Studie: Verbessert Cannabis die Gehirn-Vernetzung und die Empathie?

In den Medien hört man viel über die Risiken der beliebten Droge. Mexikanische Forscher fanden im Hirnscanner eine mögliche Verbesserung.

ein Gastbeitrag von Dr. Wiebke Schick

Es passierte kurz vor Weihnachten: ich blätterte im Zug durch ein Journal und war in Gedanken bei den Feiertagen, den Familienfeiern sowie dem Stress, der dadurch entsteht – und lese da: Cannabisnutzer zeigen mehr Empathie! Ich wusste sofort: Das muss auf die Bühne!

Die Autoren der Studie hatten eine dichtere Vernetzung im Gehirn von Cannabis-Nutzern in der Gürtelwindung, im Gyrus cinguli, festgestellt. So eine dichtere Vernetzung entsteht, wenn die Nervenzellen immer wieder gemeinsam aktiv werden: es bilden sich zwischen den Nervenzellen weitere Synapsen, also weitere Kontaktstellen, und durch mehr Kontakte werden die Netzwerke größer und die Informationsübertragung schneller. Durch diese häufige gemeinsame Aktivierung steigt auch die Wahrscheinlichkeit, in Zukunft wieder gemeinsam aktiv zu werden. Das passiert beim Lernen, und ist der Grund, wieso wir in so unterschiedlichen Gebieten wie Turmspringen, den Regierungszeiten der römischen Kaiser und der Fantasiesprache Klingonisch mit ausreichend Wiederholung zu Experten werden können, um nur einige Beispiele zu nennen.

Solch ein Zuwachs an Verbindungen zwischen den Nervenzellen war bei den Cannabisnutzern in der Region entdeckt worden, die an der Entstehung von Empathie beteiligt ist. Hier feuern also die Neurone, wenn wir die Perspektive eines Mitmenschen einnehmen, wenn wir nachvollziehen, warum sie oder er jetzt so empfindet. Möglich, dass wir uns von der Stimmung anstecken lassen und mitschwingen, möglich, dass wir eine Erwartung anstellen, was als Nächstes passiert, und uns darauf vorbereiten, passend zu reagieren. Es kann überlebenswichtig sein, zu erkennen, ob jetzt eine Umarmung angebracht ist – oder die Flucht!

Allerdings kann man aus den MRT-Aufnahmen und den Fragebögen nicht feststellen, ob die bessere Vernetzung und die Tendenz zu sozialeren Antworten durch das Tetrahydrocannabinol verursacht werden – oder dadurch, dass es die Nutzer immer wieder in einen Zustand versetzt, in der sie an das Wohl anderer denken und sich mit dem Befinden ihrer Mitmenschen auseinandersetzen. Dieses wiederholte Aktivieren derselben neuronalen Netzwerke – landläufig auch “Lernen” genannt – verstärkt die synaptischen Verbindungen zwischen den daran beteiligten Neuronen, und erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass diese Neurone in Zukunft wieder gemeinsam aktiv werden. In mehreren Studien wurde durch wiederholtes Training eine Verbesserung des empathischen Verständnisses beobachtet, sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen.

Überraschende Botschaften

Schon beim ersten Auftritt fiel mir auf, wie erstaunt sowohl Veranstalter als auch Zuschauer darüber waren, jenseits von medizinischen Anwendungen etwas Positives über Cannabis zu hören. Das Publikum bestand aus zwei Gruppen: den Begeisterten und den Besorgten. Da immer wieder dieselben Fragen gestellt wurden, begann ich zu recherchieren, und baute die Antworten in Form eines Publikumsquiz ein, wodurch ich einen noch genaueren Eindruck davon bekam, was gewusst, gedacht und befürchtet wurde.

Begeisterung zeigt sich oft so: ein Jugendlicher strahlt erst mich an, dann seine Mama und freut sich: “Siehst du, Mama, Kiffen tut mir gut!”

Die Besorgten dagegen sprechen von psychischen Erkrankungen sowie von Cannabis als Einstiegsdroge. Die These von der Einstiegsdroge wurde schon 1994 vom Bundesverfassungsgericht verworfen. Die typischen Einstiegsdrogen sind Nikotin und Alkohol. (Hier bei MENSCHEN-BILDER wurde zuvor eine Studie in der angesehenen Fachzeitschrift Science aus den 1970er-Jahren behandelt, die schon 20 Jahre vorher den Mythos von Cannabis als Einstiegsdroge widerlegte.)

Gefahren von Cannabiskonsum

Zusammenhänge wurden aber auch bei der Verursachung von psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder Psychosen gefunden. Eine eindeutige Zuordnung von Cannabis als alleiniger Auslöser war aber nicht möglich: Viele dieser Studien untersuchten Menschen, die das Cannabis in der Pubertät konsumiert haben. Die Pubertät ist aber bei allen, auch bei Nicht-Konsumenten, die Zeit, in der die Wahrscheinlichkeit am höchsten ist, dass psychische Erkrankungen bemerkbar werden.

2018 wurden fast 185.000 Teilnehmer für eine Studie zu Cannabis und Schizophrenie genetisch untersucht. Die Beweislage für die Rolle des Cannabis bei der Entstehung von Schizophrenie war schwach. Die Forscher machten aber eine andere Entdeckung: Personen, die bestimmte Gene in sich tragen, die mit der Krankheit in Verbindung gebracht werden, neigen eher zum Cannabiskonsum.

Wie sieht es aber bei den Cannabis-Nutzern mit der Gefahrenwahrnehmung aus? Anders gefragt: ist das Gras wirklich grüner auf der anderen Seite? Die Befürworter hatten oft schon persönlich positive Erfahrungen gemacht, und viele erzählten mir, dass sie die Gesellschaft anderer mehr genießen konnten, wenn sie entspannt und gut drauf waren. Das Studienergebnis war für viele Bestätigung der eigenen Erfahrung. Eine Förderung des sozialen Verhaltens durch Cannabis stellten auch Vigel und Kollegen ihrer Studie “Cannabis consumption and prosociality” fest.

Wenn ich die Begeisterten fragte, warum sie zum Gras griffen, wurden oft Entspannung und Spaß genannt. Das deckt sich mit den Antworten des BZgA-Forschungsbericht / 2025 Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 2023. Für diesen Bericht wurden Jugendliche und junge Erwachsene wurden nach ihrem Konsum befragt, der zu dem Zeitpunkt ja noch illegal war.

Gefragt wurde auch nach der Einschätzung der Risiken des Cannabiskonsums: Obwohl die Mehrzahl der befragten Jugendlichen den Konsum für schädlich oder sehr schädlich hielt, war das Wissen über negative Folgen begrenzt, die häufigste Antwort war “weiß nicht” (S. 59). Ist das ein Grund, weshalb so viele Nutzer ihren Konsum nicht als Risiko einschätzen? Denn obwohl der Konsum allgemein als schädlich eingeschätzt wurde, hielt der Großteil der Befragten den eigenen Konsum für unbedenklich: 83,7 % der jugendlichen Nutzer gaben an, dass sie sich nie Sorgen über ihren Konsum machten, und bei den jungen Erwachsenen ging es 74,1 % genauso (S. 58).

Cannabis und Altersgrenzen

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) warnte in einer Stellungnahme vor den Auswirkungen von Cannabis auf das reifende Gehirn. Als Richtwert für die vollständige Entwicklung gilt das Alter von 21 Jahren. Vor allem die Reifung der Nervenzellen und die Myelinisierung, also die Bildung der umhüllenden Schichten, die für die Geschwindigkeit der Signalweiterleitung im Gehirn entscheidend ist, werden vom Cannabiskonsum beeinträchtigt.

Salopp gefragt: Was verbaut man sich vielleicht in der Jugend, wenn man da gerne mal einen Joint baut? Bis wir erwachsen sind, finden in unseren Gehirnen viele Umbauprozesse statt. Wir können uns das vorstellen wie die Entwicklung des Verkehrsnetzes einer Stadt: während sie wächst, kommen neue Verbindungen und Abzweigungen dazu, und viel befahrene Strecken werden erweitert, erhalten eine zweite Spur, während auf der Straße zu einem Ort, an dem wenig los ist, auch wenig Verkehr ist.

Wenn der Aufbau des Verkehrsnetzes von außen gestört und behindert wird, hat das Folgen für den späteren Verkehrsfluss. Übertragen auf das Gehirn heißt das, dass man noch zu wenig weiß, um vorherzusagen, welche Strecken dann eventuell nicht optimal ausgebaut werden, und bei welchen Fähigkeiten, Eigenschaften und Gewohnheiten Cannabis Einfluss nimmt. Denn sie wissen nicht, was sie tun – das trifft hier zu.

Eine Freigabe erst ab dem 21. Lebensjahr wäre eine Möglichkeit gewesen, dieses Wissen um die Gehirnreifung publik zu machen und es mit einer verständlichen und genauen Analyse der Auswirkungen zu verbinden. Da mag vielleicht der eine oder andere Kopf rauchen, aber vielleicht verdampft damit ein Teil dieses gefährlichen Halbwissens!

Es gibt also noch viel zu diskutieren – am besten empathisch, und mit der Bereitschaft, sich das ganze Bild anzuschauen. Und wenn mich wieder ein Moderator fragt, ob ich Marihuana als Weg zu einer friedlicheren Welt sehe, antworte ich: Die Entscheidung, ob Cannabis der Weg zu mehr Wohlbefinden ist, sollte jeder für sich selber treffen dürfen – aber erst wenn er dazu in der Lage ist – neuroanatomisch gesehen! Denn erst dann ist es für die Hirnentwicklung egal, ob das Mehr an Wohlbefinden durch mehr Entspannung oder weniger Schmerzen entsteht – oder durch friedliche Feiertage!

Über die Autorin

Dr. Wiebke Schick ist Neuro-, Sprach- und Datenwissenschaftlerin. Bisher hat sie vor allem untersucht, was im Gehirn passiert, wenn wir ein Navigationsgerät nutzen, also Wegbeschreibungen folgen, und wie Sprache die Wahrnehmung und Erinnerung beeinflusst. Grundlage für all das ist die Neuroplastizität, also die Fähigkeit des Gehirns, sich zu verändern und anzupassen. Das passiert nicht nur in neuen Umgebungen, sondern kann auch durch Substanzen ausgelöst werden, zum Beispiel Alkohol und Cannabis. Und der Konsum wiederum hat Auswirkungen auf die Wahrnehmung, auf die eigene, und die der Mitmenschen. Seit zwei Jahren tritt sie bei Science Slams mit einem Cannabis-Slam auf. Dieser Blogbeitrag ist ihr Erfahrungsbericht, es handelt sich sozusagen um eine (Hanf-)Feldstudie.

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25 Kommentare

  1. Merken Sie was? Was beim Lernen zwischen den Nervenzellen passiert, ist exakt das, was Empathie zwischen Menschen erzeugt: Netzwerke schaffen, die einander helfen, unterstützen und erhalten. Und bestimmte Rituale entwickeln und wiederholen.

    Ich mach ja in Hobby-Dämonologie – wie ich spaßeshalber eine noch nicht existierende Wissenschaft bezeichne, die Gemeinschaften, Staaten, Religionen als Kollektiv-Lebewesen betrachtet. Und auch sie speichern ihre kulturellen Gencodes ja in Beziehungen, Ritualen, Normen, Erwartungshaltungen, Rollen, die dann dazu führen, dass sich die Menschen gar nicht so unterschiedlich verhalten, die Staaten und andere Dämonen auch. Hat das was mit Cannabis zu tun? Nö. Reicht also.

    Sie sehen, ich mag’s, frei nach Ockham, ganz platt und naiv: Erst mal das Einfache und Offensichtliche suchen. Wenn ich, laut Beobachtungsdaten, in einem fraktalen Universum lebe, das auf jeder Größenebene Netzwerke nach dem gleichen Schema F bildet, liegt es doch nahe, anzunehmen, dass sich Gehirne nach dem gleichen Schema F vernetzen, wie die Nervenzellen darin, oder? Bislang fahre ich mit der Annahme, dass die Gesellschaft eine primitive Vorform eines Riesen-Gehirns bildet, recht gut.

    Lernen und Schizophrenie hängen aber auch zusammen, sofern ich das verstanden habe. Lernen heißt, Versuch und Irrtum, das Gehirn probiert den unmöglichsten Kram durch, experimentiert mit Proportionen, wie bei Alice in Wunderland, verändert die Hierarchien, Wichtig, Unwichtig, und irgendwann gefriert das Ganze zum Wissen – man legt sich zum Beispiel darauf fest, dass die Instanz, die einen ständig überwacht, das eigene Bewusstsein ist und nicht das CIA, oder dass die Stimmen im Kopf „Gefühle“ heißen und nicht „Alien-Parasiten“. Wenn man den Menschen vom Wissens- wieder in den Lernmodus schaltet, können auch solche Gewissheiten wieder auftauen.

    Vielleicht hängt auch der therapeutische Effekt von Cannabis damit zusammen, dass sich das Hirn selbst eine Gesprächstherapie verpasst. Und die Schizophrenie damit, dass dabei Sekten entstehen, die sich in einen bestimmten Wahn hineinsteigern, Dauerschleifen erzeugen, die dann das Gehirn fluten und alle anderen bekehren, wie es Putin und Trump über die Medien machen.

    Ich vergleiche das Verhalten und die Entscheidungen der westlichen Gesellschaft meist eher mit Demenz, aber sämtliche Kiffer-Klischees passen auch auf uns – kein Gedächtnis, keine Planung, wirre Gespräche, völlig desorientiert und antriebslos, andererseits aber auch sozial und konfliktscheu.

    Natürlich sollte man Analogien nicht übertreiben – andererseits, wenn man sich mit „so ungefähr“ zufrieden gibt, sind sie kaum zu übersehen.

    Gibt nix umsonst im Leben. Meist gleichen wir ein Gift durch ein anderes aus, um eine harmlose, gar vorteilhafte Wirkung zu erzielen. Und was uns gut tut, ist meist mit Risiko und Gefahr verbunden, denn wenn es einfach ist, haben wir’s uns schon geholt und vermissen es nicht, und bei allem, was in Überdosen schadet, müssen Risiko und Gefahr die Dosis regeln. Jeder Mensch funktioniert ein Bisschen anders, jeder ist sein eigenes Versuchskaninchen, das sich durch Versuch und Irrtum durchs Minenfeld Leben pfuscht. Jede mögliche Scheiße zu bauen und in Massen dabei drauf zu gehen ist das Wesen unserer Existenz, deswegen brauchen wir einander, damit die, denen es gerade gut geht, jenen helfen, denen es gerade schlecht geht, denn morgen werden die Rollen vertauscht sein.

    Ich kann die Leute nur mit dem besten Wissen und der besten Ausrüstung, die ich ihnen bieten kann, in den Dschungel hinausrennen lassen, und diejenigen aufpäppeln, die zerbissen und zerbeult zurück zur Höhle gekrochen kommen – solange sie nicht zum fünften Mal denselben Säbelzahntiger geknutscht haben, dann ist der Lernerfolg ausgeblieben oder sie mögen die Krankenschwester, und ein Krankenhaus ist nicht Tinder, die Ressourcen braucht es woanders. Risikobereitschaft und Sicherheit schließen einander aus, und dennoch können sie nicht ohne einander. Wie viel von was davon die Gesellschaft oder das Individuum vertragen, müssen sie irgendwie aushandeln, denn das optimale Mischungsverhältnis ist nicht immer und überall gleich. Welche Wirkung Cannabis auch auf den Einzelnen haben mag – zu bestrafen gibt es hier nichts.

  2. @Paul S: Netzwerke & Empathie

    Netzwerke zwischen Menschen = Netzwerke zwischen Neuronen – metaphorisch gesehen würde ich das gelten lassen, ja.

    Auch um die (Märchen über die) Spiegelneuronen ist es in letzten Jahren ja wieder etwas stiller geworden.

  3. @Paul S: Drogenpolitik

    Welche Wirkung Cannabis auch auf den Einzelnen haben mag – zu bestrafen gibt es hier nichts.

    Das ist das Wesentliche, ja. In der jüngeren Diskussion zur Verbotspolitik wird hier regelmäßig von “Straftaten ohne Opfer” gesprochen.

    Würde man jemanden bestrafen, der sich mit einem Brett vor den Kopf haut? Dabei übertreiben Gegner der psychoaktiven Substanzen deren Risiken regelmäßig – und untertreiben die Risiken der Verbotspolitik.

    Letztere wirkt so, als würde man immer wieder mit dem Kopf durch die Wand wollen. Das hat die Amsterdamer Bürgermeisterin so auf einem wichtigen Kongress in etwa wortwörtlich gesagt.

  4. Stefan Schleim
    Um mal eine grobe Einschätzung zu bekommen, ob denn Cannabis positiv oder negativ zu sehen ist. (im Vergleich zu alkoholischen Getränken)
    Aus wee.de
    “Die volkswirtschaftlichen Kosten, die durch den Konsum von Alkohol und Cannabis entstehen, sind beträchtlich. Hier eine Übersicht der geschätzten jährlichen Kosten in Deutschland:

    Gesundheitskosten:

    Alkohol: 20.000 Millionen €
    Cannabis: 5.000 Millionen €

    Kriminalitätskosten:

    Alkohol: 15.000 Millionen €
    Cannabis: 2.000 Millionen €

    Produktivitätsverluste:

    Alkohol: 10.000 Millionen €
    Cannabis: 1.000 Millionen €

    So gesehen ist Cannabis wesentlich “gesünder” als der Alkoholkonsum-
    Dass es die Gehirnvernetzung fördert bzw. verbessert, darüber habe ich keinen Beitrag gefunden, es darf bezweifelt werden.
    Wenn man mit Empathie den friedlichen Umgang mit seinen Mitmenschen meint, dann könnte das stimmen, denn THC soll ja beruhigend wirken.

  5. @Mensch: Zahlenregen

    Ohne Kontextinformation sind solche Zahlen erst einmal nur Zahlen.

    Wie ich hier in Artikeln zu Alkohol oder auch Cannabis immer wieder argumentierte, sucht man in solchen Studien systematisch immer nur nach Schäden bzw. Nachteilen, nie oder selten nach dem Nutzen.

    Wenn Sie mit einem Feierabendbier entspannen oder mit ein paar Zügen Cannabis aus dem Vaper besser schlafen und dann am nächsten Tag besser arbeiten, wer berücksichtigt das?

    Übrigens korreliert die Abnahme des Alkoholkonsums in der Gesellschaft recht gut mit der Zunahme des Psychopharmakakonsums. Wem nutzt das, außer einigen Ärzten und der Pharmaindustrie? Und geht es uns heute eher besser oder schlechter? Schauen Sie mit diesem Blick noch einmal auf Ihre Zahlen.

  6. Stefan Schleim,
    “Wenn Sie mit einem Feierabendbier entspannen oder mit ein paar Zügen Cannabis aus dem Vaper besser schlafen und dann am nächsten Tag besser arbeiten, wer berücksichtigt das?”

    Wer zum Abend ein Glas Rotwein trinkt, der berücksichtigt das, nur als Beispiel.
    Wer in Gesellschaft ein Guinness trinkt, der berücksichtigt das.
    Der Begriff drinker und social drinker drücken den Unterschied aus.

    Das Trinken von Wein und Bier, auch mal ein Schnaps, das gehört zur Kultur.
    Auch wenn noch so viel Ärzte die Schädlichkeit von Alkohol beteuern, der Nutzen ist größer als der Schaden.

    Darum geht es doch. Das Abwiegen von Vor- und Nachteilen.
    Was jetzt die Verwendung von Cannabis angeht, dazu kann ich nur sagen, was ich darüber lese.
    Ich rauche nicht. Als ehemaliger Leistungssportler kann man nicht rauchen.

    Also, lasse ich mal die Zahlen beseite, ich dachte sie würden ihren Standpunkt bestätigen, aber es stimmt, Statistiken ohne Quellenangabe sind nur noch ein Hinweis.

    Damit verbleibe ich, mal sehen, was die Spanier so rauchen und trinken.
    Bleiben Sie gesund !

  7. @Mensch:

    Darum geht es doch. Das Abwiegen von Vor- und Nachteilen.

    Ja – aber deswegen darf die Wissenschaft nicht nur die Nachteile untersuchen, sondern muss sie auch die Vorteile mitberücksichtigen, siehe auch diese Artikelserie hier.

    Ansonsten ist das Ergebnis eben von vorneherein festgelegt. Und betreibt man eher Ideologie als Wissenschaft.

  8. Stephan Schleim
    Danke für die Informationen.
    Anmerkung: Dass Bayern die meisten Drogentode hat, ist schon seltsam.

  9. Ich verfolge dieses Thema mit deutlichem Interesse, auch wenn ich selbst keinen unmittelbaren Bezug zum Konsum von Cannabis oder mit Konsumierenden habe. Aus eigenem Erleben kann ich daher zur Wirkung von der Substanz beitragen.

    Allerdings befällt mich oft eine gewisse Skepsis, wenn ich von medizinischen oder auch psychologischen Studien lese.
    Ich habe deshalb mit obigem Text mal folgendes Experiment durchgeführt.
    Ich habe dort das Wort “Cannabis” konsequent durch das Wort “Leberwurst” ersetzt. Mit einem Office-Programm und der Suchen-Ersetzen-Funktion ist das relativ unproblematisch möglich.
    Ich habe daraufhin festgestellt, dass der Text für mich dadurch kaum an Plausibilität verloren hat, (bis auf vielleicht die Passagen zur Altersbeschränkung).
    Wem die Leberwurst zu weit hergeholt erscheint, kann das “Experiment” gerne mit “Schokoladentorte” oder ähnlichem wiederholen.

    Zurück zum Ernsthaften. Die Argumentation zur Cannabis-Wirkung erinnert mich stark an Alkohol. Auch hier wirken relativ(!) geringe Mengen stimmungsaufhellend, kommunikations- und empathieverbessernd. Es ist aber auch bekannt, dass höhere Mengen über längere Zeiträume zu schwerwiegenden toxischen und psychotischen Veränderungen führen können. Das Wort relativ deutet hier auf starke individuelle Unterschiede bei Personen hin.
    Auch für Cannabis ist wohl zu vermuten, dass extrem intensiver Konsum (wie bei eigentlich allen Stoffen, … wer zu viel isst wird adipös…) schädlich ist.
    Bei der Argumentation zur Schädlichkeit von Cannabis sollte man Fragen wie, ab welcher Dosis wird es schädlich, wie ist das Abhängigkeitspotential klar und vor allem öffentlich diskutieren.

  10. @Fluffy: Dosis

    Dass die Dosis wesentlich ist, können Sie hier nicht nur seit wahrscheinlich zehn Jahren bei MENSCHEN-BILDER lesen, sondern hat Paracelsus schon im 15. Jahrhundert formuliert. Es sind Medienberichte an anderen Orten, die Alkohol, Cannabis usw. einseitig verteufeln; ebenso wie übrigens die Opioide (Oxycodon, Fentanyl), die viele von uns wahrscheinlich schon bei einer Operation gespritzt bekommen haben, ohne dass sich jemand daran störte.

    Wenn ich sehe, wie viele Leute heute Angst vor Alkohol haben, während wir viel weniger als noch in den 1970ern konsumieren, gesunde Menschen Alkohol problemlos verarbeiten können, sogar viele Tiere ihn trinken, während Menschen immer mehr Psychopharmaka konsumieren, kann ich mich nur wundern. Letztere haben übrigens auch Nebenwirkungen, sind für langfristigen Konsum oft gar nicht erforscht und schädigen mitunter die Umwelt.

    Über die Risiken zu Alkohol und Cannabis gibt es hier im Blog bzw. in dem verlinkten Buch viel zu lesen. Es steht ihnen frei, sich da zu informieren.

  11. Dass Bayern die meisten Drogentote hat, ist schon seltsam.

    Es ist lange bekannt, dass je härter die Drogenpolitik, desto härter für die Konsumierenden. Ist doch klar: Wenn man Angst vor Strafverfolgung haben muss, schaltet man später oder gar keine Hilfe ein, manchmal leider zu spät.

    Dass dieses Vorgehen mit der Gesundheit gerechtfertigt wird, verrät uns etwas über die Ehrlichkeit dieser Politiker.

  12. @Stefan Schleim: Dosis
    Danke für Ihre prompte Reaktion.
    Sie haben völlig recht. “Die Dosis macht das Gift” ist eine inzwischen schon fast zur Plattitüde verkommene Wahrheit. Vielleicht zieht das ja auch deswegen nicht besonders in Argumentationen. ich wollte meinen Akzent auch gar nicht darauf setzten, sondern auf den Punkt der öffentlichen Diskussion. Aber es war nun mal der abschließende Absatz, der den bleibenden Eindruck hinterlässt.
    Ich sehe auch die Widersprüche in der Ungleichbehandlung von Alkohol und Cannabis. Ich lese hin und wieder Ihre Beiträge, die ich gut und interessant finde. Ich kenne nicht Ihr Buch, und ich frage mich, warum wohl die Argumente für eine echte Liberalisierung und Legalisierung keinen Eingang in die entscheidende Öffentlichkeit, wie Bundestag, Ärztekammern, Fernseh- und Pressemedien usw. finden.
    Ich erwarte übrigens nicht, dass Sie einen “Kampf gegen Windmühlen” (ein Spruch der eigentlich nicht korrekt interpretiert wird) führen.

  13. @Fluffy: K(r)ämpfe

    … warum wohl die Argumente für eine echte Liberalisierung und Legalisierung keinen Eingang in die entscheidende Öffentlichkeit, wie Bundestag, Ärztekammern, Fernseh- und Pressemedien usw. finden.

    Na ja, in der Ampel haben die Liberalen und die Grünen in drogenpolitischen Fragen durchaus auch so argumentiert und sogar im Bundestag entsprechende Erklärungen zitiert, die ich mitunterzeichnet hatte.

    Die Verbotspolitik ist nun seit rund 100 Jahren der dominante Ansatz und in dieser Zeit wurde den Leuten sehr viel Propaganda eingeimpft. Das macht ein Umdenken schwer. Und im Zweifel wird halt bei der Mittel- und Oberschicht weggeguckt, so im Sinne von: “Ach, die probieren sich mal aus…”, während man bei Randgruppen, mitunter bei denselben Substanzen, Razzien durchführt.

    Ich erwarte übrigens nicht, dass Sie einen “Kampf gegen Windmühlen” (ein Spruch der eigentlich nicht korrekt interpretiert wird) führen.

    Ich kämpfe eigentlich nicht. Ich informiere. Wobei ich gerade einen (kleinen Schreibtisch-) Kampf gewonnen habe, über den ich vielleicht demnächst einmal schreibe. Ich bin halt in meinem Wirkungskreis aktiv.

    Aber warum wird der Spruch Ihrer Meinung nach nicht richtig interpretiert?

  14. @ Schick/Schleim

    Eine interessante Studie, danke für den Bericht.
    Wenn ich es richtig verstanden habe, wurden hier Konsumenten mit Nicht-Konsumenten verglichen.
    Könnte es nicht sein, dass eh schon stärker empathische Menschen zumindest tendenziell eher zu Cannabis als Droge tendieren, als zu anderen Substanzen (also Cannabis nicht Empathie verursacht)?

  15. Na ja, in der Ampel haben die Liberalen und die Grünen in drogenpolitischen Fragen durchaus auch so argumentiert und sogar im Bundestag entsprechende Erklärungen zitiert, die ich mitunterzeichnet hatte.

    Es ist schon positiv das zu lesen. Es gibt ja auch gewisse Fortschritte.
    Ich bin überzeugt, dass im Bundestag viele kompetente und engagierte Leute sitzen. Trotzdem können sie als Minderheit nicht vernünftige Positionen die Cannabisfrage betreffend hinreichend konsequent durchsetzen. Die von einer Mehrheit der Bevölkerung gewählten Vertreter haben dort wohl andere Ansichten und auch Absichten. Ich finde daher auch jede und auch Ihre Form der Information der Bevölkerung sehr gut.

    Die Windmühlen betreffend stellt der Kampf gegen Windmühlen gemäß einer Interpretation von Heinrich Heine u.A. das ins Lächerliche gezogene Sinnbild eines Kampfes der von Machtverlust betroffen Aristokratie, symbolisiert durch das Rittertum, gegen den technischen Fortschritt, den die Windmühlen damals durchaus darstellten, dar. ( https://de.wikipedia.org/wiki/Don_Quijote )

    Die heutige Verwendung der Phrase ist üblicherweise anders.

  16. @Fluffy: Politik & Realität

    Trotzdem können sie als Minderheit nicht vernünftige Positionen die Cannabisfrage betreffend hinreichend konsequent durchsetzen.

    Meinem Eindruck nach werden die Parteilinien i.d.R. von oben vorgegeben und stimmt man dann in der Bundestagssitzung dementsprechend ab (gemäß dem grundgesetzlich nicht so vorgesehenen aber praktisch vielleicht wichtigen Fraktionszwang bzw. Fraktionsdisziplin). Die inhaltliche Arbeit geschieht vor allem in den Ausschüssen.

    In diesem Fall war das vor allem der Gesundheitsausschuss. Hier hat Karl Lauterbach wichtige Arbeit geleistet – und das sage ich, obwohl ich ihn nicht gewählt habe.

  17. @Fluffy: Windmühlen

    Ich habe gerade einmal nachgeschaut: Don Quijote kämpfte gegen einen imaginiert Feind; die von Ihnen angesprochenen Aristokraten kämpften sinnlos gegen den Fortschritt?

    Sorry, mir ist hier irgendwie der Bezug zum Blogartikel verloren gegangen.

    Ich versuche hier seit bald 20 Jahren, korrekt zu informieren. Wenn sich ein Fehler einschleicht, wird das i.d.R. unproblematisch und dankbar korrigiert.

  18. Beim

    Kampf gegen Windmühlen

    handelt es sich um ein geflügeltes Wort, welches unterschiedlich interpretiert werden kann, Kampf gegen eine imaginäre Gefahr, einen nicht gewinnbaren Kampf,
    oder auch im damaligen historischen Kontext, Kampf gegen den (technischen) Fortschritt. Es handelt sich um keine Fehler, aber es kann zu Missverständnissen führen.
    Im Beitrag vom

    26.09.2025, 16:42 Uhr

    geht es mir auch hauptsächlich weder um “die Dosis macht das Gift” noch um Windmühlen, sondern um die Leberwurst.
    Wenn man das das Hautwort, um welches sich inhaltlich alles dreht relativ problemlos durch ein alltägliches anderes ersetzen kann, dann ist die Argumentation vielleicht so offenkundig, dass es verwunderlich ist, dass eben diese Argumentation noch nicht Einzug in die öffentliche Meinung gehalten hat, oder aber sie wird gar nicht erst entsprechen ernsthaft vom Gehirn wahrgenommen.

  19. @Fluffy: Logik

    Man kann auch in dem Satz “Zu viel Zucker ist ungesund” den Zucker durch “Leberwurst” ersetzen – und wahrscheinlich erhält man wieder einen wahren Satz. Welche Logik man hiermit testen will, ist mir nicht ganz klar.

    Davon abgesehen geht es hier um eine konkrete Studie zum Cannabiskonsum. Allein deshalb funktioniert der “Leberwurst-Test” hier nicht, weil in der Studie eben kein Leberwurstkonsum thematisiert wurde.

  20. @ Hirsch
    Korrelation oder Kausalität?

    Auch die Autoren sagen gleich zu Beginn, dass noch weitere Forschung nötig ist, um den Zusammenhang besser zu verstehen.
    Sie fanden bei den Cannabisnutzern sowohl bessere Ergebnisse beim Test für das emotionale Verständnis als auch eine höhere funktional Konnektivität im anterioren cingulären Cortex (ACC) in den Regionen, die aktiv sind, wenn sich jemand empathisch verhält. Der ACC ist eine der Hirnregionen mit vielen CB1-Rezeptoren, die beim Cannabis-konsum aktiviert werden. Die Forscher führen die bessere Vernetzung auf die höhere Endocannabinoid-Aktivierung zurück. Sie nennen aber auch die Faktoren, die die Aussagekraft der Studie begrenzen. Dazu zählt, dass die Menge des bisherigen Cannabis-konsums von den Probanden erfragt wurde und nicht zusätzlich über einen Biomarker genau festgestellt wurde. Ausserdem weisen sie auf die Qualitätsunterschiede zwischen mexikanischem und U.S.amerikanischem Cannabis hin, die ein Grund dafür sein könnten, dass andere Studien eine Verschlechterung des Empathie-verständnisses fanden. Zudem haben an der zitierten Studie vor allem Männer teilgenommen, daher konnte ein möglicher gender-Effekt auf die Dichte des Netzwerkes nicht berücksichtigt werden. Die Autoren sehen ihre Arbeit als einen Beitrag dazu, die Cannabis-forschung umfassender zu gestalten, und Offenheit zu erzeugen für mögliche positive Effekte.

  21. @ Wiebke Schick

    Vielen Dank für die ausführliche Erklärung!
    Ich bin Mitte fünfzig und konsumiere seit ca. 10 Jahren regelmäßig Cannabis (davor nur ein paar mal in meiner Jugend). Relativ geringe Dosis, nur abends zur Entspannung (Eigenanbau im Garten).
    Ich persönlich könnte mir schon vorstellen, dass hier ein Kausalzusammenhang besteht und halte weitere Forschung für sinnvoll.

  22. In einer aktuellen Studie fanden sich auch Verbesserungen bei Rückenschmerzen.
    [https://www.pharmazeutische-zeitung.de/cannabis-extrakt-punktet-gegen-rueckenschmerzen-159217/

  23. @Uwe: Cannabis & Schmerzen

    Ja, die Schmerztherapie scheint eine klassische Anwendung für Cannabisprodukte zu sein. Wie bei allen Mitteln darf man es halt nicht damit übertreiben.

    Warum man die Pflanze verbieten und den reinen Besitz unter Strafe stellen sollte (bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe), habe ich nie verstanden.

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