abhängig machte). Grundlagenforschung und Wissenschaft generell haben einen Wert an sich, das muss sich nicht alles in barer Münze auszahlen.

    Feynman:

    „…we have no knowledge of what energy is

    .

    Damit scheidet „Energie“ als möglicher Anwärter für eine immaterielle Entität, wie von Stephan vorgeschlagen, wohl aus. Denn allein schon die Tatsache, dass man sich in der Physik mit Dingen beschäftigen kann, bei denen der Begriff ‚Energie“ eine zentrale Rolle spielt, zeigt, dass „Energie“ (was immer man sich darunter vorstellen mag) Teil der materialen Welt ist.

    14:52
    »Ob sich Balanus als Biologe künftig mit einem 11-dimensionalen Gehirn arrangieren kann? «

    Kommt darauf an, welchen Einfluss die Zahl der Dimensionen auf die Eigenzeit des Gehirns hat.

    21:20
    »Auf welche zitierfähige Quelle stützt sich eigentlich Deine kühne Behauptung,… «

    Kühne Behauptung? Ich habe eine Vermutung angestellt: „…gibt es wohl keine verlässlichen Zahlen“. Wenn es denn welche gibt, wie lauten sie, wie häufig ist denn nun wissenschaftliches Fehlverhalten?

  139. @Chrys: Genrewechsel

    Ich denke, da müssen wir das Genre wechseln: “Das ist ein weites Feld, Louise…”

  140. @Stephan // Anreize, System-Logik

    »Zum x-ten Mal: In meinem Beitrag geht es um die Offenlegung der Anreizstruktur, eben der System-Logik. Über die tatsächliche Häufigkeit sage ich gar nichts.«

    Dann hättest Du doch nicht so vehement zu widersprechen brauchen, als ich von vereinzelten Fällen schrieb. Schwarze Schafe gibt es überall, in allen Systemen, wo Menschen handeln. Auch im Supermarkt. Gerade dann, wenn es ums Geld geht. Wenn man am Ende des Tages seine Schäfchen ins Trockene gebracht haben muss.

    Wenn aber die Zahl der Fehltritte überschaubar bleibt, dann kann der schädliche Einfluss der System-Logik ja nicht so groß sein.

    PS: Mach Dir keinen Stress, genieße den Urlaub 🙂

  141. Um meinen Standpunkt zusammenzufassen: Wir sind Wissenschaftler. Vertraut uns. Wir haben Peer Review! Und gebt uns euer Geld. Bloß keinen Stress. Amen.

  142. @Blahblah Nuss // 29. Juni 2019 @ 10:59

    Yep, schön zusammengefasst! Darauf läuft es am Ende hinaus. Funktioniert schon seit über hundert Jahren ganz ordentlich, wie man sieht.

    Und wer will schon in einem System arbeiten, dass von gegenseitigem Misstrauen geprägt ist und wo man nicht ordentlich bezahlt wird. Sofern Geld für freie Forschung überhaupt zur Verfügung steht.

  143. @Balanus
    Funktioniert schon seit über hundert Jahren ganz ordentlich, wie man sieht.

    Nanu, ein gelernter Wissenschaftler verdrängt das schwarze Loch in der Geschichte! Ob da was von der “Braunmalerei” eines verwissenschaftlichten (!) Nationalsozialismus hängen geblieben ist, und ob das zwischen den Ohren manch gelernter Wissenschaftler nun den Vorwurf der Braunmalerei nach sich zieht? Wir forschen.

  144. @Balanus / 28. Juni 2019 @ 22:20

    »Ich habe eine Vermutung angestellt: „…“.

    Wenn Du darauf bestehst, okay, nennen wir es eine Vermutung. Eine vermutlich aus der Luft gegriffene Vermutung, wenn ich das angesichts der Fülle von Publikationen zu diesem Thema einmal so präzisieren darf.

    Hilf mir mal. Du schreibst (28. Juni 2019 @ 20:00), »Du [Stephan] stellst ohne jeglichen Beleg Mutmaßungen über die Häufigkeit von wiss. Fehlverhalten an …« Wo genau tut er das? Oder betreibt er irgendwo gar eine »Fundamentalkritik der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung«, wogegen Du Dich sogleich in Deinem ersten Kommentar verwehrt hast? Dergleichen sehe ich bei ihm nicht. Ist mir da etwas entgangen?

    Für Dich ist a priori klar, bei Fällen von wissenschaftl. Fehlverhalten kann es sich nur um atypische Einzelfälle handeln, die als solche naturgemäss selten und daher für die Scientific Community gar nicht der Rede wert sind. Dabei fällt Dir nicht auf, dass Deine Argumentation einem typischen Schema folgt, dessen man sich überall reflexhaft und häufig bedient, wo die eigene Community als untadelig herausgestellt oder gegen vermeintliche Beschmutzung abgeschirmt werden soll.

    »Grundlagenforschung und Wissenschaft generell haben einen Wert an sich, …«

    Ach, es gibt tatsächlich Werte an sich? Interessant, damit konzedierst Du also die Existenz von etwas, das aber nun ganz eindeutig immateriell ist? Schön, dass wir wenigstens das geklärt haben. Jemand sollte Dich bei Deinem nächsten materialistischen Anfall daran erinnern… 🙂

  145. @Chrys // 29. Juni 2019 @ 18:34

    »Eine vermutlich aus der Luft gegriffene Vermutung, wenn ich das angesichts der Fülle von Publikationen zu diesem Thema…«

    „Da muss ich jetzt aber mal lachen…“, würde Stephan wohl sagen, „[n]atürlich [sind Publikationen] wichtig, doch inzwischen sind doch schon allein hier in meinem Blog, geschweige denn in der ganzen Diskussion um Probleme in der Wissenschaft, genügend Probleme des heutigen [wiss. Publikationswesens] besprochen worden. Wer das ignoriert, der besitzt meines Erachtens ein hohes Maß an Faktenresistenz.“

    Ja, so würde Stephan wohl antworten, wenn da einer meint, er könne mit irgendwelchen Publikationen kommen statt mit Fakten.

    Ich stelle also fest: Du berufst Dich auf wissenschaftliche Studien, womöglich gar noch auf solche, die einem Peer-Review unterzogen wurden. Woher das Vertrauen?

    » Wo genau tut er [Stephan] das?« [Mutmaßungen über die Häufigkeit von wiss. Fehlverhalten anstellen]

    Nach meinem Empfinden hier (11. Juni 2019 @ 16:29):

    »Die System-Logik, wie ich sie hier meine, ist zwingend verhaltenswirksam. (…) Das heißt nicht, dass sich jeder konform dieser Logik verhält, sie sich im großen und ganzen aber so auswirkt.« [meine Fettung]

    Das klingt in meinen Ohren nach deutlich mehr als die wenigen Fälle, die uns im Laufe der Jahre bekannt geworden sind. Auch wenn er im PS einschränkend hinzufügt, dass er glaube, »dass die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler größtenteils ehrlich sind«.

    Zudem, wenn „der Fall Birbaumers“ uns etwas „über das Wissenschaftssystem lehrt“, wie Stephan titelt, dann doch nur deshalb, weil er ihn für typisch hält und eher für die Regel als für die Ausnahme.

    Alles in allem wir hier also von allen Seiten sehr viel gemutmaßt.

    » Oder betreibt er [Stephan] irgendwo gar eine »Fundamentalkritik der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung«, wogegen Du Dich sogleich in Deinem ersten Kommentar verwehrt hast? «

    Das zielte selbstverständlich nicht gegen Stephan, sondern gegen jene („schlichten Gemüter“), die nun meinen, sie könnten mit Stephans Kritik ihre wissenschaftsfernen Ansichten untermauern.

    »Dabei fällt Dir nicht auf, dass Deine Argumentation einem typischen Schema folgt, dessen man sich überall reflexhaft und häufig bedient, wo die eigene Community als untadelig herausgestellt oder gegen vermeintliche Beschmutzung abgeschirmt werden soll. «

    Tja, so ist das halt: Wenn die ganze Familie aufgrund des Fehlverhaltens eines Einzelnen schlecht gemacht wird, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als diesem „typischen Schema“ der Verteidigung zu folgen. Aus einer solchen Reaktion auf üble Nachrede folgt also rein gar nichts.

    »Ach, es gibt tatsächlich Werte an sich?«

    Klar doch, in unserem Denken. Da gibt es alles Mögliche und Unmögliche. Wird das von Materialisten etwa bestritten?

    (Und bist Du Dir sicher, dass Werte so etwas wie „immaterielle Entitäten“ sind?)

  146. @Chrys: Bravo

    Besser hätte ich es nicht formulieren können.

    Ich hoffe, es hat auch Spaß gemacht, denn wie sinnvoll die Fortsetzung einer dermaßen balanisierten Diskussion ist, darüber vermag ich keine Aussage zu treffen.

  147. @Balanus: Groß und Ganz

    Die Aussage bedeutete, dass Menschen unterschiedlich auf Anreize reagieren, man also im Einzelfall keine Aussage treffen kann, im Großen und Ganzen, also wenn man das ganze System (hier: die wissenschaftliche Gemeinschaft) ins Auge fasst, dass dann eben Verhalten gemäß dieser Anreize sichtbar wird; Mikro- vs. Makro-Ebene, könnte man auch sagen.

    So könnte man auch sagen, dass man beim Roulette nichts über den Einzelfall aussagen kann, wegen der Anreizstruktur aber weiß, dass die Bank im Großen und Ganzen gewinnt (weil sie nämlich den Gewinnern systematisch weniger auszahlt, als sie rein statistisch verdient hätten). Es gilt das Gesetz der großen Zahl.

    Nächstes Mal vielleicht schlicht nachfragen, wenn etwas undeutlich ist? Aber immerhin hatten wir so unseren Spaß.

  148. @Arne K. // 29. Juni 2019 @ 17:14

    » …verwissenschaftlichte[r] (!) Nationalsozialismus«

    Aha, dann haben also die negativen „Anreize“, die mit der System-Logik des Wissenschaftsbetriebs einhergehen sollen, sogar den Nationalsozialismus mitverschuldet.

    »Wir forschen.«

    Viel Erfolg!

  149. @Balanus: NS-Zeit

    Nun ja, dass wissenschaftler u.a. deines Faches eine Rassenlehre entwickelt haben, die den Nationalsozialismus ideologisch gestützt hat (und von der NS-Diktatur solche Forscher karrieremäßig profitierten), kannst du ja wohl kaum leugnen.

    Auch wenn es meine Vorliebe wäre, dieses Kapitel nicht ohne Weiteres mit der heutigen System-Logik zu vergleichen. Aber die allgemeine Schlussfolgerung könnte durchaus sein: So wie Menschen anderer Berufe tun auch Wissenschaftler nicht nur, was gut für ihr Fach ist, sondern auch, was ihrer Karriere nützt.

  150. @Stephan // NS-Zeit und Wissenschaftler

    Verirrte gibt es immer und überall.

    Immerhin sind in der Biologie heute Menschenrassen (weitestgehend) obsolet (es gibt keine). Aber manche sagen, das sei nur der Political Correctness geschuldet.

  151. @Balanus / 30. Juni 2019 @ 10:56

    »Ich stelle also fest: Du berufst Dich auf wissenschaftliche Studien, womöglich gar noch auf solche, die einem Peer-Review unterzogen wurden.«

    Nein. Ich habe lediglich Deiner Vermutung, »Über die Häufigkeit von wissenschaftlichem Fehlverhalten gibt es wohl keine verlässlichen Zahlen«, mit dem Hinweis darauf widersprochen, dass sich publizierte Zahlen dazu finden lassen, die von etlichen Autoren für verlässlich gehalten werden — unter Anwendung gängiger Kriterien für Verlässlichkeit. Entweder waren Dir beim Aufstellen Deiner Vermutung die Zahlen gar nicht geläufig, oder Du hältst sie allesamt für nicht verlässlich. Und ich vermute, dass ersteres zutrifft, weil Du einfach nicht danach gesucht hast. Ob Stephan die Zahlen für verlässlich hält und als quantitative Grundlage für einen allfälligen Diskurs über Häufigkeit zu akzeptieren bereit wäre, ist für Dich und die von Dir aufgestellten Vermutungen einstweilen doch völlig belanglos.

    Hättest Du also Deine Vermutung auch dann so aufgestellt, wenn Du selber gegoogelt und dabei Fanelli (2009) o.ä. gefunden hättest?

    Was am Verhalten eines Systems qualitativ typisch ist, muss nicht zwangsläufig quantitativ offenkundig ersichtlich sein. Die typische Dynamik von drei mehr Massen unter dem wechselseitigen Einfluss ihrer Gravitation ist qualitativ chaotisch, dennoch erschien den Menschen unser Planetensystem, rein quantitativ betrachtet, lange Zeit geradezu als Sinnbild eines himmlischen Uhrwerks, als präzise berechenbar und gar nicht chaotisch. In Analogie dazu, Stephan will hier offenbar auf gewisse qualitative Features hinaus, die ungeachtet ihrer quantitativ festgestellten Häufigkeit im Wissenschaftssystem vorhanden sind. Die `Häufigkeit’ ist hier Dein Steckenpferd, nicht seines.

    »Klar doch, in unserem Denken.«

    Wer auf einen Wert an sich verweist, bringt durch das “an sich” doch gerade zum Ausdruck, dass damit etwas vom Denken unabhängig Bestehendes gemeint ist. Der `Wert an sich’ ist ein metaphysischer Begriff und fällt als solcher in die selbe Kategorie wie der materialistische Begriff von Materie, die als unabhängig vom Denken ausgegeben wird. In beiden Fällen wird dabei etwas aus der Vorstellung heraus sozusagen ontologisch externalisiert.

    Wie man gesehen hat, Du hast in Wahrheit mit einer Externalisierung von immateriellen Dingen nicht das geringste Problem — so lange Dir der Vorgang nicht bewusst wird. Erst wenn das passiert, wird eiligst wieder die materialistische Fanfare geblasen. So spielst Du Dir doch nur selber etwas vor.

  152. @Balanus: Wissenschaft und Nationalsozialismus

    Das Beispiel zeigt eben, dass auch Wissenschaftler für verkehrte Anreize anfällig sind, abhängig von ihrer individuellen Psychologie und Umgebung, so wie alle Menschen, denn V = K x U. Vielleicht erinnerst du dich daran.

    Übrigens sind erstaunlich früh erstaunlich viele Mediziner in die NSDAP eingetreten. Nach dem WK1 waren viele Ärzte, die vorher im Militär gearbeitet hatten, arbeitslos und witterten mithilfe der Nazis bessere Berufschancen. Das ist wissenschaftlich belegt. Und als NS-Ärzte konnten sie daran mitwirken, ihren “neuen Menschen” zu schaffen. Die Folgen dieser Vision sind hinreichend bekannt.

  153. @Balanus: P.S. Rassen

    Was ist denn deiner Meinung nach das durchschlagende Argument dafür, dass es keine Menschenrassen gibt?

    Im englischen Sprachraum ist das nämlich nicht so selbstverständlich, selbst in wissenschaftlichen Arbeiten. Denen zufolge würde ich z.B. zur Rasse der Kaukasier gehören.

    Und auch die UN-Menschenrechtskonvention verbietet Diskriminierung aufgrund der Rasse.

  154. @Stephan / Materialismus und Logik

    foobar407 schrieb an Balanus (28. Juni 2019 @ 11:59): »Denn sobald mal jemand versucht, Materialismus etwas genauer zu definieren, landet er in einem Widerspruch.«

    So ist es. Um das hier noch anzubringen: Allgemeiner argumentiert Markus Gabriel (Die Erkenntnis der Welt, Karl Alber, 2012), dass jede Variante von ontischem Monismus logisch inkonsistent ist, womit er die These bezeichnet, die Welt sei als Bereich von Gegegenständen eines einzigen Typs vorstellbar. Am Beispiel des Materialismus geht das Argument grundsätzlich folgendermassen.

    Für Materialisten gibt es in der Welt nur materielle Gegenstände — was auch immer “materiell” bedeuten soll — wobei mit Welt wie üblich die Gesamtheit all dessen, was es überhaupt gibt, gemeint ist. Formal lässt sich diese Welt W dann charakterisieren durch folgende Bedingungen:

    (1) ∀x : “es gibt x” ⇔ “x ist materiell”

    (2) ∀x : “x ist materiell” ⇔ x ∈ W,

    (3) ∀x : W ∉ x,

    Mit (2) wird W als der Gegenstandsbereich des Materiellen gekennzeichnet, mit (3) wird ausgeschlossen, dass W Bestandteil eines übergeordneten Gegenstandsbereiches ist, und (1) konstatiert lediglich die materialistische These, wonach einzig und allein materielle Gegenstände existieren.*

    Aus (3) folgt unmittelbar W ∉ W, also ist W gemäss (2) nicht materiell, womit es diese Welt W gemäss (1) gar nicht gibt.

    *In der modernen Logik ist Existenz kein logisches Prädikat. Materialisten wie Bunge leben aber noch mit einem antiquierten Existenzprädikat. Ich lasse mich hier einmal darauf ein, die Wendung “es gibt” als scheinbares Prädikat für Existenz im materialist. Sinne zu verwenden. Dieses Entgegenkommen hilft dem Materialisten nicht, sein Weltbild ist unausweichlich inkonsistent.

  155. @Chrys: logischer Beweis

    Mit aller Liebe für Präzision…

    …aber mir scheint hier ein Kategorienfehler vorzuliegen, wo man einerseits x als konkrete Dinge ansieht, andererseits aber W als Menge (x ∈ W) oder als abstraktes Ding “die Welt”.

    Wenn man (1) und (2) für konkrete Dinge annimmt, wie es der Materialist wohl tut (auch Balanus nimmt an, wenn man ihn wohlwollend liest, dass es beispielsweise Werte nur in einem kognitiven Sinne gibt, nicht als konkrete Dinge, die aber von konkreten Dingen, nämlich Körpern bzw. Nervensystemen in die Welt gebracht werden), dann ergibt (3) für mich gar keinen Sinn: Warum sollte etwas Abstraktes Teil von etwas Konkretem sein?

    Nebenbemerkung: Dass es etwas gibt, bedeutet für konkrete Dinge etwas anderes als für Abstraktes. Mit anderen Worten: Nur konkrete Dinge sind Substanzen, existieren also aus sich heraus; abstrakte Dinge sind keine Substanzen. Ich denke, dass man den Materialisten so, wohlwollend, verstehen könnte.

  156. Es geht hier um Recht und Ethik in der Wissenschaft, auch um „Manipulationen“, letztlich um Vorteile daraus zu ziehen. Dazu würde ich die an der Problematik interessierten um ihre Meinung bitten.
    Die hier geschilderten 2 „fiktiven“ Fälle mit einem gewissen Realitätsbezug sind rein sachlich völlig gleich, sie unterscheiden sich in der „Inszenierung“ der wissenschaftlichen Präsentation der Forschungsergebnisse und deren bestmöglichen wirtschaftlichen Ausbeutung.

    Es geht darum durch Experiment(e) eine von 2 gegensätzlichen Vermutungen zu bestätigen.

    Fall 1: Der Experimentator führt das Experiment durch und erhält ein Ergebnis das Vermutung 1 bestätigt und veröffentlicht sofort.

    Nach und nach, z.B. im Abstand von einem Monat, veröffentlichen weiter Experimentatoren ihre Ergebnisse.

    Nach 10 Experimenten steht fest, dass z.B. in 8 Fällen Vermutung 1 bestätigt wird, in 2 Fällen die gegensätzliche Vermutung 2.

    Daraus kommt man auf die Vermutung 3, dass es an sehr geringen Unterschieden bei der Eigenschaft einer beteiligten besonders relevanten „Substanz“ liegen könnte. Die Unterschiede werden definiert und die Versuche werden systematisch (mit den 2 Varianten) fortgeführt.

    20 weitere Experimente bestätigen nach und nach eindeutig Vermutung 3.
    Alles sozusagen 08/15.

    Fall 2 mit der Frage ob es bedenklich, rechtlich oder ethisch korrekt ist?

    Der immer gleiche Experimentator (allenfalls „halbwegs qualifizierte Strohmänner“) führt genau die gleichen Versuche wie die Community im Fall 1 nebeneinander auf verschiedene Laborplätzen und streng getrennt durch.

    Nach nur z.B. 1 Monat kommt der Experimentator, angenommen, zu den gleichen Ergebnissen. Die Firma beutet die Erkenntnisse sofort aus.
    Danach „inszeniert“ der Experimentator die wissenschaftliche Veröffentlichung (Präsentation) zeitlich „gestreckt“ wie im Fall 1. (Z.B. als „Werbegründen“ um mit der Firma im Gespräch zu bleiben, oder „wissenschaftliche Strohmänner“ ins Gespräch zu bringen…).
    Bedeutet, er kennt längst das Resümee seiner Experimente, aber verschweigt sie völlig kommentarlos bis zuletzt (nach der Veröffentlichung der letzten Ergebnisse), wie bei einem Krimi.

    Ist die „inszenierte Präsentation“ z.B. Methode „Fall 2“ womöglich üblich?
    Ist sie, wenn alle Formalitäten eingehalten werden, rechtlich korrekt?
    Ist es ethisch korrekt?

  157. @Stephan Schleim;
    Zwei kleine, begriffliche und nicht unbedeutende Korrekturen:

    1. Karl Popper hat nicht die Falsifikation von Theorien gefordert, sondern ihre Falsifizierbarkeit, ein eklatanter Unterschied. Seine Theorie des Falsifikationismus ist längst modifiziert worden durch den “raffinierten Falsifikationismus” von Imre Lakatos. Eine Falsifikation kann auch selber falsch sein!

    2. Zum Kern der Wissenschaft gehört die Skepsis, nicht der Zweifel. Skepsis muss allgegenwärtig sein und bedarf keiner speziellen Rechtfertigung. Dagegen muss der Zweifel sachlich begründet sein. Sehr deutlich wird dies in Bezug auf die Klimaforschung, wo die selbsternannten “Skeptiker” ihre ideologische Ablehnung der wissenschaftlichen Erkenntnisse eben als Skepsis oder als Zweifel verkaufen wollen, um eine Rechtfertigung zu umgehen!

  158. @Chrys // 30. Juni 2019 @ 22:48

    » Hättest Du also Deine Vermutung auch dann so aufgestellt, wenn Du selber gegoogelt und dabei Fanelli (2009) o.ä. gefunden hättest? «

    Wenn ich weiß, dass zur Häufigkeit von wiss. Fehlverhalten à la Birbaumer verlässliche Zahlen vorliegen, dann brauche ich über deren Fehlen keine Vermutungen anzustellen. Liegt doch nahe, oder?

    Mag ja sein, dass ich Stephan falsch verstanden habe, was die vermutete Häufigkeit von solcherart Fehlverhalten angeht. Aber wenn es so ist, wie Du sagst, dass er nur etwas zur Qualität des Systems gesagt hat und nicht zur Quantität, dass also keine Mutmaßungen zur Häufigkeit von Fehlverhalten angestellt wurden, dann ist dieser Punkt für mich erledigt.

    Dieses Herumreiten auf der Häufigkeitsfrage lenkt ohnehin nur ab von der Frage, die mich im Zusammenhang mit der dargestellten System-Logik viel mehr beschäftigt: Liegt es wirklich am System, wenn jemand gegen (dessen) Regeln verstößt? Ich habe da meine Zweifel.


    »Wer auf einen Wert an sich verweist, bringt durch das “an sich” doch gerade zum Ausdruck, dass damit etwas vom Denken unabhängig Bestehendes gemeint ist.«

    Mag sein, aber in dem Kontext, wo diese Redewendung gebraucht wurde, ging es nur um den Wert, den Wissenschaft und Kultur für die Gesellschaft haben.

    »Du hast in Wahrheit mit einer Externalisierung von immateriellen Dingen nicht das geringste Problem — so lange Dir der Vorgang nicht bewusst wird.«

    Ach was, das ist doch bloß sprachliche Konvention: Man redet halt so, als gäbe es all die gedachten Dinge (auch) außerhalb von menschlichen Gehirnen. Mit den materiellen Dingen verhält es sich völlig anders.

  159. @Stephan Schleim // Rassen

    »Was ist denn deiner Meinung nach das durchschlagende Argument dafür, dass es keine Menschenrassen gibt? «

    Meines Wissens gibt es aus biologischer Sicht keine Menschrassen, weil es keine überzeugenden, validen Kriterien (vor allem genetischer Art) zur Abgrenzung von zwei (drei, vier, n?) Unterarten (Varietäten, Rassen) gibt. Vielleicht könnte man den Neandertaler als Unterart von Homo sapiens auffassen. Dann hätten wir es mit Homo sapiens sapiens und Homo sapiens neanderthalensis zu tun.

    Arten hingegen sind relativ gut definiert (im Wesentlichen als Fortpflanzungsgemeinschaft, aber auch dort gibt es an manchen Stellen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung). Die Natur schert sich eben nicht um das menschliche Bedürfnis nach Kategorisierung.

    Diesem Bedürfnis trägt man Rechnung durch die sozial definierten „Rassen“ (races). Da sind die uns ins Auge stechenden äußeren Merkmale von Homo sapiens völlig hinreichend.

    Im Grunde ist es so, wie Chrys es im Zusammenhang mit dem Wert-Begriff und Materialismus formuliert hat:

    ‚Rasse‘ ist sozusagen ein metaphysischer Begriff. Dabei wird etwas aus der Vorstellung heraus sozusagen ontologisch externalisiert.

  160. @Elektroniker: Gedankenspiel

    Ein interessantes Gedankenspiel…

    Ein Haken bei Fall 2 scheint mir zu sein, dass kaum ein Forscher seinen eigenen Versuch repliziert. Dafür hat er gar nicht die Zeit. Üblicher (jedenfalls in den Verhaltenswissenschaften) wäre die Variation des Versuchsaufbaus, ein ähnliches Folge-Experiment. Manchmal nennt man das auch “konzeptuelle Replikation”. Eine gute Studie untersucht ein bestimmtes Phänomen, einen bestimmten Effekt, und zeigt idealerweise auf, dass er unter verschiedenen Bedingungen besteht.

    Zu Ihren Fragen:

    Ist die „inszenierte Präsentation“ z.B. Methode „Fall 2“ womöglich üblich?

    Mir ist nicht ganz klar, worin die Inszenierung genau besteht: Der Wissenschaftler berichtet etwas (z.B. das Vorhandensein eines Medikamenteneffekts), obwohl er schon neuere Daten hat, denen zufolge das Berichtete nicht (mehr) stimmt?

    Ich weiß nicht, ob es üblich ist; ich hoffe nicht. Aber es wird mit Sicherheit so etwas geben.

    In der Diskussion um die “Krise der Psychologie” wurden manche Kollegen erwähnt, die einen Versuch mit N = 1…i Versuchspersonen wiederholen und nach jedem einzelnen Durchgang (also N = 1, N = 2, N = 3…) durchrechnen, ob es einen signifikanten Effekt im Sinne ihrer Erwartung gibt. Wenn ja, dann wird das Experiment abgebrochen und das Ergebnis zu diesem Zeitpunkt veröffentlicht. Das ist eine relativ schlaue Form von Manipulation, weil man keine Daten fälscht, sondern nur zu einem (für die Publikation) “günstigen” Moment mit der Messung aufhört.

    Idealerweise sollte man in der Publikation erklären, warum man genau N = 54 Versuchspersonen untersucht hat und nicht 40 oder 80 oder 120. Natürlich würde dann keiner schreiben, weil nach 54 Durchläufen das gewünschte Ergebnis statistisch signifikant wurde.

    Aber wir haben hier doch gerade Balanus miterlebt, der die Geschichte eines renommierten Biologen bestätigt hat, dass man so viele Aufnahmen macht, bis man auf einer das gewünschte Ergebnis sieht. Dass die ersten 39 anders aussahen und die nächsten 20 vielleicht auch anders aussehen würden, das berichtet man nicht – und zeigt man auch den Peer Reviewern nicht.

    Man sollte sich fragen, wie repräsentativ die Ergebnisse so einer Wissenschaft für die Realität sind.

    Ist sie, wenn alle Formalitäten eingehalten werden, rechtlich korrekt?

    Das hängt von der rechtlichen Situation ab. Wenn der Forscher als Teil seiner Forschung z.B. einen Ethik-Code akzeptieren muss, dann ist es wahrscheinlich rechtlich nicht korrekt, wenn es ethisch nicht korrekt ist.

    Bei Auftragsforschung ist es Mitunter aber so, dass Forscher die Letztentscheidung über die Verwendung der Daten an den Auftraggeber (z.B. eine Multi-Milliarden-Pharmafirma) abgeben muss. Der kann dann Fachleute anheuern, die die Daten im Interesse der Firmenziele umschreiben – oder auch unterschlagen, wenn die Ergebnisse schlecht fürs Marketing wären. Das sind keine Hirngespinste, sondern solche Praktiken sind inzwischen dokumentiert worden.

    Ist es ethisch korrekt?

    Mit Sicherheit dann nicht, wenn man gewonnene Ergebnisse zurückhält (verheimlicht), um ein besseres Ergebnis veröffentlichen zu können.

    Ich hoffe, das hilft Ihnen weiter.

    P.S. Eine Lösung bestünde darin, Versuche im Voraus zu registrieren, d.h. mit allen methodischen Details anzumelden. Dann kann man hinterher nicht so leicht unangenehme Teile wegfallen lassen. Das wird nun mitunter gemacht, ist meinem Eindruck nach aber immer noch eher die Ausnahme.

  161. @Reutlinger: Popper

    Ihr Einwand zielt an dem Vorbei, was im Text steht.

    Es geht nicht um eine Kritik des Falsifikationismus, sondern schlicht um die Feststellung, dass Forscher in der Praxis ihre eigenen Theorien i.d.R. nicht zu falsifizieren versuchen; und Popper hat sich durchaus dahingehend geäußert, dass Forscher das tun sollten, denn durch die Falsifikation Erklärungsstarker Theorien bzw. Hypothesen entsteht Erkenntnisfortschritt.

  162. @Stephan Schleim

    “Hast du den Text gelesen? Vielleicht solltest du dein Gedächtnis mal wieder auffrischen. Dein Held bekam nämlich seinen Vertrag nicht verlängert, womit er allem Anschein nach aus dem Wissenschaftsbetrieb ausscheiden wird”

    Hast du deinen Text gelesen? Vielleicht solltest du dein Gedächtnis mal wieder auffrischen. Dein Held hatte nämlich einen Vertrag und war Teil des Wissenschaftsbetriebs und die Kommission ist es immer noch.

    Offensichtlich kann man also auch gegen die von dir beschriebene und so benannte System-Logik verstoßen. Meine Frage bleibt bestehen, inwiefern ist der Begriff System-Logik damit berechtigt, der ja suggeriert das Ganze oder zumindest das Wesentliche zu umfassen?

    “Dieses Herumreiten auf der Häufigkeitsfrage lenkt ohnehin nur ab” (@Balanus)

    Das Gegenteil ist der Fall, die Häufigkeitsfrage ist mit entscheidend. Wenn der Wissenschaftsbetrieb bei 97% der Veröffentlichungen mit Fehlverhalten kalkulieren muss, weil sich niemand wagt, ein solches anzusprechen, würde ich den Begriff System-Logik für berechtigt halten, wenn es nur bei 3% ist, und auch die früher oder später eben doch noch aufgedeckt werden, würde ich es für angebracht halten, die Logik des Systems etwas anderes zu beschreiben als hier schwarzmalerisch geschehen.

  163. @Stephan Schleim, @Elektroniker

    » Aber wir haben hier doch gerade Balanus miterlebt, der die Geschichte eines renommierten Biologen bestätigt hat, dass man so viele Aufnahmen macht, bis man auf einer das gewünschte Ergebnis sieht. Dass die ersten 39 anders aussahen und die nächsten 20 vielleicht auch anders aussehen würden, das berichtet man nicht – und zeigt man auch den Peer Reviewern nicht.«

    O weh, das ist übel, ganz ganz übel!

    Ich empfehle, nachzulesen, was ich tatsächlich geschrieben habe. Hier

  164. @ A.Reutlinger und zu und zum Folgenden:

    a) Nummer eins zu:
    “….Seine Theorie des Falsifikationismus ist längst modifiziert worden durch den “raffinierten Falsifikationismus” von Imre Lakatos. Eine Falsifikation kann auch selber falsch sein! ….” (Ende Zitatteil eins)

    Das halte ich für halbrabulistische Haarspaltrei von Leuten, die die Offenheit des Falsifikationismus nicht aushalten können oder wollen, weil sie überall das Gespenst der Esoterik wittern und glauben, die “harte”(Natur-) Wissenschaft würde mit dem Falsifikationismus zusammenbrechen Wenn die Theorie , dass es ausschließlich nur schwarze Schwäne geben könne, dadurch falsifiziert wird, dass nachgewiesenermaßen mehrere nichthalluzinierende Wissenschaftler einen schwarzen Schwan beobachtet haben, dann ist die zuvor aufgestellte “Theorie” eben widerlegt.
    Als “Gegenargument” zu sagen, auch die widerlegenden Beobachtungen könnten ja falsch sein, ist relativer Unsinn. Denn Irrtum ist niemals ausgeschlossen. Gerade das hat Popper ja immer betont. Das Problem ist eher, dass Popper eventuell etwas zu naiv (richtige) ideale Methodentheorie
    und reales praktisches Verhalten von Wissenschaft betreibenden Personen gleichgesetzt oder Letzteres eventuell zu unkritisch betrachtet hat . Was ja auch zum Beispiel von P.Feyerabend oder Thomas Kuhn kritisch thematisiert (bzw. ergänzt) wurde.
    In der “Naturalismus- Diskussion” hat ja letztes Jahr der Erkenntnistheoretiker Mahner mit seiner Propagierung eines “Ontologischen Naturalismus” den “hardcore- Naturalismus” wieder etwas zurückgenommen. (Mahner: “Naturalismus”. Alibri- Verlag 2018)

    Nummer zwei zu:

    “……..Sehr deutlich wird dies in Bezug auf die Klimaforschung, wo die selbsternannten “Skeptiker” ihre ideologische Ablehnung der wissenschaftlichen Erkenntnisse eben als Skepsis oder als Zweifel verkaufen wollen, um eine Rechtfertigung zu umgehen!…. (Zitatende)

    Das Zitat zeigt nichts weiter als die ideologische Voreingenommenheit des Autors. Denn “selbsternannt” ist hier kein Argument und “ideologische Ablehnung der wissenschaftlichen Erkenntnisse…..” wird durch kein Argument belegt und ist somit (zumindest innerhalb dieses Zitates ) eine reine Propagandabehauptung. Die Analyse, wer hier wem etwas “verkaufen” will, sei also dem kritischen Beobachter überlassen.

  165. @ joker und zu:
    “…Das Gegenteil ist der Fall, die Häufigkeitsfrage ist mit entscheidend. Wenn der Wissenschaftsbetrieb bei 97% der Veröffentlichungen mit Fehlverhalten kalkulieren muss, weil sich niemand wagt, ein solches anzusprechen, würde ich den Begriff System-Logik für berechtigt halten, wenn es nur bei 3% ist, und auch die früher oder später eben doch noch aufgedeckt werden, würde ich es für angebracht halten, die Logik des Systems etwas anderes zu beschreiben als hier schwarzmalerisch geschehen….” (Zitatende)
    Im Heidelberger Uniklink- Skandal um den Bluttest zur Brustkrebs- Früherkennung weiß inzwischen niemand mehr, ob die Erkennungsrate bei knapp über 50%, bei knapp über 90% oder irgendwo dazwischen liegt.
    Eventuell war das schon immer unklar. Oder auch nicht. Auch scheint die Anzahl der Probanden bei klinischen Tests durchaus nicht für alle der Beteiligten ein wichtiges Kriterium für die (öffentliche) Behauptung von Validität gewesen zu sein. Obwohl es sich hier um hochkarätige Wissenschaft bisher hoch rennomierter Fachleute handelt.

  166. Korrektur zu 00:18:
    “…..Wenn die Theorie , dass es ausschließlich nur weiße Schwäne geben könne, dadurch falsifiziert wird, dass nachgewiesenermaßen
    ……ein schwarzer Schwan…….beobachtet wurde……”

  167. @Stephan / 1. Juli 2019 @ 17:35

    Wenn Dir “Welt” zu abstrakt tönt, dann sag’ doch einfach “Kosmos” oder “Universum”, das ist hier absolut zulässig. Der Kosmos wird von den Kosmologen für ein “konkretes Ding” gehalten, für einen Gegenstand, den man empirisch untersuchen kann. Zugleich ist der Kosmos aber auch der Gegenstandsbereich aller “konkreten Dinge”, die er als seine Bestandteile enthält, als seine konstititutiven Elemente. Okay?

    Fur einen Materialisten sind “materielle Gegenstände” die “konkreten Dinge”. Er muss dann freilich noch “materiell” als Typenbegriff klären, indem er festlegt, welchen Gegenständen die Eigenschaft zukommen soll, materiell zu sein, und welchen nicht. Das ist ein semantischer Aspekt. Doch es interessiert hier gar nicht, wie er das machen will und mithin, worüber er redet. Es interessiert nur, wie er unter Beachtung aeiner monistischen Prämisse dann zwangsläufig redet, was nur die logische Syntax seiner Rede betrifft.

    Die ziemlich banalen prädikatenlogischen Bedingungen (1)-(3) sind rein syntaktische Regeln, wo x als gebundene Variable auftitt. Daraus lässt sich aber logisch bereits etwas schliessen, ohne die Semantik geklärt zu haben, also ohne entscheiden zu können, welche grammatische Subjekte bei Einsetzung für x das Prädikat “ist materiell” erfüllen, und welche nicht.

    »Nebenbemerkung: … Nur konkrete Dinge sind Substanzen, existieren also aus sich heraus; abstrakte Dinge sind keine Substanzen.«

    Da hole ich mir jetzt einfach mal Hilfe bei Helmut Wicht: »Ich denk’ dass es GAR keine Substanzen gibt.« Das denk’ ich nämlich auch. Und nichts existiert “aus sich heraus”.

  168. @Balanus: Datenselektion

    Okay, du nennst es das “schönste” oder “typischste” Ergebnis; ich schrieb, dass du so lange Aufnahmen machst, bis du das Ergebnis findest, das du willst (oder für richtig hältst). Für mich ist das einerlei.

    Es gibt übrigens auch in der Physik oder Mathematik theoretische Diskussionen darüber, ob die Auswahl der “schönsten” Formel nicht ein subjektives Element in die Wissenschaft bringt.

    Ich las bei einem Wissenschaftstheoriker, war es vielleicht Feyerabend, mal den Gedanken, dass man die Planetenbewegungen im Prinzip auch ptolemäisch berechnen könnte, bloß wäre das um ein Vielfaches Aufwändiger und hätte damit pragmatisch keinen Sinn. Und ich erinnere mich an Oberstufenmathematik, in der wir lernten, dass man durch eine beliebige Anzahl von Punkten (also z.B. Messdaten) unendlich viele Gleichungen legen kann (etwa mit Sinus-/Cosinus-Transformationen).

    Jetzt sagen wir (bzw. Mathematiker, Forscher), dass eine davon die “eleganteste” oder “schönste” Gleichung ist. Meinetwegen. Kein Problem. Aber ist sie darum auch wahr?

    Du kannst deine Daten so auswählen, wie du willst; ich wünsche mir nur, dass man das in der Publikation transparent und nachvollziehbar beschreibt. Jetzt sagst du vielleicht wieder, das sei obsolet, denn jeder Forscher wisse, dass man die “schönste” oder “typischste” Abbildung zur Publikation auswählt.

    Das sind aber subjektive Maßstäbe und Meinungen können darüber auseinandergehen; außerdem weiß es nicht jeder, insbesondere dann, wenn man die Fachgrenzen übersteigt. Gerade in der heutigen Zeit, wo man nicht mehr so an den begrenzten Platz von gedruckten Zeitschriften gebunden ist, wäre das doch problemlos möglich: Da könnte man die gesamte Messreihe veröffentlichen und schreiben, auf Abbildung Nr. 40 von 60 sehe man das Ergebnis “am besten”.

  169. @Chrys: Kosmos

    LOL, als ob “Kosmos” weniger abstrakt wäre als “Welt”. Aber Spaß beiseite: Wichtiger, als die Frage, was manche Kosmologen denken, ist die Frage, warum sie das denken und was sie dann mit “Ding” meinen.

    Man sollte sich hier auch überlegen, ob es sich nicht vielmehr um eine mereologische Relation handelt, also ein Teil-Ganzes-Verhältnis. Dann haben wir es freilich wieder mit der alten ontologischen Frage zu tun, inwiefern solche (zusammengesetzten) Entitäten ein eigenes Bestehen haben (Schiff des Theseus etc.). Oder mal technischer formuliert: Auf welcher Ebene individuieren wir in einer materialistischen Welt, wohlwollend gedacht, die Dinge? Wahrscheinlich auf der grundlegendsten. Also subatomare Teilchen? Und der Rest sind Teil-Ganzes-Beziehungen?

    Der Substanzbegriff (Empfehlung: Uwe Meixner, Ereignis und Substanz, 1997; habe ich aber selbst nur selektiv gelesen; war seine Habilschrift) war eine Entwicklung zur Lösung eines ontologischen Problems. Man kann den Begriff ablehnen, hat dann aber wieder mit dem Problem zu tun, warum es überhaupt etwas gibt und nicht nichts. Jetzt schreibst du:

    …nichts existiert “aus sich heraus”.

    Okay. Warum existiert also überhaupt etwas, wenn wir uns darauf einigen können, dass nicht nichts existiert? Mit anderen Worten: Wenn nichts aus sich heraus existiert, “woraus” existiert es dann sonst?!

    Im Übrigen sagen das auch die Buddhisten, dass nichts aus sich selbst heraus besteht.

    Aber meine Bitte: Diese Diskussion hat nichts mehr mit dem Thema des Beitrags zu tun. Können wir sie bitte verschieben, bis ich den nächsten Text zum Leib-Seele-Problem geschrieben habe? Danke, dass du mir nochmal Christian Hoppes Beitrag über Bewusstsein und Substanz in Erinnerung rufst.

  170. @little Louis;
    Sie widerlegen sich selber. Wenn Sie von “mehreren nichthalluzinierenden Wissenschaftlern” schreiben, dann ist das bereits eine Theorie, die Sie zuerst auf Falsifizierbarkeit überprüfen müssten. Was genau bedeutet “nichthalluzinierend”, was sind die Kriterien dafür?

    Man kann eine einzelne Beobachtung oder Aussage falsifizieren. Eine Theorie besteht aber aus vielen zusammenhängenden Beobachtungen und Aussagen. Man kann falsifizierte Aussagen modifizieren, wodurch die Theorie ihre Gültigkeit behalten kann. Man kann bspw. den Gültigkeitsbereich einer Aussage einschränken.

    Unsinn ist daher die Behauptung, eine Falsifikation würde eine Theorie obsolet machen oder würde Erkenntnisfortschritt bedeuten. Eine Theorie soll so formuliert sein, dass sie falsifizierbar, also logisch oder empirisch überprüfbar ist. Gerade Esoterik und Ideologie erfüllen diese Forderung nicht. Dort sind halluzinierende “Wissenschaftler” am Werk.

  171. @ Stephan Schleim 1. Juli 2019 22:05

    Heute ist alles „Geschichte“.
    Die Experimente ähnlich “Fall 2” wurden tatsächlich vor rund 50 Jahren aus guten Gründen gemacht. Es war von vornherein zu befürchten, dass es zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen würde. Die Frage war grundsätzlich interessant und die Ressourcen (Praktikanten, Laborplätze (Urlaubszeit….)) standen zur Verfügung.
    Über die „wissenschaftliche Inszenierung“ (als Krimi in Fortsetzungen) wurde gescherzt.

    Der Vorteil dieser Methode war, dass man nachträglich bequem auf alle Plattformen nach Abschluss der 1. Versuchsreihe zurückgreifen konnte und gezielte genaue Toleranzmessungen an den Komponenten vornehmen konnte.
    Da wurde sehr schnell der Grund für das Problem klar und die 2. Versuchsreihe wurde sofort ein voller Erfolg. Dies wäre bei der Methode nach „Fall 1“ nur schwer möglich gewesen.

    Allerdings waren bald darauf alle „Hardwarekonzepte“ der “materialistischen” Elektroniker Makulatur.
    Wie wir jetzt alle wissen, hat sich die „Softwareseite“, letztlich mit dem höchst variablen Konzept der von externer Software gesteuerten elektrischen Prozessoren, die auf den von Neumann Zyklus beruhen, bestens durchgesetzt. Alles beruht, heute milliardenfach realisiert, auf dem theoretischen Konzept der Informatiker „Prozessor – Prozess – Information“, mit jeweils eigenen sorgsam nach Kategorien aufgespaltenen Entitäten. Dieses Konzept hat sich mehr als bezahlt gemacht.

    Diese 3 wichtigen Komponenten können getrennt voneinander, eigenständig, behandelt werden, was ein riesiger Vorteil ist. Genau diese Trennung in die 3 Komponenten „Prozessor – Prozess – Information“ war entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg elektronisch gesteuerter Systeme. Nicht nur weil das Personal auf bestimmte zusammengehörige Kompetenzen qualifiziert ausgebildet werden konnte. Maschinen und Prozesse können schnell und höchst flexibel auf den besten neuesten technischen Stand gebracht werden und sind damit höchst wettbewerbsfähig. Es ist verhältnismäßig einfach, sogar „Intelligenz“ zu implementieren.

    Wie weit der Fortschritt ist, sieht man an der immer größeren Leistungsfähigkeit der Handys. Man lädt sich einfach eine passende „App“ herunter. Es verhält sich fast wie ehemals im Märchen „der Zauberspiegel“, der alles weiß und alles kann.

  172. @Elektroniker;
    Das Prinzip Prozessor-Prozess-Information ist in jedem Uhrwerk realisiert. Es ist also nicht neu. Man kann die Information Zeit durch verschiedene Prozessoren und Prozesse realisieren. Ohne Prozessor und Prozess gibt es keine Information über Zeit, nicht mal Zeit selber. Daraus lassen sich philosophische Erkenntnisse schöpfen.

  173. @Stephan // Datenselektion

    » Okay, du nennst es das “schönste” oder “typischste” Ergebnis; ich schrieb, dass du so lange Aufnahmen machst, bis du das Ergebnis findest, das du willst (oder für richtig hältst). Für mich ist das einerlei.«

    Für einen Wissenschaftler gibt es da einen gravierenden Unterschied:

    Wissenschaft: Das Ergebnis liegt bereits vor, wenn die Publikation ansteht und eine Wahl getroffen werden muss, welche Abbildungen die geeignetsten sind, um das Ergebnis unverfälscht darzustellen.

    Pseudowissenschaft: Man macht so lange Aufnahmen, bis man das findet, was man als Ergebnis gewollt hat (oder für richtig hält).

    »Gerade in der heutigen Zeit […]: Da könnte man die gesamte Messreihe veröffentlichen und schreiben, auf Abbildung Nr. 40 von 60 sehe man das Ergebnis “am besten”.«

    Bei einer multizentrischen klinischen Studie mit 1000 Probanden und 20 erfassten Parametern kommt einiges zusammen. Aber dennoch könnten die (anonymisierten) Daten öffentlich zugänglich sein.

  174. @ antonreutlinger um 12:32
    Auch Sie widersprechen sich oder bleiben zumindest unklar:

    Wenn eine Theorie die Nichtexistenz schwarzer Schwäne in der Welt behauptet,dann sollte sie eine Reihe empirischer Experimente zur Unterscheidung von schwarzen und weißen Schwänen und zur Entdeckung möglicher schwarzer Schwäne (quasi als “Sollbruchstelle” der Theorie) vorschlagen. Wenn dann schließlich eines dieser auf Falsifikation angelegten Experimente doch einen schwarzen Schwan nachweist, bricht die Theorie an dieser Sollbruchstelle – und die Theorie ist (als “falsch”) widerlegt.

    Wie innerhalb einer widerlegten (als falsch erwiesenen) einheitlichen Theorie dann noch Teilbereiche derselben Theorie als unwiderlegt (=richtig) überleben können sollen, bleibt Ihr Geheimnis.

  175. @little Louis;
    Eine einzelne Beobachtung ist noch keine Theorie. Das Beispiel mit den Schwänen ist daher untauglich und naiv. Schauen Sie sich die Duhem-Quine-These an.

  176. @Chrys / 1. Juli 2019 @ 16:43

    » Für Materialisten gibt es in der Welt nur materielle Gegenstände«

    „Materialisten werden Philosophen genannt, die nur die Existenz von materiellen Dingen und Körpern zugeben“, so soll Christian Wolff (1679-1754) seinerzeit den Materialismus bestimmt haben.

    Offenbar (oder angeblich) ist diese Haltung „logisch inkonsistent“. Der Materialist müsste demnach also auch die Existenz von immateriellen Dingen (Substanzen?) zugeben. Als da nämlich wären—ja was eigentlich? Vakuumenergie, Gravitation, Geist, Gott? Was könnte völlig unabhängig von materiellen Dingen irgendwo in der Welt (oder im Kosmos) existieren?

    Auf den Punkt gebracht: Die Existenz von was genau muss der Materialist zugeben, damit er sich „logisch konsistent“ verhält?

    PS: Die Antwort kann warten, bis Stephan seinen Beitrag zum Leib-Seele-Problem gepostet hat :-).

  177. @Stephan Schleim // 1. Juli 2019 @ 22:05 / Studienabbruch

    »In der Diskussion um die “Krise der Psychologie” wurden manche Kollegen erwähnt, die einen Versuch mit N = 1…i Versuchspersonen wiederholen und nach jedem einzelnen Durchgang (also N = 1, N = 2, N = 3…) durchrechnen, ob es einen signifikanten Effekt im Sinne ihrer Erwartung gibt. Wenn ja, dann wird das Experiment abgebrochen und das Ergebnis zu diesem Zeitpunkt veröffentlicht.«

    Das ist ja interessant. Dass es bei manchen (klinischen) Studien Zwischenauswertungen gibt und dass unter Umständen deren Ergebnis die Studie beenden kann, ist mir geläufig. Aber was Du da schilderst ist ja was völlig anderes. Wie wird (wurde?) denn solch ein Verfahren begründet? Um Zeit und Geld zu sparen? Um Probanden zu schonen, also nicht unnötig zu belasten?

    Ich meine, um die Nullhypothese (kein Effekt feststellbar) verwerfen zu können, muss N schon relativ groß sein (hängt von der Stärke des Effekts ab). Das heißt, je mehr Probanden man einbezieht, desto besser für die Statistik. Wenn also bei N = 20 ein signifikanter Unterschied auf dem 1%-Niveau festgestellt werden kann, dann ist es schon ziemlich unwahrscheinlich, dass bei N = 40 die Signifikanz wieder verschwindet.

    Kurzum, ich könnte mir schon, so auf die Schnelle, ein spezielles Studiendesign vorstellen, wo das von Dir geschilderte ungewöhnliche Vorgehen zulässig wäre.

  178. @Stephan / 2. Juli 2019 @ 12:32

    »Diese Diskussion hat nichts mehr mit dem Thema des Beitrags zu tun. Können wir sie bitte verschieben, bis ich den nächsten Text zum Leib-Seele-Problem geschrieben habe?«

    Gerne. Nur einige Gedankensplitter noch zu diversen Fragezeichen, um gegebenenfalls später daran anzuknüpfen.

    »Auf welcher Ebene individuieren wir in einer materialistischen Welt, wohlwollend gedacht, die Dinge? Wahrscheinlich auf der grundlegendsten. Also subatomare Teilchen? Und der Rest sind Teil-Ganzes-Beziehungen?«

    Das ist aber nicht das Problem beim Disput über Materialismus. Vor allem kann man einem Materialisten nicht die Bedeutung von “materiell” diktieren, die hat einzig und allein er festzulegen. Und was er damit dann beansprucht ist, dass von jedem beliebig benennbaren Gegenstand widerspruchsfrei entschieden werden kann, ob er das Prädikat “ist materiall” erfüllt oder nicht. Das ist ein spezielles Entscheidungsproblem, von dem der Materialist behauptet, es sei lösbar. Lösbar ist es jedoch genau dann, wenn es die “Gesamtheit aller materiellen Gegenstände” =: W gibt, denn nur in diesem Fall hat er ein Entscheidungsverfahren, indem er jeden ihm genannten Gegenstand daraufhin prüft, ob er zur Klasse W gehört oder nicht. Insbesondere bestimmt damit auch allein der Materialst durch seine Semantik, was unter “materieller Welt” (oder “Kosmos”, “Universum”, wie auch immer) zu verstehen sein soll, das lässt er sich von niemandem vorschrieben.

    »Wenn nichts aus sich heraus existiert, “woraus” existiert es dann sonst?!«

    Zu existieren ist keine Eigenschaft, kein logisches, sondern nur ein formal grammatische Prädikat. Das geht auf Kant zurück und wurde von Frege und anderen für die moderne Logik so übernommen. Zu existieren bedeutet, mindestens ein Prädikat zu erfüllen. Daher auch “To be is to be the value of a variable.” (W.V.O. Quine, On what there is).

    »Im Übrigen sagen das auch die Buddhisten, dass nichts aus sich selbst heraus besteht.«

    Es ist vermutlich kein Zufall, dass es ausgerechnet der vom Buddhismus ersichtlich inspirierte Schopenhauer war, der das Gespenst der Substanz aus dem okzidentalen Denken verscheucht hat. Na ja, offenbar nicht restlos verscheucht. Will Meixner zurück ins Mittelalter, wenn er sich mit Fragen befasst wie der, warum es etwas gibt und nicht nichts?

  179. @Balanus: Statistik

    Wie wird (wurde?) denn solch ein Verfahren begründet? Um Zeit und Geld zu sparen? Um Probanden zu schonen, also nicht unnötig zu belasten?

    Es ist überhaupt nicht begründet, sondern dient allein dem Zweck, das gewünschte Ergebnis veröffentlichen zu können, ohne zu viel zu manipulieren.

    Ich meine, um die Nullhypothese (kein Effekt feststellbar) verwerfen zu können, muss N schon relativ groß sein (hängt von der Stärke des Effekts ab). Das heißt, je mehr Probanden man einbezieht, desto besser für die Statistik.

    Korrekterweise würde man vor dem Versuch eine Poweranalyse anstellen, wie viele Versuchspersonen man messen muss, um einen Effekt der erwarteten Stärke zu finden. Die Effekte in den Verhaltenswissenschaften sind meistens eher klein bis mittel. Da reichen 20 Versuchspersonen nicht; da ist außerdem das Risiko noch zu groß, dass ein paar Ausreißer das ganze Bild verfälschen. Und repräsentativ ist das sicher auch nicht.

  180. @Chrys: Richtigstellung

    Will Meixner zurück ins Mittelalter, wenn er sich mit Fragen befasst wie der, warum es etwas gibt und nicht nichts?

    Nur um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Frage habe ich ins Spiel gebracht. Ob Meixner darauf in einem seiner Bücher eingeht, das weiß ich nicht.

    Ich finde es übrigens nicht sehr konstruktiv, jemanden in einer philosophischen Debatte gleich gedanklich ins Mittelalter zu rücken; gerade in der Philosophie und dann noch in so einem grundlegenden Gebiet wie der Metaphysik, wo Fragen doch immer wieder zurückkehren, sei es in einer Variante.

    Du scheinst mir ein sprachphilosophisches Sprachspiel zu spielen (und sicher auch auf hohem Niveau zu beherrschen), das mir aber auch bestimmte Annahmen über das Verhältnis von Sprache (und Logik) zur Welt vorauszusetzen scheint, von denen ich noch nicht weiß, ob ich ihnen zustimme. Aber darüber ein andermal mehr, okay?

  181. @all: Warf hier nicht jemand evtl. Balanus vor, sich zu vage auszudrücken? Darauf wollte ich noch reagieren, finde die Stelle aber nicht mehr.

    Jedenfalls wollte ich noch sagen, dass man mit dieser Strategie immerhin zu einem der berühmtesten Philosophen der Welt avancieren kann: Selbst möglichst viele Interpretationen offen lassen und anderen dann die Arbeit überlassen, wie das gemeint sein könnte, siehe Daniel C. Dennett III.

    (Eine Zutat auf diesem Karriereweg ist sicher noch, dass man über geeignete Strukturen verfügt, seine vagen Formulierungen in allen möglichen Diskursen unterzubringen, also eine bestimmte Sichtbarkeit zu erreichen. Und unser Freund B. ist hier ja wohl auch einer der “erfolgreichsten” Kommentatoren.)

  182. @Schleim
    Ich schrieb von “Schwammig” falls sie das meinen? Und ja, der Dennet ist mir genauso auch schon aufgefallen.

    Eine Zutat auf diesem Karriereweg ist sicher noch, dass man über geeignete Strukturen verfügt, seine vagen Formulierungen in allen möglichen Diskursen unterzubringen, also eine bestimmte Sichtbarkeit zu erreichen.

    Er folgt halt einerseits einer Mode und ist bestimmt auch wegen der angesprochenen Oberflächlichkeit gern gesehener Gast in der medialen Öffentlichkeit. Mit zu viel Details verliert man nämlich Leser/Zuschauer/Quoten.

  183. Das Spekulieren über “Materialismus” erscheint mir jetzt doch etwas antiquiert. Insbesondere wenn man sich dessen bewusst ist, in welch halb- oder ganz metaphysische Tiefen die gegenwärtigen ” wissenschaftlich praktizierenden Materialisten” , nämlich die Physiker abtauchen, wenn sie über die “unterste Zusammensetzung” der Materie spekulieren. Auf diesen Ebenen geht es dort doch kaum mehr um das, was sich Philosophen des 18. Jh. beim Begriff “Materie” bzw. “Materialismus” vorstellten.

    Zudem ist es für Die “Geist”- Diskussion eventuell so oder so irrelevant, zu wissen, woraus die “Materie” (auf den untersten Ebenen) besteht.
    Denn hier geht es doch wohl vor allem um die die funktionellen Strukturen auf den ganz oben liegenden (molekularen?) biologischen Funktionsebenen. Das heißt um die funktionelle Interaktion etwas darunter oder auf gleicher Ebene liegender biologischer Einheiten, die eventuell das erzeugen könnten, was pauschal “Geist” bzw. “Denken” genannt wird.
    Außer man geht von quantenphysikalischen Funktionsebenen aus, was aber auch wieder halbmetaphysisch- spekulativ wäre und nicht viel mit der obigen “Materialismus”- Diskussion zu tun hätte.

    Nur nebenbei:
    Wurde ja alles schon in den 70er Jahren zwische Popper und Eccles ausführlichst diskutiert. Und von vielen davor und danach:
    Dennet, Searl, Damasio, Singer, Metzinger und , und und….
    Zum Beispiel auch teilweise in:
    Bennet, Dennet, hacker, Searl: ” Neurowissenschaft und Philosophie”
    deutsch 2010, Original 2007.

    Merkwürdig, dass jahrzehnteleng immer wieder dasselbe durchdiskutiert wird. Ich beobachte bei jungen Fachleuten da manchmal eine Gewisse Arroganz gegenüber den traditionellen Diskussionen, obwohl auch sie doch substanziell (weder theoretisch noch “empirisch- materiell ” ) kaum Neues zu bieten haben. (-:

  184. @Stephan Schleim @foobar407 // Schwammiges

    »Warf hier nicht jemand evtl. Balanus vor, sich zu vage auszudrücken?«

    Was soll der Quatsch?

    @Chrys hatte mir das Etikett „die-hard-materialist“ angeheftet. Ich hatte ihn daraufhin gefragt, ob ich mich jemals selbst als Materialist bezeichnet hätte. In einem einzigen Satz habe ich meine Position umrissen um zu erfahren, ob man mit einer solchen Auffassung bereits „Materialist“ ist.

    Auf seine Frage, welches Etikett mir denn genehm sei, habe ich wiederum mit einem einzigen Satz geantwortet. Ich zitiere: „Solange die philosophische Schublade nicht die Existenz immaterieller Entitäten und Kräfte impliziert, ist mir (fast) alles recht.“

    In diesem Satz waren offenbar genug schwammige Reizwörter drin, um Dich, Stephan, auf den Plan zu rufen und später dann, nach einigem (vagen) hin und her, auch @foobar407. Dass ich die Materialismusfrage gerne den Philosophen überlassen würde, kam bei ihm oder ihr offenkundig nicht gut an („wenig reflektiert“).

    Als abschließende Gemeinheit (na, deutlich genug?) bringst Du dann noch dieses:

    »(Eine Zutat auf diesem Karriereweg ist sicher noch, dass man über geeignete Strukturen verfügt, seine vagen Formulierungen in allen möglichen Diskursen unterzubringen, also eine bestimmte Sichtbarkeit zu erreichen. Und unser Freund B. ist hier ja wohl auch einer der “erfolgreichsten” Kommentatoren.)«

    Ohne Dich wäre es bei den wenigen Zeilen wegen des Labels ‚die-hard-materialist‘ geblieben. Wenn Du mich also hier als einen »der „erfolgreichsten” Kommentatoren« bezeichnen kannst, dann hast Du selber entscheidenden Anteil daran.

  185. @Balanus: Fakten-Check

    Es war foobar, der deine Kommentare “schwammig” und “nicht sehr reflektiert” nannte. Ich würde wetten, dass Chrys diesem Befund nicht widersprechen würde. Da war mein “vage” doch noch eine recht freundliche Zusammenfassung.

    Ehrlicher Respekt dafür, dass du dich für Philosophie interessierst und so lange durchhältst. Dafür, dass die eine oder andere Äußerung philosophisch haarsträubend ist und du auch nach verschiedenen Korrekturbemühungen renitent damit weitermachst, musst du dem Einen oder Anderen hier in der Diskussion auch schon einmal eine etwas spitze Bemerkung durchgehen lassen.

    Aber dich mit Daniel Dennett zu vergleichen müsste aber doch eher ein Kompliment als eine Beleidigung sein?!

  186. @ anton reutlinger 2. Juli 2019 13:12

    Zitat: „Das Prinzip Prozessor-Prozess-Information ist in jedem Uhrwerk realisiert. Es ist also nicht neu. Man kann die Information Zeit durch verschiedene Prozessoren und Prozesse realisieren. Ohne Prozessor und Prozess gibt es keine Information über Zeit, nicht mal Zeit selber. Daraus lassen sich philosophische Erkenntnisse schöpfen.“

    Damit „rennen“ Sie bei mir offene Türen ein.

    Für mich ist nur bemerkenswert und verblüffend, dass ähnliches vor bereits, sagen wir einmal 2000 Jahren, Theologen „aufgefallen“ ist, ganz ohne Informatik.

    Nicht mehr dass eine „Göttliche Familie“ wie z.B. Zeus und Hera am Olymp für die Griechen, der Ursprung von „allem“ war, sondern das besonders wegen der geistigen Komponente hoch abstrahierbare Konzept der „Dreifaltigkeit“, dass eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Konzept der Informatiker hat, was Informatiker damals auch so nebenbei angemerkt haben. “Vater” stünde für „Prozessor“, “Sohn” für das “generative Prinzip” (Prozess) und Geist für Information.

  187. @Stephan // Fakten

    »Dafür, dass die eine oder andere Äußerung philosophisch haarsträubend ist und du auch nach verschiedenen Korrekturbemühungen renitent damit weitermachst, …«

    Ist schon irgendwie spannend, wie Du das so siehst. Ich habe nun ja schon so einiges an philosophischen Texten gelesen, ich merke sehr wohl, wo sich einer substanziell zu philosophischen Fragestellungen äußert und wo nicht.

    Ich hingegen erhebe gar nicht den Anspruch, an einem philosophischen Diskurs teilnehmen zu können und äußere meine Gedanken dementsprechend locker und alltagssprachlich. Darum ist das bemühte Anlegen einer philosophischen Messlatte an meine Kommentare völlig unangebracht, um nicht zu sagen, einfach nur lächerlich.

    Fakten-Check: foobar407 hat keineswegs meine Kommentare „schwammig“ genannt, das ist mal wieder eine Deiner Erfindungen. Was er/sie genau mit: „Ich denke mir irgendwas schwammiges aus;“ gemeint hat, bleibt leider unklar. Ich habe auch nicht nachgefragt, dazu war es mir nicht wichtig genug—vielleicht auch deshalb, weil ich wenig reflektiert bin.

  188. @Balanus: Exegese

    Da du mir hier vorwirfst, die Fakten falsch wiederzugeben, hier noch einmal die Fakten. foobar schrieb:

    [Zitat Balanus:] Mir kann es egal sein

    [Reaktion foobar:] Das ist nicht sehr reflektiert.

    […]

    [Zitat Balanus:] Ob solch eine Haltung unter Materialismus fällt oder nicht, mögen Philosophen entscheiden.

    [Reaktion foobar:] Weiterhin nicht sehr reflektiert: “Ich denke mir irgendwas schwammiges aus; lass mich auf nichts genaues festklopfen; überlasse das Denken den anderen; und wenn die Probleme finden, dann nur, weil sie mich falsch verstanden haben.”

    Chrys, foobar und ich kamen unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, dass einige deiner Stellungnahmen philosophisch “schwammig”, “vage”, oder “nicht sehr reflektiert” sind. Das sind genau die Wörter, die hier stehen.

    Du schreibst, du bist kein Philosoph; das hier ist aber ein philosophischer Blog. Du darfst hier ja trotzdem mitdiskutieren und bist nach wie vor ein willkommener Gast. Ab und an musst du dir dann aber auch gefallen lassen, dass ich dich z.B. mit Gerhard Roth oder Daniel Dennett vergleiche. 😉

  189. @Stephan, Balanus

    Das mit dem `die-hard materialist‘ war meinerseits nur ein spontaner, launiger Einfall, kein Ergebnis langen Nachdenkens. Weder wollte ich damit Balanus ein philos. Etikett anheften (wie auch schon gesagt), noch einen thematischen Nebenschauplatz im Kommentarbereich eröffenen.

    Normalerweise habe ich bei Balanus keinerlei Probleme damit, zu verstehen, was gemeint ist. Wann immer wir ins Philosophische, zumal ins Metaphysische abdriften, begeben wir uns auf schwammiges Terrain, wo wir dann alle zu mehr oder minder ausgeprägter Schwammigkeit neigen, was nicht zuletzt durch die Natur der Sache bedingt ist.

    By the way. A quick proof that there must be something rather than nothing, for modern people who lead busy lives:

    Suppose there were nothing. Then there would be no laws; for laws, after all, are something. If there were no laws, then everything would be permitted. If everything were permitted, then nothing would be forbidden. So if there were nothing, nothing would be forbidden. Thus nothing is self-forbidding. Therefore, there must be something. QED

    —Jim Holt, Why Does the World Exist? (2012)

  190. @Chrys: Sprachspiele #2

    Siehst du, solche Sprachwitze, aus denen man meint, Klugheiten ableiten zu können, sind für mich einer der Gründe, die analytische Sprachphilosophie nicht beruflich zu betreiben.

    Spontan würde ich erst einmal sagen, dass das Prädikat sein bei konkreten Dingen etwas Anderes ausdrückt als bei abstrakten/sozial-konstruierten Dingen wie Gesetzen oder Verboten; es liegt also eine Äquivokation vor (logischer Fehlschluss).

    Wie auch bei Gabriels (angeblicher) Widerlegung des Materialismus scheint mir zudem ein Kategorienfehler vorzuliegen, hier aus Eigenschaften der Sprache nicht zu schlussfolgern, dass die Sprachmittel eben begrenzt sind, sondern dass es sich in der Welt (also ontologisch) so und so verhalten müsse.

    Solche Beispiele sind ebenso wie Stephen Stichs berühmte Antwort auf die Frage, was denn der Sinn des Lebens sei: “Sinn? Sinn ist eine Eigenschaft von Sätzen!”, meiner Meinung nach ein trauriges Zeugnis dafür, wie sich die (akademische) Philosophie (des Westens) im Laufe des 20. Jahrhunderts zunehmend in die lebensweltliche Bedeutungslosigkeit manövrierte.

    Aber auch das sei besser in einem Folgeartikel diskutiert.

    Abschließend noch eine Leseempfehlung für den Sommer: Bryan W. Van Norden (2017). Taking Back Philosophy. A Multicultural Manifesto. Columbia University Press.

  191. @elektroniker und zu:
    …“Vater” stünde für „Prozessor“, “Sohn” für das “generative Prinzip” (Prozess) und Geist für Information….” (Zitatende)

    Falls uns da wirklich niemand auf den Arm nehmen will:

    Donnerwetter. Wir erleben die Geburtsstunde einer neuen Disziplin christlich- metaphysisch- theoretischer Informatik bei scilogs! Ein Glück, dass ich das miterleben darf.
    Na, ja, nichts für ungut, aber eventuell konnte das Frank Tipler vor Jahrzehnten sogar noch etwas besser.

  192. @ little Louis 4. Juli 2019 17:09

    Diese besondere, zumindest originelle „theologische“ Interpretation des Konzeptes „Prozessor – Prozess – Information“ der Informatiker habe ich vor rund 50 Jahren (vage) erfahren.

    Kann nicht einmal ausschließen, dass sie ursprünglich von Frank J. Tipler (Amerikanischer Physiker) stammt.

    Bin deswegen wieder darauf gestoßen, weil z.B. auch A. Reutliger philosophische Implikationen des „Prozessor – Prozess – Information“ Konzeptes in Betracht zieht.

    Fest steht für mich jedenfalls, dass die „Zukunft“ diesem Konzept gehört, vermutlich auch die Vergangenheit.

    Wegen der „Wechselwirkungen“ dieser 3 Komponenten könnte dieses Konzept als eine Art „abstrakte grundlegende Maschine“ gesehen werden. Grundlage z.B. auch aller physikalischen Prozesse, zumindest nach der Entstehung des 1. Teilchens sein.

    Möglicherweise sogar der Entstehung von Raum, Zeit und dem 1. Teilchen aus dem „Nichts“, ausgehend von der „ewig existenten“ Information (Naturgesetze brauchen vermutlich keinen „Datenträger“), einem „Erklärungsmuster“ näherkommen. Auch wenn wegen der „Transzendenz“ dieses Geschehen nicht vollständig verstanden werden kann.

  193. @Stephan // „Schwammig“ zum Letzten

    »Chrys, foobar und ich kamen unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, dass einige deiner Stellungnahmen philosophisch “schwammig”, “vage”, oder “nicht sehr reflektiert” sind.«

    Ist nicht mein Fehler, dass es in der Philosophie und auch sonst keine präzisen, allgemeingültigen Definitionen von Begriffen wie „Materie“, „Geist“, „Energie“, „immaterielle Entität“ und dergleichen gibt.

    Von daher freue ich mich jetzt schon auf Deinen Beitrag zum Leib-Seele-Problem. Darin wirst Du dann ja wohl mit der Schwammigkeit all dieser Begriffe aufräumen (und, wie ich hoffe, ohne Rückgriff auf das von @foobar407 beschriebene Argumentationsmuster zur Selbstimmunisierung).

  194. @Stephan / 4. Juli 2019 @ 16:24

    »Spontan würde ich erst einmal sagen, dass das Prädikat sein bei konkreten Dingen etwas Anderes ausdrückt als bei abstrakten/sozial-konstruierten Dingen wie Gesetzen oder Verboten; …«

    Das Prädikat sein ist ein rein grammatisches und drückt noch überhaupt keinen intensionalen Gehalt aus, denn `sein’ ist ein Hilfsverb, das nicht so behandelt werden kann wie ein Verb mit eigenem Begriffsinhalt, wie etwa `leben’. Diese Einsicht ist allerdings schon klassisch und Teil von Kants kopernikanischer Wende, und sie war nachfolgend essentiell für die Entwicklung der modernen Logik sowie der daraus resultierenden Behebung jener Inkonsistenzen und Defizite, an denen die traditionelle Logik seit der Antike leidet. Dass die Beachtung und Einhaltung der logischen Regeln eine notwendige Vorbedingung für jegliches schlüssige Argumentieren ist, hat sich jedoch seit der griechischen Antike nicht gändert. Wer meint, man könne sich einfach darüber hinwegsetzen, wie u.a. Heidegger, argumentiert folglich nicht schlüssig und betreibt damit tatsächlich nur sinnfreie Sprachspiele. Was dann aber doch nur pure Sophistik ist und keine Philosophie.

    Du stellst dieses Prinzip geradezu auf den Kopf, wenn Du die Regeln der Logik für Sprachspielerei und die Nebelkerzen der Metaphysik für schlüssige Argumente hältst. Gabriel hat sein Argument freilich nicht originär erfunden, doch er ist derjenige, der hier auf einem logischen Fundament schlüssig argumentiert.

  195. @ Chrys 5. Juli 2019 19:48
    @ Schleim

    Ich schicke voraus dass ich in Philosophie relativ ungebildet bin und die sehr „schlampige Sprache“ (Begriffsbildung quick und dirty) der Elektroniker nutze.

    Allerdings interessiert mich Logik aus Sicht der Informatiker und Metaphysik aus Sicht der Psychologen.

    Den Unterschied macht meiner Meinung nach die unterschiedliche Art der Informationsverarbeitung im Computer oder im Gehirn aus.

    Im Computer ist sie grundlegend immer streng logisch. Geringste Fehler haben mitunter absurde Auswirkungen. Aussagen werden praktisch nicht (systembedingt), z.B. im Bezug auf ihre Priorität zur Existenzsicherung bewertet.

    Im Gehirn bewirken an sich „logische Gatterfunktionen“ (im Sinne von W. McCulloch) im Zusammenwirken mit den synaptischen Verknüpfungen (Wissensspeicherung, von E. Kandel erforscht) die Informationsverarbeitung.
    Die „strenge Logik“ entsteht erst, wenn eine „qualifizierte Mehrheit“ (im einzelnen keineswegs streng logisch „arbeitender“ Gatteranordnungen) statistisch zu einer logischen Entscheidung führt.

    Je „normaler und intelligenter“ der Mensch ist und je „besser trainiert“ er ist, umso zuverlässiger sind die „logischen Ergebnisse“.
    Auf die Ergebnisse können wegen der komplexen und großen Anzahl der Einflussgrößen fremde „Denkmuster“ durchschlagen, was die Logik und Stabilität beeinträchtigen, andererseits aber auch die Kreativität verstärken oder überhaupt erst ermöglichen kann.
    Vermutlich wären streng logisch arbeitende biologische Systeme nicht existenzfähig, weil die Logik allein keine „Bewertung“ allenfalls dringend erforderlicher Prioritäten ermöglicht.
    Beim Gehirn ist in die „Logik“ sozusagen gleichzeitig und automatisch, aus der Systemarchitektur heraus, eine Bewertungsfunktion eingebaut.

    Psychologen dürfte automatisch und absichtlich diese „psychische Bewertungsfunktion“ nutzen, in ihre Aussagen einbinden, die Sie „Nebelkerzen der Metaphysik“ nennen.

    Als Logiker können Sie dies nicht akzeptieren, als Psychologe ist es Ihr Job, Ihre tägliche Realität …..

  196. @Chrys

    “er [Markus Gabriel] ist derjenige, der hier auf einem logischen Fundament schlüssig argumentiert.”

    Und schlüssig folgert, es gibt Einhörner auf dem Mond.

  197. @Chrys: Sprache…

    …ist ein (von Menschen ausgedachtes) Mittel zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks. Wenn eine Sprache mit deinen Axiomen (“Sprachspiel”) nicht zweckdienlich ist, dann kann man es vielleicht mit anderen Sprachregeln versuchen.

    Natürlich bin ich, wenn ich eine Meinung teilen will, auf ein Mittel angewiesen. Und da ich hier z.B. nicht für euch tanzen kann (Metzinger erhielt meines Wissens mal Anfragen eines Choreografen, die Idee seines Buches “Being No One”, das ich damals als Hilfskraft begleiten durfte, zu tanzen), ist das vor allem sprachlich.

    Wenn du das, was ich dazu sage, als “Nebelkerzen der Metaphysik” bezeichnest, dann sollten wir dazu vielleicht besser… schweigen.

  198. @Stephan / 6. Juli 2019 @ 11:43

    Kultur ↔ Sprache ↔ Denken … diese drei hängen auf eine so komplexe und irreduzible Weise miteinander zusammen, dass sich ganze Bibliotheken mit Schriften zu dieser Thematik füllen lassen, ohne damit auch nur näherungsweise alle Facetten erfasst zu haben. Sprache, in allgemeinsten Sinne, vermittelt die Einbindung eines Individuums in die soziale Gemeinschaft, der es angehört. Ohne Sprache käme alle intellektuelle Aktivität zum Erliegen. Ohne Sprache hätten wir nicht einmal Peer Review…

    Die Bedeutsamkeit von Sprache für unser gesamtes kulturelles Treiben kann man gar nicht überschätzen, und mich wundert schon, dass Sprachphilosophie kulturhistorisch erst vergleichsweise spät thematisiert wurde. Kein anderer Gegenstand gedanklicher Reflexion ist schliesslich so fundamental und belangreich wie die Sprache selbst.

    Bei den Nebelkerzen der Metaphysik hatte ich nicht zuletzt den namentlich erwähnten Heidegger im Sinn. “Das Nichts nichtet“, schreibt Heidegger beispielsweise. Einige halten das für tiefsinnig. Wenn er damit Eindruck machen kann, dann liegt’s meines Erachtens einfach an dem, was Goethe schon so wunderbar zitierfähig formuliert hat: “Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.” Carnap hat dezidiert bezweifelt, dass sich bei Heidegger etwas denken lässt, und da bin ich ganz bei ihm.

    Ich kann gerade nicht widerstehen, noch ein Zitat zur Metaphysik anzubringen (aus Thomas Cathcart & Daniel Klein, Plato and a Platypus Walk into a Bar…):

    Metaphysics tackles the Big Questions head on: What is being? What is the nature of reality? Do we have free will? How many angels can dance on the head of a pin? How many does it take to change a lightbulb?

  199. @Chrys: Off Topic

    Ich kann gerade nicht widerstehen…

    …länger am Thema vorbei zu reden. 😉

    P.S. “Do we have free will? How many angels can dance on the head of a pin?” – Diese beiden Fragen aufs selbe Niveau zu setzen bestätigt die von mir vorher geäußerte Vermutung, dass sich Teile der Philosophie im Laufe des 20. Jahrhunderts ins lebensweltliche Abseits manövriert haben.

  200. @Stephan / 6. Juli 2019 @ 19:20

    Die Metaphysik des Wechselns einer Glühbirne wäre für das 20. Jahrhundert lebensweltlich gewiss sehr on topic gewesen. Dazu hat Heidegger meines Wissens nichts gesagt; die Vermutung kommt wohl ganz gut hin.

  201. Dass die Wissenschaft Interessen dienen kann, ist allgemein bekannt und wird von Stephan hier am Beispiel Birbaumers kritisiert. Aber auch Kritik an der Wissenschaft kann Interessen dienen, was viele Kritiker gerne leugnen, besonders wenn deren Kritik ideologisch motiviert ist. Das beste, aktuelle Beispiel dafür ist die Kritik, genauer die Ablehnung der Forschung zur Wirkung des CO2 in der Atmosphäre, bzw. zum menschgemachten Klimawandel. Ein anderes Beispiel ist die Kritik oder die Ablehnung der Genderforschung, oder des “Genderismus”. Typisch für ideologische Motivation ist die Abwertung solcher Forschung durch pejorative Bezeichnungen.

    Die Wissenschaftskritiker machen der Wissenschaft gerne einen Mangel an Selbstkritik zum Vorwurf. Dieser Vorwurf trifft aber noch mehr auf manche Kritiker, oder Gegner der Wissenschaft zu. Skepsis ist immer legitim, Zweifel und Ablehnung aber bedürfen sachlicher Gründe und bedürfen auch der Offenlegung eigener Interessen! Zum Beispiel pumpen die Öl- und Kohleindustrie hohe Millionenbeträge in die Diskreditierung der Klimaforscher.

  202. @Reutlinger: Kritik

    Die Preisfrage ist, wie man mit Kritik umgeht. Meine Strategie ist, sich die Kritik des Gegenübers anzuhören, inhaltlich zu reagieren – und wenn man dann merkt, dass der andere einem gar nicht zuhört, der also immer nur seine eigene Sichtweise wiederholt, ohne auf die andere einzugehen, dann ignoriert man denjenigen; das ist dann schließlich keine Diskussion, sondern eher ein serieller Monolog. Mit dieser Strategie funktioniert zumindest dieser Blog bereits seit bald zwölf Jahren recht gut.

    Der Umgang mit dem Kritiker im Fall Birbaumers stellt sich mir anders dar: Den Kritiker so lange ignorieren oder vielleicht sogar diffamieren, bis er von selbst aufgibt. Das spricht mir nicht gerade für Offenheit.

    Beim Thema Umwelt- und Naturschutz steht zweifellos viel auf dem Spiel. Bei dem einen oder anderen Wissenschaftsfan würde ich mir aber mehr Einsicht darin wünschen, dass die Verbreitung von Natur- und Umweltgiften in der heutigen Form überhaupt erst durch den sonst immer so gelobten wissenschaftlich-technischen Fortschritt ermöglicht wurde. Dabei wird vergessen, das auch dieses Problem im Denken (also der Psychologie) anfängt und mit der System-Logik der Gesellschaften seit der Industrialisierung zu tun hat (also Soziologie, Volkswirtschaftslehre, Rechtswissenschaften, Politikwissenschaften…).

    Zufall, dass die Erfolgsgeschichte der (v.a. Natur-) Wissenschaft sich parallel mit dieser Ökonomieform entwickelte?

  203. Sachliche Kritik zu ignorieren, zu leugnen oder gar zu diffamieren ist zweifellos unwissenschaftlich. Öffentliche Publikationen spiegeln zwar die wissenschaftliche Arbeit wider, sind aber nicht damit identisch. Daher möchte ich zwischen Kritik an Publikationen und Kritik an wissenschaftlicher Arbeit unterscheiden.

    Aus meiner Tätigkeit als Gutachter für das frühere BMFT kenne ich die Nutzungs- und die Urheberrechte wissenschaftlicher Forschung. Wer Forschung finanziert, bekommt selbstverständlich die Nutzungsrechte, bekommt aber nicht die an den Forscher gebundenen Urheberrechte. Was nützt die Offenlegung von Daten, wenn nicht auch die zugehörige Erhebungsmethode bzw. die Fragebögen ebenfalls offengelegt werden, die aber möglicherweise dem Urheberrecht unterliegen?

    Es kann nicht die Aufgabe des Peer Review sein, wissenschaftliche Resultate inhaltlich zu überprüfen. Das wäre gar nicht möglich. Wissenschaftliche Forschung inhaltlich zu überprüfen, ist Aufgabe der scientific community, im Dialog und im Disput der Wissenschaftler. Die Bereitstellung von Daten dazu, unter Berücksichtigung der Urheberrechte, ist eine Frage wissenschaftlicher Ethik.

    Wissenschaft ist ein breites Feld, von der Grundlagenforschung bis zur industriellen Anwendungsforschung und Produktentwicklung. Man muss daher sehr differenzieren. Es gibt legitime Interessen der Geheimhaltung, des Patentrechts, der Verwertung.

  204. @Reutlinger: Wissenschaft & Geld

    So kann man argumentieren… Interessen des “Patentrechts” oder der “Verwertung” sind freilich aber nur aus Sichtweise des vorherrschenden ökonomischen Modells “legitim”.

    Ich erinnere an Alexander Fleming, Entdecker des Penicillins, das der Welt zur freien Verfügung gestellt wurde und bis heute zahllose Leben gerettet hat und immer noch rettet.

    Warum müssen Wissenschaftler, v.a. wenn sie in öffentlichen Einrichtung verbeamtet sind, ihre Erzeugnisse (das können auch Lehrbücher sein) noch einmal für Gewinn verkaufen? Deren Arbeitszeit ist doch schon aus Steuergeldern bezahlt.

    Das klassische Publikationswesen ist ein Mechanismus zur Erwirtschaftung privater Gewinne aus öffentlichen (also Steuer-) Mitteln. Diese Diskussion führt uns hier aber zu weit.

    Ich las kürzlich in unseren Richtlinien für Nebentätigkeiten, dass ein Forscher an unserer Uni, der ein eigenes Unternehmen ausgründet und dann die Zusammenarbeit mit der Uni fortsetzt, daran maximal 4,99% der Anteile halten darf. Das scheint mir schon einmal ein guter Schritt, finanzielle Interessenkonflikte zu kontrollieren. Und auch darunter sind Beteiligungen, meiner Erinnerung nach, Anzeige- und Genehmigungspflichtig.

    Nein, wer mit Forschung reich werden will, der sollte am besten gleich in die Privatwirtschaft gehen. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers um in einem demokratischen Rechtsstaat die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass freie Wissenschaft möglich ist. Meiner Erfahrung nach wird hier sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden hierfür viel zu wenig getan. Ich verweise noch einmal auf die Zitate der Magna Charta am Ende meines Artikels.

  205. @ Schleim
    Zitat: „Warum müssen Wissenschaftler, v.a. wenn sie in öffentlichen Einrichtung verbeamtet sind, ihre Erzeugnisse (das können auch Lehrbücher sein) noch einmal für Gewinn verkaufen? Deren Arbeitszeit ist doch schon aus Steuergeldern bezahlt.“

    Die Antwort ist eigentlich ganz einfach.

    Ein Metzger z.B. nimmt keine „Arbeit“ mit nach Hause.

    Wissenschaftler sind mitunter fast schon „besessen“ von ihrer Arbeit. Sie können und wollen Tag und Nacht nicht „abschalten“. Sie übernehmen Verantwortung und arbeiten auf eigenes Risiko für die Vermarktung ihres Wissens und ihrer Arbeit. Sie können auf ihren Büchern „sitzen“ bleiben….

    Alexander Fleming der unendlich viel Gute getan hat, würde vermutlich heutzutage von den Penicillin Allergikern, es gab angeblich einige Todesfälle, in den Ruin womöglich in den Knast getrieben…..

  206. Gerade gefunden:

    Die Gravitationswellenforscher mussten einige Fehler eingestehen, unter anderem, dass die zentrale Abbildung in der Zeitschrift Physical Review Letters nicht mit den Originaldaten erstellt, sondern für “illustrative Zwecke” aufbereitet wurde

    Das hat sogar zum Nobelpreis gereicht! In der Physik! Zwinker, zwinker @Balanus 😉

    Aber immerhin haben das andere Physiker gemerkt und es bedurfte dieses Mal keiner fachfremden Person zur Aufdeckung.

  207. @Elektroniker: Nebentätigkeiten

    Das überzeugt mich nicht.

    Entweder Wissenschaftler (an öffentlichen Einrichtungen) machen die Entdeckungen während ihrer Arbeitszeit, dann ist die Arbeit bereits aus öffentlichen Mitteln bezahlt und falls es überhaupt Patente darauf geben sollte, dann allenfalls für die öffentliche Einrichtung, sodass Lizenzeinnahmen zurück in die öffentliche Hand fließen…

    oder der Wissenschaftler macht Entdeckungen, die er patentieren lassen will, als Privatperson, also ohne die öffentlichen Forschungsmittel (einschließlich Labor etc.) zu verwenden, dann kann er damit meiner Meinung nach machen, was er will, gilt es aber zu prüfen, ob die Nebentätigkeiten nicht die Anstellung gefähren.

    Einem Wissenschaftler, der Arbeits- und Privatleben nicht mehr unterscheiden kann, sollte man ggf. Coaching und/oder Psychotherapie anbieten; ich spreche da aus eigener Erfahrung.

    Und der Wissenschaftler als Buchautor bleibt schließlich nicht auf seinen Büchern sitzen, denn die produziert der Herausgeber, der das verlegerische Risiko gegen seinen erwarteten Unternehmensgewinn tariert. Idealerweise veröffentlicht der (bereits aus steuermitteln finanzierte, s.o.) Wissenschaftler seine Arbeit aber sowieso unter Open Access, sodass jeder freien Zugang zum Wissen hat und nicht öffentliche Mittel so krass privatisiert werden, wie es heute immer noch oft der Fall ist.

    Alles klar?

  208. @ Schleim

    Mich persönlich beeindruckt Ihre äußerst umfangreiche publizistische Arbeit sehr, zumal Sie es neben Ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit machen.

    Ich persönlich halte mich für „Merkel links“ und stimme auch gerne Ihren ethischen Bewertungen zu.

    Aber die Zeiten sind in einer, eigentlich beängstigenden Art, „brutal kapitalistisch“ geworden.
    Einerseits ist der (faire) Wettbewerb erfolgreich, weil es fast überall „Überschuss“ statt „Mangel“ gibt. Aber die Gefahr ist groß dass der Wettbewerb in Wettkampf bis hin zum „Krieg“ Jeder gegen Jeden ausartet und jede Ethik auf der Strecke bleibt.

    In der Medizin wurden früher Spitzenleuten die Stelle als ärztlicher Leiter angeboten, weil auch „arme“ Patienten von der besonderen ärztlichen Kompetenz profitieren konnten. Der Mediziner durfte alle Ressourcen auch für seine Privatpatienten nutzen. Ein Arzt hatte es sich auch zur Gewohnheit gemacht, arme aber wissenschaftlich interessante Patienten am Wochenende in der Nacht zu operieren, was das Personal nicht immer glücklich gemacht hat.

  209. @foobar407 #12:39 weißt Du auch, wer den Quatsch geschrieben hat, den Du zitierst? Der kann nur so!

  210. @Herr Senf
    Was ist denn an dem Zitat falsch? Passten die Originaldaten zur Abbildung, oder nicht? Wurde es mittlerweile korrigiert, oder nicht?

  211. @Elektroniker: Systemimmanent oder extern

    Nun ja – so kommt man vom Hölzchen aufs Stöckchen und dass “der Kapitalismus” (v.a. wegen des Hyperwettbewerbs und des Verwertungszwangs) die System-Logik der Wissenschaft beeinflusst, ist ja gerade Thema dieses Beitrags.

    Mir ist klar, dass man es als Philosoph und Blogger einfacher hat, weil man sozusagen “laut denken” kann, während Ärzte, Biologen, Richter usw. usf. nicht nur denken, sondern auch handeln müssen. Daher will ich auch nicht alles pauschal verurteilen.

    Der Arzt, den Sie als Beispiel anführen, hat idealerweise auch den Patienten geholfen, die sonst wohl erst sehr viel später eine Behandlung bekommen hätten. Nun kann man das Gesundheitssystem dafür kritisieren, dass die Qualität der Behandlung mitunter vom Vermögen abhängt. In der Zwischenzeit kann man aber auch anerkennen, dass viele Menschen dort gute Arbeit leisten.

    Das Arzt-Beispiel ist aber noch einmal insofern anders, als es auch um das Wohl (das Leben?) Dritter geht und nicht nur im private Gewinnabsichten.

  212. @Senf, foobaar: ad hominem

    Mich würde freuen, wenn Sie diese Diskussion hier nicht wieder aufgreifen.

    Allgemein ist aber “weißt du nicht, wer das geschrieben hat?” kein gutes Argument. Es sollte in einer fairen Diskussion nur darum gehen, was geschrieben wurde und warum es (nicht) stimmt.

    P.S. Dass es in dem genannten Fall zumindest Unregelmäßigkeiten bei der Publikation gab, kann man wohl kaum leugnen, wenn man diesen Artikel im New Scientist liest. Ob dahinter Unachtsamkeit, Schlampigkeit, strategisches Denken oder gleich eine Verschwörung steckt, möge man bitte an einem geeigneteren Ort diskutieren.

  213. Ob der Umgang der Uni Tübingen mit dem Fall Auswirkung auf den Exzellenztitel haben wird?
    Immerhin steht der Zweifel des renommierten Hirnforscher Niels Birbaumer an der Fachkompetenz Prüfungskomission dieser Universität weiterhin im Raum.

  214. Gibt es eigentlich eine funktionierende Alternative zu Birbaumers Verfahren?
    Wenn nicht, dann sollte man doch dafür sorgen dass er dieses verbessert anstatt ihn davon auszuschliessen, oder?

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