Können wir mit Wissen über unser Gehirn Gesetze verbessern?

Das Beispiel des Strafrechts
Legal Tribune Online interviewte mich über mein neues Buch. Eine der Hauptfragen war, ob sich die Altersgrenze für die strafrechtliche Verantwortlichkeit mit Wissen über unsere Gehirnentwicklung besser ziehen lässt.
In meiner Forschung beschäftigte ich mich schon früher mit der Tatsache, dass der niederländische Gesetzgeber die Altersgrenze für die volle strafrechtliche Verantwortlichkeit auf 23 Jahre anhob – und das in zuvor ungekannter Weise mit neurowissenschaftlichen Quellen begründete (z.B. Schleim, 2020).
Nebenbei: Auch wenn das Jugendstrafrecht damit prinzipiell bis zum Alter von 22 Jahren angewendet werden kann, geschieht das in den Niederlanden kaum, in nur ca. 6 Prozent der Fälle; in Deutschland ist das zwar nur bis zum Alter von 20 Jahren möglich, werden dafür aber ca. 66 Prozent der Fälle junger Erwachsener so behandelt. Im Jugendstrafrecht werden das pädagogische Ziel und die Reintegration in die Gesellschaft höher gewichtet. Ein Grund dafür ist die Annahme, dass die Persönlichkeit dann noch beeinflussbarer ist.
Wir sehen international immer mehr Beispiele – viele davon in den USA – dafür, dass in Gesetzesinitiativen eine Anhebung von Altersgrenzen mit der “noch nicht abgeschlossenen Gehirnentwicklung” begründet wird (Schleim, 2025, Kap. 4). Oft, etwa in der Drogengesetzgebung, ist dann von 25 Jahren die Rede. Deutschen Lesern dürfte das aus der Diskussion um die neue Cannabisgesetzgebung noch gut in Erinnerung sein.
Komplexes Gehirn
Dabei ist allerdings ein Problem, dass es keinen einfachen Marker für die Gehirnentwicklung gibt. Und wenn man aufgrund neuester Forschung verschiedene miteinander vergleicht, zeigt sich dieses Ergebnis:
“Das Volumen der grauen Substanz erreicht seinen Höhepunkt im Durchschnittsalter von 5,9 Jahren, das der subkortikalen Regionen mit 14,4 Jahren und das der weißen Substanz mit 28,7 Jahren. Die mittlere Dicke der Hirnrinde erreicht ihren Höhepunkt sogar bereits mit 1,7 Jahren, die gesamte Gehirnoberfläche mit 11,0 Jahren und das gesamte Gehirnvolumen mit 12,5 Jahren.” (Schleim, 2025, S. 42)
Dem oft genannten Alter von 25 Jahren kommt das Volumen der weißen Substanz am nächsten, das im Mittel mit 28,7 Jahren sein Maximum erreicht (Schleim, 2025, Abb. 2.4). Diese verbindet verschiedene Gehirnregionen über weite Strecken miteinander. Aber selbst wenn wir das noch nicht angesprochene Problem der individuellen Variabilität beiseitelassen, bedeutet das auch: Ab 29 Jahren nimmt die weiße Substanz allmählich wieder ab. Müssten “Neuro-Gesetze” das nicht auch berücksichtigen?
Wer für gesetzliche Altersgrenzen die Gehirnentwicklung heranziehen will, steht also vor großen Problemen. Und während die Grenze für die volle strafrechtliche Verantwortlichkeit in den Niederlanden angehoben wurde, wird in Deutschland zurzeit eine Absenkung der Strafmündigkeit von 14 auf z.B. 12 Jahre diskutiert; das Thema spielte sogar im letzten Wahlkampf eine Rolle.
Priorität von Verhalten und Gesellschaft
Laut meiner Forschung – und auch einige Neurowissenschaftler räumen das ausdrücklich ein – kann in dieser Frage in der Biologie keine eindeutige Grenze bestimmen, wie sie für die Anwendung von Gesetzen praktisch sind. Ich empfehle daher, sich nach wie vor in erster Linie am Verhalten und sozialen Umfeld der Betroffenen zu orientieren (Schleim, 2025, Kap. 5). Auch heute schon müssen Jugendstrafrichter in Deutschland beurteilen, ob der Täter (ab 14 Jahren) zum Zeitpunkt der Tat das Unrecht seiner Tat einsehen – und danach handeln konnte (§3 JGG). Eher in Ausnahmefällen könnte hier in der Zukunft ein neurowissenschaftliches Gutachten von Bedeutung sein.
Die Entscheidung, ob man schon unter 14 Jahren strafrechtlich verantwortlich sein kann, ist nach meinem Dafürhalten aber eine politische und keine wissenschaftliche. Schon in Europa gibt es hierzu große Unterschiede und bejaht man dies beispielsweise in Frankreich und Großbritannien.
Aber wenn Kinder unter 14 Jahren häufiger an Straftaten und sogar schweren Gewaltverbrechen beteiligt sind, kann man den Ruf nach einer Herabsenkung der Altersgrenze für die Strafmündigkeit zumindest gesellschaftlich nachvollziehen. Dabei sollte man aber auch bedenken, dass mit dem Wegschließen von Menschen Probleme allenfalls vorübergehend gelöst werden, damit auch gesellschaftliche Kosten verbunden sind – und längerfristige kriminelle Karrieren mitunter erst im Gefängnis anfangen.
Doch auch wenn laut kriminologischen Daten in junge Menschen in vielen Ländern häufiger Straftaten begehen als andere Altersgruppen, ist die gute Nachricht: Diese kriminelle Tendenz verschwindet bei den meisten von ihnen mit der Eingliederung im Erwachsenenleben wieder.
Interdisziplinäre Forschung
Welche Rolle kann ein theoretischer Psychologe oder “Neurophilosoph” hier eigentlich spielen? Meiner Erfahrung nach ziehen empirische Wissenschaftler mitunter vorschnelle Schlüsse der Art: “Wir haben einen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen A und B gefunden, darum sollte man sie normativ unterschiedlich behandeln.” Als Philosoph weiß man, dass der Schluss von Daten auf Werte, von Wissenschaft auf Moral und Gesetz schwierig ist.
Umgekehrt haben Vertreter der Geistes-, Sozial-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften oft nur ein oberflächliches Verständnis der Datengewinnung und -Auswertung in Psychologie und Neurowissenschaften. Dadurch können Einschränkungen des wissenschaftlichen Wissens, die insbesondere für seine praktische Anwendung von Bedeutung sind (Schleim & Roiser, 2009), übersehen werden. Und im Bereich von “Gehirn & Recht” kann sehr viel auf dem Spiel stehen.
Anders als andere Forscher, die zum Einwerben von Drittmitteln “das nächste große Ding” versprechen, habe ich hier auch keinen finanziellen Interessenkonflikt.
Nebenbei: Mit den normativen Implikationen der Hirnforschung beschäftigte ich mich schon während meiner Doktorarbeit (2005-2009). Der Titel meiner Dissertation lautet dann auch: “Norms and the Brain”. Damals standen aber die Moral im Vordergrund, nicht das Recht. Die für diesen Artikel zugrunde liegende Forschung wurde zum Teil auch vom Niederländischen Forschungsrat (NWO) im Rahmen meines Projekts “The History of Neuroethics” gefördert (siehe auch Schleim, 2023) und die Veröffentlichung des neuen Buchs als open access von der Bibliothek der Universität Groningen.
Neues Buch gratis

Stephan Schleims neues Buch (open access & peer reviewed) können Sie hier gratis als PDF-, EPUB- und HTML-Version lesen.
Quellen (alles open access):
- Interview (2025): “Strafrecht für Heranwachsende zu milde?” Legal Tribune Online.
- Schleim, S. (2020). Real Neurolaw in the Netherlands: The Role of the Developing Brain in the New Adolescent Criminal Law. Frontiers in Psychology, 11, 1762, 1-5.
- Schleim, S. (2023). Mental Health and Enhancement: Substance Use and Its Social Implications. Palgrave Macmillan, Cham.
- Schleim, S. (2025). Brain Development and the Law: Neurolaw in Theory and Practice. Palgrave Macmillan, Cham.
- Schleim, S. & Roiser, J. P. (2009). fMRI in translation: the challenges facing real-world applications. Frontiers in Human Neuroscience, 3, 63.
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Ich halte Schuld für eine notwendige Lüge – es gibt sie nicht, aber wenn wir nicht so tun als ob, wird das Leben noch beschissener. Schuld, Schuldgefühle, Angst, sind zwar unangenehm, doch es sind halt mächtige Werkzeuge, die Persönlichkeit zu strukturieren und das Verhalten des Einzelnen wie der Gesellschaft zu kontrollieren.
Man muss sie also nur dann berücksichtigen, wenn sie diese Zwecke auch tatsächlich erfüllen. Wenn sie wirkungslos sind oder gar schädlich, kann man sie ignorieren.
Die Anderen – sind immer mehr. Die Welt ist immer unendlich viel stärker. Die Gene halten uns gefangen. Und sie alle formen und lenken uns von der Kindheit an. Im Endeffekt ist der Täter nur die Messerspitze, die auch nur in das Opfer eindringt, weil übermächtige Kräfte auf sie einwirken. Und wenn man sich das Ganze zu Ende denkt, sollte jedes Urteil gleichermaßen gegen Geschworene, Richter, Anwälte gelten, denn wir alle formen diese gigantische Masse aus Kräften und Beziehungsgeflechten, die auf den Täter niedergekommen ist wie ein Hammer auf den Nagelkopf. Nach Kilogramm und Joule und Vektoren war er genauso machtlos, wie sein Opfer oder jeder Unbeteiligte, der tausend Kilometer weiter sein Quäntchen dazu beigetragen hat, dass die Gesellschaft so tickt, wie sie tickt und, ob als Nebenprodukt oder weil sie es nötig hat, um genug Angst zu haben und ihre Strukturen zu erhalten, geeignete Rohlinge am Fließband zu Tätern verarbeitet.
Eine Strafe ist also keine Gerechtigkeit, sondern ein Unrecht, das verhindert dass die Gesellschaft noch ungerechter würde, weil sie die Angst, Reue, Schuldgefühle vernachlässigte, die nötig sind, damit sie ihre Missetaten in gemäßigten, durch das Gesetz definierten, wenig schmerzhaften oder schädlichen Grenzen begeht.
Das Meiste, was die Richter so veranstalten, ist also schlicht und einfach Bullshit. Die Schwere der Schuld besteht nicht, wo keine Schuld da ist, dementsprechend muss man sich Kriterien dafür aus den Fingern saugen. Und die folgen meist Launen und Nutzen für die Gesellschaft und haben nichts mit der Tat oder dem Täter zu tun. Wenn ein Mensch weder Impulskontrolle noch Gewissen hat, ist er ja der Unschuldigste von allen, man kann von ihm ja unmöglich erwarten, dass er Werkzeuge nützt, die ihm gar nicht installiert wurden. Trotzdem ist die gesteigerte Unschuld von Psychopathen, die die Grausamkeit ihrer Tat höchstens theoretisch aber nicht emotional begreifen, eher ein Grund, sie noch länger zu verknacken. Außer sie sind jung, dann kann man nachrüsten.
Grundsätzlich gilt, je mehr eine Gesellschaft einem pathologischen kriminellen Milieu ähnelt, desto grausamer geht sie mit Abweichlern um – weil es gewissenlose Gangster, Psychopathen, Mafiosi, Triebtäter eben so machen. Umso mehr muss man ihre Straftäter quasi als Menschenopfer an Satan verstehen, Seelen, die extra zu diesem Zweck gezüchtet werden: Um zur Hölle zu fahren, damit die Hölle ihre Jünger nicht bestraft und sie ihr Leben lang in Sünden schwelgen können. Am anderen Ende des Spektrums ist die Gesellschaft, die sich echt Mühe gibt, die Menschen vor seelischen Schäden und Grausamkeiten zu schützen, sodass ihre Kriminellen im Grunde Unfälle sind – in der brodelnden Masse der Gesellschaft werden immer Nischen entstehen, die alle Faktoren auf ihre eigene Weise kombinieren. Da haben Kriminelle und ihre Opfer einfach Pech gehabt.
Arschtritt wem Arschtritt gebührt, nicht alles kann man vergeben, und wenn Vergebung den Täter und Nachahmer ermutigt, ist sie Anstiftung zu all ihren Straftaten. Aber richten nicht Unschuldige über Schuldige, nicht die Gerechten über die Ungerechten, sondern ein Haufen äußerst beschränkter und überforderter Affen wurschtelt sich mehr schlecht als recht durch eine richtig fiese und Welt durch. Es fühlt sich nicht so an. Aber es fühlt sich so einiges nicht so an, wie es eigentlich ist, zum Beispiel die eine oder andere Straftat.
Was sagt mir das über das Jugendstrafrecht? Dass diejenigen, die nach reiner Härte rufen und selbst vor Kindern nicht Halt machen, selbst eine Bande verwahrloster Kreaturen sein dürften, die einfach nur eine Mafia gegründet haben, in der ihre Verbrechen legal und ihre Sünden Tugenden sind, hilft mir ja nicht weiter – wir müssen alle mit uns leben, wie wir sind. Eine andere Sicherheitsverwahrung als das Rechtssystem gibt es für die große Mehrheit von uns nicht.
Ich würde mir jedenfalls weniger Esoterik, weniger Selbstherrlichkeit des staatlich organisierten Lynchmobs und weniger postreligiösen Hokuspokus wünschen, und mehr Pragmatismus. Schuld und Sühne sind Teil unserer Natur, unserer Psyche, ob sie Sinn machen oder nicht. Und damit muss ich arbeiten.
Ich muss den Quatsch aber nicht so verflucht ernst nehmen, dass ich deswegen Richter Hexenmale zählen oder Wasserproben durchführen lasse. Es geht in erster Linie um die Minderung des Opferleids, was durch eine Sühne oder Strafe durchaus bewerkstelligt werden kann, in zweiter um den Schutz der Gesellschaft durch Abschreckung und Dressur auf bestimmte Normen, an dritter Stelle kommt der Täter, der sich nicht in seine Rolle in der Gesellschaft einfügt, und irgendwie gemanagt werden muss, je nach seinen Eigenheiten. Und hier ist der Punkt, wo gute Richter durchaus viel richtig machen, allen Mittelalter-Altlasten ihres Berufes zum Trotz.
Glauben wir an Schuld, ist die Schuld, wo die Macht ist. Ist die Gesellschaft selbst eine korrupte Räuberbande, hat sie zu wenige Mittel, sich um jeden Täter individuell zu kümmern, aus eigener Schuld. Hat sie die Mittel nicht, weil die Welt es unmöglich macht, sie zu beschaffen, trägt sie keine Schuld. In beiden Fällen wird sie auf pauschale Lösungen zurückgreifen müssen, die alle Täter ähnlicher Kategorien mit dem Bett des Prokrustes messen. Im ersten Falle kann ich die Tat als selbst gewählte Strafe für den eigenen Lifestyle werten, der Täter hat Milde verdient. Im zweiteren ist die Ungerechtigkeit von Pauschalisierung einfach eine Notlösung, die ich akzeptieren muss.
Die Welt wird nie so funktionieren, so reif wird das menschliche Hirn selten. Aber man kann ja anerkennen, dass die Meisten von uns nur Glück hatten, dass sie zufällig so geraten sind, dass die Meute ihnen Schutz gewährt, statt sie aus Not oder Bequemlichkeit zu lynchen. Man kann ja gucken, wie sehr man dem Ideal nahekommen kann – der eine mehr, der andere weniger. Und in dem Punkt stehen Richter und Täter vor demselben Gericht.
Das Problem, wie Handlungen von Kindern und Jugendlichen strafrechtlich zu beurteilen sind, wurde doch vor 500 Jahren bereits mehr als zufriedenstellend gelöst: Man reiche dem Täter mit der einen Hand einen Apfel, mit der anderen einen blankpolierten Gulden.
Greift das Kind nach dem Apfel – Freispruch. Greift es nach dem Gulden – Richtklotz und Beil!
In gewisser Weise liefert das Wissen über das Gehirn tatsächlich eine Möglichkeit Gesetze zu verbessern:
Am langen Ende kommt heraus, dass Schuld und Verantwortlichkeit zwar mit biologischen Markern verknüpft sind (wir sind einfach nicht irgendwie reiner Geist, der einen Körper pilotiert wie ein Mensch ein Auto oder ein Flugzeug), aber als Maßstab zu billig sind.
Bin ich auf dem falschen Dampfer wenn ich sage, dass Gehirnentwicklung und -zustand Auskunft darüber geben wo theoretische Limits sitzen? Wir aber einfach nicht daran vorbei kommen zu betrachten wo der einzelne Mensch tatsächlich steht?
Ich habe bis jetzt keine gesicherten wissenschaftlichen Belege dafür gesehen, dass zB die Absenkung der Strafmündigkeit einen positiven Einfluss auf die Kriminalitätsentwicklung hat.
Die nationalsozialistisch begründete Absenkung auf zwölf Jahre (“zum Schutze vor jungen charakterlich abartigen Schwerverbrechern”) hat sich nicht wirklich bewährt. ^^ Entschuldigung für den Zynismus.
Das die AfD und die DPolG da gleich argumentieren wirft kein gutes Licht auf die DPolG. Genauso wenig wie auf Andere die sich da mit ins Boot setzen wollen.
@Paul S: Schuld…
…kann man durchaus als soziales Konstrukt sehen, doch es hat eine Funktion – bzw. mehrere: Im Strafrecht vor allem allgemeine Prävention (durch Abschreckung), individuelle Prävention (durch Kontrolle eines Straftäters), Rehabilitation (Wiedereingliederung in die Gesellschaft/Lernen) und Vergeltung aus Sicht der geschädigten Rechtsordnung und des Opfers.
Auch im Privaten gibt es einen Zusammenhang von Schuld und Entschuldigung.
P.S. Wann lassen Sie mir eigentlich 25 Euro (inkl. 19% USt.) für die volle Bearbeitung Ihrer Koreferate (15 Minuten zum Freundschaftspreis) zukommen?
@schorsch: Na ja – wir möchten die Diskussion hier gerne auf einem wissenschaftlichen Niveau führen… oder jedenfalls in dieser Richtung.
@Uli Schoppe: Schuld & Gehirn
Ist das so? Wenn man eine Tat begeht, dann dürfte zwar ein gewisses Tatwissen im Gedächtnis abgelegt sein; eine Metapher, von der wir noch nicht genau sagen können, wie sie neurobiologisch funktioniert.
Aber wann jemand für eine Tat verantwortlich, gar schuldig ist – das bestimmt doch wohl das Rechtssystem?
Es gibt auch Länder, die gar keine Untergrenze kennen.
Allgemein gilt aber doch: Egal, welche Altersgruppe man sich anschaut, die allermeisten Menschen halten sich die meiste Zeit ans Gesetz. Es gibt Ausnahmezustände (z.B. vielleicht gerade die Plünderungen in L.A.?)
Dass man diesen Unterschied regelmäßig an der Gehirnentwicklung festmachen kann, halte ich für eine gewagte These.
Das beträfe auch nur eine Funktion des Schuldstrafrechts.
Schon nach den Regeln des heutigen Jugendstrafrechts muss das Gericht übrigens feststellen, dass der Täter die Falschheit seiner Tat einsehen – und nach diesem Wissen handeln konnte. Stand das nicht im Artikel? Dafür braucht man im Prinzip keine Untergrenze.
Ich denke, es ist auch eine wesentliche Frage, wie man straft – und mit diesem Menschen umgeht, ihm oder ihr auch bei der Rückkehr zu einem stabilen Leben in der Gesellschaft hilft.
Wäre für die heutige Bundesrepublik wohl unschön, ja. Aber, wie gesagt, andere Länder haben niedrigere Grenzen, auch ohne NS-Vergangenheit. Lange vor dem NS-Regime gab es in Deutschland übrigens auch schon einmal eine niedrigere Altersgrenze.
Es ist im Endeffekt eine gesellschafts- bzw. rechtspolitische Frage. Ich würde vor allem sagen: Wenn, dann nicht nur die Altersgrenze senken – sondern auch einen konkreten Plan haben, wie mit den Betroffenen umgegangen wird, um Probleme jedenfalls nicht größer zu machen, als sie sind.
(Es gibt ja heute schon familienrechtliche Maßnahmen für schwierige Kinder, wie z.B. die Aufnahme in Pflegeheime oder -Familien. Was das für Folgen hat, müsste man einmal näher betrachten.)
Ich empfehle Thomas Fischer ” Über das Strafen”, erhältlich bei der Bundeszentrale für politische Bildung.
Grundsätzlich geht es doch darum, wie aus einer Handlung eine Tat wird.
Den Vorrang sollte der Schutz der potentiellen Opfer haben.
Ob es die Schuld und den freien Willen gibt, das sind nur theoretische Fragen.
Auch gefährliche Tiere lässt man nicht frei umherlaufen.
Die räumliche Abtrennung muss nicht den Charakter einer Bestrafung haben.
@Mussi: Thomas Fischer ist fürs Strafrecht natürlich die Referenz; das genannte Buch gibt es meines Wissens aber nicht bei der bpb, sondern zum Kauf im Buchhandel.
@Bednarik: Schutz
Recherchieren Sie einmal zum Unterschied zwischen einem Schutz- und einem Schuldstrafrecht.
Zu den verschiedenen Funktionen des Strafrechts habe ich hier eine kleine Aufzählung gemacht.
Woher wissen wir eigentlich, dass die Gesellschaft nicht vor Ihnen geschützt werden müsste? Ernster: Die Regeln des Straf- und Strafprozessrechts dienen vor allem dem Schutz unschuldiger Bürger*innen vor staatlichen Zugriffen. Wenn wir alle Opfer sind, wessen Schutz dient das dann?
“Eine Strafe ist also keine Gerechtigkeit, sondern ein Unrecht, das verhindert dass die Gesellschaft noch ungerechter würde, weil sie die Angst, Reue, Schuldgefühle vernachlässigte, die nötig sind, damit sie ihre Missetaten in gemäßigten, durch das Gesetz definierten, wenig schmerzhaften oder schädlichen Grenzen begeht.”
Damit zäumt man das Pferd von hinten auf.
Eine Strafe kann auch Liebesentszug sein, wahrscheinlich viel wirksamer als ein Entzug des Taschengeldes.
Ergo, Liebesentzug ist eine sehr schlechte Strafe , weil sie keine Gerechtigkeit zum Ziele hat.
Eine Strafe muss sichtbar sein für das Opfer als Zeichen, dass Gerechtigkeit “geschieht” und für den Täter Strafe gleichzeitig ist, die Buße für die begangene Tat, die ihn gleichzeitig wieder frei macht von Schuld.
Das Eigestehen der Schuld ist die Entschuldigung für das Opfer.
Wenn man jetzt zum Alter für die Schuldfähigkeit kommt, dann muss man gleichzeitig bedenken, dass die mögliche Strafe für den Täter und auch für das Opfer das gestörte Verhältnis zwischen Täter und Opfer wieder verbessert, so weit, dass das Opfer sich wieder sicher fühlt und beim Täter eine Wiederholung der Tat erschwert.
Was die biologischen Marker von Uli Schoppe betrifft ,hat man ja schon eine wichtige Grenze gefunden. Es gibt auch geistige Marker, das Ende des magischen Denkens z.B. zum realen Denken.
Der zweite Gestaltwandel liegt zwischen dem 9. und 14. Lebensjahr, der Bereich , wo die Sexualität erwacht und sich der Jugendliche vom Elterhaus “abnabelt”
Die deutsche Lösung mit dem 14. Lebensjahr und dem 18. Lebensjahr als Bereich für das Jugendstrafrecht zu nehmen ist eine praktikable Lösung.
Deshalb endet die Schulzeit mit dem 18. – 19. Lebensjahr , denn der Lehrer ist ja Richter für alle Fälle, und der muss so strafen, dass Gerechtigkeit geschieht und gleichzeitig ein Zusammenleben von Täter und Opfer in der Gruppe möglich bleibt.
Mein Fazit als ex-Lehrer, Strafe sofortStrafe bei Jugendlichen ist mehr die Ahndung eines Regelverstoßes wie im Sport, als ein Verstoß gegen ein Gesetz. Überhaupt sollte man Jugendliche nicht kriminalisieren.
@Doe: Strafen
Ja, schon – aber es ist auch eine Frage, ob der Weg über staatliche Institutionen dafür immer der beste ist. Stichwort: Täter-Opfer-Ausgleich. Idealerweise hätte man vielleicht etwas von beidem.
P.S. Das Jugendstrafrecht kann (und wird in der Regel) aber in Deutschland bis zum Alter von 20 angewendet werden. (“Vollendung des 21. Lebensjahrs” = Obergrenze für “Heranwachsende”)
Stefan Schleim,
“staatliche Institutionen” und ich dachte meine Meinung wäre klar.
Also, die staatliche Instiution ist bei Kleinkindern fehl am Platze. Bei Kinder bis zum 14. Lebensjahr sollte sie auch die Ausnahme bleiben.
Und danach, auch die Ausnahme. Auf der menschlichen Ebene lassen sich fast alle Konflikte lösen. Nach 42 Berufjahren , pro Jahr etwa 100 Schüler, kann ich sagen, dass Boshaftigkeit die Ausnahme ist. Nur bei zwei Fällen, ein Mord und ein versuchter Mord, da griff die Justiz ein , mit einer Jugendstrafe von 10 Jahren und mit einer Strafe von zwei Jahren. Ein Drogenabhängiger beging Suicid, und das war der Fall, den ich nicht durchschaut hatte.
Ich bin da ihrer Meinung.
Die Fachfrauen/Männer der Jugendämter sind nicht unbedingt kompetenter als die Lehrer. Und vor allen Dingen, die Jugendämter sind überlastet. Wenn man bei einem Notfall mit 2 Wochen vertröstet wird,……dann wird die Schulleitung selber tätig und das mit Erfolg.
@Doe: Theorie & Praxis
Sie sind Praktiker und das mag inhaltlich alles stimmen.
In diesem Blogartikel geht es spezifisch um die Gehirnentwicklung und Altersgrenzen in (Straf-) Gesetzen.
Als Praktiker können Sie sicher bestätigen, dass es große individuelle Unterschiede zwischen den Menschen (Schüler*innen) gibt. Das spricht meiner Meinung nach gegen feste Altersgrenzen.
Dass die Jugendämter leider auch keinen Zauberstab haben, liegt auf der Hand. Verbrechen würde man idealerweise vorbeugen. Wir leben aber in keiner idealen Welt.
Und dass bei (schweren) Gewaltverbrechen die Justiz übernimmt, räumen Sie ja auch ein. Was in solchen Fällen die ideale Lösung ist, darüber kann man streiten. In unserer Gesellschaft fällt darüber dann (ab 14 Jahren) ein Strafgericht eine Entscheidung; unter 14 Jahren wohl ein Familiengericht?
@Mussi, @Stephan Schleim
Das Buch von Thomas Fischer, Über das Strafen, gab es mal bei der bpb, gibt es dort aber nicht mehr.
Ist mir auch schon bei anderen Gelegenheiten aufgefallen, die scheinen bei einigen Büchern das Recht für eine begrenzte Auflage eingeräumt zu bekommen. Dort ist es dann etwas billiger als im normalen Buchhandel zu erstehen.
Stephan Schleim u. A.
Gehirnentwicklung. Das klingt vernünftig.
Die Entwicklungspsychologie nach Piaget liefert schon mal eine Gliederung.
Für die strafrechtliche Betrachtung sind die Unterscheidung von der konkreten operationalen Phase 3. Phase , zur formal operationalen Phase 4. Phase entscheidend, wo der Jugendliche anfängt abstrakt zu denken.
Mit einem Intelligenztest könnte man da schon eine Einteilung wagen.
Liegt der Jugendliche dabei am unteren Ende , dann könnte man von einer beschränkten Schuldfähigkeit sprechen. Er kann dann zwar den realen Fehler erkennen aber er kann (noch)nicht seine Folgen überschauen.
Hier sollten dann Erziehungsmaßnahmen einsetzen.
Anmerkung, es gibt sicher viele Erwachsene, die den Sprung von der realen Denkweise zur formalen Denkweise noch nicht vollzogen haben und es auch nicht vollziehen können.
Wenn man aber unter Gehirnentwicklung eine biologische Begründung sucht, etwa genetischer Art, dann geht man in Richtung Rassenlehre.
2. Anmerkung: Das sind nur Gedankensplitter, und ob ich damit nur Eulen nach Athen getragen habe, das weiß ich auch nicht.
@Joker: Ja, die Verlage wollen ja auch von irgend etwas leben. 😉
@Doe: Piaget…
…ist eine interessante historische Referenz, doch nun auch schon seit einigen Jahrzehnten nicht mehr aktuell. (Sein Stufenmodell spielte am Rande eine Rolle für meine Doktorarbeit.)
Ja, durchaus. Es gibt da Parallelen zwischen heute und, sagen wir, den 1900er- bis 1920er-Jahren. Man diskutiert das heute als genetischen Essenzialismus. Am Rande spielte das in meinem neuen Essay über die missverstandene Erblichkeit hier eine Rolle.
Können wir mit Wissen über unser Gehirn Gesetze verbessern?
Aus meiner Sicht ist bemerkenswert ( ‘merk-würdig’ ), dass wir uns in dieser Angelegenheit vordringlich mit Strafen und Strafrecht, also im übertragenen Sinn mit ‘Pflichten’ befassen.
Was ist denn mit den ‘Rechten’, mit dem Wahlrecht, dem Alter für den Führerschein, dem Alter, sich im Notfall für das Vaterland erschießen zu lassen?
Hat dabei die Entwicklung des menschlichen Gehirns keinen Einfluss?
Mit der Hirnentwicklung scheint es mir keine einfache Sache zu sein. Einerseits gehen wir davon aus, daß wir einsichtsfähig sind. Wir sollen nicht töten, nicht stehlen, nicht lügen u.s.w., da es auf uns selbst zurückfallen kann: “stell dir vor, es würde jeder so machen”. Jedem Kind ab drei Jahren geben wir das an die Hand. Wir hoffen darauf, daß das Kind einsichtig und gewahr wird, daß es nicht allein auf diesem Planeten lebt, wo es machen kann, was es will. Andererseits muß es im Rechts -und Strafwesen immer die Möglichkeit geben, es an das Wissen anzupassen. Schuld und Entschuldigung, Sühne, Strafe, Rache in der Gerechtigkeit (ich bin gerecht vs. ich bin gerächt -> Nietzsche) kann es auf Dauer ja wohl nicht sein. Wie aber mit dem Hirn umgehen? Das Wissen um das Gehirn dürfte ja nur eine Momentaufnahme sein, da das Hirn über Regeln und Normen wiederum beeinflußt wird. Die Schwierigkeit, die ich sehe, ist die, daß wir nicht ohne unser Hirn können, aber gleichzeitig das Hirn ein geöffnetes System ist, daß sich an rechtlichen resp. strafrechtlichen Normen orientiert, die veraltet sein können. Ob es da einen Ausweg gibt? Ich weiß es nicht!
Ich muß an Schopenhauer denken: der mächtige Gebieter, der Wille heißt, möchte den Rahmen seiner Möglichkeiten erweitern. Alles, was ihn in Ketten legt, nennt er Lüge, was ihn befreit, Wahrheit. Nun scheint es mir aber zu sein, daß der Wille nicht nur blindwütig, sondern auch rücksichtslos ist. In früheren Zeiten, war es eine Erziehungsmethode, diesen Willen brechen zu wollen, was zu extremen Störungen in der kindlichen Entwicklung führte. Wir können nur durch Befragen und Hinterfragen des Willens (Richterfunktion, die wir Vernunft nennen) uns vorwärts tasten, in der Hoffnung, den Willen in Bahnen zu lenken. Welche Bahnen werden das sein?
Gesetze werden gemacht, um bestimmte Probleme zu lösen, die sich schädlich in einer Gesellschaft auswirken.
Wenn man z.B. Kinder als strafunmündig betrachtet, dann sollte man darüber nachdenken, dass man bei Straftaten Ältere (z.B. Geschwister oder Eltern) dafür in Verantwortung nimmt.
Mit dieser Vorgehensweise könte man dafür sorgen, dass strafunmündige Kinder nicht vorsätzlich zu Straftaten von Älteren angestiftet werden.
Karl Meier,
“Was ist denn mit den ‘Rechten’, ”
sehr gut, denn die Gehirnforschung ist zweischneidig.
Also, um mal anschaulich zu werden. Wenn man seinen Führerschein verloren hat, muss man den “Idiotentest” machen. Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) oder Begutachtung der Fahreignung.
Wenn man diesen Test nicht besteht, dann bekommt man keinen Führerschein.
Das ist schon ein gewaltiger Einschnitt in die Freizügigkeit.
Jetzt mal konstruiert, die Gehirnforschung lokalisiert den Bereich im Gehirn , der bei Alkoholismus degeneriert ist. Dann braucht man nur noch einen Gehirnscan durchzuführen und hat eine rechtliche Begrüdung für das Erlöschen der Fahrerlaubnis.
Zweiter Fall, die Mutter eines Kindes war drogenabhängig. Das Kind hat einen Gehirnschaden davongetragen, der durch einen Gehirnscan lokalisiert werden kann. Und jetzt ? Wenn das Gesetz über die Strafmündigkeit diesen Defekt als strafunmündig einstuft, dann ist die Person gleichzeitig entmündigt.
Der Schutz der Gesellschaft wird dann über die Persönlichkeitsrechte gestellt.
Das ist natürlich auch sinnvoll, aber…..es geht um das Ausmaß und wollen wir das ?
Hallo Herr Schleim.
Zitat: “Woher wissen wir eigentlich, dass die Gesellschaft
nicht vor Ihnen geschützt werden müsste?” Ende des Zitats.
Antwort: Das wissen wir nicht, denn jeder kann jederzeit Amok laufen.
Mit moderner Technologie kann man leicht verheerende Schäden verursachen.
Gedankenexperiment eins: Jeder bekommt einen Wächter-KI-Roboter,
der verhindert, dass er anderen schadet.
Gedankenexperiment zwei: Jeder bekommt einen Leibwächter-KI-Roboter,
der verhindert, dass ihm von anderen geschadet wird.
Die Variante zwei ist vermutlich beliebter, und kann auch
zur automatischen Gesundheitsüberwachung eingesetzt werden.
Zitat: “Wenn wir alle Opfer sind, wessen Schutz dient das dann?”
Ende des Zitats.
Antwort: Wir sind alle gefährlich, und wir sind alle gefährdet.
Natürlich muss man alle vor allen schützen.
Schädigungen verhindern, ist besser als Schädigungen bestrafen.
Stanislaw Lem beschrieb in “Lokaltermin” die “Gripser”,
Nanomaschinen, die eine so ähnliche Aufgabe haben.
Mit freundlichen Grüßen, Karl Bednarik.
@Maier: Recht & Strafrecht
Nun ja, hier geht es nun um das Beispiel (Jugend-) Strafrecht.
Natürlich kann man sich für andere Rechtsgebiete analoge Fragen stellen.
Im Buch wird das angerissen. Wenn Sie das nicht auf englisch lesen wollen, könnte es Anfang 2026 eine deutsche Übersetzung geben.
@Hilsebein: Wille
Im Buch (Kap. 3) wird das Thema “Wille” als Beispiel angesprochen.
Aber wie man es auch sieht: Wir können zum Glück darauf vertrauen, dass das Gehirn i.d.R. einfach seine Arbeit macht, auch dann, wenn wir sie nicht ganz genau verstehen. (Und im Ausnahmefall haben wir idealerweise einen guten Neurologen.)
@Kinseher: Wenn ein Kind ( 14 Jahre) dazu angestiftet wurde, dann kann Letztere dafür durchaus zur Verantwortung gezogen werden, auch strafrechtlich – das Kind bis auf Weiteres allerdings nicht.
@Bednarik: Schutz
Hmm – oder darauf vertrauen, dass sich, jedenfalls in unserer Gesellschaft, die allermeisten Menschen die allermeiste Zeit an die Gesetze halten?
P.S. Beschäftigen Sie sich gerne einmal mit Asimovs Robotergesetzen, falls Sie die noch nicht kennen.
@ Schleim
…bei dem wir dann hoffen dürfen, daß dessen Hirn gute Arbeit macht. Na denn…
aber…..es geht um das Ausmaß und wollen wir das ?
Wäre es nicht sinvoller, dass wir uns erst über die Fakten informieren ( dass die Gehirnforschung zweifelsfrei und objektiv die Veränderungen in Gehirnbereichen benennen kann, die sowohl den Einzelnen wie auch die Gesellschaft nachteilig betreffen ), bevor wir darüber diskutieren, ob uns die Folgerungen aus den Erkenntnissen gefallen?
Nun ja, hier geht es nur um das Beispiel (Jugend-) Strafrecht.
Das ist/war mir klar, ich plädiere auch immer dafür, die unterschiedlichen Themen sachgerecht und detailliert zu besprechen/ergründen.
Angesichts der Erkenntnisse über die Reifung der Hirnfunktionen als f(Alter/Genetik/Erfahrung) in Bezug auf das Strafrecht kann ich allerdings nicht umhin, festzustellen, dass wir gesellschaftliche Bereiche haben, die geradezu das Gegenteil dieser Erkenntnisse heranziehen, beispielhaft dafür die Liedzeile ‘Kinder an die Macht’.
Aus meiner Sicht ist das Gehirn eine in einer Knochenkapsel isolierte, geschützte Überlebensmaschine, die allein aus dem Input diverser Sensoren ( beispielhaft Augen, Ohren, Haut/Haare ) die Handlungen und Reaktionen vorausberechnen muss, die das wahrscheinliche Überleben gewährleisten. Dabei verändert der Input im Überlebensfall auch die Algorithmen zur Berechnung zukünftiger ähnlicher Ereignisse. Denke ich dann an den massenhaften Input von für relevant erachteter Daten aus dem Internet und den social media, die absolut gesehen reiner Schwachsinn sind … nun, für das ‘Überleben’ in einer social media-Welt mag das ausreichen.
@ Stephan Schleim
11.06.2025, 05:49 Uhr
Das habe ich vieleicht unscharf formuliert oder so? Wäre “Das sich zwar vieleicht Korrelationen finden lassen” vieleicht besser? So im Nachhinein klingt das so als hätte ich sagen wollen “Es gibt geborene Mörder”. Das ist aber bei mir nicht der Fall. Also das ich das sagen wollte …
Was imho grundfalsch ist. Ich denke das wir uns einig werden können, das die Entwicklung des präfrontalen Kortex schon etwas mit Planung, Organisation, Impulskontrolle und Einsicht zu tun hat. Wenn ich Schuldfähigkeit definieren möchte muss ich mich schon damit befassen wie es um Impulskontrolle und Einsicht bestellt ist. Menschen sind allerdings in meinen Augen recht offensichtlich keine Automaten. Das macht das Problem ja knifflig.
Der Unterschied ist einfach nicht eine Funktion mit nur einer Variable, der Gehirnentwicklung. EIgentlich ist er nicht einmal eine Gleichung ^^
Im Prinzip schon. Ich hätte
vieleich mal verstehend lesen sollen? 🙂 So als Beispiel …
Natürlich. Nur wenn der NS Staat irgendetwas für gesellschaftspolitisch sinnvoll gehalten hat gerade wenn das was mit Repression zu tun hat macht mich das notorisch mißtrauisch ^^
Hallo Herr Schleim.
Asimovs Robotergesetze sind unnötig kompliziert und wenig anpassungsfähig.
Vor einiger Zeit habe ich meine Robotergesetze vorgeschlagen:
Erfülle die Wünsche der Menschen (Platin-Regel),
im Konfliktfall verringere das Leid der Menschen (negativer Utilitarismus),
wobei das Leid als intensive Größe (wie eine Konzentration) berücksichtigt wird
(die Stärke des Leidens hat Vorrang vor der Anzahl der Leidenden).
Jeder andere Befehl für einen Roboter wäre gefährlich.
Mit freundlichen Grüßen, Karl Bednarik.
@Maier: objektive Forschung?
Das ist meiner Meinung nach schon ein Selbstwiderspruch in dem Sinne, dass die Festlegung dessen, was “nachteilig” ist, subjektiv geschieht.
@Maier: “Kinder an die Macht”
Dass es hier in verschiedenen Diskussionen/Rechtsgebieten widerstreitende Trends gibt, z.B. einerseits junge Erwachsene länger als “in Entwicklung” zu betrachten (z.B. “Cannabis ab 25”), doch andererseits Jugendliche früher verantwortungsvolle Entscheidungen treffen zu lassen (z.B. “Wahlen ab 16”), halte ich auch für ein interessantes Konfliktfeld. Darum geht es gerade im Buch.
Ich möchte aber darauf hinweisen, dass die Lebensumstände einen starken Einfluss auf das Verhalten haben.
@Schoppe: Gehirn & Verantwortlichkeit
Natürlich hängt die Entwicklung des Körpers (einschließlich des Gehirns) auch mit der psychologischen Reife zu tun – und umgekehrt.
Ich verweise gerne noch einmal auf die Zitate im Artikel bzw. die Abbildung 2.4 in Kap. 2 im Buch. Haben Sie sich die schon einmal angeschaut? Das widerspricht doch schon dem kolportierten Bild vom “Teenager-Gehirn”…
…und auch die meisten Teenager verhalten sich in aller Regel die meiste Zeit gesetzestreu.
Ist das bei den Abweichlern eher aus dem Gehirn oder aus den psychosozialen Umständen zu erklären, das ist hier eine wichtige Frage.
@Bednarik: Danke, es lebe die Sparsamkeit!
Jetzt müssen Sie nur noch ein paar Roboter-Romane schreiben, um das praktisch zu durchdenken. Über ein Freiexemplar würde ich mich freuen. 😉
Hallo Herr Schleim.
In meiner Science-Fiction-Kurzgeschichte aus dem
Jahre 2008 wird die Zielsetzung von Robotern erwähnt.
Menschenrechte für Roboter?
https://www.e-stories.de/view-kurzgeschichten.phtml?23749
Die soziale Anwendung von Robotern wird dann hier beschrieben.
Übergangszeit.
https://www.e-stories.de/view-kurzgeschichten.phtml?28160
Mit freundlichen Grüßen, Karl Bednarik.
@Stephan Schleim
14.06.2025, 10:14 Uh
Wahrscheinlich schreibe ich wirr (in meiner SHG habe ich heute auch wirr geredet ^^).
Ich wollte gar nicht auf ein “Teenager Gehirn” heraus. Nur darauf, das Menschen natürlich auch an Ihre materielle Entwicklung gebunden sind. Ich bin einfach nur dagegen Körper und Seelenleben zu trennen. Beides hängt voneinander ab sonst würde schon ganz simpel emotionale Belastung sich nicht zum Beispiel in Müdigkeit oder organisch nicht zu ortenden Schmerzen spiegeln und hätten organische Schäden keine Auswirkungen auf die Persönlichkeit (das bezieht sich nicht nur auf Hirnschäden).
Aus den psychosozialen Umständen. Die unterschiedliche Entwicklung meiner beiden Töchter hängt nicht an den 7 Jahren biologischem Altersunterschied. Der hat nur dadurch Einfluß das sich natürlich auch die psychosozialen Umgebungseinflüsse in den 7 Jahren verändert haben.
Und ja, ich habe mir die Abbildung eben angeschaut 🙂 Alles andere wäre ja mißachtend gewesen.
Karl Maier,
wollen wir das ? Das war rhetorisch gemeint.
Die Gehirnforschung schreitet voran. Jede neue Erkenntnis ist zu begrüßen, und wenn es einmal gelingt, dass ein Querschnittsgelähmter durch willentliche Impulse ihren Körper wieder bewegen können, dann wäre das ein Segen.
Es geht ja hier um die Gesetzgebung, also den Versuch “unsoziales Verhalten” durch einen Gehirnscan lokalisieren zu können, und damit seine Schuldunfähigkeit
begründen zu können. (Hoffentlich stimmt das )
Also man will mehr Gerechtigkeit für den Täter.
Früher sagte man :”Er hatte eine schwere Jugendzeit”
Und dieser Anschauung begegneten die Richter mit “keine Toleranz”.
Wo immer man selbst steht, es kommt auf das Menschenbild an, das man selber hat. Ist man kompromisslos sich selbst gegenüber !
Schlusssatz: Wenn man mit verbessern mehr Gerechtigkeit meint, mehr Objektivität meint, dann ist die Gehirnforschung sogar notwendig.
Hallo Herr Schleim.
Hier ist noch ein Nachtrag über das Buch “Human Compatible”
von Stuart Russell, aus dem Jahre 2019.
Wie wir die KI dazu bringen, unseren Wünschen zu folgen.
https://www.spektrum.de/news/wie-wir-die-ki-dazu-bringen-unseren-wuenschen-zu-folgen/1722810
Mit freundlichen Grüßen, Karl Bednarik.
@Maier: objektive Forschung?
Wir können uns gerne über einzelne Begriffe streiten/darüber diskutieren.
Für mich ist ‘objektive Forschung’ die, deren Ergebnis von anderen Forschern/Gruppen an anderen Orten zu anderen Zeiten im Rahmen der Messgenauigkeiten reproduziert werden kann.
Im Gegensatz dazu bringt mich die religiös-philosophische Formulierung ‘Wahrheit’ ( suchen/finden/behaupten, diese zu kennen ) immer auf die emotionale sprichwörtliche Palme, weil damit fast immer jede andere Erkenntnis als ‘unwahr’ diffamiert wird.
Das ist meiner Meinung nach schon ein Selbstwiderspruch in dem Sinne, dass die Festlegung dessen, was “nachteilig” ist, subjektiv geschieht.
Die Frage ist, welches ‘Subjekt’ subjektiv eine Festlegung trifft.
Gilt das auch für Mehrheitsentscheidungen in einer ‘freien’ Gesellschaft?
Wobei ich ‘frei’ in dem Sinne annehme, dass jedes Individuum der Gesellschaft ohne einen irgendwie gearteten Zwang oder Einfluss aus sich selbst entscheidet, zugegeben, eine idealisierte Vorstellung, es gab mal vor langer Zeit einen Bericht, dass ( in heutigen Begriffen ) etwa 90% ‘follower’ seien und nur 10% ‘influencer’.