Lüsterne Professoren – Das Thema „Sexismus“ in Gehirn&Geist, Teil 2
BLOG: MENSCHEN-BILDER
Empfehlen Professoren ihren weiblichen Studierenden, sich für Prüfungen möglichst leicht zu bekleiden? Ist es umgekehrt nur ein unzutreffendes Gerücht, dass manche Frauen sexuelle Reize zur Erreichung ihrer Ziele gebrauchen? Lesen und diskutieren Sie über diese kontroversen Fragen hier bei Menschen-Bilder.
Im ersten Teil meines Kommentars zu dem Interview mit der Marburger Sozialpsychologin Julia Becker ging es um die Definition von „Sexismus“, den bekannten Herrenwitz Rainer Brüderles, und wie Frau Becker darüber schreibt. Im nun folgenden zweiten Teil diskutiere ich einige andere Thesen, die in dem Gespräch zwischen G&G-Redaktionsleiter Steve Ayan und der Sozialpsychologin aufgegriffen werden, beispielsweise sexistische Professoren.
Sexueller Machtmissbrauch?
So heißt es in dem Kurzlebenslauf Julia Beckers, in dem sie und ihre Forschung vorgestellt werden, sie treffe „auch an der Universität immer wieder auf Fälle von Sexismus, etwa wenn Professoren den Studentinnen raten, sie sollten zur Prüfung ein Top mit tiefem Ausschnitt und ein leichtes Parfüm tragen“ (S. 15). Tatsächlich war es neben der Werbung für das Thema auf dem Umschlag der Zeitschrift vor allem diese Behauptung, die mich zum Lesen anregte. Mir sind nämlich bisher an keiner der vielen Universitäten in immerhin vier Ländern, an denen ich schon einmal gearbeitet habe, solche Fälle zu Ohren gekommen. Der einzige Fall, von dem ich gehört habe, ist der eines Dozenten, der bei sich zuhause mündliche Prüfungen abnahm, dies allein tat und dort Vorwürfen zufolge Studentinnen sexuell belästigte – er wurde von der Universität entlassen.
Im Interview wird uns aber leider nicht verraten, an welcher Universität Professoren ihren Studentinnen solche erniedrigenden Tipps für die Prüfung geben, wie oft dies geschieht, warum sie es tun und was die Universitäten dagegen unternommen haben (oder auch nicht). Wieder kann man übrigens die Frage stellen, ob es hier wirklich um Sexismus geht, solange diese Professoren nicht Studentinnen aufgrund ihres Geschlechts schlechtere Noten geben; die passenden Kategorien scheinen mir hier Beleidigung, Machtmissbrauch und womöglich gar sexuelle Belästigung zu sein. Ich erinnere noch einmal an meinen Definitionsvorschlag:
Sexismus heißt, jemanden aufgrund seines Geschlechts (beziehungsweise seiner Geschlechterrolle) zu benachteiligen.
In jedem Fall sollte es eine Universität unterbinden, wenn Professoren ihren Studentinnen solche unpassenden Empfehlungen geben und dann in Folge besser oder schlechter bewerten, je nachdem, ob sie sich an diese „Vorgaben“ halten. Das heißt, die Behauptung, es gebe solche Fälle, wirft eine Reihe wichtiger Fragen auf – im Interview erfahren wir aber leider nichts darüber, wie groß dieses Problem ist und wie man es vielleicht lösen könnte.
Sexualität als Machtinstrument
In dem Gespräch behauptet Julia Becker noch, vom Sexismus seien „natürlich“ vor allem Frauen negativ betroffen; bekannte Rollenbilder vom „Dummerchen“, mit dem bestimmte Frauen ihre Ziele verfolgen und auch durchsetzen, seien eher ein Medienphänomen, das heißt, sie würden in der breiten Gesellschaft keine Rolle spielen. Sexismus, schließlich, sei heutzutage viel subtiler und könne auch dann vorliegen, wenn man Frauen gegenüber eine wohlmeinende Haltung einnehme („benevolenter Sexismus“).
Ich bin, zugegebenermaßen, kein Sexismusforscher aber finde das Interview hier einfach nur einseitig und oberflächlich. Mir sind persönlich beispielsweise die folgenden Fälle bekannt: Erstens hatte eine Kommilitonin für eine Hausarbeit „nur“ eine Zwei erhalten und war darüber sehr betrübt. Als sie zu dem Professor, der ihr die unerwünschte Note gegeben hatte, in die Sprechstunde ging, trug sie einen weitmaschigen Wollpullover und darunter einen schwarzen BH, den man deutlich erkennen konnte (ich habe sie darin selbst gesehen). Später erzählte sie mir, sie habe vor dem Professor schließlich auch geheult – und tatsächlich nachträglich noch eine Eins bekommen!
Zweitens, eine zweite Bekannte erzählte mir, dass sie sich bei Polizeikontrollen, wenn sie zum Beispiel zu schnell gefahren sei oder gegen andere Regeln der Straßenverkehrsordnung verstoßen habe, dumm und unschuldig stelle und mit den Polizisten etwas flirte. Sie sagte mir, dass sie dann zumindest manchmal ohne Strafzettel wegkomme.* Drittens habe ich gerade auch im Psychologie-Kontext im Laufe der Jahre ein paar Frauen gesehen, die mit männlichen Experten im Bereich Methodologie/Statistik flirteten und sich schließlich von diesen bei ihren Diplom- beziehungsweise Doktorarbeiten helfen ließen.
Machtmissbrauch im sozialen Kontext
Ich halte diese Fälle zwar eher für die Ausnahmen als für die Regel und denke, dass die meisten Frauen nicht solche Tricks anwenden, um bestimmte Ziele zu verfolgen. Dennoch kann ich zumindest aus meiner Erfahrung die Behauptung Julia Bäckers, es handle sich zum Beispiel beim „Dummerchen“ eher um ein Medienphänomen, nicht nachvollziehen. Manche Frauen scheinen sich durchaus dessen bewusst zu sein, dass sie mit bestimmten Strategien, die mehr oder weniger explizit in den Bereich des Sexuellen reichen und der Manipulation des Gegenübers dienen, zumindest manchmal bestimmte Ziele erreichen können.
Dies wird übrigens zum Wettbewerbsnachteil für diejenigen, die schlechtere Noten akzeptieren oder zumindest nur mit inhaltlichen Argumenten zu verbessern versuchen, die Strafen für Regelverstöße aus Gerechtigkeitsgründen akzeptieren oder die fachliche Schwierigkeiten durch eigene Anstrengung lösen wollen und nicht durch einen Dritten. Somit haben alle, die sich an die expliziten gesellschaftlichen Regeln von Belohnung und Strafe halten, ein berechtigtes Interesse daran, dass diese Strategien nicht funktionieren.
Im dritten und letzten Teil dieser Serie wird es darum gehen, dass eine einseitig und oberflächlich geführte Sexismus-Debatte sogar gesellschaftliche Risiken birgt.
Zum Weiterlesen: Sexismus in der Seximus-Debatte. Menschen-Bilder, 25. Januar 2013.
Quelle: Sexismus ist heute subtiler – Interview mit Julia Becker. Gehirn&Geist 4/2013, S. 14-17.
* Aus der Tatsache, dass das Sich-dumm-Stellen und Flirten meiner Bekannten ihrer Beschreibung nach einige Male funktioniert hat, um bei Polizeikontrollen eine Strafe zu vermeiden, können wir natürlich nicht einfach so schließen, dass sie aufgrund des Sich-dumm-Stellens und Flirtens die Strafe vermeiden konnte. Polizeibeamte haben wohl einen gesetzlichen Ermessensspielraum, um es bei einer Verwarnung zu belassen. So wurde ich beispielsweise in Groningen auch bloß einige Male verwarnt, als ich mit dem Fahrrad (langsam) durch die Fußgängerzone gefahren und auf Befehl abgestiegen bin.
Sexismus ist tatsächlich subtiler
Hallo Stephan, gerade beim Thema Sexismus im akademischen Betrieb scheint mir Dein Definitionsvorschlag nicht hilfreich. Hier eine (zugegeben etwas vage) Alternative: Sexismus basiert auf geschlechtsspezifischer Diskriminierung im abstrakten (psychologischen, nicht normativen) Sinne: Sexismus entsteht, wenn die Wahrnehmung einer Person durch geschlechtliche Merkmale dominiert ist und diese Wahrnehmung die Interaktion mit einer Person bestimmt.
Im akademischen Alltag kann ein so beschriebener Sexismus positive & negative Auswirkungen haben. Häufig haben die Klischee-Fälle vom “Professor & der hübschen Studentin” zumindest oberflächlich eine positive Seite: Der Professor wird die Studentin nicht sexuell belästigen, sondern sich besonders bemühen und ihr eventuell sogar eine bessere Note geben. Zugleich wird er vermutlich nicht an diese Studentin denken, wenn er nach einem/r StudentIn als Ko-AutorIn, als MitarbeiterIn, als Hochbegabten-StipendiatIn, als KonferenzbeiträgerIn usw. sucht. Und hier scheint häufig ein recht basaler assoziationspsychologischer Mechanismus am Werk: die Wahrnehmung der Studentin ist geschlechtlich dominiert, während die Wahrnehmung anderer Studenten intellektuell dominiert ist.
Angesichts solcher Dynamiken scheint mir die Phrase “Sexismus ist heute subtiler” insbesondere im akademischen Betrieb passend und explizite sexuelle Belästigung oder bewusste Benachteiligung sind hier zumindest nicht das Hauptproblem. In vielen Disziplinen (insbesondere auch Philosophie) sind nun mal “boys’ clubs” dominant und der Grund ist nicht, dass z.B. Philosophen schreckliche Misogynisten wären. So gibt es in der Philosophie derzeit z.B. eine „gendered conference campaign“ und viele Philosophen reagieren aufrichtig schockiert, wenn sie darauf hingewiesen werden, dass all ihre Konferenzen & special issues als Männerbundveranstaltung durchgehen könnten. Die Gründe sind hier eben subtilere unbewusste Prozesse, die nur im Rahmen einer allgemeineren Sexismusdefinition zu fassen sind und nach anderen Beispielen als „lüsterne Professoren“ und „Studentinnen mit großem Ausschnitt“ verlangen.
Offenbar hat die teils eher wirre Sexismus-Debatte viel mit schwankenden und uneinheitlichen Definitionen zu tun. Möglicherweise liegt es im deutschen Sprachraum auch daran, dass in dem Begriff das Lehnwort “Sex” enthalten ist, ein Ausdruck, der im Deutschen viel enger gefasst ist als im englischen Original. Nicht selten wenden Deutsche den Begriff Sexismus weniger an, weil es um Geschlechterdiskriminierung im engeren Sinne geht, sondern weil ihrer Ansicht eine Bemerkung schlicht unter die Gürtellinie geht oder nicht ihrer Vorstellung vom Reden über Sexuelles entspricht. Eine solche Vermengung von Begriffsdimensionen wird natürlich leicht über Diskurse legitimiert. Überzeugen kann das nicht immer. Jedenfalls sollte jede(r), der/die über Sexismus spricht, klar sagen, was er/sie darunter versteht. Sonst führt es zu weiterer Verwirrung.
Die Sexualität
, zumindest diejenige mit Reproduktionsabsicht, wäre dann “sexistisch” – der Traum so mancher Feministen, Alice Schwarzer bspw. argumentiert(e) regelmäßig so.
Ansonsten, klar, die Schleimsche Definition ist wirkungszentriert, letztlich mau, sorry Herr Schleim.
Praktikabel ist sie in gewissem Umfang.
Man müsste sich wirklich einmal erheben und eine mit dieser Rassismus-Definition (‘Racism is usually defined as views, practices and actions reflecting the belief that humanity is divided into distinct biological groups called races and that members of a certain race share certain attributes which make that group as a whole less desirable, more desirable, inferior or superior.’ [Wikipedia]) vergleichbar gute Sexismus-Definition formulieren.
Dem Schreiber dieser Zeilen ist das bisher nicht gelungen und er vermutet inzwischen, dass eine für Verständige plausible Definition sehr schwierig zu finden ist.
MFG
Dr. W
@David: subtile Definitionen
Danke für deinen Vorschlag – ich musste ihn mir mehrmals durchlesen und eine Weile darüber nachdenken. Letztlich bin ich aber zu dem Urteil gekommen, dass ich deine Definition unglücklich finde, nämlich mindestens aus den folgenden vier Gründen:
Erstens definiert sie, worauf S. “basiert” und wie er “entsteht”; was nun eigentlich S. ist, das verrät sie nicht. Hier ist meine Definition eindeutig. Eigentlich ist deine Definition also gar keine Definition.
Zweitens wirft sie die Frage auf, was nun eigentlich “Diskriminierung” ist. Hier ist meine Definition besser, denn sie spricht von “Benachteiligung”, die sich m.E. in der Praxis konkret ausdrücken lässt (z.B. nicht zu einer Konferenz eingeladen zu werden, eine Stelle nicht zu bekommen, eine schlechtere Note zu erhalten usw.).
Drittens würde ich sagen, dass die Interaktion nicht “bestimmt” werden muss, sondern eine Beeinflussung reicht. In diesem Sinne finde ich deine Definition zu stark.
Viertens schließlich finde ich, dass sie sich im Wesentlichen auf meine Definition reduzieren lässt. Das hat eigentlich mit dem ersten Punkt zu tun. Du sprichst eben etwas ausführlicher darüber, wie sexistisches Verhalten (psychologisch) entsteht; für die Definition, was S. ist, ist das jedoch erst einmal irrelevant.
@David: in der akademischen Welt
Dieses Problem lässt sich doch mit einer einfachen Kontrollschleife beheben: Gibt es Frauen, die ich auf diese Tagung einladen kann?
Sowohl bei meiner letzten als auch bei meiner vorletzten Tagung habe ich mich explizit um die Teilnahme von Frauen bemüht – und es haben auch Frauen als Sprecherinnen teilgenommen; allerdings weniger, als ich mir das gewünscht habe.
Für Visions for Neurophilosophy habe ich
a) zuerst eine Einladungsrunde vorgenommen, in der ich nur Frauen – es waren mindestens vier – eingeladen habe; diese haben jedoch alle aus zeitlichen Gründen abgesagt; und
b) mich in der zweiten und dritten Einladungsrunde noch einmal explizit um die Einladung von Frauen bemüht.
Resultat: Immerhin drei von zwölf Vortragenden, also 25%, waren weiblich. Sehr kurzfristig haben jedoch zwei der drei Frauen abgesagt, sodass wir am Ende nur eine Frau unter zehn Vortragenden hatten, also 10%.
Dennoch hat sich in der Abschlussdiskussion und dann gerade noch bei der letzten Frage eine Frau zu Wort gemeldet, die sich darüber beschwerte, dass nur so wenige weibliche Vortragende anwesend waren. Das fand ich nach all der Mühe, die ich betrieben hatte, schon etwas… nervig. Aber nun gut, sie hatte meine Bemerkung zur Frauenquote aus meiner Einleitung wohl schon wieder vergessen.
Aber nun gut – nicht überall, wo nur 10% oder auch 0% Frauenanteil draufstehen, muss auch “Boy’s Club” drin sein. Ich hätte die Tagung gerne mit 50% oder sogar noch mehr Frauen durchgeführt; die haben aber eben abgesagt, zu mindestens 85%. Das waren übrigens alles erstklassige Wissenschaftlerinnen und ich fand es sehr schade, dass sie alle absagten.
Was ich damit sagen will: So ein Problem lässt sich beheben, wenn man einen gewissen Zusatzaufwand in Kauf nimmt. Das ist es mir jedenfalls wert. Das hat aber alles nichts mit der Schwarzweißmalerei zu tun, die uns so oft in der Sexismus-Debatte begegnet.
Für eine Tagung, die ich gerade zusammen mit meinem Doktoranden beantragt habe, habe ich übrigens Zusagen von 25% Frauen und 36% akademischem Nachwuchs. Hoffen wir jetzt nur, dass diese auch bewilligt wird und keine der Frauen mehr absagt!
Herr Schleim
Sie ist gerade in diesem Sinne nicht besser, denn sie beschreibt eine mögliche Wirkung, nähert sich aber nicht dem Wesen des Sexismus, das dem Schreiber dieser Zeilen grob wie folgt erscheint: Der Sexist arbeitet mit pauschalen Wertzuweisungen die Geschlechter betreffend.
‘Frauen gehören an den Herd!’ wäre hier der Klassiker, der übrigens, mangels Wirkung, es ist ja nur eine Meinungsäußerung oder gar eine Sicht, die ja auch ganz privat bleiben darf, also auf eine Person bezogen, ihrer Definition entsprechend kein Sexismus wäre.
MFG
Dr. W (der’s aber hier wohl nicht vertiefen wird, in Anbetracht der hiesigen Meinungslage)
@D. Müller: Sexismus und Sex
Ich habe ja schon mehrmals versucht, darauf hinzuweisen, dass vieles von dem, was man hier unter dem Etikett “Sexismus” diskutiert, gar nicht Sexismus im engeren Sinn ist; in den Medien und auf Twitter werden solche Fälle von Pseudo-Sexismus aber sehr gerne ausgeschlachtet.
Vor kurzem sah ich das Beispiel in einer Schlagzeile (ich habe den Artikel dann lieber nicht gelesen), dass sich Obama über das (gute) Aussehen einer Staatsanwältin (?) geäußert habe – Sexismus!
Hallo? Warum betreiben wir alle, Männer wie Frauen, denn so viel Aufwand, um gut auszusehen (Sport, Kosmetik, Kleidung, OPs usw.), wenn man dann noch nicht einmal eine Bemerkung darüber machen darf?! Und warum hat so etwas überhaupt Medienwert?
Wer Komplimente als Sexismus missversteht, dem würde ich gerne einmal einen Kurs in guten Manieren empfehlen.
Und was die Sachen “unter der Gürtellinie” betrifft, da halte ich Sexismus auch erst einmal nicht für die passende Kategorie, sondern Anzüglichkeit, Unanständigkeit, sexuelle Belästigung. Das hatte ich in meinem Text über den Herrenwitz auch schon geschrieben; im übrigen auch, dass es die Journalistin Himmelreich war, die mit der Frage, ob Brüderle nicht zu alt für seinen Job sei, zuerst unter die Gürtellinie zielte.
Schon interessant, wie die öffentliche Wahrnehmung verzerrt ist: Himmelreich lässt man den Tiefschlag durchgehen, von Brüderle verlangt man nach seinem Konter eine Abbitte oder gar einen Rücktritt.
Ist das nicht Sexismus?
@Webbär: weiter gedacht
Und wieso ist das jetzt bitteschön ein ethisches, politisches oder juristisches Problem, wenn jemand so etwas denkt, jedoch niemals eine Frau aufgrund dieses Gedankens benachteiligen wird?
Wir machen üblicherweise Menschen für ihre Taten verantwortlich, nicht für ihre Gedanken (mit Ausnahme z.B. einiger, meist religiös motivierter Gesinnungsethiken, wo schon ein Gedanke an eine Sünde bestraft werden muss).
Vielleicht haben Sie übersehen, dass es mir hier um Sexismus als praktisches Problem geht, nicht als Denkübung oder Fantasiespiel.
Noch ein Gedanke
Natürlich halten wir es aus gutem Grund für unzulässig, wenn ein Professor einer Studentin empfiehlt, in besonderer Kleidung zur Prüfung zu erscheinen (ob das nun ein Sexismusproblem ist oder nicht) – denn in Prüfungen soll ausschließlich die Prüfungsleistung, nicht die äußere Erscheinung bewertet werden.
Gemäß meiner Arbeitsdefinition würde sich dieser Fall als Sexismusproblem aber vor allem gegen die Studierenden richten, die nicht von so einer Prüfungsverzerrung profitieren wollen oder können – vor allem wären dies also eine prinzipielle und geschlechtsbasierte Benachteiligung männlicher Studierender. Darüber sollte man einmal kurz nachdenken.
Da erinnere ich mich an die gelegentliche E-Mail einer Studentin, die z.B. fragt, ob es nicht noch irgend etwas gebe, was sie dafür tun könne, um den Kurs doch noch zu bestehen. Was erwarten die eigentlich von mir? Dass ich Sexist bin und/oder meine Macht als Dozent missbrauche?
Für alle die gleichen Chancen!
Der Webbaer
…übersieht in der Regel nicht viel, wenn er nicht will. – Ihnen ist schon klar, dass wir hier im Rahmen einer sogenannten gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit navigieren und dass bspw. auch die individuelle gegen Juden gerichtete Sicht, antisemitisch ist und, wenn geäußert, auch hetzerisch und klar antisemitisch ist und auch so gekennzeichnet werden muss, auch wenn (erst einmal) keine direkte Benachteiligung der Gemeinten damit einhergeht?!
Und so ist es generell, es gilt zuvörderst die Ideenlehre zu betrachten und dieser dann, nach Erkennen, einen X-Ismus zuzuordnen.
Das ist einfach eine Frage der Systematik, sicherlich haben oder hätten Sie recht, wenn Sie bspw. die Strafbarkeit oder den Grad der sozialen Ächtung zuvörderst daran festmachen wollen, dass direkt benachteiligt wird.
Das gebietet ja auch das liberale, freiheitliche Denken, die Gedanken oder Meinungsäußerungen dürfen weitgehend x-istisch sein, sie genießen Schutz, solange sie nicht zu Maßnahmen, in der Regel: Gewaltmaßnahmen, aufrufen.
HTH
Dr. W
@Stephan
“Ich halte diese Fälle zwar eher für die Ausnahmen als für die Regel und denke, dass die meisten Frauen nicht solche Tricks anwenden, um bestimmte Ziele zu verfolgen.”
Du hast bestimmt auch einen Grund für diese Vermutung? Ich frage das, weil die Gültigkeit solcher verallgemeinernden Vermutungen für mich immer noch im Dunkeln liegt – obwohl ich natürlich selbst ganz ähnliche Vermutungen habe. Nur traue ich mich dann eben kaum, sie zu sagen.
@Stephan: Tiefere Ursachen?
Diese Frage nach den oberflächlichen Rollenspielchen scheint mir nicht sehr produktiv zu sein, da kommt man nicht wirklich weiter. Vielmehr scheint mir @David Ludwig damit Recht zu haben, dass sich solches Verhalten für die akademische Karriere eher negativ auswirkt.
Viel spannender fände ich die Frage nach tiefer liegenden Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Für die Beziehung zwischen Schönheit und Kompetenz gibt es ja Forschungen, wie ist es mit der Frage nach der Beziehung zwischen Geschlecht und Bewertung? Wie sieht es mit Sublimierung aus, also damit, dass gerade verdrängte Gefühle (etwa für die natürliche erotische AUsstrahlung) immer noch wirken – aber dann als Begeisterung für die Leistung interpretiert werden (müssen)? Kann es dann überhaupt Bewertungen der Kompetenz ohne implizite Mitberücksichtigung der Erscheinung geben?
Geht es dann überhaupt ohne Sexismus nach Deiner Definition? Gibt es dann nicht immer Nach- oder Vorteile aufgrund des Geschlechtes?
@all
Wenn Noït Atiga damit
“Geht es dann überhaupt ohne Sexismus nach Deiner Definition? Gibt es dann nicht immer Nach- oder Vorteile aufgrund des Geschlechtes?”
recht hat, sollte es dann nicht weniger um die Abschaffung von Vor- und Nachteilen gehen, sondern mehr um eine Art global-ausgleichenden Verteilung?
Und würde das nicht bedeuten, daß die bisherige Geschlechterpolitik der Symmetrisierung nutzlos ist?
Klingt plausibel
…und trifft sicherlich in Teilen zu, beispielsweise, wenn mit einer großen Natürlichkeit eine Frauenquote gefordert wird (statt einer Geschlechterquote, was deutlich nachvollziehbarer wäre), nichtsdestotrotz gibt es Sexismus und andere gruppenbezogene Menschenfeindlichkeiten. [1]
MFG
Dr. W
[1] gerade weil der Sexismus zu dieser Gruppe gehört – dazu braucht es keinen Heitmeyer, um derart systematisieren zu können – gilt es besonders vorsichtig zu sein mit den Vorwürfen
@Webbär: indirekt/direkt unnötig
Die Unterscheidung direkt/indirekt haben Sie eingeführt. Bei mir ging es um Benachteiligung allgemein, nicht nur um direkte.
Mein Punkt ist: Auch wenn man z.B. solche Ansichten hat, dass etwa Frauen nicht einparken oder Männer nicht mehrere Dinge gleichzeitig tun können, dann kann man sich dieser Gedanken doch bewusst werden und ihnen entgegensteuern, indem man etwa denkt: Ich weiß, dass das ein unbegründetes Vorurteil ist und daher stelle ich die Frau vielleicht doch als Fahrerin ein oder den Mann vielleicht doch als Callcenter-Mitarbeiter.
Wenn man sich beleidigend über Gruppen äußert, dann ist das vielleicht ein anderes Problem – das sich dies dann speziell und sinnvoll unter dem Label “Sexismus” diskutieren lässt, ohne dass es jemals zu einer tatsächlichen Benachteiligung kommt, das bezweifle ich. Nur darum geht es mir hier.
@Elmar: Nette Frauen
Ich weiß nicht, wie du über Frauen allgemein denkst, aber mit den meisten habe ich durchaus gute Erfahrungen gemacht. Mal ein Beispiel:
Am Weltfrauentag 2012 habe ich in Groningen fünfunddreißig Frauen Rosen geschenkt. Vierunddreißig davon haben sich darüber (z.T. sehr) gefreut; die fünfunddreißigste war eine philosophische Feministin.
Mir ging es darum, dass Frau Becker im Interview schrieb, so etwas wie ein “Dummerchen” gebe es in der Praxis nicht. Das entspricht nicht meiner Erfahrung (siehe Beispiele im Text). Wie repräsentativ das ist, das kann ich nicht sagen; meiner Erfahrung nach sind es jedoch eher die seltenen Ausnahmen als die Regel.
Und im Übrigen, darauf habe ich ja verwiesen, haben nicht nur Männer, sondern auch Frauen, die nicht das “Dummerchen” spielen wollen, auch ein berechtigtes Interesse daran, dass solche Strategien nicht zum Erfolg führen.
Analog: Wenn ein Dozent einer Studentin, die z.B. mit einem tiefen Ausschnitt in die Prüfung geht, eine bessere Note gibt, dann benachteiligt er ja gerade nicht diese Studentin, sondern die anderen Studentinnen und Studenten, die nicht bereit sind, sich so anzuziehen bzw. es gar nicht können.
@Noït: Ja, Ursachen!
Wenn es in der allgemeinen Arbeitswelt vorkommt, dass sich Menschen aufgrund sexuell konnotierter Machtspielchen Vorteile verschaffen, warum soll das dann nicht auch in der Wissenschaft vorkommen?
Zur Notwendigkeit, mehr über die Ursachen von Sexismus zu erfahren, habe ich ja in meinem ersten Beitrag über Sexismus schon geschrieben (Sexismus in der Sexismus-Debatte). Idealerweise fängt man dann aber mit einer klaren Definition an, damit man nicht aneinander vorbei forscht.
Es könnte übrigens auch sein, dass man überkompensiert. So habe ich mich z.B. beim Organisieren meiner letzten Tagung gefragt, ob ich nun nicht vielleicht schon Männer benachteilige, weil ich relativ gesehen zu viel Zeit in das Einladen von weiblichen Vortragenden gesteckt habe. Ähnlich könnte z.B. eine Richterin, die denkt, dass Frauen männliche Sexualstraftäter zu stark bestrafen (zu stark im Sinne von stärker, als es das Gesetz eigentlich vorsieht), einen solchen auf einmal zu leicht bestrafen, weil sie sich eben nicht sexistisch verhalten will.
Lieber Herr Schleim
, der Schreiber dieser Zeilen, der glaubt den Rassismus und den Antisemitismus recht gut verstanden zu haben, ist beim Sexismus auch vglw. unsicher.
Sie schreiben u.a.: ‘wenn man z.B. solche Ansichten hat, dass etwa Frauen nicht einparken oder Männer nicht mehrere Dinge gleichzeitig tun können’
Wie wäre diese Feststellung einzuordnen? Was, wenn sie auf den Durchschnitt bezigen wahr wäre, auf die große Zahl bezogen? Was wäre, wenn Frauen im Durchschnitt kleinere Gehirne hätten als Männer? Wäre das festzustellen x-istisch, gälte es hier vorzubeugen oder ‘gegenzusteuern’?
A: Nöh. Denn es kann so sein und wenn es nicht so ist, muss keine Böswilligkeit bei der Einschätzung vorhanden gewesen sein.
Insofern scheint es schon gut sich an der oben genannten Rassismus-Definition festzuhalten und davon ableitend eine Sexismus-Definition hinzubekommen.
Irgendwas mit: ‘views, practices and actions reflecting the belief that […] share certain attributes which make that group as a whole less desirable, more desirable, inferior or superior.’
MFG
Dr. W
@Stephan: Konkrete tiefere Ursachen?
Ausschließen kann man Einflüsse auf die Wissenschaft zwar nicht, aber dort geht es immer noch erstmal um das Veröffentlichte – und dort sind die Rollenspielchen nicht mehr so tragfähig.
Dass man(n) gerade heute überkompensiert, davon bin ich überzeugt. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen wirken eben gewisse Sympathien oder Apathien auch wenn man sie nicht bewusst bedient, sie sind einfach immer in uns. Und wer als Mann Frauen mag, der wird nunmal von einer schönen oder interessanten Frau betört sein – ob er will oder nicht. Und einer Frau wird es mit Männern nicht viel anders gehen. Der einzige Unterschied liegt wohl im gleichen Geschlecht – da ist Männern allgemein die Erscheinung etwas weniger wichtig als Frauen.
Aber gerade darum scheint es mir bei der Diskussion um lüsterne Professoren wichtig, darauf hinzuweisen: Kaum ein Mensch ist ein asexuelles Wesen. Man mag es zwar mehr oder weniger ausdrücken, aber auch das Verdrängte wirkt – oft sogar noch stärker! Vielleicht sind dann sogar die anscheinend lüsternen Professoren die am wenigsten sexistischen – weil sie ihrer ‘Lüsternheit’ die Existenz als solche gestatten, müssen sie diese Lüsternheit nicht in die Noten sublimieren.
Deine allgemeine Diskussion im ersten Teil in allen Ehren, aber zu dem Thema hier fand ich dort auch keine tiefere Auseinandersetzung. Und gerade im Zusammenhang mit Bewertungen wird das Überkompensieren oder Sublimieren sogar noch tragischer als im allgemeinen Umgang. Daher sehe ich die Sache in der Tat ähnlich wie @Elmar Diederichs oben ausführte: Absolute Abschaffung von Vor- und Nachteilen ist unmöglich – vielmehr müssen wir uns wieder als Frauen und Männer begegnen können und dürfen, dann kann Benachteiligung entfallen.
Dann müsste aber Deine Definition etwas mehr nuanciert werden – einfach auch weil wir nunmal alle in männlich und weiblich denken müssen, ob Frau oder Mann. Und weil uns das biologisch nicht abtrainiert werden kann, sondern allenfalls sublimiert. Und dann ist der Webbaersche Definitionsvorschlag gar nicht so schlecht.
@Webbär: nicht so schnell
Verdrehen Sie hier bitte nicht die Worte – “Frauen können nicht einparken und Männer nicht mehrere Dinge gleichzeitig tun” ist eben eine andere Aussage als diejenige, dass Frauen bzw. Männer im Mittel dieses oder jenes etwas besser/schlechter können. Gender-Forscher legen meines Wissens zudem Wert darauf, dass solche Unterschiede anerzogen sind, nicht angeboren; doch das ist wohl eine nie endende Debatte und spielt für die Definition hier keine Rolle.
Selbst wenn Sie in einem fairen und repräsentativen Versuch feststellen, dass Frauen im Mittel schlechter einparken und Männer im Mittel nicht mehrere Dinge gleichzeitig tun können, dann bleibt es dennoch sexistisch, diesen Mittelwertunterschied allein aufgrund des Geschlechts auf eine Einzelperson zu beziehen. Wenn Sie aber die Bewerbung einer Frau/eines Mannes ablehnen, weil diese(r) tatsächlich die nötige Fähigkeit nicht beherrscht, dann ist das nicht sexistisch, sondern rational.
Das passt alles zu meiner Sexismus-Definition, auch wenn Sie noch hundertmal hier Ihre Liblingsdefinition von Rassismus zitieren. 😉
@Noït: viel mehr
Es geht doch um viel mehr als nur Veröffentlichungen, z.B. um Ressourcen, um an bessere Veröffentlichungen zu kommen. Ferner mag es z.B. vorkommen, dass Paare einander als Autoren mit aufs Paper nehmen – das ist für beide eine Win-Win-Situation, gerade auch dann, wenn die Partner gar nicht an den entsprechenden Papers mitarbeiten. Publikationen gratis sozusagen.
Aber auch wenn solche “Sympathien” ins uns sind – was wohl nicht erst eine Erkenntnis der Gegenwart ist (z.B. Freud, 1917, und seine Vorgänger) –, ist das dennoch etwas anderes, als aufgrund dieser Sympathien zu handeln.
Mal ein Beispiel aus einem anderen Kontext: Ich hegte einmal Sympathien für einen Forschungsantrag, den ich beurteilen sollte; im Bewertungsformular des FWF stand jedoch, dass man bei Vergabe der Bestnote dies extra erklären müsse. Daraufhin habe ich mir den Antrag noch einmal genauer angeschaut und mir sind doch ein paar Schwachpunkte aufgefallen, sodass ich trotz meiner Sympathien nicht die Bestnote vergab. Warum denkst du und viele andere eigentlich immer so oberflächlich?
Auch das ist sehr oberflächlich. Es hängt doch auch von dem Kontext ab: Hast du gerade viel Stress, kommst du von der Beerdigung, bist du betrunken… Vielleicht hast du die Erfahrung gemacht, dass oberflächlich schöne/interessante Frauen oft ziemlich unsicher sind und stößt dich das ab?
Auch hier gibt es keinen so einfachen Determinismus.
In jedem Fall ist es aber etwas anderes, Sympathien zu hegen und aus ihnen heraus zu handeln. Jeder, der z.B. eine wissenschaftliche Tagung organisiert, kann sich einmal die Frage stellen: Habe ich darauf geachtet, auch Frauen einzuladen? Dann sollte es einem auch nicht passieren, nur eine Tagung mit Männern zu organisieren, sofern die Frauen nicht alle absagen.
Ich kann die Ursachen von Sexismus nicht erklären; immerhin habe ich aber z.B. auf das Risiko des Positiven Hypothesentestens hingewiesen: Wer z.B. davon ausgeht, dass Männer Frauen systematisch benachteiligen, der wird – als Frau – persönliche Rückschläge auch systematisch so deuten, selbst wenn man im Einzelfall gar nicht wegen seines Geschlechts abgelehnt wird.
KörbchenKochMehrin
“Empfehlen Professoren ihren weiblichen Studierenden, sich für Prüfungen möglichst leicht zu bekleiden?”
Soweit ich es an der Uni mitbekommen habe, ja. Das scheint (insb. bei den sogenannten Geisteswissenschaften) so üblich, einfach weil dadurch bessere Noten erreicht werden können. Erfolg, darum geht es. Und ohne bestimmte soft skills (Herkunft, rhetorische Begabung, optische Begabung, etc., je nach Gender) ist Karriere nunmal mühsam, daher wohl dieser beidseitige Konsens. Ob man das nun schön findet oder nicht, so funktioniert nunmal unsere Gesellschaft, durch Blendung, Busen, laute Worte; und mitten darin der um sich selbst bemühte, unpolitische, selbstgefällige universitäre Betrieb.
Herr Schleim
Der Autor dieser Nachricht hat genau dasselbe geschrieben, Ihre Aussagen sind keineswegs verdreht worden.
Sie können sich nicht so recht mit diesem Mantel einer Sexismus-Definition anfreunden – ‘views, practices and actions reflecting the belief that […] share certain attributes which make that group as a whole less desirable, more desirable, inferior or superior.’ – gell?!
Ihre Definition, oder darf es ein Definionsversuch (siehe Artikeltext) genannt werden oder bleiben?, ist wirkungszentriert.
Er ist die Ideologie des Sexismus umgehend, will sie wohl nicht bestimmen, und leistet auch nichts zur Meinungsäußerung, die ja erst einmal nicht benachteiligt, sondern eben äußert.
MFG
Dr. W (der Ihr Bemühen natürlich goutiert, selbst auch (noch) nicht mit einer passenden Definition aushelfen kann, auch dankbar ist für die Feststellung der Miserabilität der gegebenen Definitionen oder Definionsversuche, oft auch dem Hause Heitmeyer folgend)
*
* Definitionsversuche
Niemand hasst das hiesige Feedback-System ohne Voranschau wie der Schreiber dieser Zeilen, der aber aus prinzipiellen Gründen nicht auf externe Tools zurückgreifen will.
Dafür ist angeblich kein Geld da, woll?
MFG
Dr. W
@Stephan: Loch im Wesentlichen
Oberflächlichkeit anderen vorzuwerfen ist zwar gut und schön, aber dann solltest Du wenigstens selbst sorgfältig sein und die Kritikpunkte aufnehmen. Und weil Du das sehr oft nicht tust, darum scheinen Dir auch alle anderen oberflächlich. Deine Entgegnung geht auf das eigentliche und von Dir gestellte Problem nämlich nicht ein: Was Lüsternheit in Prüfungssituationen mit gegenseitiger Anwesenheit (= mündlichen) bedeutet.
Was Du als Entgegnung auf meinen Einwurf anführst, das dreht sich nur um schriftliche Arbeiten – aber um die ging es oben nicht. Dass man dort sich korrigieren kann habe ich bei gestandenen Personen vorausgesetzt. Obwohl es auch dort Einflüsse gibt, die man nicht wirklich korrigieren kann, aber die liegen weniger auf dem Bereich des Sexismus. Und ich habe keineswegs behauptet, dass meine Ausführungen zu Sympathien und Apathien innovativ wären – es ging einfach nur um die Erklärung, dass sie hier relevanter sind als Deine Ursprungsdarstellung vermuten lässt.
Ich schrieb auch keineswegs von einfachem Determinismus – lies doch bitte nicht so oberflächlich. Ich nannte sowohl Apathien als auch Sympathien, betonte dann aber eine Seite – jene, die Du in Deinem Artikel ebenfalls betont hattest (allerdings nur für die seichten Rollenspiele). Und damit habe ich mit Deinem Artikel nichts anderes gemacht als Du mit Deiner Vorlage. Dabei habe ich Dir nicht einmal Oberflächlichkeit vorgeworfen, sondern schrieb von meiner Perspektive – Du hättest gern Deine verteidigen dürfen, man kann ja der Meinung sein, dass z.B. Sublimierung in Prüfungssituationen viel weniger relevant ist als ein paar seichte Rollenspiele.
Und es wäre dann durchaus eine gute Frage, wie gut man denn in mündlichen Prüfungssituationen noch die Sympathien bearbeiten/korrigieren kann. Und ob das nicht gerade dann besser geht, wenn man zu seiner Sympathie stehen darf, also das Gegenüber (im Bereich der hiesigen Diskussion) nicht nur asexuell sehen muss. Und ob man dann nicht auch generell besser den Weg einer global-ausgleichenden Verteilung anvisieren sollte.
@UniCart: Erfolg zu welchem Preis?
Auch wenn mir Ihr peppiger Stil gefällt, scheinen Sie es sich etwas zu leicht zu machen: Es geht nicht nur um Erfolg, sondern um Erfolg zu einem bestimmten Preis.
Mancherorts mag es mehr oder weniger toleriert sein, für eine Beförderung bestimmte private Einbußen oder man könnte es auch Anpassungen in Kauf zu nehmen: Verzichte ich auf Teile meines Privatlebens, auf Urlaub, auf andere Interessen, gehe ich sogar so weit, im Beruf etwas zu tun, was meinen persönlichen Werten widerspricht (habe ich überhaupt solche Werte und, wenn ja, was sind sie, woher kommen sie?) oder erweise ich in letzter Konsequenz zum Erreichen eines Ziels sogar einen sexuellen Dienst?
Manchen Menschen geht es aber gar nicht nur um Erfolg, sondern vielleicht auch um ein stabiles Freundes- und Familienleben, um nachhaltiges Glück usw. Hierzu kann ich z.B. die Beiträge meiner Ko-Bloggerin Trota von Berlin in der Kategorie Joie de Vivre empfehlen. Ich habe auch schon hin und wieder über das Gute Leben geschrieben, verstehe das aber wohl mehr als Selbsttherapie und nicht als allgemeinverbindliche Vorschriften für alle.
Bleiben Sie bei Ihrer Meinung: Es geht um Erfolg? Glauben Sie das selbst?
Herr Webbär!
Schön und gut – ich habe schon verstanden, dass Ihnen meine Definition nicht gefällt.
Wollen Sie mir vielleicht endlich ein Beispiel dafür nennen, dass meine Definition ein Problem in der Praxis nicht fasst, das wir sinnvollerweise doch unter dem Etikett “Sexismus” diskutieren müssten?
Oder wollen Sie hier wie in einer Endlosschleife aus der Wikipedia zitieren?
@Noït:oberflächlich bleibt oberflächlich
Du schriebst (und ich zitierte eben schon):
Das hört sich für mich klar deterministisch und oberflächlich an (“wird nunmal” … “ob er will oder nicht”) und ich habe konkrete Gegenbeispiele genannt. Du könntest vielleicht zeigen, warum meine Gegenbeispiele (z.B. Effekt des Kontexts, des Lernens durch Erfahrung usw.) keine guten Gegenbeispiele sind aber ansonsten werde ich eben weiter davon ausgehen (müssen), dass du deterministisch und oberflächlich argumentierst.
Jetzt zu den mündlichen Prüfungen: Ich kann es natürlich nicht beweisen aber könnte mir auch vorstellen, dass der eine Dozent oder die andere Dozentin auch ganz gegenteilig reagiert, wenn er oder sie so einen billigen Manipulationsversuch erkennt, und dann vielleicht sogar extra streng prüft.
Ich würde mich jedenfalls beleidigt fühlen, würde z.B. eine Studentin denken, sie würde von mir mehr Punkte bekommen, nur weil sie etwas mehr Dekolleté zeigt. Ich werde mich gelegentlich bei unserer Prüfungskommission erkundigen, ob es hierfür eine Richtlinie gibt.
Persönlich habe ich mir übrigens vorgenommen, Hausarbeiten in Zukunft nur noch Pseudonymisiert zu korrigieren, d.h. dass die Studierenden dann nicht mehr ihren Namen, sondern nur noch ihre Studierendennummer in die Arbeit schreiben.
Diese Idee entstand jedoch nicht aus der Beobachtung, dass ich Frauen benachteiligen würde – im Gegenteil bekommen weibliche Studierende bei mir oft bessere Noten, dazu mehr im nächsten Teil –, sondern dass bestimmte Erwartungen, z.B. ob jemand im Kurs besser oder schlechter war, sich auf die Leseweise der Hausarbeiten auswirken und mich das stört.
Probleme mit der Sexismus-Definition
des Artikel…
Sicher, stand ja alles schon da. Wenn Sie oder jemand denkt, dass Frauen minderwertig sind, ist das sexistisch, wenn auch schwer nachzuweisen.
Wenn Sie oder jemand sagt oder schreibt, dass Frauen minderwertig sind, ist das sexistisch und nachweisbar, aber eben nicht, wie in Ihrem Definitionsversuch gefordert: benachteiligend.
Erst der Gedanke, dann die Rede, dann die Aktion, all dies kann x-istisch sein.
Es bringt nüscht wirkungszentiert zu definieren, wenn X-Ismen zu identifizieren sind.
MFG
Dr. W (der es für heute gerne gut sein lässt, besseres Wetter ahnend, zusammen wird man eine Lösung finden, das hiesige kommentarische Personal ist ja begabt, wie der Schreiber dieser Zeilen findet)
@Stephan: Eins nach dem Andern
Zunächst einmal muss man sehen, dass wir auf sexuelle Attraktivität nicht nicht reagieren können (insofern sind wir biologisch determiniert). Wenn wir jemanden insofern attraktiv finden – wie auch immer das für das Individuum definiert ist (darum schön oder interessant!) -, dann reagieren wir darauf. Wir werden betört.
Eine ganz andere Frage ist dann, wie wir daraufhin reagieren. Da spielen die von Dir angeführten Kriterien mit – aber wohl überwiegend gegen einen Ausgleich. Und selbst die Unsicherheit, soweit sie nicht schon zu fehlender Attraktivität führt, bewirkt noch lange nicht, dass man aus-gleich-en kann. Kurz: Deine Gegenbeispiele sind keine guten weil sie entweder schon zu fehlender Schönheit oder fehlender Interessantheit führen (Attraktivität wäre besser gewesen) und meinen Satz damit stützen – oder weil sie das Betört sein nicht mehr ändern können, sondern nur im Bereich der (Über)Kompensation wirken.
Ich kann mir das ebenfalls vorstellen – aber das ist dann auch wieder eine Benachteiligung wegen des Geschlechtes und damit aufgrund Deiner Definition Sexismus, zumal ja oft auch nur unterstellt werden kann, dass es ein Manipulationsversuch ist.
Und es trifft vor allem jene, die der ‘Lüsternheit’ keinen Raum geben können. Denn wer es kann, wer sich der betörenden Wirkung des anderen Geschlechtes nicht nur bewusst ist, sondern sie auch zulassen kann, der kann seine Gefühle viel besser einsortieren. Er muss nicht verdrängen oder sublimieren, sondern kann jedem Teil seiner Person die gebührende Stelle zuweisen. Dass man das heute hierzulande nicht darf, das kommt dann aber nicht wirklich den Frauen zugute.
Dass Du Hausarbeiten anonymisiert korrigieren willst finde ich gut. Allerdings hilft das wenn man die Personen vom Kurs her gut kennt nur bedingt – nicht selten kennt man dann gewisse Ausdrucksweisen, die sich wiederfinden…
@Webbär im Kreis
Wissen Sie, was eine petitio principi ist bzw. englisch question begging? Das heißt, dass man das Beweisziel schon in den Annahmen voraussetzt. Aus A folgt zwar A, das bringt uns in der Diskussion aber nicht weiter und es zeigt schon gar nicht, dass A der Fall ist.
Wenn ich Sie also Frage, warum schon ein Gedanke sinnvollerweise unter Sexismus (in praktisch – ethisch, juristisch, politisch – relevanter Weise, wohlgemerkt) fällt und Sie mir antworten, Gedanken seien eben sexistisch, dann kommen wir kein Stück weiter.
Genießen Sie das schöne Wetter – meine Vorhersage sprang gerade auf Regen um.
@Noit: Ja, eins nach dem anderen
“Betörung” ist natürlich ein wunderbar unklarer Begriff und du ruderst ja jetzt schon teilweise zurück (bsp. “Attraktivität”).
Das ist eben eine offene Frage, welche Maßnahmen wir treffen können, um z.B. auf körperliche Reize weniger anzusprechen. Manche Praktizierende religiöser Strömungen kommen einem Menschen vom anderen Geschlecht beispielsweise nicht zu nahe, sie versuchen, jemandem nur ins Gesicht zu schauen, nicht auf die (verdeckten) Geschlechtsmerkmale oder praktizieren Übungen, mit denen sie sich den körperlichen Verfall vor Augen führen. Wenn sie irgendwo etwas Erotisches sehen, schauen sie sofort weg – völlig automatisiert.
Wenn du das oft und intensiv genug verinnerlichst, wer sagt uns dann, dass das nicht funktioniert? Ich habe z.B. schon die Erfahrung gemacht, dass man mit dem Vorsatz über die Hamburger Reeperbahn läuft, sich von keiner der Prostituierten dort aufhalten zu lassen. Dann schaust du eben mit nicht-fokussiertem Blick auf die Straße vor dir und reagierst auch nicht, wenn sie dich ansprechen oder gar anfassen; einfach weitergehen – auch wenn die jeweilige Frau noch so sehr deinem (äußerlichen) Idealtypus entspricht. Ein Gedanke: “Die wollen nur mein Geld und interessieren sich gar nicht für mich”, kann auch dabei helfen.
Weil du mit solchen Möglichkeiten nicht rechnest, sondern einen einfachen biologischen Determinismus voraussetzt, ist deine Argumentationsweise eben oberflächlich.
Nein, das ist falsch. Es geht in meiner Definition von Sexismus nicht nur um beliebige Benachteilungen, sondern um Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts bzw. der Geschlechterrolle (siehe oben).
Einen Studenten/eine Studentin strenger zu prüfen, weil er oder sie versucht, sich durch ein nicht vorgesehenes Mittel in einer Prüfung einen Vorteil zu verschaffen, ist gerade keine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.
@Stephan: Uni ist keine Reeperbahn!
Nein, Deine Pseudo-Rechtfertigungen sind oberflächlich, denn sie verhindern die Diskussion um die wirklich wichtigen Themen – etwa wie man die durch jede Sublimierung notwendig entstehende Ungleichheit wenigstens minimieren kann. Denn in der Sache bringen Deine Ausführungen leider nichts, ist doch die Uni keine Reeperbahn!
Einerseits sind nämlich deine ‘Möglichkeiten’ an der Uni einfach keine – denn Du musst die Kandidatin nunmal genauso anschauen wie den Kandidaten. Und da kannst Du zwar nur in das Gesicht schauen, aber schon das verrät uns das Wichtigste. Ganz zu schweigen von der Stimme – auf die Du garantiert nicht verzichten kannst. Weiblichkeit oder Männlichkeit kannst Du also gar nicht ignorieren. (Ganz abgesehen davon, dass manche dieser Möglichkeiten ihrerseits wieder diskriminierend sind – Stichwort Wegschauen, wenns anziehend wirkt.)
Andererseits kann man zwar allerlei Magie treiben, um sich scheinbar vor erotischer Ausstrahlung zu schützen. Das bleibt aber immer noch Sublimierung, das unterdrückt nur die entsprechenden Regungen, nicht das ursprüngliche Gefühl – und das dürfte dann sogar unbewusst wirken! Also noch weniger gut kontrollierbar, noch ungerechter.
Ich behaupte ja nicht, dass sich Professoren wie wild auf ihre Kandidatinnen stürzen würden. Sondern nur, dass erotische Ausstrahlung auch sie der (ganz) nüchternen Überlegung beraubt – wie das Wort im Duden definiert wird. Und da habe ich mit meiner Aussage überhaupt nicht zurückgerudert – es ging mir nur um eine allgemeinere Formulierung, damit Du Dich nicht noch auf einen andern unsinnigen Grabenkampf stürzt, was denn die genaue Definition von Schönheit oder Interessantheit bedeute. Wobei Attraktivität schon wieder einen Teil des ursprünglich gemeinten negiert – denn sie ist weit rationaler überformt.
Hier bist Du nun eindeutig zu oberflächlich!
Denn wenn Du bei der Frau Manipulationsmöglichkeit annimmst, dann diskriminierst Du sie aufgrund ihrers Geschlechtes! Du sagst ihr nämlich, als Frau darfst du in meiner Prüfung nicht erscheinen (also bitte kein irgendwie weibliches Outfit) – sonst benote ich dich strenger. Der Mann hingegen, der darf als Mann erscheinen (also wie immer) – das legst Du ihm ja nicht als Manipulation aus.
Und bevor Du Dich wieder darauf zurückziehst, das könne man ja alles kontrollieren oder wissen – erinnere Dich vielleicht mal an Deine Aussage nebenan, dass das gerade nicht der Fall ist: Auch die professorale Intention hat Grenzen!
@Noït: Was erzählst du da?
Ich habe keine “pseudo-oberflächlichen Rechtfertigungen” angestellt, sondern nur anhand einiger praktischer Beispiele deinem biologischen Determinismus widersprochen.
Dass die Menschen, die derart gegen erotische Anziehungskraft vorgehen, dann auch noch unbewussten Folgeeffekten unterliegen, ist deine reine Spekulation.
Du hast mit Schönheit und Interessantheit von Frauen angefangen – jetzt sind wir schon bei Gesichtern und sogar Stimmen. Nun ja, ich bestreite nicht, dass auch diese Teile eines Menschen anziehend wirken können aber dann haben wir es eben nicht mehr mit dem ursprünglichen Problem zu tun, dass ja angeblich manche Professoren ihren Studentinnen empfehlen würden, etwas leichtere Kleidung zu tragen, die eben mehr Körper zeigt.
In was für einer Welt lebst du denn? Auch Männer können sich attraktiv kleiden. Ich habe gerade gestern in einem Café einen Mann gefragt, ob er wisse, wo man hier Fahrräder kaufen kann, schließlich bin ich gerade umgezogen; bei seiner Antwort hat er mich gleich zweimal angefasst. Vielleicht ist er schwul.
Nochmal: Ich sprach von der Möglichkeit, eine Studentin/einen Studenten etwas strenger zu prüfen, weil man den Verdacht hegt, sie/er wolle sich durch besonders erotische Kleidung einen Vorteil verschaffen. Das Geschlecht spielt hier gar keine entscheidende Rolle, sondern die erotische Kleidung und die Manipulationsabsicht. Das sich das nur gegen Frauen richten könnte, ist allein deine Erfindung.
Danke, das ist nicht nötig, denn weder habe ich mich darauf zurückgezogen, noch würde ich das tun, solange ich noch ein gewisses Maß an bewusster Kontrolle besitze.
Also, um auf die Überschrift zurückzukommen: Noït, was erzählst du da eigentlich?
@Stephan: Lies Dich mal selbst!
Du kämest nicht darauf zurück, die Dinge seien ja zu kontrollieren und zu wissen – aber am Anfagn desselben Kommentars behauptest Du, man könne erotische Anziehungskraft kontrollieren, ganz ohne Nebeneffekte. Ich dachte immer, Du hättest auch Psychologie studiert, dann solltest Du wissen, dass sowohl Kontrolle als auch Wissen beschränkt sind und dass jede Kontrolle ursprünglicher Gefühle zur Sublimierung führt – die wiederum zu teils unbewussten Folgeeffekten. Aber mit der Professur darf man solches Basiswissen wohl als Stephan Schleim vergessen…
Und Schönheit gibt es gerade bei Gesichtern – und das Interessante am Menschen steht ihnen ins Gesicht geschrieben, gerade auch Frauen. Es ist etwas primitiv davon auszugehen, dass Frauenkörper nur unterhalb des Halses erotisch wären. Und auch die Stimme verrät nicht wenig über gewisse Aspkekte des Körperbaus.
Dein urspüngliches Problem war der Sexismus, waren lüsterne Professoren. Und ich meine, dass die scheinbar lüsteren Professoren nur die ehrlicheren sind, die sich nicht vormachen, sie könnten alle ihre Gefühle beherrschen. Sie könnten den KandidatInnen wie asexuelle Wesen gegenüber treten. Mir ist leichte Kleidung auch nicht prüfungsgeeignet, aber bei einem Vortrag ist für die Person und Situation angemessene Kleidung durchaus nicht nebensächlich. Wer sich das aber einbildet, der täuscht sich und andere.
Und sorry: Zwar können sich auch Männer attraktiv kleiden, aber außer bei Frauen oder bei homo- bzw. bisexuellen Männern wird das keine erotischen Gefühle erzeugen. Dazu kommt noch, dass sich Männer nunmal in der Regel nicht schminken und nicht erotisch kleiden – wenn Du also bei erotischer Ausstrahlung strenger prüfst, dann benachteiligst Du jedenfalls als bisexueller Mann die Frauen. Für alles andere dürftest Du dann (wenn Du keine Ausnahme bist) sowieso nicht sonderlich empfänglich sein, also Du würdest es schon nicht gleichermaßen interpretieren. Und da sind wir wieder bei dem Problem, was Du so hartnäckig verneinst: Du behauptest implizit, Du könntest Manipulation(sabsicht) von normalem Sein unterscheiden. Was Du aber nur glaubst.
Und wenn Du noch Zitieren lernst, wärs auch nicht schlecht: ich schrieb, dass “Deine Pseudo-Rechtferigungen [] oberflächlich [sind]”; nicht von “pseudo-oberflächlichen Rechtfertigungen”.
@Stephan Schleim
“Das ist eben eine offene Frage, welche Maßnahmen wir treffen können, um z.B. auf körperliche Reize weniger anzusprechen. …”
Damit nähern Sie Sich meines Erachtens der Sache langsam an. Ich möchte aber davon Abstand nehmen den Begriff “Sexismus” immer enger zu fassen, sondern trete lieber einen Schritt zurück um das ganze Bild auf mich wirken zu lassen. Vielleicht auch, weil man als Frau nicht in dem Ausmaß auf die körperlichen Reize eines Mannes reagiert wie dies umgekehrt der Fall zu sein scheint.
Im normalen Alltags- oder Berufsleben sind wir jedoch ständig von Personen umgeben, die einem mehr oder weniger sympathisch sind. Bei Sympathie sagt man für gewöhnlich, dass die Chemie stimmt, bei Antipathie hört man oft, dass man sich nicht riechen kann. Man kann sich jedoch sein Gegenüber oft nicht aussuchen. Muss man von Berufs wegen Leute beurteilen so will man sich nicht von seinen Gefühlen leiten lassen. Man möchte schließlich als gerecht gelten. Das Zauberwort heißt hier Professionalität, d.h. man bewahrt Haltung und lässt sich seine Gefühle nicht anmerken. Zur Not kann man sich ja ähnlich behelfen wie Sie es hier beschrieben haben. Mir selbst hilft es, wenn ich mir vergegenwärtige wie ich mich in einer normalen Situation verhalten würde und mir das dann zum Programm mache. Ist einem ein Mensch unangenehm genügt es oft schon, wenn man auf allgemeine Höflichkeitsfloskeln zurückgreift, um die Situation zu entspannen. Starken Gefühlen kann man Herr werden indem man sich nicht von ihnen übermannen lässt (ein schönes Wort ;-)), sondern sie loslässt. Durch Zen-Meditation lässt sich “Unvoreingenommenheit”, d.h. die Nichtanhaftung an bestimmte Gedanken oder Gefühle, trainieren. Denn wenn man den Kopf frei hat, dann kann man in jede beliebige Richtung entscheiden oder handeln.
Ach ja! Da ich mich auf Michael Blumes Blog kürzlich mit @Noit Atiga über Esoterik unterhalten habe fällt mir noch ein, dass mir jemand mal eine Schüttelübung aus dem Qi Gong gezeigt hat mit der man sexuelle Spannungen auflösen kann. Ähnliches haben übrigens die Shaker praktiziert, die laut Michael Blume dann auch ausgestorben sind. Scheint also zu wirken. 🙂
@Mona
Professionalität klappt vielleicht für das Verhalten, man kann seine Gefühle also in den Interaktionen mit Anderen unter Verschluss halten. Dem stimme ich gern zu. (Obwohl ja gerade Paul Ekmann nachgewiesen hat, dass sich jedenfalls die universellen Gefühle immer in ununterdrückbaren Mikroexpressionen äußern.)
Problematischer aber ist gerade aus psychologischer Sicht: Welche Nebenwirkungen gehen damit einher. Und die Grundregel ist, dass sich Verdrängtes ein Ventil sucht, was dann zwischenmenschlich meist schlechter zu bearbeiten ist. Gerade auch im Umgang mit Menschen kann solche verdrängte Gefühlseinstellung zu einigen Komplikationen führen. Der Andere weiß dann nicht woran er ist (gerade ob der Mikroexpressionen ist die Interpretation für ihn schwierig) – und das Unbewusste des Verbergenden findet einen Weg, die Gefühle doch zu äußern.
Mit Zen-Meditation kann man sicher seine Gefühle insgesamt bändigen, man kann gegenüber Allem gleich-gültiger werden. Aber mir scheint das kein absolut gangbarer Weg zu sein. Vielleicht sind wir aber schon auf diesem Wege, jedenfalls in Deutschland. Wir bemühen uns darum, dass andere Geschlecht nicht mehr anziehend zu finden, ihm im Alltag nahezu asexuell zu begegnen. Aber damit etablieren wir auch einen Großteil der zwischenmenschlichen Kälte – weil wir eben einen biologisch notwendigen Teil unseres Selbstes verdrängen oder abtrainieren.
Natürlich könnte man das Problem umgehen, indem man nur noch Mönche und Nonnen als Lehrer zulässt. Aber für alle Anderen scheint es mir richtiger, sich über die Existenz der Gefühle Rechenschaft abzulegen – gerade in Prüfungssituationen. Damit muss man ihnen nicht freien Auslauf lassen, aber ihre vollkommene Verleugnung schadet wohl beiden Seiten – dem Kandidaten kann sie hemmen (ob der emotionalen Interpretationsarbeit ablenken) und den Prüfer kann sie beeinflussen (auch ob seiner emotionalen Verschleierungsarbeit gedanklich weniger flexibel machen).
@Noït: ad personam
Du müsstest mich doch inzwischen eigentlich gut genug kennen, um zu wissen, dass du mich mit ad personam-/ad hominem-Attacken weder einschüchtern noch provozieren kannst. Warum versuchst du es dann immer wieder?
LOL, also weil die Mitglieder einer psychologischen Schule das dachten, ist es a) gültig für die gesamte Psychologie und b) wahr? Lies dich mal selbst!
Aus einer N=1-Beobachtung einen verallgemeinernden Induktionsschluss zu ziehen, spricht nicht gerade für guten argumentatorischen Stil.
Weißt du, in meiner neuen Wohnung habe ich noch nicht überall Licht, meine Brille ist verschmiert und es ist zu dunkel, um das Putztuch zu finden.
Immerhin ist das aber doch lustig, aus “oberflächlichen Pseudo-Rechtfertigungen” “pseudo-oberflächliche Rechtfertigungen” zu machen. Also ich habe da sehr herzlich drüber gelacht! Echt wahr.
(Gefühle soll man nicht sublimieren, sondern ausdrücken, hat mir vor Kurzem jemand empfohlen, sonst beeinflussen sie einen unbewusst.)
@Mona: attraktive Männer
Hmm, ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. Jedenfalls in den Bekannten- und Tanzkreisen, in denen ich mich so bewege, zeigen auch viele Männer, sagen wir mal so bis um die 40 Jahre, gerne ihre Muskeln – und tatsächlich sind ja Slim Fit und Skinny Jeans schon seit einigen Jahren auch für Männer erhältlich. Da, wo ich einkaufe, gibt es schon beinahe gar keinen Regular Fit mehr oder dann nur für die langweiligen Stücke.
Ich mache seit zwei bis drei Jahren Erfahrungen damit, wie Frauen (und Männer) auf verschiedene Kleidungsstile reagieren und inzwischen könnte ich wohl schon ein kleines Büchlein damit füllen. Mir scheint also, wenn man den Frauen etwas Optisches bietet, dann reagieren sie auch darauf.
Mal ein konkretes Beispiel: Haben Sie schon einmal gesehen, wie Abercrombie & Fitch Werbung machen? Und viele Frauen stehen regelmäßig dafür Schlange, um ein Foto mit den Muskelmännern in Flip-Flops und mit Elch auf der Unterhose machen zu dürfen.
(Gehen Sie sonst einmal ins Fitnessstudio, ins Schwimmbad, in die Sauna usw. und machen Sie halt Ihre eigenen Beobachtungen.)
Das “Shaken” sollte man ja nun nicht wirklich den AkademikerInnen empfehlen, so niedrig, wie die Geburtenrate da schon ist; Meditation halte ich für ein gutes Stichwort, auch wenn es meines Erachtens nicht unbedingt Zen sein muss.
@Stephan: Nimm doch mal das Thema auf
Vielleicht solltest Du das mal öfter tun, dann könnte man mit Dir ja womöglich wieder diskutieren…
Zum Rest: Lies Dir die Sache nochmal in Ruhe durch und frage Dich, warum Dich jede andere Sicht so allergisch macht. Warum Du eigentlich immer nur mit Ablehnung und Niedermachen reagierst. Allenfalls noch mit Pseudo-Rechtfertigungen über Nebenthesen, Hauptthesen nimmst Du ja gar nicht auf. Von Souveränität zeugt das jedenfalls nicht… Vielleicht ist ja Verdrängung die Ursache? Würde jedenfalls passen. 😉
Und es ist nicht nur eine Schule um die es da geht, das Prinzip ist allgemeiner…
Aber wenn Du dich auf andere Schulen berufen willst, dann entgegne mir doch mit den Argumenten dieser Schulen, statt in LOL auszubrechen. Argumentiere doch, statt immer nur Oberflächlichkeit anderer zu behaupten.
@Noït Atiga
“Problematischer aber ist gerade aus psychologischer Sicht: Welche Nebenwirkungen gehen damit einher. Und die Grundregel ist, dass sich Verdrängtes ein Ventil sucht, was dann zwischenmenschlich meist schlechter zu bearbeiten ist. Gerade auch im Umgang mit Menschen kann solche verdrängte Gefühlseinstellung zu einigen Komplikationen führen. Der Andere weiß dann nicht woran er ist (gerade ob der Mikroexpressionen ist die Interpretation für ihn schwierig) – und das Unbewusste des Verbergenden findet einen Weg, die Gefühle doch zu äußern.”
Gefühle die man loslässt haben keine Nebenwirkungen. Man verdrängt sie ja nicht gewaltsam in irgendeine Ecke seines Kopfes. Ein Beispiel: Neulich erzählte mir eine Bekannte aus ihrer Kindheit und wie sie unter ihrer Mutter litt. Zum Schluss weinte sie. Aus meiner Sicht sollte man mit solchen Dingen aber abschließen, weil man sie nicht mehr ändern kann. Sie sind Teil der Vergangenheit. Man kann seine schmerzlichen Gefühle zwar “anschauen”, aber man sollte sich von ihnen nicht mehr überwältigen lassen.
“Mit Zen-Meditation kann man sicher seine Gefühle insgesamt bändigen, man kann gegenüber Allem gleich-gültiger werden. Aber mir scheint das kein absolut gangbarer Weg zu sein. Vielleicht sind wir aber schon auf diesem Wege, jedenfalls in Deutschland. Wir bemühen uns darum, dass andere Geschlecht nicht mehr anziehend zu finden, ihm im Alltag nahezu asexuell zu begegnen. Aber damit etablieren wir auch einen Großteil der zwischenmenschlichen Kälte – weil wir eben einen biologisch notwendigen Teil unseres Selbstes verdrängen oder abtrainieren.”
Das trifft es nicht! Man wird nicht gleichgültiger, sondern eher sensibler, weil man sich bewusster mit seinen Gefühlen auseinandersetzt. Außerdem geht es auch nicht darum das andere Geschlecht nicht mehr anziehend zu finden, sondern darum, sich in einem unpassenden Moment nicht davon überwältigen zu lassen.
@Stephan Schleim
“Hmm, ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. Jedenfalls in den Bekannten- und Tanzkreisen, in denen ich mich so bewege, zeigen auch viele Männer, sagen wir mal so bis um die 40 Jahre, gerne ihre Muskeln – und tatsächlich sind ja Slim Fit und Skinny Jeans schon seit einigen Jahren auch für Männer erhältlich. Da, wo ich einkaufe, gibt es schon beinahe gar keinen Regular Fit mehr oder dann nur für die langweiligen Stücke.”
Sie meinen, dass auch Männer sexuelle Signale aussenden (möchten). Das ist sicher richtig und ich sagte auch nicht, dass man das, als Frau, nicht wahrnimmt. Mir ging es eher darum inwieweit sich jemand von diesen Gefühlen dermaßen überwältigen lässt, dass er nicht mehr klar denken kann.
“Ich mache seit zwei bis drei Jahren Erfahrungen damit, wie Frauen (und Männer) auf verschiedene Kleidungsstile reagieren und inzwischen könnte ich wohl schon ein kleines Büchlein damit füllen. Mir scheint also, wenn man den Frauen etwas Optisches bietet, dann reagieren sie auch darauf.”
Das ist sicher so. Ich habe früher als Fotografin gearbeitet und gelernt wie man “Optisches” einsetzt um einen bestimmten Effekt zu erzielen. Man könnte auch sagen, wie man andere damit manipuliert.
“Mal ein konkretes Beispiel: Haben Sie schon einmal gesehen, wie Abercrombie & Fitch Werbung machen? Und viele Frauen stehen regelmäßig dafür Schlange, um ein Foto mit den Muskelmännern in Flip-Flops und mit Elch auf der Unterhose machen zu dürfen.”
Ich habe als Fotografin das Ganze ja hinter den Kulissen erlebt und sehe in erster Linie die Arbeit, die hinter solchen Fotos steckt, insofern bin ich da vielleicht kein gutes Beispiel für Frauen, die “regelmäßig dafür Schlange, um ein Foto mit den Muskelmännern in Flip-Flops und mit Elch auf der Unterhose machen zu dürfen.” Ich denke da eher, dass die Firma eine gute Werbung für ihr Produkt gemacht hat, weil es ihr gelungen ist die Leute (Frauen) anzusprechen.
“(Gehen Sie sonst einmal ins Fitnessstudio, ins Schwimmbad, in die Sauna usw. und machen Sie halt Ihre eigenen Beobachtungen.)”
Ich bin immer als Beobachterin unterwegs, das ist eine alte Berufskrankheit.
“Das “Shaken” sollte man ja nun nicht wirklich den AkademikerInnen empfehlen, so niedrig, wie die Geburtenrate da schon ist”
Das sollte ein Späßchen sein!
Die Webbaersche Sexismusdefinition
steht nunmehr bereit:
Praxitest zur o.g. Definition
Es folgen ein paar Beispiele, die den Nutzen der o.g. Definition begründen. Es geht hier nur darum von der Umgrenzung geleitet Sexismus festzustellen, es geht nicht darum, ob die Test-Aussagen wahr sind oder ethisch angemessen.
1.) Alice rät den Frauen allgemein immer eine Schere dabei zu haben, weil Männer grundsätzlich dominant und aggressiv seien.
Einschätzung:
S. liegt nicht vor.
2.) Ali erzählt, dass Frauen das nervösere Geschlecht seien, sie deshalb zu ihrem eigenen Schutz vom Mann weitgehend verwaltet werden sollten.
Einschätzung:
Alis Aussage implitziert einen grundsötzlich geringeren Wert der Damenwelt, S. liegt vor.
3.) Rainer fängt zu später Stunde und unter dem Einfluss von Wirkstoffen an Laura körperbezogene Komplimente zu machen.
Einschätzung:
S. liegt nicht vor.
4.) Detlef sagt, dass ihm Frauen grundsätzlich unsympathisch sind.
Einschätzung:
S. liegt nicht vor.
5.) Detlef sagt, dass Frauen grundsätzlich unsympathisch sind.
Einschätzung:
S. liegt vor, es wird allgemein eine geringere Attraktivität festgestellt.
Wer noch Zeit & Lust hat, darf gerne versuchen die o.g. Definition als praxis-untauglich nachzuweisen.
MFG
Dr. W
noch ein Beispiel
6.) ‘Darwin hat dabei aus Sicht eines Biologen mit Sicherheit im Blick gehabt, dass bei allen Säugetieren – einschließlich des Menschen – das Männchen klar das prächtigere Geschlecht ist.’
Einschätzung
S. liegt vor, die Prächtigkeit kann so nicht pauschal festgestellt werden.
Prächtigen Demarkationswunsch!
Dr. Webbaer schrieb (11.04.2013, 07:50):
> Der Sexismus ist […] generell einem Geschlecht eine höhere Attraktivität oder einen höheren Wert zuzusprechen.
Argument:
“Eines der Geschlechter ist generell erheblich besser darin, mitochondriale DNA weiterzuvererben.”
Bewertung: (Sexismus?)
Revision der Begriffsdefinition bzw. des Messoperators: (Übungsaufgabe)
Wappler
, die unterschiedliche Vererbung von Männchen und Weibchen die direkten Nachkommen betreffend ist bekannt und manistiert sich in der Tierwelt bspw. beim Töwen oder beim Liger.
MFG
Dr. W (der Ihrer Akrobatik mal wieder nicht folgen kann, denn ‘besser zu sein’ war kein genanntes Merkmal im S.-Kontext)
@Noït: perpetuum mobile
Danke, Noït, aber deine Ferndiagnose meines Gefühlszustands ist so unnötig wie unzutreffend.
Mich macht hier überhaupt nichts allergisch. Was du “Ablehnung und Niedermachen” nennst, ist meines Erachtens vielmehr nüchternes Argumentieren. Du warst hier derjenige, der persönlich wurde und zwar ganz deutlich. Ich habe dir hier schon zigmal gesagt, dass du bei Menschen-Bilder nicht für bloßes Insistieren und aus Höflichkeit recht bekommst.
Ausführlichere Evidenzen kriegst du von mir genannt, sobald du selbst einmal mit Evidenzen argumentierst. Wie du mit meinen Evidenzen gegen deinen biologischen Determinismus umgegangen bist – vielmehr nicht umgegangen bist –, das hat man ja gesehen.
@Mona: Klischees vs. soziale Kontexte
Dahinter scheint mir sich das Filmklischee zu verbergen, dass Männer nicht mit dem Gehirn denken, sondern mit ihrem Schwellkörper unter der Gürtellinie; ferner ist es vielleicht auch anerzogen, dass manche Frauen denken, sie dürften ihre (sexuellen) Wünsche nicht zulassen oder zeigen.
Ich habe schon einige Frauen kennengelernt, die unter ihrer Schüchternheit leiden – und ich frage mich dann immer, woher kommt sie eigentlich?
Es ist aber doch interessant, wie hier (erfolgreich!) ein sozialer Kontext dafür geschaffen wird, dass sich junge Damen mit leicht bekleideten Männern, wie man sie sonst vor allem in Strip-Clubs finden würde, ablichten lassen, diese Fotos sogar in sozialen Medien hochladen und von ihren Freundinnen befürwortet werden.
Vielleicht liegt es also doch mehr als sozialen Kontext als am biologischen Geschlecht. Was denken Sie?
Ja – und war meine Reaktion darauf kein guter Witz? 😉
@Mona: Gefühle loslassen
Es kann sein, dass es hier interpersonale Unterschiede gibt. Will heißen: Wenn für Sie das Loslassen gut funktioniert, könnte für Ihre Bekannte das Darüber-Sprechen wichtiger sein.
Ich stimmte aber soweit zu, dass ich mich auch oft über diese Gesprächsbesessenheit der westlichen Psychologie ärgere. Wenn allerdings Ihre Bekannte seit so vielen Jahren (Jahrzehnten?) über ihre Kindheitserfahrungen spricht und immer noch so sehr darunter leidet, dann wäre Loslassen vielleicht einmal einen Versuch wert.
Vielleicht ging es ihr aber gar nicht so sehr um ihr vergangenes Leid, sondern um Ihr gegenwärtiges Mitleid?
Ich halte es hier übrigens gerne mit Depeche Mode: Enjoy the Silence.
P.S. Denken Sie eigentlich, Loslassen und Verdrängen lassen sich klar voneinander trennen?
@Webbär: Definition
Danke für diesen interessanten Definitionsvorschlag.
… Handlungen begründet … zwischen den biologischen Geschlechtern Unterschiede bestehen … einem Geschlecht einen höheren Wert zuzusprechen.
I.) Warum eigentlich höherer Wert? In Ihren Beispiele geht es doch um niedrigeren Wert (mit Ausnahme von Darwins Prächtigkeit).
II.) Ich verstehe den wesentlichen Unterschied zwischen 1.) und 2.) nicht. Bei 1.) geht es darum, dass Männer grundsätzlich aggressiv seien, bei 2.), dass Frauen grundsätzlich nervös seien. In beiden Werden Handlungsempfehlungen damit begründet, nämlich Waffen zur Selbstverteidigung gegen Männer (nicht: aggressive Menschen) mit sich zu führen, bzw. Macht über Frauen (nicht: nervöse Menschen) auszuüben.
III.) Wenn wirklich so viel daran liegt, schon Sprachhandlungen (z.B. was ich hier Handlungsempfehlung nannte) miteinzubeziehen, und nicht erst solche Handlungen, in denen sich die entsprechenden Gedanken in Benachteiligungen ausdrücken, dann meinetwegen.
Herr Schleim
Von Ihnen inspiriert, wie Sie sehen wurde die Wirkung des S. hervorgehoben, wobei die Handlung die Meinungsäußerung einschließt, aber nicht den Gedanken.
Was der Einfachheit geschuldet Sinn zu machen schien.
Wenn Sie binär unterscheiden und höheren Wert als Kriterium nehmen – dann haben Sie der Einfachheit geschuldet den niedrigeren Wert auf der anderen Seite: ausgelassen.
Streng feminististische pauschale Aussagen sind grenzwertig, 1.) war also eher zum Nachdenken angelegt. Bei 2.) dagegen ist nicht die pauschal (und vermutlich: fehlerhaft) festgestellte Nervösität das Problem, sondern die Festlegung auf dieser Grundlage herrschen zu können.
Danke für Ihren Segen.
Man kann also nun auch, Ihren Segen innehabend, auf dieser Basis hier den S. bearbeiten. Gu-ut. Ischt ja immer schön, wenn man weiß, was man redet oder schreibt.
MFG
Dr. W
@Stephan: Das nennst du sachlich?
Und damit hast Du die ganze Diskussion auf persönliche Ebene gezogen: Weil wir ja so oberflächlich seien.
Ich habe darauf sogar noch versucht rein sachlich zu antworten, Deine persönliche Äußerung von einem Vorwurf an die Person auf eine Kritik an konkreten Ausführungen umzuwidmen. (10.04.2013, 19:03)
Du hast aber alles wieder auf die persönliche Ebene ziehen müssen “werde ich eben weiter davon ausgehen (müssen), dass du deterministisch und oberflächlich argumentierst” (10.04.2013, 19:25).
Und auch im Folgenden könnte man das weiter so illustrieren – alle die nicht in Deiner Sicht schreiben werden als persönlich angegriffen, auf rein sachlicher Ebene bleibst Du nicht. Denn dann hättest vielleicht auch mal die Courage, Dir einzugestehen, dass wir gerade bei kurzen Äußerungen nur Teile unserer Gesamtsicht ausformulieren – und bei Dir darf man ja nicht lang formulieren. Also stell doch Fragen nach Konkretisierungen oder biete sie an, statt immer gleich die Person abzukanzeln.
Ein Schelm, wer Y dabei denkt
Frank Wappler schrieb (11.04.2013, 09:09):
> […] (Übungsaufgabe)
Wappler
, so isses halt oft mit Mengenangaben Begrifflichkeiten entsprechend, eine gewisse Komplexität vorausgesetzt.
Man umgrenzt das neue X durch A, B, C etc.
Konstituenten sozusagen, aber lassen Sie ruhig weitere Beispiele hochkommen.
MFG
Dr. W (der auch Atiga grüßt, den tapferen Psychologen)
@Mona: Doch ähnlich?
Wenn es wie in Ihrem Beispiel um Gefühle aus der Vergangenheit geht, dann bin ich völlig einverstanden. Dann kann Meditation zu Befreiung und Wohlsein führen.
Aber darum ging es mir im hiesigen Kontext nicht, sondern vielmehr um die akuten Gefühle in Anwesenheit einer Person – in der Prüfungssituation. Dort kann man nicht über die Gefühle meditieren, sondern muss sie erstmal verdrängen – wenn man denn völlig asexuell bleiben soll. Und diese akute Verdrängung wird schon da sublimiert.
Jeder kennt sicher die jahrtausende alte Erkenntnis, dass man sich auf einer Brücke leichter verliebt. Das liegt nicht daran, dass man dort mehr Liebe empfände, sondern daran, dass alle unbewussten Gefühle auf das jeweils im Zentrum stehende umgewidmet werden – hier auf die Frau oder den Mann gegenüber. Will man das umgehen, dann muss man sich dieser Umwidmung bewusst werden, muss also registrieren, dass eine gefährliche Situation vorliegt und dass das Bauchkribbeln daher kommt, und nicht vom Gegenüber.
In Prüfungssituationen wirkt dieser Mechanismus aber ebenfalls – nur in die andere Richtung. Wenn sich ein Prüfer der erotischen Anziehung eines Prüflings nicht bewusst werden darf, dann wirkt das unbewusste Gefühl so wie auf der Brücke: Es verstärkt das im Zentrum stehende – also die Prüfungsleistung. Und zwar positiv oder negativ, u.a. je nachdem wie die Prüfungsleistung tendenziell gesehen wird.
Das ist ja dann genau das, was ich mir für Prüfer wünsche. Dass man die immer präsente Anziehungskraft des anderen Geschlechtes nicht verleugnet, sondern sich ihrer bewusster wird. Dass einem also durch Meditation oder andere Übung in einer eigentlich nur rational zu beurteilenden Situation schneller klar wird, mit welchem irrationalen Gefühl man startet. Dass man diesem Gefühl seinen Platz einräumt und damit die Leistung objektiver beurteilen kann, als wenn das Gefühl unbenannt mitwirken muss.
Darum halte ich Augen-zu-und-durch-Methoden für kontraproduktiv – während die scheinbaren Lüstlinge distanzierter mit dem Problem umgehen (und wirkliche Lüstlinge belästigen auch nicht, das sind eher die Verkrampften). Das Problem ist mir daher nicht das Kompliment, sondern die politische Korrektheit, die diese im rationalen Leben komplett ausschließen will.
@Stephan Schleim
“Vielleicht liegt es also doch mehr als sozialen Kontext als am biologischen Geschlecht. Was denken Sie?”
Frauen, die sich mit Unterhosenmodells fotografieren lassen machen das sicher nicht aus Geilheit, sondern aus Spaß. Außerdem bekommen Frauen mit schönen Männern nicht die soziale Anerkennung als das umgekehrt der Fall ist. Der Mann wird von Frauen immer noch eher als Gesamtpaket gesehen. Natürlich darf er auch süß aussehen, aber eine Frau kann ihre Freundinnen viel eher neidisch machen, wenn sie erzählt, dass sie sich mit einem bestimmten Mann gut versteht und er in bestimmten Situationen Fantasie beweist.
Zu Ihrer Frage: “Denken Sie eigentlich, Loslassen und Verdrängen lassen sich klar voneinander trennen?”
Ja, das denke ich. Um loszulassen gibt es im Zen ein Bild, man denkt sich einen Fluss in dem man alles davonschwimmen sieht, was man loswerden möchte. Dazu muss man natürlich vorher mit den Dingen, die einem belasten, abgeschlossen haben. Wenn man beispielsweise immer noch durch Ereignisse aus seiner Kindheit in seinen Erinnerungen gequält wird, dann sollte man sich diese Situationen noch mal vor Augen führen und sich überlegen warum man selbst oder andere damals so oder so handelten. Dies sollte ohne Schuldzuweisung geschehen, weil man die Vergangenheit ja nicht mehr verändern kann – höchstens besser verstehen. Man kann natürlich aus seinen Fehlern lernen, die man gemacht hat und sich vornehmen in Zukunft achtsamer zu sein.
Unter “Verdrängen” verstehe ich, dass eine bestimmte unangenehme Situation aus der Vergangenheit immer wieder hochkocht, weil man sie nicht loswerden kann. Auch nicht wenn man versucht sie gedanklich wegzuschieben, sprich zu verdrängen. Erlebnisse die nicht aufgearbeitet wurden sind wie eine Wunde, die immer wieder aufbricht und blutet. Wenn eine Verletzung jedoch verheilt ist behält man vielleicht eine Narbe zurück, die einem an ein bestimmtes Ereignis erinnert, aber die Wunde belastet einem nicht mehr.
@Noït Atiga
Alles im Leben hat seine Zeit. Seien Sie mir nicht böse, aber diese lüsternen Männer, die sich überall sexuell bedrängt fühlen, kommen mir fast wie ein übergewichtiger Fresssack vor, der durch die Stadt läuft und überall nur Essen sieht, weil es so viele Fastfoodangebote gibt. Dabei würde ein gutes Essen in einem ausgesuchten Restaurant die Geschmacksknospen doch viel besser verwöhnen.
Oder anders gesagt, liegt nicht auch der Reiz in einer Mann-Frau-Beziehung darin, sich nicht immer gleich “alles” vorzustellen, sondern es erst mal langsam angehen zu lassen. Das erhöht doch auch den Reiz oder liege ich da falsch?
@Noït: Fakten
Jemandem eine oberflächliche Argumentationsweise vorzuwerfen, ist kein persönlicher Angriff.
Deine Argumentationsweise ist hier z.B. oberflächlich, weil du a) nicht über die Möglichkeit der Beschränkung deiner These (bsp. des biologischen Determinismus durch sozialen Kontext) nachdenkst und b) meine praktischen Gegenbeispiele weder widerlegst, noch zur Anpassung deines biologischen Determinismus integrierst.
Deine ad hominem-Attacken begonnen hier und wenn du mehr darüber lesen willst, was das bedeutet, dann probiere es z.B. einmal hier.
Der Einfachheit halber: Ich habe deine Argumente bzw. deinen Argumantationsstil angegriffen (“oberflächlich”), du meine Person (Du als Psychologe müsstest doch wissen… Als Professor darf man sich das wohl erlauben… Du solltest mal Zitieren lernen…).
Du missbrauchst hier zum wiederholten Male meine Geduld und ich sage dir zum wiederholten Male, dass ich für solche Spielchen, wie du sie in der Diskussion immer wieder spielst, keine Zeit habe; und große Lust habe ich darauf auch keine.
@Stephan: Fakten sprechen gegen Dich
Jemandem oberflächliches Denken vorzuwerfen, das ist ein persönlicher Angriff – und genau das hast Du getan.
Etwas anderes wäre es gewesen, Prämissen zu hinterfragen. Denn wenn einem eine Prämisse nicht passt oder zu oberflächlich erscheint, dann heißt das keineswegs, dass sie oberflächlich ist oder der andere oberflächlich denkt. Vielmehr geht es erstmal darum, das Denken des Anderen genau zu ergründen, also genau zu verstehen, was er gemeint hat. Denn wenn man sich immer nur an das eigene Verständnis der anderen Aussagen hält, dann handelt man selbst oberflächlich, weil man seine Sicht nicht hinterfragt. Denn Worte sind – und das ist unbestritten – nunmal persönlich gefärbt, nicht umsonst wird in wissenschaftlichen Arbeiten ein enormer Begründungsaufwand für fast alle eingesetzten Vokabeln betrieben.
Und was die Beschränkungen angeht, so bin ich denen in einer Hinsicht überhaupt nicht abgeneigt – im Gegenteil. Nur muss man trennen zwischen den (wenn überhaupt) nur sehr bedingt beeinflussbaren ursprünglichen Gefühlen und den daraus folgenden Handlungen. Ich bin daher strikt gegen jegliche sexuellen Übergriffe – aber ich bilde mir auch nicht ein, die Attraktivität einer Person sei für mein rationales Urteilen irrelevant oder ich könne auf irgendeinem Wege insofern völlig unsensibel werden.
Das geht wie gesagt – aber nur wenn die Libido ganz weg ist. Und dann ist die Frage, ob man überhaupt noch lebt, aber das ist eine andere Geschichte.
@Mona: Definitionen?
Sicher hat alles im Leben seine Zeit. Ich behaupte ja auch nicht, dass die Professoren ihre Studentinnen oder die Professorinnen ihre Studenten in der Prüfung verführen sollten. Oder auch nur ihre Gegenüber als ‘Sexobjekte’ im Sinne Ihrer Essens-Angebote sehen (wobei ich wie Sie Gourmet dem Gourmand vorziehe). Für die Befriedigung ihrer Gelüste sind diese Situationen nicht gedacht und da muss und kann man sich zurückhalten – insofern schien und scheint mir das unproblematisch, auch wenn ich dort vielleicht zusehr von mir ausgehe. (Und möglicherweise auch zu sehr von Kulturen, in denen Komplimente und das Zulassen von Begeisterung für das andere Geschlecht nicht sofort als akutes Begehren oder Vorstellen eines Dates interpretiert werden.)
Mir geht es bei der ‘Lüsternheit’ um etwas anderes. Es geht darum, dass wir trotz aller Übung von gewissen Aspekten unserer, insbesondere andersgeschlechtlichen Gegenüber nicht abstrahiern können. Es gibt basale Gefühle, und die sind im Bereich der Fortpflanzung nunmal stärker präsent.
Es geht mir also auch nicht darum, sich alles vorzustellen. Dass der Reiz der Erotik dort gerade im langsamen Angehen beruht, auch da bin ich ganz Ihrer Meinung. Es geht auch nicht darum, dass sich die Männer bedrängt fühlen müssten. Nein es geht um die Frage, was in einer eigentlich nur rational sein sollenden Situation besser ist: Sich exsistierende Anziehung einzugestehen, ja sie sogar galant einzubringen oder sie zu verbergen bzw. zu verleugnen und ihr damit unbewusste Macht zuzugestehen?
Selbst @Stephan hat mit seinem Beispiel von Forschungsantrag oben eigentlich meine These bestätigt: Wenn man sich seiner Voreingenommenheit (etwa auf biologischer Ebene) bewusst ist, dann kann man die Fakten (nochmal) unabhängig davon durchsehen und dann kommt man näher zur Rationalität. Bleibt einem das verborgen, dann projiziert man das Gefühl aber unbewusst eher auf die Sache.
@Noït Atiga
“Nein es geht um die Frage, was in einer eigentlich nur rational sein sollenden Situation besser ist: Sich exsistierende Anziehung einzugestehen, ja sie sogar galant einzubringen oder sie zu verbergen bzw. zu verleugnen und ihr damit unbewusste Macht zuzugestehen?”
Das scheint mir auch der springende Punkt zu sein. Ich habe überhaupt keine Probleme damit, wenn sich jemand eine “exsistierende Anziehung” eingesteht, aber diese einzubringen ist nicht immer vorteilhaft. Ich bin jedoch nicht Ihrer Meinung, dass man ihr “unbewusste Macht” zugesteht, wenn man sie verbirgt. Wie ich weiter oben schon schrieb müssen wir ja täglich mit den unterschiedlichsten Gefühlen fertig werden, die man unmöglich alle ausleben kann. Man kann seine Gefühle bis zu einem gewissen Grad auch steuern und ist nicht hilflos seinen Trieben ausgeliefert. Das unterscheidet uns vom Tier.
Daher kann ich @Stephan Schleim verstehen, weil er anscheinend von einem größeren Gefühlsspektrum ausgeht. Sie erklären auch nicht wie sich jemand verhalten soll, der durch einen anderen sexuell erregt wird. Sie lehnen zwar sexuelle Übergriffe ab, aber sind Männer tatsächlich so leicht erregbar oder ist es eher so wie @Stephan Schleim schreibt: “Dahinter scheint mir sich das Filmklischee zu verbergen, dass Männer nicht mit dem Gehirn denken, sondern mit ihrem Schwellkörper unter der Gürtellinie”? Mich würde auch interessieren, wie sich leicht erregbare Männer denn nun verhalten sollten. Ich hätte da ja eiskalt eine stärkere Gefühlskontrolle in Kombination mit einem professionellen Verhalten vorgeschlagen. Sie befürchten aber ständig, dass damit etwas verdrängt wird und die Gesellschaft am Ende noch ganz gefühlskalt werden könnte. Erlauben Sie mir die Frage, da ich als Frau anscheinend die männliche Gefühlswelt nicht genau nachvollziehen kann: Was genau befürchten Sie, das da verdrängt werden könnte und warum schadet es der Gesellschaft, wenn sich die Menschen im Beruf eine gewisse Kontrolle auferlegen?
@Mona: Gefühl vs. Verlangen
Meiner Ansicht nach gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen Zugestehen (ja sogar Einbringen) von Gefühlen und Ausleben von Wünschen oder Verlangen.
Sprich aus meiner Sicht kann es das Gefühl der Anziehung geben und man kann es zulassen und (jedenfalls bei gewissem Kulturverständnis) sogar galant in die Situation einbringen ohne irgendwie zu verletzen – aber damit äußert man keinen Wunsch und lebt auch keinen Wunsch aus.
Was Sie und wohl auch @Stephan als Gefühl bezeichen trenne ich in das (basale) Gefühl der Anziehung und den Wunsch nach Verwirklichung von Trieben. Was @Stephan als das Filmkischee bezeichnet ist dann die Vorstellung, man(n) könne Gefühl und Wunsch (oder stärker Verlangen) nicht trennen. Männer hätten dann immer bei jedem Gefühl das Verlangen auf Befriedigung – das ist falsch. Obwohl diese Ansicht mir großteils der Debatte in Deutschland zugrunde zu liegen scheint. Wer Gefühle für eine Person äußert, und sei es nur als Kompliment, dem wird gleich ein Verlangen unterstellt.
Ich sehe dann auch einen Unterschied zwischen sexueller Attraktion und sexueller Erregung, jedenfalls in Nuancen. Attraktion geht eher mit dem Gefühl zusammen – während Erregung schon mehr das Verlangen impliziert.
Und entsprechend sehe ich auch, dass man Wunsch und Verlangen unproblematisch beherschen kann – während mir das bei Gefühlen nicht der Fall scheint. Die Gefühle muss man zulassen können, denn sonst wirken sie im Unbewussten. Sprich wer sich vormacht, er empfinde keine Anziehung für eine ihm anziehende Frau, dem geht es so wie dem Mann auf der Brücke – er sublimiert das Gefühl der Anziehung in die Bewertung. Wer aber das Gefühl zulässt, dem kommt es als solches ins Bewusstsein – und dann kann er es bei seiner bewussten Bewertung besser absondern.
Für die andere Seite ist es etwas komplizierter – es hängt dort auch viel mit der Kultur (und der Person) zusammen. Wenn jedes Gefühl als Verlangen interpretiert wird, dann muss jedes Gefühl komplett aus der Beziehung rausgehalten werden. Das Problem ist dann: Das geht nicht. Denn durch die Mikroexpressionen kommen grundlegende Gefühle immer (teils) beim Gegenüber an – und sie lenken emotional ab, denn wird der gesamte Ausdruck unterdrückt, dann ist die Erscheinung unstimmig. Und solche Unstimmigkeit versucht das Gehirn aufzulösen, was es meist nicht kann – also wird die Person einerseits unsicher und andererseits weniger ‘intelligent’, denn ein Teil ihrer Kapazität geht für die wirkliche Aufgabe verloren. (Was bei Frauen noch insofern problematischer ist, als sie von klein auf mehr zur Interpretation der Mimik erzogen werden.)
Dieses Dilemma kann man in der Kultur aber nur auflösen, wenn Gefühl und Verlangen getrennt werden – wenn man also kulturell etwa Komplimente zulässt, ohne ihnen gleich Verlangen zuzuschreiben.
Kurz: Kontrolle ist nicht per se schädlich, aber es kommt darauf an, worauf sie gerichtet ist: Verdrängung von Gefühlen schadet der Gesellschaft, weil sie Ungleichheiten schafft bzw. verstärkt. Kontrolle von Wunsch oder Verlangen auf Erfüllung nützt ihr – weil man diese Kontrolle (anders als die von Gefühlen) situativ gezielt einsetzen kann.
@Noït: Präzisierung
Vielleicht sollte ich das hier eben noch einmal präzisieren: Zumindest ein Teil deines Denkens drückt sich hier in der Diskussion in deiner Argumentation aus und die finde ich (aus den genannten Gründen) oft oberflächlich und damit finde ich auch das Denken, auf dem die oberflächliche Argumentation beruht, oberflächlich.
Weder habe ich gesagt, noch wollte ich sagen, dass all dein Denken oberflächlich ist, geschweige denn du eine prinzipiell oberflächliche Person bist; du begegnest mir allerdings immer wieder in Diskussionen hier als oberflächlich argumentierende und in diesem Sinne zumindest manchmal oberflächlich denkende Person.
Das ändert nichts daran, dass eine Argumenation und das ihr zugrunde liegende Denken mit transparenten Gründen als oberflächlich zu enttarnen eben kein persönlicher Angriff ist, sondern ein argumentatorischer Diskussionsbeitrag.
So, damit ist das jetzt hoffentlich klar gestellt und im Folgenden wird es dann idealerweise wieder ums Thema gehen.
@Mona: Gefühlsregulation
Wer seine Gefühle/Triebe überhaupt nicht kontrollieren kann, der wird wohl recht schnell von der Polizei und anderen Gewaltinstitutionen (weg-)reguliert werden.
Wer gar keine Gefühle/Triebe hat bzw. diese immer perfekt wegreguliert, der wird das vielleicht selbst gar nicht vermissen, aber wohl viel von dem missen, was wir allgemein als “menschlich” ansehen.
Dazwischen gibt es wohl viele Abstufungen. Wenn es z.B. im beruflichen Alltag so häufig zu Übergriffen käme, dann müssten Unternehmen doch eigentlich Gefühlsregulationskurse anbieten.
Ansonsten wird man wohl je nach Weltmodell unterschiedliche Strategien empfehlen: beten, meditieren, sich verschrumpelte Körper vorstellen, eben aufs WC gehen, Sport treiben, an etwas anderes denken usw.
@Stephan Schleim: Ja
“Bleiben Sie bei Ihrer Meinung: Es geht um Erfolg? Glauben Sie das selbst?”
Lesen Sie doch. Natürlich glaube ich das, auch wenn ich persönlich einen anderen Weg zu gehen mich verpflichtet fühle, dessen Grundlagen noch auf den geradezu steinzeitlichen Gedanken der Aufklärung beruhen. Ich behaupte sogar, es ist fahrlässig, über diese Offensichtlicheit noch mehr Worte zu verlieren.
“Es geht nicht nur um Erfolg, sondern um Erfolg zu einem bestimmten Preis.”
Aber was, das ist doch Phrase, dann stünden wir ja (empirisch!) dem Wirken einer “besonnenen” Erfolgsidee gegenüber. Die Gesellschaft hätte Ideale (Darüber lacht man doch heute!). Über den Preis machen sich die Erfolgsuchenden wie man weiß i.d.R. keinerlei Gedanken – das gehört zum etablierten Erfolgsgedanken dazu. Ich kann kaum glauben, dass Ihnen das entgangen ist, wenn Sie beim grünen Tee einen Blick auf die gesellschaftlichen Entwicklungen geworfen haben. Akademiker bilden da sehr zum allgemeinen Leidwesen keine Ausnahme – oder sehen Sie das anders?
@UniCart: Warum?
Warum dieser Sarkasmus, Pessimismus oder gar Fatalismus?
Es gibt z.B. Leute, die sich einen neuen Arbeitgeber suchen, der besser zu ihren Lebensplänen passt. Mir fällt spontan der Fall eines Pharmavertreters ein, der bei seiner Arbeit sehr viel Geld verdient hat, es aber aus moralischen Gründen nicht mehr ausgehalten hat.
Was soll ich Ihrer Meinung nach eigentlich lesen? Lesen Sie doch einmal solche Erfahrungsberichte in Karrieremagazinen. Da steht oft, dass es der Generation Y weniger um Karriere als um Selbstverwirklichung, Work-Life-Balance usw. geht. Ich frage mich nur, warum man dafür kein deutsches Wort verwendet, wie z.B. “Lebensqualität”.
Ich selbst habe bisher vermieden, in einer Zeitschrift nur des Impacts wegen zu publizieren zu versuchen und dabei z.B. die für mich interessanten Aspekte aufgrund des dort herrschenden Platzmangels alle herauskürzen zu müssen.
Generation Y – Das heißt gerade, nach dem Why zu fragen. Warum überhaupt Karriere? Warum bitteschön einfach all die Vorgaben erfüllen, die jemand von oben herab definiert? Was hat das mit mir zu tun?
Man könnte sogar einmal darüber nachdenken, ob im Mittel mehr Frauen diese Antwort sogar schon für sich gefunden haben und gerade deshalb lieber einen Karriereknick in Kauf nehmen, weil ihnen andere Werte wichtiger sind. Stattdessen entwerten manche Feministinnen scheinbar z.B. die Familie und werten die Karriere als wichtigstes Lebensziel auf.
Aber noch einmal: Warum überhaupt Karriere? Sagen Sie es mir!
Antwort @Noït Atiga
“Sprich aus meiner Sicht kann es das Gefühl der Anziehung geben und man kann es zulassen und (jedenfalls bei gewissem Kulturverständnis) sogar galant in die Situation einbringen ohne irgendwie zu verletzen – aber damit äußert man keinen Wunsch und lebt auch keinen Wunsch aus.”
Das hatte Herr Brüderle vermutlich auch so gesehen. Aber manche Frauen wollen in einer nicht privaten Situation nun mal keine Galanterien hören.
“Wer Gefühle für eine Person äußert, und sei es nur als Kompliment, dem wird gleich ein Verlangen unterstellt.”
Das kommt sehr auf das Kompliment an, wenn es allerding in den sexuellen Bereich geht, dann würde ich wahrscheinlich schon Verlangen unterstellen.
“Und entsprechend sehe ich auch, dass man Wunsch und Verlangen unproblematisch beherschen kann – während mir das bei Gefühlen nicht der Fall scheint.”
Wunsch und Verlangen sind auch Gefühle!
“Die Gefühle muss man zulassen können, denn sonst wirken sie im Unbewussten. Sprich wer sich vormacht, er empfinde keine Anziehung für eine ihm anziehende Frau, dem geht es so wie dem Mann auf der Brücke – er sublimiert das Gefühl der Anziehung in die Bewertung. Wer aber das Gefühl zulässt, dem kommt es als solches ins Bewusstsein – und dann kann er es bei seiner bewussten Bewertung besser absondern.”
Gefühle lassen sich auch beherrschen oder steuern. Ich habe oben bereits über das Verdrängen und Loslassen von Gefühlen geschrieben und möchte mich nicht wiederholen. Warum der “Mann auf der Brücke” das Gefühl der Anziehung in die Bewertung sublimiert erschließt sich mir nicht. Denn wenn er sich dessen bewusst ist, dann kann er ja gegensteuern.
“Denn durch die Mikroexpressionen kommen grundlegende Gefühle immer (teils) beim Gegenüber an – und sie lenken emotional ab, denn wird der gesamte Ausdruck unterdrückt, dann ist die Erscheinung unstimmig. Und solche Unstimmigkeit versucht das Gehirn aufzulösen, was es meist nicht kann – also wird die Person einerseits unsicher und andererseits weniger ‘intelligent’, denn ein Teil ihrer Kapazität geht für die wirkliche Aufgabe verloren.”
Das ist interessant, denn durch Meditation lässt sich das Erkennen dieser Mikroexpressionen besser und schneller wahrnehmen. Anscheinend ohne Verlust von Intelligenz. Siehe hier:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/hirnforschung-das-abenteuer-unseres-bewusstseins-1512487.html
“Dieses Dilemma kann man in der Kultur aber nur auflösen, wenn Gefühl und Verlangen getrennt werden – wenn man also kulturell etwa Komplimente zulässt, ohne ihnen gleich Verlangen zuzuschreiben.”
Ich würde das Dilemma so auflösen, dass man in einer unpassenden Situation überhaupt keine Komplemente macht, die einen anzüglichen Charakter haben. Siehe dazu auch den kürzlich erschienen Bericht über Obama:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/sexismus-debatte-obama-entschuldigt-sich-fuer-kompliment-a-892859.html
“Verdrängung von Gefühlen schadet der Gesellschaft, weil sie Ungleichheiten schafft bzw. verstärkt. Kontrolle von Wunsch oder Verlangen auf Erfüllung nützt ihr – weil man diese Kontrolle (anders als die von Gefühlen) situativ gezielt einsetzen kann.”
Oh weh! Da machen Sie aber ein sehr großes Fass auf. 🙂
@ Stephan Schleim
Natürlich gibt es viele unterschiedliche Strategien zur Gefühlsregulation.
Auf die Bemerkung “dann müssten Unternehmen doch eigentlich Gefühlsregulationskurse anbieten” möchte ich aber doch etwas näher eingehen. Spezielle “Gefühlsregulationskurse” werden in Betrieben nicht angeboten, aber oft etwas ähnliches. Denn die sog. Genderkompetenz gilt inzwischen als Schlüsselkompetenz und wird bereits in Kindergärten und Schulen gelehrt und auch an Universitäten wird ab und an ein “Gender Training” angeboten.
@Mona
Das Fass ist sicher groß und ich denke, dass auch deshalb meine Ausführungen immer wieder unverstanden bleiben oder missverstanden werden. Sie in unserer deutschen (oder der amerikanischen) Kultur darzulegen, erfordert das Hinterfragen nicht weniger impliziter und meist unhinterfragbarer Prämissen. Dennoch will ich auf Ihre Antworten nochmal aus dieser Sicht eingehen.
Das ist eben sehr von der Kultur abhängig – darum schrieb ich ja, dass Galanterie jedenfalls bei gewissem Kulturverständnis möglich ist. Ich hatte schonmal angeführt, dass sich Frauen etwa in Frankreich und wohl auch Italien ohne diese Galanterien wie Luft fühlen. Dort gehört das zum kulturellen Alltag dazu – und wird nicht als sexistisch angesehen, obwohl man nicht unbedingt Brüderles Worte verwenden würde. (Und auch die Männer fühlten sich bei anderen Fragen wie nicht existierend.)
Meiner Erfahrung nach führt das auch nicht zu einer Abwertung der Frauen, sondern zu Ausgeglichenheit im zwischengeschlechtlichen Umgang. Die Frau ist nunmal insofern anders als ein Mann, aber auch Männer können sich entsprechend hervortun. Und man kann neben diesen emotialen, menschlich verbindenden Austausch auch der Geschlechterebene wunderbar streiten. Jeder hat ja auch dort seine Waffen, denn wenn es hier oder da zu Übertritten kommt, dann wird (wie es Pfaller mal formuliert hat) nicht gleich der Andere vernichtet (wie in Deutschland), sondern man kann ihn galant beschämen. Damit wird allen klar, dass das jetzt gerade nicht richtig war, aber jeder bleibt auch Mensch und hat die Chance sein Verhalten an die konkrete Person anzupassen.
Auf diesem Wege ist aber die Verdrängung von grundlegenden Gefühlen nicht mehr nötig und auch nicht ihre Sublimierung – während Trieb und Wunsch gut in Zaum gehalten werden können. Und dann muss auch frau nicht jeder Äußerung eines sexuell konnotierten Komplimentes ein Verlangen unterstellen – oder besser, sie kann sich entscheiden, wie sie das auffassen will. Sie kann damit spielen, nicht unbedingt in Prüfungssituationen – aber doch bei Brüderle-Situationen (eine solche Hetzjagd wäre in Frankreich wohl kaum denkbar und würde eher die Frau in ein schlechtes Licht stellen, weil sie sich selbst nicht als Frau zeigen kann – was aber kaum einer Französisin passieren sollte).
Sicher, aber sie sind doch etwas anderes als die grundlegenden Gefühle in der Reaktion auf eine andere Person. Und mir ist diese Unterscheidung extrem wichtig – denn die (selbstbezogenen, ursprünglichen) Gefühle sind immer richtig, sie dürfen auch immer zugelassen oder mitgeteilt werden. Wünsche oder Verlangen aber sind auf andere gerichtete ‘Gefühle’ (es sind eher Begehren, die nur ob Verweigerung oder Genuss Gefühle erzeugen) und damit sind sie nicht mehr gleichermaßen frei.
Mir gibt es dort einen ähnlichen Unterschied wie zwischen Ich- und Du-Aussagen. Ich-Aussagen sind (fast) immer zulässig – mit der Meinung eines anderen Menschn muss jeder leben können (auch wenn man vielleicht manches aus Höflichkeit verschweigt). Du-Aussagen hingegen sind deutlich problematischer, gerade in Über- und Unterordnungsverhältnissen – sie sind damit auf den rationalen Inhalt der konkreten Beziehung beschränkt.
Diese beiden Teile widersprechen sich für mich. Entweder kann der Mann dass Gefühl beherrschen, dann dürfte er es auf der Brücke gar nicht haben. Oder er kann es nicht beherrschen, dann kann er nur gegensteuern.
Hier wird für mich unsere abweichende Konzeption deutlich und hier liegt der Grund meiner Unterscheidung zwischen Gefühl und Trieb/Wunsch/Verlangen. Das Gefühl das existiert, dem kann man nicht entgegensteuern. Aber dem daraus resultierenden Trieb/Wunsch/Verlangen schon. Man kann auf der Brücke nicht verhindern, dass die Höhe die Sinne alarmieren. Aber man kann sich des Grundes dieser Alarmierung der Sinne bewusst werden und damit die daraus resultierenden Triebe/Wünsche/Verlangen steuern.
Und im Sinne genau dieser Unterscheidung kann man Gefühle nicht steuern – aber man kann und sollte sich ihrer bewusst werden, um sie nicht automatisch wirken zu lassen (ob nun in Richtung des ursprünglichen Triebes/Wunsches/Verlangen oder als Sublimation).
Wenn man weiß, was anzüglich ist, geht das. Aber die Aussage Obamas war nur in der amerikanischen Prüderie (und wohl heute auch der deutschen) eine Anzüglichkeit – anderswo wäre es ein willkommenes Kompliment. Und mir scheint, die Unterdrückung von Gefühlen weder in USA noch in D zum gewünschten Ergebnis zu führen – denn sie können nicht das nicht bewirken, sondern sie schwächen die Beziehungen immer mehr, verflachen den Umgang und verbieten langfristig jedes Kompliment zwischen Menschen – die damit immer mehr zu sacharbeitenden Automaten werden… (Sind wir Deutschen vielleicht darum wirtschaftlich so erfolgreich?)
Mona
, das liest sich doch so als ob dann i.p. Sexismus in D gar nichts Negatives mehr passieren könnte:
Sowas lernt man natürlich direkt im Kindergarten schon am besten…
BTW, ein wenig ernsthafter: Gibt es überhaupt Sexismus in D? Gibt’s Beispiele, die medial breitgetreten wurden? – Dem Schreiber dieser Zeilen sind eigentlich nur falsche S.-Vorwürfe bekannt geworden, was D betrifft.
MFG
Dr. W
@Mona, alle: Genderkompetenz
Hat jemand schon einmal an so einem Kurs zur Genderkompetenz teilgenommen und weiß, worum es dabei geht, was dabei gelehrt/gelernt wird?
Zum Unterschied zwischen Gleichstellung und Gleichberechtigung übrigens heute ein interessantes Interview mit einem BWL-Professor auf Telepolis: Konkurrenz der Netzwerke.
Galante Fürblödverkäufer @Noït Atiga
“Das ist eben sehr von der Kultur abhängig – darum schrieb ich ja, dass Galanterie jedenfalls bei gewissem Kulturverständnis möglich ist. Ich hatte schonmal angeführt, dass sich Frauen etwa in Frankreich und wohl auch Italien ohne diese Galanterien wie Luft fühlen. Dort gehört das zum kulturellen Alltag dazu – und wird nicht als sexistisch angesehen, obwohl man nicht unbedingt Brüderles Worte verwenden würde. (Und auch die Männer fühlten sich bei anderen Fragen wie nicht existierend.)”
Man kann sich über vieles definieren, es muss nicht unbedingt das Geschlecht sein. Viele Menschen definieren sich beispielweise über Bildung, ihren Beruf, eine kreative Tätigkeit, ein Ehrenamt oder schlicht über ihr Menschsein.
“Meiner Erfahrung nach führt das auch nicht zu einer Abwertung der Frauen, sondern zu Ausgeglichenheit im zwischengeschlechtlichen Umgang. Die Frau ist nunmal insofern anders als ein Mann, aber auch Männer können sich entsprechend hervortun. Und man kann neben diesen emotialen, menschlich verbindenden Austausch auch der Geschlechterebene wunderbar streiten. Jeder hat ja auch dort seine Waffen, denn wenn es hier oder da zu Übertritten kommt, dann wird (wie es Pfaller mal formuliert hat) nicht gleich der Andere vernichtet (wie in Deutschland), sondern man kann ihn galant beschämen. Damit wird allen klar, dass das jetzt gerade nicht richtig war, aber jeder bleibt auch Mensch und hat die Chance sein Verhalten an die konkrete Person anzupassen.”
Diese Position ist häufig die Wurzel allen Übels. Robert Pfaller mag in manchem vielleicht recht haben, allerdings zieht er andere Schlüsse daraus als ich sie ziehen würde. Der von ihm angesprochene “erotische Umgang” wird meist nur von Männern gepflegt. Viele Frauen nervt so ein Verhalten, dieses kann privat praktiziert werden, aber in der Öffentlichkeit hat es nichts verloren.
Und wenn hier jemand fragt, ob es Sexismus in Deutschland überhaupt gibt, dann vermute ich, dass manche Dinge als so als selbstverständlich angesehen werden, dass man überhaupt nicht mehr darüber nachdenkt wie das beim Gegenüber ankommt. Zur Veranschaulichung werde ich dazu mal eine kleine Geschichte über den ganz alltäglichen (und vermutlich völlig unbewussten) Sexismus in Deutschland erzählen:
“Deutsche Autofahrer lieben Pferdestärken”, las ich mal in einer Autozeitung, von Autofahrerinnen war nicht die Rede. Denn wenn sich Männer über starke Motoren und stylisches Blech unterhalten, dann kommen Frauen höchstens auf dem Beifahrersitz vor. Zudem wird oft suggeriert, dass Mann mit dem neuen Auto zugleich auch die Gunst einer attraktiven Gespielin mitkauft. Nun gibt es aber eine Menge Frauen, die selbst einen Wagen fahren und sich daher einen solchen auch mal kaufen möchten.
So erging es mir, als mein altes Auto langsam anfing gemeingefährlich zu werden. Also suchte ich im Internet nach einem möglichen Neuwagen. Nachdem ich mich über technische Details und Preise informiert hatte kamen zwei Modelle, von verschiedenen Herstellern, in die engere Wahl. Ich machte mich also auf den Weg um mir die Autos in Natura anzusehen.
Autohaus Nummer eins hatte das gewünschte Modell auch gleich vorrätig, aber der Verkäufer benahm sich etwas überzuvorkommend. Er erklärte als erstes, dass der von mir favorisierte Wagen keine Einparkhilfe hätte. Als ich ihm sagte, dass ich eine solche nicht bräuchte musterte er sekundenlang meine Schuhe, anscheinend überzeugte ihn meine eher sportliche Fußbekleidung, denn er redete weiter und wies auf ein anderes Auto hin und lobte dessen knallrote Farbe, weil nach seinem Dafürhalten eine Frau ruhig ein auffälligeres Auto fahren sollte. Da ich das Gefühl hatte, dass er mir einen Ladenhüter andrehen wollte fragte ich ihn nach dem Benzinverbrauch des Autos. “Das kommt darauf an wie viel sie fahren”, sagte er mit einem schmierigen Lächeln. “Also darauf wäre ich jetzt nicht gekommen”, antwortete ich und ging.
Autohaus Nummer zwei war völlig leer und der einzige Verkäufer bemerkte mich erst nicht, da er gebannt in eine Zeitschrift starrte. Auf einem der Bilder dort war ein teures Auto mit einer äußerst spärlich bekleideten weiblichen Schönheit zu sehen, die sich lasziv auf der Motorhaube räkelte, aber nachdem er feuerrot anlief als er mich bemerkte, vermute ich, dass es sich um keine Fachzeitschrift handelte. Er wollte mir das gewünschte Auto auch nicht zeigen, obwohl es nur ein paar Meter von uns entfernt stand, sondern meinte galant, er würde mir anbieten einen Besichtigungstermin auszumachen, weil man sich für Frauen nun mal etwas mehr Zeit nehmen müsste. Dieses Geschäft sah mich nie wieder.
Ich habe es im dritten Anlauf dann doch noch geschafft ein Geschäft zu finden, dass mir ein Auto mit einer anständigen Beratung verkaufte. Der Chef gewährte mir, nachdem ich ihn darauf ansprach, sogar einen branchenüblichen Rabatt. Stolz erzählte ich einer Bekannten von meinem Verhandlungsgeschick, sie aber meinte bloß: “Da hast du ihm wohl schöne Augen gemacht”. Ich war sprachlos. Das zeigt, wie stutenbissig Frauen untereinander sein können, wenn sie sich einbilden eine Geschlechtsgenossin hätte sich “mit den Waffen einer Frau” einen Vorteil verschafft. Man ist also letztendlich gezwungen an zwei Fronten zu kämpfen um sich Respekt zu verschaffen.
Galante Aufmerksamkeitsverkäufer @Mona
Sicher, man kann sich über vieles definieren – aber die eine Definition schließt die andere nicht aus. Sie argumentieren verständlicherweise ganz im deutsch-amerikanischen Sinne: Entweder man definiert sich über das Geschlecht oder man definiert sich über die Leistung. Also man ist entweder Frau/Mann oder hat einen bestimmten Beruf, eine bestimmte Intelligenz etc.
Aber das muss nicht so sein – vielmehr kann man sich sowohl über das Geschlecht als auch über die Leistung definieren. Und über vieles andere mehr. Und dieses Sowohl-als-auch scheint mir gesünder, weil es nicht einen Bereich unserer Existenz ganz ausschließt oder ganz ins Private verdrängt. Und die Gleichberechtigung auf beruflicher Ebene überhaupt nicht betrifft.
Ihre Erfahrung beim Autokauf hätten Sie als Französin sicher nicht so gemacht. Mann hätte mit ihnen wohl auch geflirtet aber Mann hätte Sie nicht für dumm verkauft. Allerdings hätten Sie als Französin sicher schon die Bemerkung über die Einparkhilfe (falls sie überhaupt gekommen wäre) galant beschämend zurückgespielt und damit klar gemacht, wie Sie sich die Beratung vorstellen. Wobei Mann wohl auf anderen Wegen ausgetestet hätte, wie er mit Ihnen umgehen darf und soll. Und Sie hätten es bei ihm ausgetestet.
Für die deutsche und amerikanische Kultur haben Sie völlig Recht. In der französischen und italienischen Kultur aber ist es völlig anders. Dort gibt es neben der Berufsrolle auch die öffentliche Rolle als Mann oder Frau – dort wird man/frau natürlich keineswegs so intim wie im Privaten, aber eine gewisse Erotisierung wird von allen gepflegt. (Allerdings ist sie ob der gesellschaftlich geförderten Übung auch an das jeweilige Milieu angepasst und damit meist weniger plump.)
Und dieser Bezug aufs Zwischenmenschliche geht noch viel weiter – im Geschäftsleben speist man mit neuen Geschäftspartnern erstmal richtig gut. Man spielt dabei mit den vielen verschiedenen Rollen aller beteiligten Menschen, lernt sich kennen, testet sich gegenseitig. Und wenn man sich dort versteht, dann kommt man beim Digestif auf das Geschäft in groben Zügen zu sprechen; alle späteren Probleme lösen sich dann menschlich-pragmatisch.
Sicher ist das teils der Fall – aber wie soll mann/frau den wissen, was ein Gegenüber denkt? Wie soll man es denn erfahren, wenn man nicht darüber sprechen darf? Wenn jeder falsche Schritt sofort als Grundfehler der Person interpretiert wird? Und zwar egal ob man nun in einem Bereich nicht ausreichend oder zuviel getan hat.
Es gibt doch nicht nur eine (richtige) Form des Umganges, nicht nur eine (richtige) Verhaltensweise, nicht nur eine (richtige) Denkweise. Wo steht, welche Nuancen einem speziellen Gegenüber gerade recht sind? Wie soll Austausch funktionieren, wenn es keine gesellschaftlichen Konventionen zu situativ verwertbarer Rückmeldung gibt? Wenn jeder Fehler disqualifiziert? Dann wäre auch beim Fussball schnell das Spielfeld leer…
@Noït Atiga
“Entweder man definiert sich über das Geschlecht oder man definiert sich über die Leistung. (…) Aber das muss nicht so sein – vielmehr kann man sich sowohl über das Geschlecht als auch über die Leistung definieren. Und über vieles andere mehr. Und dieses Sowohl-als-auch scheint mir gesünder, weil es nicht einen Bereich unserer Existenz ganz ausschließt oder ganz ins Private verdrängt. Und die Gleichberechtigung auf beruflicher Ebene überhaupt nicht betrifft.”
Schon klar, aber die berufliche Ebene betrifft es häufig dennoch. Nicht umsonst versucht man junge Mädchen in technische Berufe zu bekommen, die früher überwiegend von Männern ausgeübt wurden. Letztere sehen es demzufolge oft als Einmischung in ihre ureigenste Domäne an, wenn sich Frauen mit Technik beschäftigen und weigern sich diese ernst zu nehmen, was man ja an bestimmten Autoverkäufern sehen kann, die mit weiblichen Kunden immer noch ein Problem haben und nicht wissen wie sie sich verhalten sollen. Das gilt natürlich nicht pauschal für alle, besonders bei jüngeren Leuten hat da ein Wandel eingesetzt. Vielleicht hätte ich in meinem letzten Kommentar erwähnen sollen, dass ich im dritten Anlauf von einem sehr kompetenten jungen Mann bedient wurde, der viel Fachwissen besaß und hocherfreut war als ich ihn auf technische Details ansprach. Außerdem lachten wir viel, weil ich den Kofferraum etwas zu klein fand und er sich deshalb immer neue Dinge einfallen ließ, die ich problemlos darin transportieren könnte. Sogar eine Leiche war im Gespräch.
“Wobei Mann wohl auf anderen Wegen ausgetestet hätte, wie er mit Ihnen umgehen darf und soll. Und Sie hätten es bei ihm ausgetestet.”
Da teile ich Ihre Ansicht nicht. Denn wenn ich etwas kaufe, dann möchte ich, dass mich eine fachlich kompetente Person bedient. Ich trage mein Geld doch nicht in Geschäfte, wo ich erst einen Mann austesten muss um es loszuwerden.
“Für die deutsche und amerikanische Kultur haben Sie völlig Recht. In der französischen und italienischen Kultur aber ist es völlig anders. Dort gibt es neben der Berufsrolle auch die öffentliche Rolle als Mann oder Frau – dort wird man/frau natürlich keineswegs so intim wie im Privaten, aber eine gewisse Erotisierung wird von allen gepflegt. (Allerdings ist sie ob der gesellschaftlich geförderten Übung auch an das jeweilige Milieu angepasst und damit meist weniger plump.”
Nun, da sehe ich kein grundsätzliches Problem. Solange alle mitmachen und sich keiner beleidigt fühlt ist das auch in Ordnung. Die Menschen müssen sich ja nicht zwanghaft prüde geben. Es geht doch immer nur um Grenzüberschreitungen, wobei die Grenze jeder für sich selber festlegen darf.
Und auch in der deutschen und amerikanischen Kultur gibt es zwei verschiedene Geschlechter. Zudem lebe ich in Bayern, d.h. wir “Südstaatler” pflegen eine etwas barocke Lebensart und da wird häufig aus Spaß mit den verschiedenen Rollen gespielt. Flirten tun wir jedoch nicht, das heißt hier “obandln” und unterscheidet sich etwas von der ersteren Variante. Man steuert beim “obandln” nämlich nicht sofort auf das Ziel zu, sondern gibt sich erst mal neutral. Man sucht sich ein unverfängliches Gesprächstema und testet dabei aus inwieweit man harmoniert. Im Falle, das sich das Gegenüber als “Grätzn” herausstellt, kann man sich auf diese Weise davonmachen ohne das Gesicht zu verlieren. In manchen Fällen harmoniert man zwar, aber es stellt sich keine Erotik ein, das kann dann durchaus eine gute Freundschaft werden. Baut sich hingegen eine einverständliche erotische Spannung auf, dann dürfen auch sehr persönliche Komplimente über das Aussehen gemacht werden usw. Ja, so ist das nun mal, wenn man in einem Respektimperium lebt. 🙂
Daher stimmt es auch nicht, wenn Sie schreiben: “… aber wie soll mann/frau den wissen, was ein Gegenüber denkt? Wie soll man es denn erfahren, wenn man nicht darüber sprechen darf? Wenn jeder falsche Schritt sofort als Grundfehler der Person interpretiert wird? Und zwar egal ob man nun in einem Bereich nicht ausreichend oder zuviel getan hat.”
Natürlich kann und darf man über alles sprechen, siehe oben. Aber Sexismus ist und bleibt ein “Grundfehler”.
“Es gibt doch nicht nur eine (richtige) Form des Umganges, nicht nur eine (richtige) Verhaltensweise, nicht nur eine (richtige) Denkweise. Wo steht, welche Nuancen einem speziellen Gegenüber gerade recht sind? Wie soll Austausch funktionieren, wenn es keine gesellschaftlichen Konventionen zu situativ verwertbarer Rückmeldung gibt? Wenn jeder Fehler disqualifiziert? Dann wäre auch beim Fussball schnell das Spielfeld leer…”
Einverstanden! Auf Spektrum.de fand ich noch einen Artikel mit dem Titel “Brüderle im Geiste”, der meiner Sicht der Dinge recht nahe kommt:
http://www.spektrum.de/alias/sexismus/bruederle-im-geiste/1182403
@Mona
Mir scheint, unsere Ansichten liegen teils gar nicht soweit auseinander. Auch wenn ich den Bericht zu Brüderle deutlich zu einseitig finde, aber da wurden unter dem ersten Teil von @Stephans Serie ausreichend gegenteilige Erfahrungsberichte auch von Frauen verlinkt.
Mir scheinen aber immer noch zwei Ihrer Aussagen unvereinbar.
Wenn die Grenze jeder sich selbst festlegt – wie soll denn dann der ‘Grundfehler’ Sexismus bestimmt werden?
Vielleicht erklärt sich Ihre Sicht ja aus dem Südstaatlerschen Obandln. Denn unter Südstaatlern gibt es offensichtlich ein Ritual, was wohl alle einhalten. Nur sehe ich eben nicht, dass dieses Ritual allgemeingültig wäre – oder dass man gerade in der multikulturellen Gesellschaft irgendein allgemeines Ritual als gegeben voraussetzen könnte.
Darum sehe ich Sexismus eben nicht in einzelnen vom jeweiligen Gesprächspartner als Übertritt angesehenen verbalen Äußerungen, sondern nur dort, wo jemand derartige Äußerungen systematisch nutzt. Aber auch da ist das oft nicht so einseitig, wie es meist dargestellt wird. Wer von Anderen ein bestimmtes Verhalten fordert, der muss sich auch selbst so verhalten. Und da sehe ich Grenzen, die teils auch von den sich dann beschwerenden Frauen nicht respektiert werden. Gleichberechtigung ist keine Einbahnstraße.
Und Ihre Aussage zum Kauf wundert mich – Sie wollen nicht austesten wie man miteinander umgeht und haben es mit dem jungen Mann dann doch gemacht? Ist dann nicht vieles, was als Sexismus bezeichnet wird nur Ausdruck der üblichen zwischenmenschlichen Missverständnisse – auf die aber in diesem Bereich in Deutschland allergisch reagiert wird?
@Noït Atiga
“Ist dann nicht vieles, was als Sexismus bezeichnet wird nur Ausdruck der üblichen zwischenmenschlichen Missverständnisse – auf die aber in diesem Bereich in Deutschland allergisch reagiert wird?”
Eben nicht, denn Sexismus bezieht sich immer auf das Geschlecht und wenn ich mit jemanden über allgemeines lache, wie mit dem jungen Autoverkäufer, dann hat das doch nichts mit dem Geschlecht zu tun. Es geht doch hier um anzügliche Bemerkungen (siehe Brüderle). Über Leichen im Kofferraum zu scherzen ist kein Sexismus. Dermaßen harmlose Scherze werden selbst von Kindern gemacht.
@Mona: Sexismus oder kein Sexismus?!
Das habe ich dem Tiger auch zu erklären versucht, dass eine unterschiedliche Behandlung z.B. Aufgrund von Attraktivität etwas anderes ist als allgemeine Geschlechtsdiskrimierung. Vielleicht haben Sie ja bessere Überzeugungskünste. (Wenn ich jetzt etwas von “weiblicher Intuition” usw. schriebe, dann wäre das wohl ein Fall “benevolenten Sexismus” nach J. Becker?)
Was für ein Pech übrigens für die Autohäuser, dass dort so beschränkte Verkäufer arbeiten. Was wohl passiert wäre, wenn Sie sich bei der Geschäftsführung darüber beschwert hätten? Am besten hätten Sie nächstes Mal zusammen mit einem Fernsehteam für die “Versteckte Kamera” kommen müssen.
Im Übrigen hatte ich bei meinem letzten Versuch in Groningen, vor ca. drei Jahren, beim Gardinenkauf mit einer Verkäuferin dazu parallele Erfahrungen gemacht. Ich dachte dann auch mehrmals, für wie blöd muss die mich eigentlich halten? Ich denke, das spricht aber eher gegen dieses Verkaufspersonal als gegen mich.
Stimmen Sie mir dann eigentlich zu, dass die Brüderlegeschichte nicht so passend als Beispiel für Sexismus diskutiert wurde?
LOL, Leichen im Kofferraum, harmlos – hat man das Ihnen auf einer bayerischen Schule so beigebracht? Wo fängt die Ernsthaftigkeit dann eigentlich an?
(Woher wissen Sie eigentlich, dass sich hinter dem Witz mit der Leiche im Koffer nicht das sexistische Vorurteil versteckt hat, dass eifersüchtige Frauen sich gerne derart ihres Ehemannes entledigen?)
Mir scheint übrigens, es wird bald wieder Zeit für einen neuen Blogbeitrag. Mal schauen, ob ich es heute noch in das Café mit den vielen Blümchen schaffe.
@Mona
Sicher, aber das ist eine ganz andere Frage, als die von mir gestellte. Geht man davon aus, dass es zwischen Menschen egal welchen Geschlechtes immer Missverständnisse gibt – dann können die sich auf ganz verschiedenen Bereichen ergeben und ergeben sich ständig. In den meisten Fällen aber wird das Gegenüber einfach als unfähig, blöd etc. eingeordnet; es passt nicht zu einem. Da wird nicht weiter verallgemeinernd danach gesucht, warum man denn falsch eingeordnet wurde. Hätten Sie etwa über die Leiche nicht lachen können, dann hätte es einfach nicht gepasst – Sie hätten es nicht verallgemeinert. Und hätte man Ihnen nicht für Sie unangemessene Bemerkungen zur Technik, sondern etwa zum Wetter gemacht – dann hätten Sie auch da nicht allgemeine geschlechtsbezogene Gründe angenommen.
Sobald man/frau aber meint, dieses Missverständnis hätte sich aus dem Geschlecht ergeben wird das Ganze als Sexismus bezeichnet. Dann geht es nicht mehr um eine Frage der Passung zwischen diesen zwei Personen (die es vielleicht ist), sondern wird aus der einzelnen zwischenmenschlichen Erfahrung verallgemeinert auf eine Grundeinstellung zum anderen Geschlecht.
Um aber wirklich zu wissen, ob die Person sexistisch handelte (also aus einer solchen abwertenden allgemein geschlechtsbezogenen Einstellung), muss man die Person viel besser kennen lernen. Man muss sich dann damit beschäftigen, wie sie sich denn generell verhält – und nur wenn sie sich nicht generell so verhält, sondern nur allen Mitgliedern des einen Geschlechts gegenüber, dann kann man auf Sexismus schließen (man weiß es immer noch nicht, denn die geschlechtsunabhängigen Gründe können einem ja auch nicht aufgefallen sein). Wer also jeder Person gegenüber erwähnt, dass sie Trachtenkleidung gut tragen kann – der handelt selbst bei der Brüderle-Aussage nicht sexistisch.
Und dann muss man auch bei der von @Stephan aufgeworfenen Frage nach Attraktivität nuancieren. Attraktivität als solche wird nicht verallgemeinert – weil wir kein offensichtliches Anknüpfungsmerkmal haben. Sobald Attraktivität aber subjektiv (durchaus auch indirekt) an geschlechtsbezogenne Merkmalen angeknüpft wird, wird daraus Sexismus. Und wenn dann gute Kleidung eben generell eher an Frauen auffällt, dann ist das Verbot guter Kleidung in Prüfungssituationen nach dem heute üblichen Sinne sexistisch.
@Stephan Schleim
“Stimmen Sie mir dann eigentlich zu, dass die Brüderlegeschichte nicht so passend als Beispiel für Sexismus diskutiert wurde?”
Na gut, es gibt sicher Schlimmeres. Aber als ein Beispiel für Sexismus sehe ich sie auf jeden Fall an. Deshalb auch mein Hinweis auf den Artikel in Spektrum.de:
http://www.spektrum.de/alias/sexismus/bruederle-im-geiste/1182403
“LOL, Leichen im Kofferraum, harmlos – hat man das Ihnen auf einer bayerischen Schule so beigebracht? Wo fängt die Ernsthaftigkeit dann eigentlich an?”
Oh je, und ich hatte mir vorher noch überlegt ein anders Beispiel zu bringen.
“Woher wissen Sie eigentlich, dass sich hinter dem Witz mit der Leiche im Koffer nicht das sexistische Vorurteil versteckt hat, dass eifersüchtige Frauen sich gerne derart ihres Ehemannes entledigen?”
Also in diese Richtung hätte ich jetzt nicht gedacht, aber wenn Sie es sagen.
@Noit Atiga
Ich fürchte wir drehen uns im Kreis. Es ist auch recht schwierig Situationen aus dem Kontext zu reißen und sie als Bespiele zu gebrauchen. Insofern stimme ich Ihnen zu, dass einzelne zwischenmenschliche Erfahrungen nicht verallgemeinert werden sollten, sondern dass man sich die Grundeinstellung einer Person zum anderen Geschlecht ansehen sollte.
Wenn ich Sie richtig verstehe, dann lässt sich Sexismus nicht überwinden, weil er irgendwie Teil der Gesellschaft ist. Eine Antwort auf die Frage, wie stark Menschen aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden, finden wir hier wohl jedoch nicht mehr.
@Mona
Nein, das meinte ich nicht, sondern nur: Er lässt sich nicht so überwinden, wie es derzeit versucht wird. Ich habe das entsprechend schonmal nebenan zum Rassismus geschrieben_
Kritik über die zu beseitigenden Grenze hinweg bringt die Grenze ebensowenig zum Einstürzen wie die Suche nach ausgewogener Rollenverteilung. Beides verstärkt die Grenze eher. Will man den Sexismus also überwinden, dann darf eine Kritik nicht an geschlechtlichen Merkmalen oder Äußerungen aufgehangen werden, sondern dann muss man als Frau seinen Mann stehen oder als Mann seine Frau. Und dann sollte Sexismus-Kritik (nicht sachliche Kritik) nur von Frauen an Frauen geäußert werden und von Männern an Männern.
Darüber hinaus muss frau auf Opfer-Rolle ebenso verzichten wie auf der Täter-Stilisierung der Männer – damit bringen sie die in ihrem Sinne denkenden Männer nur gegen sich auf. Und dann muss frau sich auch entscheiden, ob sie sich adrett anzieht und entsprechende Komplimente akzeptiert oder ob sie sich eher wie ein Mäuschen kleidet und entsprechend eher asexuell behandelt wird – dann kann mann nämlich wenigstens gewisse Anhaltspunkte finden und mann kann zurecht kritisiert werden; es lernt sich leichter. Und dann darf frau auch nicht reklamieren, dass Ihr Verhalten bitte so zu interpretieren ist, wie sie es gemeint hat – während sich mann bitte schön so interpretieren lassen müsse, wie frau es versteht. (Siehe sehr treffend dazu Brigitte Kelle).
Kurz: Frauen dürfen keine Sonderrechte in der Behandlung einfordern – denn wer bevorzugt behandelt werden will, der kann nicht gleichberechtigt sein.
Und Frauen, die das heute wenigstens ansatzweise beherzigen, die haben in unserer Gesellschaft meist mindestens genauso gute Karten wie Männer. Dass es noch Vorurteile (bei der älteren Generation) gibt und auch wenigstens missverständliche Äußerungen, das läßt sich nicht verneinen – aber die beseitigt frau am effizientesten durch strahlende Gegenbeispiele gleichberechtigter Fraulichkeit.
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