Jetzt gratis: Neues Buch über psychische Gesundheit. Die Hintergründe verstehen
Diagnosen und Medikamentenverschreibungen steigen und steigen. Wartelisten werden immer länger. Doch was sind psychische Störungen überhaupt? Und was hilft?
Vor einigen Jahren waren noch Checklisten in Lifestyle-Zeitschriften oder auf Websites populär: Habe ich vielleicht Autismus, eine Aufmerksamkeits- oder Angststörung, Depressionen oder Burn-out? Inzwischen ist psychische Gesundheit ein beliebtes Thema für Podcasts geworden und hat es auch die Instagram- und Tiktok-Generation für sich entdeckt.
Diese ganze Aufmerksamkeit scheint in erster Linie dazu zu führen, dass immer mehr Menschen ihre Probleme als psychische Störungen verstehen – und dafür dann Hilfe suchen. Gemäß dem beispielsweise von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe immer noch medienwirksam vertretenen Bild handelt es sich dabei um Erkrankungen im medizinischen Sinn – eigentlich Hirnerkrankungen.
Wortwörtlich sagte das der Mediziner und Chemiker Florian Holsboer, bis 2014 Direktor am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. So antwortete der renommierte Autor des Buches “Biologie für die Seele” im Gehirn&Geist-Interview auf die Frage, ob psychische Erkrankungen Hirnerkrankungen seien: “Ja, sicher. Im Kern handelt es sich immer um ein Ungleichgewicht in der Biochemie der Zellen des Gehirns.” Und auf Rückfrage des Psychologen Steven Ayan, ob das nicht zu einseitig sei, präzisierte er:
“Nein, vor allem nicht, wenn man heilen will. Natürlich ist das individuelle Leid der Patienten eingebettet in die jeweiligen Lebensumstände. Diese beeinflussen wiederum, wie man mit einer Erkrankung umgeht und welche konkreten Hilfen sich etwa in der Familie oder im Arbeitsumfeld bieten. Das eigentliche Problem aber wurzelt in Hirnprozessen, dort muss die Behandlung ansetzen.”
Florian Holsboer, bis 2014 Direktor am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, im Gehirn&Geist-Interview
Zuflucht zu Medikamenten
Gemäß diesem Bild rennen Menschen mit ihren psychischen Problemen dann zum Hausarzt – oder vielleicht gleich zum Psychiater. Und dann gehen sie oft mit einer Medikamentenverschreibung wieder nachhause: Seit den 1980ern werden immer mehr Psychopharmaka verschrieben. Laut dem Arzneiverordnungs-Report (2021, S. 691) stieg die Verschreibung sogenannter Antidepressiva, ohnehin schon auf hohem Niveau, in den Jahren von 2011 bis 2020 in Deutschland um noch einmal 34 Prozent. So kam man in 2020 auf satte 1,7 Milliarden Tagesdosen – genug, damit 4,6 Millionen Menschen die Mittel Tag für Tag verwenden.
Doch trotz dieser Verschreibungspraxis, die übrigens mit 1,8 Milliarden Euro auch für erhebliche Kosten sorgt, nehmen die Probleme kein Ende. Im Gegenteil kommt jetzt wieder vermehrt Kritik auf, dass diese Medikamente nicht besser wirken als Placebo. Und wenn solche Behandlungen, wie Holsboer wortwörtlich meinte, die Erkrankungen “heilen” würden, müssten sie ja nicht dauerhaft in solchen Mengen verschrieben werden.
Übrigens kritisiert nun sogar der Arzneiverordnungs-Report den Begriff “Antidepressiva”:
“Ursprünglich wurden diese Arzneistoffe zur Therapie der Depression eingesetzt. In den letzten Jahren hat sich jedoch eine dramatische Erweiterung des Indikationsspektrums für die Antidepressiva entwickelt. Sie werden unter anderem auch zur Therapie von Angststörungen, Zwangserkrankungen, Panikstörungen, posttraumatischem Stress-Syndrom und neuropathischen Schmerzen eingesetzt. Also muss der Arzt bei diesen Indikationen, wenn er ein Antidepressivum verschreibt, dem Patienten unter Umständen klarmachen, dass er keine Depression habe, sondern die verschriebenen Arzneistoffe auch bei anderen Erkrankungen wirksam sind. Der Patient wird oft irritiert sein und dann beim Recherchieren im Internet feststellen, dass die Depression als Hauptindikation für Antidepressiva gelistet wird.”
Arzneiverordnungs-Report 2021, S. 111f.
Grundlagen verstehen
So viel ist inzwischen klar: Weder individuell noch gesellschaftlich wird man die Probleme mit einfach nur immer mehr Medikamenten lösen. In meinem gerade erschienenen Buch “Mental Health and Enhancement: Substance Use and Its Social Implications” ist jetzt meine universitäre Lehre in diesem Bereich zusammengefasst, die ich seit über zehn Jahren den talentierten Studierenden an unserem Honours College in Groningen anbiete. Dank der Förderung der Niederländischen Forschungsgemeinschaft ist das ganze Buch “open access” und kann es gratis heruntergeladen werden.
Im zweiten Kapitel werden die drei wichtigsten Ansätze erklärt, um psychische Störungen zu verstehen: der Essenzialismus (im Wesentlichen der genannte Hirn-Ansatz), der Sozialkonstruktivismus und der Pragmatismus. Da später im Buch Drogen-/Medikamenten-/Substanzkonsum im Fokus steht, wird hier auch die Frage behandelt, was Abhängigkeit oder Sucht überhaupt ist. Zwei wichtige praktische Modelle werden miteinander verglichen, eines aus Deutschland und das der Weltgesundheitsorganisation.
In Kapitel 3 geht es dann damit weiter, wie gesunde Menschen mithilfe von Psychopharmaka/Drogen noch besser werden wollen. Das Thema “Gehirndoping” ist den Leserinnen und Lesern dieses Blogs seit vielen Jahren bekannt. Doch in Kapitel 3.3 wird kurz zusammengefasst, wie man seiner “Seele” ohne Medikamente etwas Gutes tun kann.
Deutsche Buchempfehlungen
Da ich für Studierende aus aller Welt unterrichte, musste ich dieses Buch auf englisch schreiben. Auf deutsch kann ich die gerade erschienene Alternative meines Bekannten Felix Hasler empfehlen: “Neue Psychiatrie: Den Biologismus überwinden und tun, was wirklich hilft“. Felix forschte früher selbst als Neuropharmakologe in Zürich, lebt nun seit vielen Jahren in Berlin und durchleuchtet in dem Buch die Grundannahmen, auf der das dominante Modell der Psychiatrie beruht.
Praxisorientierter und auf ein Störungsbild fokussierter ist “Die Depressions-Falle: Wie wir Menschen für krank erklären, statt ihnen zu helfen” des renommierten Psychotherapeuten Thorsten Padberg, der gelegentlich auch hier im Blog vorbeischaut. In dem Buch untersucht er eine der heute am häufigsten diagnostizierten psychischen Störungen aus psychologischer, biologischer, sozialer und historischer Perspektive.
Eine immer noch aktuelle Auswahl meiner wichtigsten deutschsprachigen Essays zum Thema psychische Gesundheit findet sich übrigens in Teil IV meines Buchs “Gehirn, Psyche und Gesellschaft: Schlaglichter aus den Wissenschaften vom Menschen“, das auf der Verlagsseite nun fast 200.000 Downloads zählt. Möglicherweise können Sie über Ihre Bibliothek gratis darauf zugreifen.
Grundgedanke
Der Grundgedanke meines neuen Buchs ist, an der endlosen Diskussion über die Trennung von Verbesserung (Enhancement) und Behandlung (Therapie) oder Normalität und Störung vorbei auf den Substanzkonsum der Menschen zu schauen: Wie wir schon sahen, sind die sogenannten Antidepressiva gar keine spezifischen Medikamente gegen Depressionen. Auch werden Stimulanzien (denken wir an Methylphenidat/Ritalin oder Amphetamin/Speed) gleichermaßen von Menschen mit oder ohne Diagnose einer psychischen Störung verwendet.
Durch diese neutralere Brille erscheint das in den letzten 20 Jahren immer wieder in der Forschung und den Medien hochgepushte Thema Neuro-Enhancement beziehungsweise Gehirndoping in einem anderen Licht: Wenn man die Konsument*innen der Mittel einmal selbst fragt und die Muster ihres Substanzkonsums besser versteht, dann geht es im Wesentlichen um Stressbewältigung (Kapitel 3).
Menschen – in der Forschung geht es meist um Studierende, doch die Situation am Arbeitsplatz ist ähnlich – verwenden solche Mittel also, um sich besser zu fühlen oder um länger wach zu bleiben. Komplementär dazu ist der Konsum anderer Mittel zur Entspannung oder um besser zu schlafen. Wenn wir also die ohnehin willkürliche Unterscheidung in Medikamente, Drogen und Genussmittel einmal beiseitelassen, können wir uns neutraler und direkter mit den Gründen beschäftigen, aus denen Menschen solche Substanzen verwenden.
Instrumenteller Substanzkonsum
Und so kommen wir dann über Kapitel 3 (“Mental Enhancement“) schließlich zum letzten Hauptkapitel des Buches: “Substance Use“. Den Leserinnen und Lesern meines Blogs dürfte der seit Jahren zunehmende Schwerpunkt auf Drogenpolitik aufgefallen sein. Das hängt damit zusammen, dass der Begriff “Droge” heute als sozial-politisches Konstrukt verwendet wird, in dem sich vor allem gesellschaftliche Werturteile widerspiegeln.
Denn anders als viele Laien denken, ist auch die Grenze zwischen Medikament, Droge und Genussmittel nicht in Stein gemeißelt – also nicht essenzialistisch, wie es im zweiten Kapitel erklärt wurde. Droge beziehungsweise Betäubungsmittel im Sinne des Gesetzes ist ein Stoff genau dann, wenn führende Politiker*innen ihn auf die entsprechende Liste (der Betäubungsmittel) setzen.
Dabei ist auch von Bedeutung, jedoch nicht alleinentscheidend, inwiefern einer Substanz ein medizinischer Nutzen beigemessen wird. Wir erinnern uns, dass beispielsweise Kokain Ende des 19. Jahrhunderts als lokales Anästhetikum entdeckt wurde – im medizinischen Umfeld von Sigmund Freud, der als Arzt und privat damit experimentierte. Inzwischen hat man bessere Betäubungsmittel entwickelt und gilt Kokain vor allem als “Droge”.
Umgekehrt verwendet man das lange Zeit als schlimme Droge dämonisierte Heroin heute – unter Auflagen – wieder medizinisch, beispielsweise in der Schmerzbehandlung. Es ist eben ein wirksames Opioid, das vor der Dämonisierung übrigens von Bayer als Erkältungsmittel vertrieben wurde. Der Konsum solcher Substanzen ist seit 4000 bis 5000 Jahren dokumentiert (z.B. im alten Ägypten). Erst im 20. Jahrhundert wurde dies verstärkt als gesellschaftliches Problem gesehen – und verboten.
Abbildung: Heroin gegen Erkältungen, aus dem Hause Bayer. Reklametafel einer Apotheke in den USA in den frühen 1920ern. Heute werden Heroinkonsumenten meist als “Junkies” stigmatisiert und ausgegrenzt. Lizenz: gemeinfrei. Quelle
Weil solche Verbote aber schlecht funktionieren, bestimmte Probleme verstärken und manche überhaupt erst erzeugen (z.B. durch Verunreinigung der Stoffe aufgrund fehlender Qualitätskontrolle), findet jetzt allmählich ein Umdenken statt. Auf dem Wege zur Entkriminalisierung von Cannabis war die Akzeptanz der medizinischen Verwendung ein so wichtiger wie logischer Zwischenschritt.
Werte
Im Endeffekt geht es um Werte: Welchen Substanzkonsum halten wir für vertretbar, falsch oder vielleicht geboten? Anders als oft gedacht, ergibt sich sogar aus christlicher Perspektive nicht zwangsläufig eine ablehnende Haltung gegenüber dieser Praxis. Bereits in den 1970er Jahren diskutierten führende Fachleute aus der Medizinethik und Psychiatrie über diese Frage, was in der heutigen Diskussion über Enhancement und Drogenpolitik völlig vergessen wurde. Eine kurze Zusammenfassung findet sich in Kapitel 4.4. Werte sind aber subjektiver Natur, keine ewigen Wahrheiten.
Mit diesen Zutaten können wir schließlich die Brücke bauen, vom Thema psychische Störungen über Enhancement und Substanzkonsum: Dann kommen wir zum Ergebnis, dass psychische Störungen keine Erkrankungen im medizinischen Sinne sind, schon gar keine Gehirnerkrankungen. Hier begehen Mediziner einen Kategorienfehler.
In der internationalen Fachwelt sind die Karrieren von Kenneth Kendler und Thomas Insel als Beispiele von besonderer Bedeutung. Kendler war und ist einer der führenden Forscher auf dem Gebiet der Genetik in der Psychiatrie, hat jedoch auch einen Spürsinn für die philosophische Dimension des Problems. Beispielsweise schlussfolgerte er schon vor fast 20 Jahren, warum es – in einem strengen Sinne – keine Gene für psychische Störungen geben kann. Das hinderte die Forschungswelt nicht daran, seitdem viele weitere Milliarden in dieser Forschung zu versenken.
Kendlers Punkt bestätigte sich dabei immer wieder: Man findest allenfalls in einem sehr schwachen Sinne Risikogene. Stattdessen erklären psychosoziale Faktoren viel, wie der Psychiater inzwischen selbst einräumt. Allerdings widerwillig, weil er fürchtet, dass psychische Störungen darum als weniger real angesehen würden. Das ist allerdings ein Ausdrück des essenzialistischen Denkens, das hier fehl am Platz ist (Kapitel 2).
Institutionelle Psychiatrie
Den Status quo haben über viele Jahrzehnte Persönlichkeiten wie Thomas Insel ermöglicht, als früherer Direktor des National Institute of Mental Health das US-amerikanische Pendant zu Florian Holsboer. Insel räumte aber inzwischen ein, dass die Forschungsmilliarden, die Leute wie er Jahr für Jahr für die Biologische Psychiatrie absegneten, die Erwartungen nicht erfüllten: Insbesondere lassen sich nach wie vor psychische Störungen nicht mit den so lange gehypten neurobiologischen Verfahren diagnostizieren. (Ich ging diesem Hype für meine Doktorarbeit in den Jahren 2005 bis 2009 an den Universitätskliniken Frankfurt und Bonn selbst auf den Leim.)
Nach seinem Rückzug von der wohl einflussreichsten psychiatrischen Institution der Welt versuchte es Insel bei verschiedenen Mental Health-Startups, unter anderem einer Firma von Google/Alphabet. Der Durchbruch blieb auch dort aus. Nun erklärte er im Podcast mit Ezra Klein von der New York Times, wie verfehlt der Fokus auf den biologischen Ansatz war und ist (“Ein führender Experte für psychische Gesundheit erklärt, wie sich Amerika geirrt hat“).
“Wir haben mehr Suizide, wie wir schon erwähnten. Wir haben mehr Krankheit, größere Einschränkungen. Mehr Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen sind eingesperrt, mehr von ihnen sind obdachlos. […] Es läuft darauf hinaus, was Sie gerade selbst gesagt haben, Ezra, dass, in einer bestimmten Weise, das Problem zwar medizinisch ist, doch die Lösungen sozial sind. Sie haben mit Beziehungen zu tun. Mit der Umgebung. Und sie sind politisch. Eine ganze Reihe von anderen Dingen spielt hier mit, die nicht dadurch erfasst werden, dass wir die Gesundheitsversorgung als rein medizinisches Problem messen.”
Thomas Insel im Gespräch mit Ezra Klein
Umkehr
Dass psychische Probleme (auch) medizinische Problem sind, ist tautologisch: Immerhin definierte die Weltgesundheitsorganisation seit den 1940er Jahren “Gesundheit” bekanntermaßen als “Zustand des vollständigen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlergehens”. Diese Einsicht steht bei dem heute 71-jährigen Thomas Insel am Ende seiner Karriere. In meinem Buch steht sie am Anfang (Kapitel 1).
Ob jemand wie Ex-MPI-Direktor Florian Holsboer oder auch Professor Ulrich Hegerl, früher Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in Leipzig und heute noch als Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe aktiv, auf seine alten Tage noch einmal umdenkt, steht in den Sternen. Fakt war und ist aber, dass psychische Störungen keine Gehirnerkrankungen sind, es nie waren und auch prinzipiell nicht sein können.
Das Fach, wie Holsboer, Hegerl, Kendler und Insel es sich vorstell(t)en, wäre keine Psychiatrie mehr. Es wäre Neurologie (Schleim, 2009). Wie die Psychiatrie aus ihrer neurobiologischen Sackgasse herauskommt, muss sie selbst lösen. Die Folgen für Millionen Patient*innen sind fatal. Im Falle von Suiziden leider sogar tödlich.
(Hier muss man einräumen, dass die praktische Psychiatrie in vielen Kliniken glücklicherweise an ihren anderen beiden Säulen – Psychotherapie und Sozialpsychiatrie – festgehalten hat. In diesem Sinne trägt die Psychiatrie, tragen zahlreiche Psychiaterinnen und Psychiater viel zum psychischen Wohlbefinden der Menschen bei. Sie behandeln in der Regel aber eben keine Krankheitsursachen, wie auch Psychopharmaka in der Regel, wenn überhaupt, nur Symptome lindern.)
Daher führt uns die Frage, was psychische Störungen sind, auch zur Frage, was der Mensch ist; nach unserem MENSCHEN-BILD. Und wie wir miteinander leben wollen, zum GESELLSCHAFTS-BILD. Diese Gedanken wollte ich mit dem Buchumschlag ausdrücken:
Jetzt als Gratis-Download verfügbar: Mental Health and Enhancement: Substance Use and Its Social Implications
Das könnte Sie auch interessieren:
- Psychiatrie: Gebt das medizinische Modell endlich auf!
- Wenn Psychologie politisch wird: Milliarden zur Erforschung des Gehirns
- Depressionen: Kommen die Fakten endlich ans Licht?
Folgen Sie Stephan Schleim auf Twitter.
Noch ein P.S. zur Titelunterschrift “Was hilft?”
Im Buch sind ein paar allgemeine und psychologisch fundierte Mittel skizziert, was man für seine psychische Gesundheit tun kann.
Davon abgesehen sollte man anerkennen, dass bestimmte psychische Probleme zum Leben dazugehören. Auch depressive Verstimmungen oder Stimmenhören können mal auftreten – gehen oft aber auch wieder weg. Bei entsprechender Schwere sollte man professionelle Hilfe suchen (z.B. Psychotherapie, Hausarzt, Psychiatrie).
Aber auch dort gilt, dass man nicht alle Probleme lösen (“heilen”) kann. In vielen Fällen wird es darauf hinauslaufen, anders auf sich selbst oder die Welt zu schauen (was im Zusammenhang mit Psychedelika oft als “neue Einsichten” bezeichnet wird), etwas an den Lebensumständen zu ändern und/oder bestimmte Dinge zu akzeptieren.
Viele Probleme bedürfen aber psychosozialer Lösungen – wie jetzt selbst Thomas Insel wortwörtlich einräumt. Wobei die Gesellschaft in den USA noch einmal ein gutes Stück härter ist.
Die Gesellschaft kann man als Einzelne(r) nicht so ohne weiteres ändern. Das geht nur gemeinsam – und im Zusammenhang mit verschiedenen Entscheidungsträgern. So viel sollte aber klar sein: Wenn man psychische Probleme als Gehirnerkrankungen abtut, nimmt man psychosozialen Initiativen von vorneherein den Wind aus den Segeln.
Und in diesem Sinne ist eben der starke Einfluss der Biologischen Psychiatrie auch aus politischer Sicht zu kritisieren: weil dadurch Probleme, die in der Sache oft psychosozialer Natur sind, entpolitisiert und dekontextualisiert werden. Die Menschen verlieren dann Entscheidungsmöglichkeiten.
Ich stimme der Tendenz dieses Beitrages zu, sehe aber sogenannte „psychosoziale Lösungen“ als sehr schwierig umzusetzen. Was würde das in der Praxis bedeuten? Würde der Hausarzt Ferien verschreiben oder einen Berufswechsel?
@Holzherr: psychosoziale Behandlung
Das mit dem Gedanken “machen Sie ‘mal Urlaub” ist nicht so einfach: Wer chronisch überarbeitet ist, fällt dann wahrscheinlich erst einmal in ein Loch. Da müsste man jemandem vielleicht eher einen Kurplatz mit Coaching/Psychotherapie und betreuten Aktivitäten finden. Moment mal, das machen Ärzte ja manchmal!
Ein klassisches Beispiel für eine Intervention in der Sozialpsychiatrie wäre, einer alleinerziehenden Mutter, die im Callcenter arbeitet, um gerade so über die Runde zu kommen, die Reize aber wegen ihrer Hochsensitivität nicht aushält, einen ruhigeren Arbeitsplatz zu finden. Das wäre langfristig wahrscheinlich besser, als Tag für Tag ein Beruhigungsmittel zu nehmen.
Aber in der Praxis ist das nicht immer so einfach zu lösen, wie 1 + x = 2.
Zu mir haben Ärzte – in Deutschland und in den Niederlanden – übrigens mehrmals gesagt, ich solle weniger arbeiten. Um was für eine medizinische Krankheit ging es da? Bloß hat mir damals niemand erklärt, wie man das macht.
P.S. Sie googeln doch gerne. Suchen Sie einmal nach “sozialpsychiatrischer Dienst” – oder wie das Pendant in der Schweiz heißt.
Immer mehr Psychotherapie?
Gerade auf tagesschau.de
Kritik an Lauterbach: Warum Therapieplätze für Kinder fehlen
Ob es nun diese 1600 zusätzlichen Kassenplätze für Psychotherapeut*innen gibt oder nicht – auch danach wird man wieder sagen, es gebe nicht genug Therapie, die Wartelisten seien zu lang und so weiter. Es fehlt jegliches Verständnis darüber, was die Psychologen überhaupt machen sollen. Gute Therapeutinnen fallen auch nicht einfach so vom Himmel.
P.S. Deutschland hat schon eine der höchsten Anzahl an Psychotherapeuten und Psychiatern pro Bevölkerung weltweit. Die strukturellen Probleme wird man damit nicht lösen.
Von 1890:
https://i.ebayimg.com/images/g/g2sAAOSwOVpXWx0l/s-l1600.jpg
[Reklame für Kokain als Mittel gegen Zahnschmerzen, S. Schleim]
Seit Jahrzehnten ist doch bekannt, dass Medikamente gegen sogn. psychische Erkrankungen eben gerade nicht heilen.
Sie vergiften in Wahrheit den Organismus und diese Gifte unterdrücken ( wenn es gut geht) die sozial unerwünschte Problematik.
Ich denke , es gibt eine gewisse genetische Vulnerabilität für seelisches Leid aber die wahren Ursachen sind nun mal im sozialen und gesellschaftlichen Umfeld zu verorten.
@Feistner: “Antidepressiva”
Wenn das “seit Jahrzehnten bekannt” ist, dann ist es doch komisch, dass die Verschreibung von Medikamenten gegen Depressionen allein im Zeitraum von 2011 bis 2020 um noch einmal über 30% stieg.
“Vergiften” finde ich übertrieben – aber in jüngerer Zeit kommen tatsächlich mehr kritische Informationen ans Tageslicht. Aus dem Umfeld der kritischen Wissenschaftler auf Twitter sah ich kürzlich sogar die Meldung, die SSRI-Medikamente würden die Spermaqualität reduzieren.
Es ist doch so: Die Betroffenen wollen gerne eine schnelle und bequeme Lösung. Die Pharma-Industrie hat jahrelang nachweislich Informationen über Nebenwirkungen zurückgehalten. Ärzte und Apotheker, die sich dafür nicht interessieren, können einfach daran verdienen.
“Doch in Kapitel 3.3 wird kurz zusammengefasst, wie man seiner “Seele” ohne Medikamente etwas Gutes tun kann.
Jesus Christus spricht in Matthäus 11,28:
“Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich will euch erquicken.”
Und Psalm Psalm 146,8:
“Der HERR richtet auf, die niedergeschlagen sind.”
Das ist ein kurzer Einblick in die Biblische Krankenheilung.
Seit Jahrzehnten ist doch bekannt, dass Medikamente gegen sogn. psychische Erkrankungen eben gerade nicht heilen.
Sie vergiften in Wahrheit den Organismus und diese Gifte unterdrücken ( wenn es gut geht) die sozial unerwünschte Problematik.
Ich denke , es gibt eine gewisse genetische Vulnerabilität für seelisches Leid aber die wahren Ursachen sind nun mal im sozialen und gesellschaftlichen Umfeld zu verorten.