Liebe durchkreuzt die Pläne der Vernunft

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Mensch, Gesellschaft und Wissenschaft
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LiebeZugegeben, Wissenschaftler sind oft weltfremd. Spätestens aber dann, wenn es um die romantische Liebe geht, horchen selbst die Intellektuellen im Elfenbeinturm auf – auch wenn sie eine recht eigentümliche Sichtweise haben mögen: Zwei Sozialforscher von der Northwestern University in Evanston, Illinois, haben sich hunderte Videos von Studenten bei einem „Speed Date“ angeschaut. Ganze vier Minuten hatten diese Zeit, um sich eine Meinung zu bilden, ob sie ihr Gegenüber wiedersehen wollten. Antworteten beide mit „ja“, dann wurde der Kontakt zwischen den Interessierten vermittelt.

Sich zu verlieben, das mag bei dem Experiment von Eli Finkel und Paul Eastwick, den beiden Forschern, aber nicht so einfach gewesen sein. Zuerst mussten die insgesamt 163 Studenten nämlich in einem 30-minütigen Test ihre Wünsche und Vorstellungen im Hinblick auf ihren Wunschpartner angeben. Nach jedem der Vier-Minuten-Dates ging es nicht gleich weiter, sondern mussten sie wieder an den Computer und den gerade kennen gelernten Kommilitonen anhand dieser Kriterien bewerten. Erst zuhause durften sie dann angeben, welche von ihnen sie gerne wiedersehen würden. Damit war es aber noch nicht getan: Kam ein Kontakt zustande, dann sollten die jungen Leute regelmäßig über Treffen, Gefühle, ihre Ängste und Intimitäten berichten.

Oft wird behauptet, Frauen würden mehr Wert auf das Vermögen eines Mannes legen, während es Männern eher auf Attraktivität ankomme. Die Studenten verhielten sich aber anders, als es ihre Idealvorstellungen ahnen ließen – die Präferenzen, die sie vorab genannt hatten, spielten für die tatsächliche Auswahl im „Speed Date“ kaum noch eine Rolle.

Die Ergebnisse der aufwändigen Prozedur scheinen aber der herkömmlichen Meinung zu widersprechen. Obwohl die Studenten sich vorab über ihren idealen Partner Gedanken machen sollten, hielten sie sich bei den „Speed Dates“ kaum daran. Beispielsweise entschied sich Veronica, die zu den 10% der Frauen gehörte, welche die Karriereaussichten des Partners am höchsten einschätzten, für Bob, einen Posaunisten – und das, obwohl es eine Reihe anderer Kandidaten gab, deren Berufsaussichten als angehender Ökonom oder promovierter Akademiker wesentlich besser waren. Werfen wir also unsere Vorstellungen über den Haufen, sobald wir einen potenziellen Partner in Fleisch und Blut vor uns haben?

Finkel und Eastwick schlagen die Alternativerklärung vor, dass die Wunschvorstellungen am Anfang der Beziehung keine so große Rolle spielen würden, sich aber für eine stabile Partnerschaft als wichtiger erweisen könnten. Hört man also vielleicht doch lieber auf seine Stimme der Vernunft, wenn man sich für weitere Treffen entscheidet, um eine Enttäuschung zu vermeiden? Dafür wird sicherlich weitere Forschung nötig sein. Interessanterweise hat das angesehene Magazin Nature in seiner Ausgabe vom 14. Februar die Studie der beiden Sozialforscher in einer Nachrichtenmitteilung aufgegriffen – am Valentinstag. Es sind und bleiben eben doch Wissenschaftler.

Eastwick, P.W. & Finkel, E.J. J Personal. Soc. Psychol. 94, 245-264 (2008).

Foto: © geralt (Gerd Altmann) / PIXELIO

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1 Kommentar

  1. Na, schreib mal was.

    Was ist Liebe? Ein Amöbenwort wie Gott?

    Ein Wort welches wir benutzen um alles auszudrücken, dem wir machtlos ausgeliefert sind.
    Zu dem man, ja sagen muss, weil ein Nein, alle Bedeutung auslöscht?

    Etwas was unsere Wahrnehmung verändert, ohne hinterfragbar zu sein.
    Etwas was jeder kennt, oder die wahre Liebe, vielleicht doch nicht?

    Etwas was uns an Grenzen führt, uns aber für Grenzen blind macht.

    Etwas was uns stark macht, und uns unsere Schwäche aufzeigt.

    Die Forschung zur Liebe gehört der Philosophie und der Pschologie.
    Sozialforschung ist Verhaltensforschung, damit kann man feststellen was “heute” Verhalten, zum Thema Liebe ist.

    Ein magisches Thema, in einer Explosion von Neurologie und Psychologie.

    Gruß Uwe Kauffmann

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