Gehirndoping: Substanzen und Werte

Eine Zusammenfassung nach zwanzig Jahren Forschung. Teil 3

Serie in vier Teilen

  1. Was ist Gehirndoping/Neuroenhancement und wie verbreitet ist es? (28.12.2020)
  2. Um welche Substanzen geht es und wie wirken sie? (4.1.2021)
  3. Instrumenteller Substanzkonsum und Werte (11.1.2021)
  4. Beantwortung häufiger Fragen und Literaturverzeichnis (18.1.2021)

Im ersten Teil ging es um die Frage, was Gehirndoping/Neuroenhancement eigentlich ist und wie verbreitet es ist. Im zweiten Teil folgte die Diskussion der Substanzen und wie sie wirken. Jetzt geht es um die Werte: Aus welchen Gründen sollte man Mittel nehmen oder nicht nehmen, um bestimmte Ziele zu erreichen?

Instrumenteller Subtanzkonsum

Forscherinnen und Forscher täten besser daran, nicht mehr vom Gehirndoping/Neuroenhancement zu sprechen: Es war und ist kein Massenphänomen, es gab im 21. Jahrhundert wahrscheinlich keinen nennenswerten Anstieg und die Effektivität der Substanzen zur geistigen Leistungssteigerung ist fraglich (Schleim, 2020a). Die falsche bzw. verfälschende Darstellung in einschlägigen Fachpublikation sowie das Ignorieren älterer Befunde aus den 1960er bis 1980er Jahren stellt zudem die Seriosität der ganzen Debatte infrage.

Zwar gab und gibt es seit Jahrzehnten einen dramatischen Anstieg beim Konsum von Psychostimulanzien wie Amphetamin (“Speed”) und Methylphenidat (“Ritalin”). Dieser bezieht sich jedoch auf die medizinische Verwendung, die sowohl von der Definition von Gehirndoping/Neuroenhancement als auch den genannten Studien zur Verbreitung ausgeschlossen ist. Inwiefern neue Störungsbilder wie ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung), die noch vor ein paar Jahrzehnten kaum jemand kannte, die massenweise Verschreibung rechtfertigen, ist eine Diskussion für sich (Davis, 2020; Schleim 2018a, 2020b).

Was bleibt, ist das Phänomen, dass Menschen (und wohl sogar manche Tierarten) Substanzen verwenden, um bestimmte Ziele zu erreichen. Christian P. Müller, Professor für Suchtmedizin an der Universitätsklinik Erlangen, spricht daher vom “instrumentellen Substanz- bzw. Drogenkonsum” und unterscheidet neun Zwecke (Müller, 2020; Müller & Schumann, 2011), nämlich: (1) Verbesserung sozialer Interaktionen; (2) erleichtertes Sexualverhalten; (3) Verbesserung kognitiver Leistungen beziehungsweise Verringerung von Ermüdung; (4) Verbesserung der Erholung beziehungsweise der Verarbeitung von Stress; (5) Selbstmedikation psychischer Störungen; (6) Bewusstseinserweiterung; (7) Erleben eines High-Gefühls beziehungsweise Euphorie; (8) Verbesserung der physischen Attraktivität; und schließlich (9) die Verbesserung spiritueller beziehungsweise religiöser Erfahrungen.

Ich denke, diese ließen sich noch einmal auf vier grundlegende Bedürfnisse reduzieren, nämlich: (1) psychische Aktivierung/Steigerung; (2) psychische Dämpfung/Entspannung; (3) neue Erfahrungen; und (4) Körperformung. Zur Befriedigung dieser Bedürfnisse greifen Menschen zu ganz unterschiedlichen Mitteln – und manche eben zu Substanzen wie Drogen/Medikamenten.

Substanzen und Werte

Der US-amerikanische Psychiater Gerald L. Klerman (1928-1992), Professor an der Harvard-Universität und später Leiter eines wichtigen Drogenpräventionsprogramms unter Präsident Jimmy Carter, schlug hierfür hilfreiche Bezeichnungen vor: “psychotroper Hedonismus” gegenüber “pharmakologischem Calvinismus” (Klerman, 1970, 1972). In Letzterem drücke sich die protestantische Arbeitsethik aus, kurz gesagt: “Ohne Fleiß keinen Preis.” In psychotropem Hedonismus äußere sich demgegenüber eine Jetzt-Orientierung: “Warum warten, wenn ich – zur Not mit pharmakologischen Mitteln – meine Bedürfnisse und Ziele jetzt erreichen kann?”

Der renommierte amerikanische Medizinethiker Robert Veatch, heute emeritierter Professor an der Georgetown-Universität in Washington D.C. und Forscher am Kennedy Institute of Ethics, kritisierte damals allerdings Klermans Darstellung als zu einfach (Veatch, 1977). In Anlehnung an Max Webers Analyse der protestantischen Arbeitsmoral (Weber, 1905) kommt er zum Ergebnis, dass Substanzkonsum zur Effizienzsteigerung aus protestantischer Sicht zulässig wäre. Strikt dagegen wären vor allem Vertreter einer Ethik, die sich auf die “Weisheit der Natur” bezieht und künstliche Eingriffe in den Körper kritisch sieht.

Klermanns psychotropem Hedonismus entspricht am ehesten Veachs so genannte “Proteanische Ethik”. Diese ist nach dem griechischen Wassergott Proteus benannt, der seine Form ändern konnte. Substanzen werden demnach zum immerwährenden Wandel und zur Anpassung an äußere Anforderungen verwendet. Vertreter dieser Ethik bestreiten die Existenz eines festen Wesenskerns des Menschen. Diese Gedanken aus den 1970ern scheinen heute wie Vorboten von Globalisierung, Wettbewerbsdruck und lebenslangem Lernen.

Klerman und Veatch waren sich aber darin einig, dass sich im Umgang mit Substanzen gesellschaftliche Werte ausdrücken. Werte, die laut Klerman verschiedene gesellschaftliche Gruppen spalten, nämlich Ältere und Jüngere, besser und schlechter Ausgebildete, Ärmere und Reichere, Gruppen mit unterschiedlichem religiösen oder kulturellen Hintergrund (Klerman, 1970). Dabei bemängelte der Psychiater, dass uns ein passendes Wort für den nichtmedizinischen Substanzkonsum fehle:

“In unserer Gesellschaft gibt es keine passende Bezeichnung für die Verwendung von Substanzen [im englischen Original: drugs; Anm. S. Schleim], um Genuss oder Leistung zu steigern. […] Die Tatsache, dass wir keine etablierte Nomenklatur für den nicht-therapeutischen Substanzkonsum haben, zeigt für sich schon einen gesellschaftlichen Konflikt an.” (Klerman, 1970, S. 316; dt. Übers. S. Schleim)

Drogen und Medikamente

Diese Lücke könnte “instrumenteller Substanzkonsum” füllen. Dabei sollte man bedenken, dass die Unterscheidung von Drogen und Medikamenten auf Konventionen beruht (Schleim, 2018b). Als beispielsweise in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal Coca-Blätter nach Europa gebracht wurden, interessierten sich viele Ärzte für die Pflanzenbestandteile, aus denen Kokain gewonnen wird. So gab der Pharmakologe und Militärarzt Theodor Aschenbrandt 1883 bei einem militärischen Manöver Soldaten – übrigens ohne sie darüber zu informieren – “Kokain-Wein” und stellte anschließend deren gesteigerte Fähigkeit fest, mit Hunger, körperlicher Belastung und Müdigkeit umzugehen (Holmstedt & Fredga, 1981).

Dies inspirierte den damals in Wien noch als Arzt tätigen jungen Sigmund Freud (1856-1939) zu eigenen Kokain-Versuchen (Freud, 1884). Sein Vorschlag, mit dem neuen Mittel Opiumsucht zu behandeln, wurde für ihn aber ein öffentliches Desaster: Manche Patienten waren anschließend Opium- und Kokainabhängig, sein Ruf schwer geschädigt. Doch Freuds Kollege, der Augenarzt Carl Koller (1857-1944), schrieb dank der Substanz Medizingeschichte, da ihm dessen betäubende Wirkung aufgefallen war (Bernfeld, 1953). Das erste lokale Anästhetikum war entdeckt und einst gefürchtete Augenoperationen konnten – mit Kokain! – für die Patienten angenehmer durchgeführt werden.

Inzwischen gibt es bessere Betäubungsmittel. Kokain wurde im Laufe des 20. Jahrhunderts, zusammen mit zahlreichen andere Substanzen, dämonisiert und im Zuge mehrerer internationaler Verträge verboten. Federführend waren hier die USA mit ihrer puritanischen Moral und – ab den 1970ern unter dem konservativen Präsidenten Richard Nixon – dem “War on Drugs”.

Nun verdienen Drogenkartelle daran Milliarden und verbreiten Angst und Schrecken, während eingeborene Gruppen Südamerikas weiterhin Coca-Blätter im Alltag verwenden; instrumentell, könnte man sagen. Wie Müller und andere Forscher anmerken, würde aber nur eine Minderheit der Konsumenten abhängig (Müller, 2020; Müller & Schumann, 2011).

Eine gesellschaftliche Perspektive

Wer Drogen und Medikamente strikt trennt, tut dies wahrscheinlich aufgrund einer Werthaltung: Substanzkonsum ist schlecht, sofern damit nicht ein medizinisches Leiden gelindert wird. Allerdings konfrontiert uns diese Unterscheidung mit einer Doppelmoral unserer Gesellschaft.

Einerseits wird mit Alkohol und Tabak liberal umgegangen und werden durch die zunehmenden Diagnosen diffus definierter psychischer Störungen – führende Epidemiologen halten inzwischen schon fast die Hälfte unserer Gesellschaft für “psychisch gestört” (Wittchen et al., 2011) – psychopharmakologische Medikamentenverschreibungen immer normaler. Beispielsweise seien hier Kinder und Jugendliche erwähnt, die Amphetamin (“Speed”) oder Methylphenidat (“Ritalin”) verschrieben bekommen, um besser in der Schule oder im Studium zu funktionieren. Besorgen sich Personen aber andererseits dieselben Mittel auf eigene Faust, aus denselben Gründen oder um mehr Spaß beim Feiern zu haben, begehen sie eine Straftat (Schleim, 2018b).

Es sei daran erinnert, dass die heutigen “Volkskrankheiten” ADHS, Depressionen oder soziale Phobie noch vor wenigen Jahrzehnten sehr selten diagnostiziert wurden: Depressionen waren kaum bekannt, bevor sie in den 1960ern und 1970ern umdefiniert wurden; soziale Phobie kannte vor Ende der 1990er kaum jemand (Davis, 2020). Die Bezeichnung “ADHS” wurde überhaupt erst 1987 formalisiert und das Störungsbild wird erst seit den 1990ern verstärkt diagnostiziert (Schleim, 2018a). Es ist heute üblicher geworden, Abweichungen von der sozialen Norm und Härten des Lebens als biochemisches Problem im Gehirn zu deuten (Davis, 2020). Dann ist es naheliegend, diese vermehrt mit Substanzen zu behandeln.

Der Konsum von Antidepressiva und Stimulanzien, von Beruhigungs-, Schlaf- und Schmerzmitteln hat so gut wie alle gesellschaftlichen Bereiche erfasst. Dabei werden auch Menschen abhängig, die diese Mittel auf Rezept erhalten. Zusammen mit dem, was wir heute noch “Drogenmissbrauch” oder schlicht Alkohol- und Zigarettenkonsum nennen, setzen viele auf Substanzen, um ihr Leben zu bewältigen und ihre Ziele zu erreichen. Eine übergreifende Bezeichnung hierfür wäre “instrumenteller Substanzkonsum”. Das würde auch wissenschaftlichen Initiativen entgegenkommen, die sich für eine vernünftigere und vor allem konsistentere Drogenpolitik einsetzen (z.B. Nutt et al., 2010).

Die Rede vom “Gehirndoping” oder “Neuroenhancement” hingegen hat keinen Mehrwert. Weder ist das Phänomen neu in den frühen 2000ern entstanden, wie es Vertreterinnen und Vertreter der “Neuroethik” oft behaupten, noch sind die Mittel “Intelligenzpillen”. Passend zu Forschungsergebnissen zu den Motiven des Konsums sind es vielmehr Motivations- und Durchhaltepillen (Faraone et al., 2020; Quednow, 2010b; Vrecko, 2013). Zur Erforschung der sozialen Ursachen empfehle ich das heute allgegenwärtige Erfolgs-, Leistungs- und Optimierungsdenken stärker in den Fokus zu nehmen.

Im vierten Teil folgen Antworten auf häufige Fragen von Leserinnen und Lesern sowie meinen Studierenden und das Literaturverzeichnis.

Hinweis: Dieser Beitrag erscheint auch auf Telepolis. Titelgrafik: GDJ auf Pixabay.

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46 Kommentare

  1. WERTE
    In Indien-so habe ich gelesen- reichen kleine Keile mit Seilen aus, um riesige Elefanten die dieses Spielzeug normal rasch wegpusten könnten, davon abzuhalten auszubrechen. Grund: Diese Tiere wurden in ihrer Babyzeit darauf konditioniert, dass diese Keile unüberwindbare HIndernisse sind. Solche “Babykonditionen” ,oder auch gesellschaftliche WERTE, veranlassen viele Menschen zum dopen, da sie keine andere Möglichkeiten zum Ausbruch sehen. “Ohne Fleiss kein Preis” oder “Jeder ist seines Glückes Schmied” sind solche Keile die in den Köpfen mental eingeschlagen wurden. Ich denke dass unser “antrainiertes” Verhältnis zu Werten (Glaube/Mustern/Ideologien ) das Gehirndoping forciert. WERTE können in dem Falle die Scheuklappen sein, die die Pferde in der Manege von der Erkenntnis abhalten, dass sie immer im Kreise laufen -und doch nicht voran kommen…

  2. Sie schreiben:

    Inwiefern neue Störungsbilder wie ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung), die noch vor ein paar Jahrzehnten kaum jemand kannte, die massenweise Verschreibung rechtfertigen, ist eine Diskussion für sich

    Ich will hier kein neues Fass aufmachen, möchte das aber so auch nicht stehen lassen. Als “Störungsbild ” ist diese Art der Informationsverarbeitung (noch so eine Fehlinterpretation) schon sehr lange bekannt – ADHS heißt es erst, seit Virginia Douglas den Forschungsfokus auf die (angeblich mangelhafte) Aufmerksamkeit lenkte. Davor hieß es HKS (Hyperkinetisches Syndrom), aber auch Minimale cerebrale Dysfunction.
    Im 19. Jahrhundert sprach man von einer “Moral Insanity”, und laut Dieter Thomä beschäftigte es als politische Figur des “Puer robustus” schon Hobbes (als böser Mensch),Rousseau (als guter Mensch), aber auch Freud und Mao.

    Imgrunde, da stimme ich Ihnen zu, brauchen wir, d.h. die Betroffenen, dieses Medikament nicht. Nur, wenn dieses System diesen Menschen keine Chance gibt, es sich nicht auch an diese Menschen anpasst, die aber in dieser Welt überleben wollen, dann muss man sie halt an das System anpassen.
    Wäre es umgekehrt, und unser Denken und Verhalten würde die Norm bestimmen, wäre eine Adaption für die Mehrheit weitaus
    schwieriger.
    Aber die Normen zu bestimmen und denjenigen, die ihnen aufgrund der Arbeitsweise ihres Gehirns nicht entsprechen können, dafür auch noch diese Möglichkeit, sich zu integrieren, zu verweigern bzw. sie zu verteufeln, ist schon ein starkes Stück.

  3. Zitat:

    Was bleibt, ist das Phänomen, dass Menschen (und wohl sogar manche Tierarten) Substanzen verwenden, um bestimmte Ziele zu erreichen. Christian P. Müller, Professor für Suchtmedizin an der Universitätsklinik Erlangen, spricht daher vom “instrumentellen Substanz- bzw. Drogenkonsum”
    ….

    Zusammen mit dem, was wir heute noch “Drogenmissbrauch” oder schlicht Alkohol- und Zigarettenkonsum nennen, setzen viele auf Substanzen, um ihr Leben zu bewältigen und ihre Ziele zu erreichen. Eine übergreifende Bezeichnung hierfür wäre “instrumenteller Substanzkonsum”. Das würde auch wissenschaftlichen Initiativen entgegenkommen, die sich für eine vernünftigere und vor allem konsistentere Drogenpolitik einsetzen (z.B. Nutt et al., 2010).

    In Singapur ist Tabak- und Alkoholkonsum im öffentlichen Raum zurückgedrängt bis verboten (kein Alkohol im Park) und zwischen 23:30 und 7 Uhr darf auch in Restaurants, Bars und anderen Betrieben mit „Liquor“-Lizenz kein Alkohol offeriert und konsumiert werden.
    Schwere Strafen drohen Konsumenten von Betäubungsmitteln inklusive Cannabis und ab Besitz von 500 g Cannabis, 15 g Heroin oder 30 g Morphium ist die Todesstrafe zwingend.

    Nun könnte man fragen: Gibt es in Singapur wegen dem fehlenden (Zitat) “instrumentellen Substanz- bzw. Drogenkonsum” Probleme. Fehlt es also in Singapur an (Zitat der Liste der Wohltaten durch Drogenkonsum gemäss Professor Christian P. Müller), Verbesserung sozialer Interaktionen; (2) erleichtertem Sexualverhalten; (3) der Verbesserung kognitiver Leistungen beziehungsweise Verringerung von Ermüdung; (4) Verbesserung der Erholung beziehungsweise der Verarbeitung von Stress; (5) Selbstmedikation psychischer Störungen; (6) Bewusstseinserweiterung; (7) Erleben eines High-Gefühls beziehungsweise Euphorie; (8) Verbesserung der physischen Attraktivität; und schließlich (9) die Verbesserung spiritueller beziehungsweise religiöser Erfahrungen.

    Ehrlich gesagt, ich weiss es nicht, denn ich habe keine Studien zu den Nachteilen und Problemen des geringen Drogen- und Genussmittelkonsums in Singapur gefunden. Doch eines ist sicher: rein ökonomisch gesehen scheint Singapur keine gravierenden Nachteile durch den geringen Drogen-, Alkohol- und Nikotinkonsum ihrer Bürger zu erleiden.

    Allerdings muss man sagen: Ganz freiwillig ist der Drogenverzicht in Singapur nicht. Im Gegenteil: Drogenkonsum ist in Singapur nicht mit dem Leben vereinbar. Doch es scheint, dass die Singapurer das trotzdem überleben.

  4. @Golzower: Elephanten und andere Geschichten

    Das Beispiel gefiele mir besser, ginge es um Tiger und andere Raubtiere in manchen Tempeln in Asien (einschließlich Indien). In heiligen Texten heißt es, an heiligen Orten würden wilde Tiere zahm. So ist beispielsweise der Buddha manchmal mit einem neben ihm liegenden Tiger abgebildet.

    Nun muss man wissen, dass diese Raubtiere i.d.R. als Baby gefangen und dann im Tempel aufgezogen werden, also unter Menschen, und man ihnen Opium o.ä. füttert, um sie zahm zu halten. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes “instrumenteller Substanzkonsum”, nur dass dieser hier nicht auf der Entscheidung des Konsumierenden beruht.

    P.S. Aber Sie haben natürlich in dem Punkt Recht, dass man fragen kann, woher unsere Werte kommen und inwiefern wir diese frei wählen oder auferlegt bekommen. Denken Sie nur daran, wie man noch vor 100 Jahren über Masturbation dachte. Das würde eine tiefgründigere philosphisch-psychologische Abhandlung verdienen.

  5. @Trice: ADHS

    Sie dürfen hier natürlich – ich habe Sie lange nicht mehr gesehen – das Thema ADHS diskutieren. Die Feststellung, dass man vor ein paar Jahrzehnten das Störungsbild ADHS kaum kannte, ergibt sich schlicht daraus, dass es so überhaupt erst 1980/1987 definiert wurde (30 Jahre Aufmerksamkeitsstörung ADHS).

    HKS ist nicht dasselbe wie AD(H)S, auch nicht wie MBD. Die Kriterien ändern sich doch ständig. Und alles sind von Experten gemachte Definitionen. Es stimmt zwar, dass das klinisch definierte Störungsverhalten von Kindern in der Geschichte manchmal eher moralisch verstanden wurde, “moral insanity” war aber auch eine frühe Bezeichnung für das, was man heute Psychopathie oder antisoziale Persönlichkeitsstörung nennt.

    Was als Störung bezeichnet und was nicht, das sind gesellschaftlich-institutionelle Entscheidungen. Dass es Menschen mit bestimmten Begabungen und/oder bestimmten Einschränkungen gibt, da sind wir uns wohl einig. Manchmal definiert man das eben als Störung, manchmal als Talent. “Melancholie” war beispielsweise einmal eine durchaus gewünschte Eigenschaft von Dichtern und Denkern. Heute sind Depressionen (merke: auch nicht dasselbe wie Melancholie) eine Massendiagnose, die man den Leuten “abtrainieren” will; mit wenig Erfolg übrigens.

  6. @Holzherr: Coping

    Noch allgemeiner als instrumenteller Konsum sind Bewältigungsstrategien, englisch “Coping”. In Singapur ist meines Wissens Computerspielen viel stärker verbreitet und nehmen sich mehr junge Menschen das Leben. Davon abgesehen gibt es sehr viel mehr Regeln und weniger individuelle Freiheiten. Das hat Vor- und Nachteile. Und bestimmte Mittel sind dort, Sie schreiben es ja selbst, auch erlaubt, während zum Beispiel hier in den ach so liberalen Niederlanden Substanzkonsum auf vielen öffentlichen Plätzen verboten ist (das Verbot wird mitunter aber nur durchgesetzt, wenn es zu Störungen kommt).

  7. Bei diesem Problem müssen wir Nietzsche zu Wort kommen lassen. Er spricht vom dionysischen und dem apollinischen Prinzip. Wobei Dionysos der Gott des Weines ist, und Apollo für Gestalt und Ordnung steht.

    Ob man sich also für Genuss und Freude oder für Pflicht und Verstand entscheidet, das ist keine intellektuelle Entscheidung, die Entscheidung ist schon gefallen, wenn man geboren wird.

    Das Buch von Nietzsche heißt übrigens, „Die Geburt der Tragödie ….“, absolut lesenswert.

  8. @Stephan Schleim zu Gesundheitsproblemen in Singapur: Gemäss Suicide in Singapur ist in Singapur Suizid die häufigste Todesursache in der Altersgruppe der 10 bis 19-Jährigen, mit 8.5 Suiziden pro 100‘000 Einwohner pro Jahr liegt die Suizidrate aber immer noch deutlich unter derjenigen Deutschlands, welches 13 Suizide pro 100‘000 Einwohner und Jahr verzeichnet.
    Das grösste Problem in Singapur scheint die hohe Lebenserwartung von 83 Jahren zu sein (Zitat):

    Der Altersabhängigkeitsquotient in Singapur lag laut der Weltbank-Sammlung von Entwicklungsindikatoren im Jahr 2016 bei 37,98 % und wird voraussichtlich bis 2030 36,3 % und bis 2050 60,6 % erreichen.[12] Die Bevölkerung im Ruhestand wird daher in den kommenden Jahren einen wachsenden Anteil der Bevölkerung ausmachen. Zu den Faktoren, die zu diesem Wachstum beitragen, gehören die steigende Lebenserwartung und die sinkenden Geburtenraten.

    Deutschland hat aber insoweit ein ähnliches Problem mit einer Lebenserwartung von 81 Jahren und einer ebenfalls schnell alternden Bevölkerung.

    Und allzu viel sollte man nicht am Substanzkonsum festmachen. Weder im Positiven noch im Negativen.
    Im Positiven: Der Konsum von Alkohol und anderen Drogen und Genussmitteln wird wohl tatsächlich von vielen als Hilfsmittel eingesetzt. Doch das ist auch eine Frage der Gewohnheit und Kultur. Es hilft möglicherweise weniger als die meisten denken.
    Im Negativen: Alkohol und andere Drogen beeinträchtigen im Durchschnitt nur das Leben einiger Prozent – allerdings eventuell stark.

    Beurteilung: Das Zurückdrängen von Alkohol und Drogen erspart einem kleinen Teil der Bevölkerung grosse Gesundheitsprobleme, dem grossen Rest aber nützt es wenig. Allerdings gilt das erst seit kurzem, erst seit der Alkoholkonsum in Europa deutlich zurückgegangen ist.

  9. @Holzherr: Singapur

    Man kann Ihnen zugutehalten, dass Singapur auf dem Human Development Index ziemlich weit oben ist; aber jede(r) darf für sich selbst entscheiden, was er von einem Land hält, das seine Bürger für den Besitz bestimmter Substanzen mit Stockschlägen bis hin zur Todesstrafe bestraft. Das brauchen wir hier zum Glück nicht auszudiskutieren.

    P.S. In Deutschland haben auch die Bundesländer mit der restriktivsten Drogenpolitik die meisten Drogentoten. Geht es da wirklich um den Schutz von Leben?

  10. @Holzherr: Werte

    P.S. Wirklich interessant wäre, warum Singapur (und andere asiatische Länder, beispielsweise auch Indonesien) Substanzbesitz so stark bestrafen. Mit anderen Worten: welche Werte dahinterstehen.

    Vor einigen Jahren gab ich Vorträge über Neuroethik in Tokyo. Da meinten ein paar Studenten, sie würden nie Gehirndoping-Mittel verwenden. Warum nicht? “Das würden wir unserer Familie nie antun.” Der Konsum scheint also sozial geächtet zu sein – und diese Ächtung will man seiner Familie um jeden Preis ersparen. (Um die Japaner davon zu überzeugen, massenweise Antidepressiva zu schlucken, musste man ihnen mit geschickten Werbekampagnen weismachen, Depressionen seien ein “Schnupfen für die Seele”.)

  11. @Dem Leben entfliehen

    Wer das Leben nicht mehr aushält, und sich in Drogenkonsum flüchtet, hat es eigentlich schon schwer genug. Unsere Leistungsgesellschaft, der es z.T. mit Erfolg gelingt, ihren Verlierern absichtlich kein gutes Leben zu lassen, hat hier eine wesentliche Strategie: Drogen werden teuer gemacht, und teilweise auch illegalisiert und damit neben noch teurer auch noch von schlechter, gesundheitsgefährdender Qualität.

    Ich sehe hier eigentlich keine wirkliche Berechtigung dafür. Natürlich führt dies alles dazu, dass sich eine Menge Leute mehr anstrengen, um eben nicht Verlierer in der Leistungsgesellschaft zu werden. Aber außer unseren nie zufriedenen Arbeitgebern brauchen wir weder diesen Leistungsdruck, noch diese Leistung.

    Gerade in Zukunft kann ich mir gut vorstellen, dass hier weitere Automatisierungen und hilfreiche KI wirklich keinen Grund mehr lässt, dass wir so umfassend ausgebildet und bei der Arbeit so effizient sein müssen. Im Gegenteil, die Leistungsneigung kann eher noch zum Problem werden, falls wir mal wirklich die Arbeitszeiten reduzieren müssen, um die noch anfallende Arbeit auf alle zu verteilen, die Arbeiten wollen.

    Die Überalterung der Gesellschaft wird diesen Automatisierungseffekt vermutlich noch nicht mal ausgleichen können. Ansonsten ist auch gerade diese Überalterung ein direkter Effekt davon, unter welchen Stress die Leistungsgesellschaft uns setzt. Die Gewinner bekommen vor lauter Arbeit an der eigenen Karriere zu wenige Kinder, und die Verlierer haben eben zu wenig Geld, auch aufgrund von Alkohol- und Tabak-Steuern, und können ihren Kindern nur ein Leben in Armut bieten. Und verzichten deshalb oft auch auf Kinder.

    Wer gut verdient, und mit Drogensucht komplett wenig zu tun hat, dem ist hier nicht unbedingt klar, wie groß hier die finanzielle Belastung werden kann, wenn man eben einmal süchtig ist, und neben Harz4 nicht viele Einnahmen hat.

    Einen Paternalismus, der sich manchmal aufdrängen will, den mag ich noch weniger. Und hierfür gibt es schon überhaupt keine Rechtsgrundlage, meine ich. Erwachsene, die durch Drogenkonsum ihrer Gesundheit schaden, denen kann man gerne helfen, wenn sie sich Hilfe wünschen. Aber wenn die Hilfe eben kaum möglich ist, und die bestehenden stationären Angebote im wesentlichen wirkungslos sind, dann ist das auch keine vernünftige Option.

    Wie wäre es mit einfach in Ruhe lassen, und den Stress erst mal bei sich selber wirksam reduzieren?

  12. @Tobias Jeckenburger (Zitat)

    Im Gegenteil, die Leistungsneigung kann eher noch zum Problem werden, falls wir mal wirklich die Arbeitszeiten reduzieren müssen, um die noch anfallende Arbeit auf alle zu verteilen, die Arbeiten wollen.
    ….
    Ansonsten ist auch gerade diese Überalterung ein direkter Effekt davon, unter welchen Stress die Leistungsgesellschaft uns setzt. Die Gewinner bekommen vor lauter Arbeit an der eigenen Karriere zu wenige Kinder, und die Verlierer haben eben zu wenig Geld, auch aufgrund von Alkohol- und Tabak-Steuern, und können ihren Kindern nur ein Leben in Armut bieten.

    Sie bringen hier Sucht und Leistungsgesellschaft in einen unmittelbaren Zusammenhang und sehen auch das Alter nur als Ausruhen auf dem Finanzpolster, das man durch die Arbeit/die (unmenschliche) Leistung erwirtschaftet hat. Dabei arbeiten wir doch schon heute sehr viel weniger als noch vor 40 Jahren und längerfristig besteht eher das Problem welchen Sinn das Leben ohne Arbeit haben kann.

    Hier würde ich fragen: Trinken Rentner, Hausfrauen und Arbeitslose keinen Kaffe, keinen Alkohol und nehmen keine Tablette x/y um besser drauf zu sein? Ist man durch fehlenden Leistungsstress befreit vom Zwang zum Ausgleich, zur Entspannung in der Droge?
    Meine Antwort darauf: Drogen gab es auch vor dem Zeitalter der Lohnarbeit und süchtig sind nicht nur Berufstätige, sondern auch Rentner, Alte überhaupt und auch Jugendliche egal ob sie Stress in der Schule haben oder nicht.

    Spontan besteht für viele, sowohl für Menschen wie Tiere, eine recht grosse Suchtgefahr. Die Gelegenheit und die Umstände entscheiden oft darüber ob das passiert oder nicht. Eine wirklich freie Entscheidung ist es selten.

    Das führt mich zu folgender Überlegung: Wäre es nicht klug, Drogen, Tabletten und anderen problematischen Substanzen von vornherein weniger Raum in unserer Gesellschaft zu geben.
    Und das ganz unabhängig davon ob man nun viel oder wenig arbeitet und unabhängig davon was man in der Freizeit treibt und was man unternimmt?
    Die Überlegung dahinter: Fast alle Drogen und Genuss mittel – ausser vielleicht Kaffe, Tee und Schokolade – bringen mehr Probleme mit sich als sie Probleme lösen.

    Kurzum. Dies ist mein Eindruck: Probleme mit Drogen zu lösen entspringt meist einer Illusion. Diese Illusion bezahlt der Abhängige oft mit einem schlechten Leben nicht nur für sich selbst sondern auch für Andere.

  13. @Jeckenburger: Neben dem Fliehen…

    …ist das Funktionieren aber auch eine Motivation für Substanzkonsum, siehe Teil 2. Vielleicht könnte man es – salopp – so formulieren: Für die “Loser” in der Gesellschaft eher Mittel wie Opium und Heroin, für die “Winner” eher Mittel wie Kokain und Chrystal Meth.

    Und tja, wenn wir nach und nach durch Maschinen ersetzt werden, dann bietet uns die Virtuelle Realität bestimmt neue Fluchtmöglichkeiten. Bis wir irgendwann nur noch Konsumeinheiten und letztlich vielleicht Energieproduzenten (The Matrix) sind.

  14. @Holzherr: Verbote & Gründe

    Warum wollen Sie allen alles verbieten?

    Mich würde freuen, wenn Sie sich auch einmal mit den Gründen auseinandersetzen würden (und damit meine ich vor allem die gesellschaftlichen und psychologischen Gründe), aus denen Menschen Substanzen konsumieren. Sie haben die entsprechenden Artikel hier bei mir doch gelesen.

    Und ich bin, wohlgemerkt, selbst sehr zurückhaltend beim Drogen- und Medikamentenkonsum. Zurzeit konsumiere ich allenfalls etwas alkohol-, koffein- und erhöht zucker- und fetthaltige Mittel (sprich: niederländische Stroopwafels mit Schokoladenüberzug). Als ich letzte Woche eine schmerzhafte Verspannung im Nacken-/Schulterbereich hatte (habe bei der Kapitolbesetzung wohl zu lange CNN geschaut), musste mich die Assistentin des Hausarztes daran erinnern, dass ich Schmerzmittel zuhause habe – und ich habe sie dann nicht genommen, sondern bin zum Physiotherapeuten.

  15. @Stephan Schleim (Zitat):

    Mich würde freuen, wenn Sie sich auch einmal mit den Gründen auseinandersetzen würden (und damit meine ich vor allem die gesellschaftlichen und psychologischen Gründe), aus denen Menschen Substanzen konsumieren.

    Sucht und Substanzkonsum braucht nicht unbedingt Gründe. Die Umstände, die Gelegenheit dazu und Prädispositionen genügen in vielen Fällen. Klar begünstigen psychische/soziale Gründe Sucht und Substanzkonsum, doch selbst das ändert nichts an meinem Argument, dass Sucht und Substanzkonsum weder funktionell noch psychologisch weiter hilft.
    Angesichts dieser Ausgangslage plädiere ich dafür, Drogen, Tabletten und anderen problematischen Substanzen von vornherein weniger Raum in unserer Gesellschaft zu geben. Das gilt auch für die Verschreibung von Medikamenten – vor allem, wenn es keine nachgewiesenen Wirkungen gibt, die deutlich über der von Placebos liegen.
    Damit meine ich keine Verbote. In unserer Gesellschaft Alkohol zu verbieten wäre nicht sehr klug, weil Alkohol zu unserer Kultur gehört. Doch trotzdem sollte Alkohol gesellschaftlich tendenziell zurückgedrängt werden. Ähnlich wie das mit Tabak schon geschehen ist. Ich erinnere mich noch an TV-Diskussionsrunden mit einem grossen Tisch rauchender Journalisten oder an Schriftsteller-Interviews mit überquellenden Aschenbechern. Das ist heute alles undenkbar und ich denke es ist besser so.

  16. Martin Holzherr
    ” Doch trotzdem sollte Alkohol gesellschaftlich tendenziell zurückgedrängt werden. ”
    Vorallem an Autobahnraststätten, wo Bier verkauft werden darf.

  17. @Martin Holzherr 12.01. 07:35

    „Dabei arbeiten wir doch schon heute sehr viel weniger als noch vor 40 Jahren und längerfristig besteht eher das Problem welchen Sinn das Leben ohne Arbeit haben kann.“

    Ich glaube eher nicht, dass die Arbeitszeiten heute niedriger sind als in den 80ern. Insbesondere nicht im Niedriglohnbereich, den gab es damals so gar nicht. Was sich auf jeden Fall geändert hat, das sind die Anforderung ans Arbeitstempo. Und man war früher eher lebenslang bei einer Firma beschäftigt, und musste sich nicht mit Zeitarbeitsverträgen durchhangeln, die eben öfter mal nicht verlängert werden.

    Sinn jenseits von Erwerbsarbeit zu finden, ist allemal angebracht. Das ist auch eine gute Grundlage, Zeiten der Arbeitslosigkeit psychisch zu gut zu überstehen und ein erfülltes Rentnerdasein zu führen.

    „Meine Antwort darauf: Drogen gab es auch vor dem Zeitalter der Lohnarbeit und süchtig sind nicht nur Berufstätige, sondern auch Rentner, Alte überhaupt und auch Jugendliche egal ob sie Stress in der Schule haben oder nicht.“

    Die Verlierer der Leistungsgesellschaft sind doch von künstlich hohen Preisen von Drogen so sehr betroffen, darum geht es mir in erster Linie. Wer gut verdient, kann sich sein Kokain locker leisten. Dem Langzeitarbeitslosen reicht schon die Tabaksteuer, dass seine Finanzen ruiniert werden. Zusätzlich nutzt der Langzeitarbeitslose Alkohol oder Cannabis gerne zur Bekämpfung von Langeweile. Alternative Beschäftigung wäre klar besser, aber wer es nicht kann, der kann es dann nicht. Und muss neben einem Scheißleben noch teuer Geld bezahlen.

    „Das führt mich zu folgender Überlegung: Wäre es nicht klug, Drogen, Tabletten und anderen problematischen Substanzen von vornherein weniger Raum in unserer Gesellschaft zu geben.“

    Ja, gerne, aber wie? Ich bin nun mal Raucher, und das ärgert mich auch. Das ändert aber nicht viel. Ich weiß wie ungesund Rauchen ist, für die Erkenntnis brauche ich keine Tabaksteuern. Von daher: Wie wäre es mit einfach in Ruhe lassen, und den Stress erst mal bei sich selber wirksam reduzieren? Gerade die Mediziner, die sich selber gerne totarbeiten, machen hier den meisten Druck, scheint mir.

  18. @Stephan Schleim (Zitat):

    Ich empfehle Ihnen noch einmal die Lektüre des Artikels von Prof. Christian P. Müller: Die Droge als Instrument

    Dazu noch einmal das Interview mit dem Rechtswissenschaftler Jan Fährmann: Warum repressive Drogenpolitik nicht funktioniert

    Genau im Bewusstsein dieser Vorgängerartikel von ihnen habe ich den letzten Kommentar geschrieben. Den Kommentar also in dem ich empfehle, die Gesellschaft sollte Drogen weniger Raum geben.

    Für mich gibt es sich widersprechende gesellschaftliche Entwicklungen und gerade auch Rechtswissenschaftler wie Jan Fährmann gehören nicht selten zu den Leuten, die solche Widersprüche produzieren ohne sich dessen bewusst zu sein.

    1. Widersprüchliche Behandlung von „alten“ versus „neuen“ Drogen
    Tabak- und Alkoholkonsum wurden in unserer Gesellschaft bereits etwas zurückgedrängt. Wer damit einverstanden ist kann in meinen Augen nicht für eine Legalisierung beispielsweise von Cannabis inklusive unbeschränkten Werbemöglichkeiten für Cannabis sein.
    Mit andern Worten: Wer für ein Werbeverbot von Tabak ist, muss auch für ein Werbeverbot für Cannabis sein.
    In der Praxis ist das aber häufig nicht so (z.B. Kanada) und das erkläre ich mir einfach damit, dass die Kiffer aus den 60er und 70er Jahren nun ihren Traum von der Legalisierung von Cannabis durchsetzen wollen als wären wir noch in den 70er Jahren. Sind wir aber nicht. Wir haben dazugelernt.

    2. Widersprüchliche Liberalisierung von Drogen bei gleichzeitigem Verbot von käuflichem Sex
    Zum Teil sind es die gleichen Leute die Hasch erlauben, Prostitution aber verbieten wollen. Gerade läuft eine solche Verbotswelle durch Europa. In Skandinavien ist Prostitution schon verboten, in Frankreich und Deutschland wird ein Verbot diskutiert. Für mich ist das aber ein Widerspruch, wenn gewisse Dinge liberalisiert, andere aber gleichzeitig verboten werden und in beiden Fällen geht es um persönliche Freiheiten. Ja, man kann beides gesellschaftlich ächten, sowohl Pornographie als auch Drogenkonsum, man sollte aber nicht das eine unbeschränkt erlauben und das andere unbeschränkt verbieten.

  19. Martin Holzherr,
    Prostitution muss man verbieten um der Polizei die rechtliche Möglichkeiten zu eröffnen um gegen Frauenhandel vorzugehen.
    Bei den erlaubten Drogen wie Alkohol und Tabak sollte man nur die Werbung verbieten.

    Ansonsten sollte man immer abwägen, wie groß ist der gesellschaftliche Schaden, den die Krankenkassen zu bezahlen haben und damit jeder Bürger im Vergleich zur Einschränkung der persönlichen Freiheit. Das bleibt eine Gratwanderung.

  20. @Stephan Schleim

    Es geht ja in Ihrem Beitrag nicht nur um ADHS, deshalb schrieb ich, ich wolle kein weiteres Fass aufmachen. Mir ging /geht es eigentlich nur darum:

    Die Feststellung, dass man vor ein paar Jahrzehnten das Störungsbild ADHS kaum kannte, ergibt sich schlicht daraus, dass es so überhaupt erst 1980/1987 definiert wurde (30 Jahre Aufmerksamkeitsstörung ADHS).

    HKS ist nicht dasselbe wie AD(H)S, auch nicht wie MBD. Die Kriterien ändern sich doch ständig. Und alles sind von Experten gemachte Definitionen.

    Die Definitionen orientieren sich am jeweiligen Blickwinkel, der eingenommen wird. Bis Douglas die angeblich fehlende Aufmerksamkeit in den Mittelpunkt rückte, wurde meinen Kindern und mir das Etikett HKS angeheftet – und dann einigte man sich auf ADHS, eben weil bis zu diesem Zeitpunkt das von Kramer und Pollnow* beobachtete und entsprechend bezeichnete Verhalten im Vordergrund stand, die die Aufmerksamkeit aber ebenfalls erwähnen: “Von jeher fielen an ihm auf motorische Unruhe, mangelnde Aufmerksamkeit.” Ihr immerhin 40 Seiten umfassender Artikel ist eine der genauesten Beschreibungen, die ich zu diesem Verhalten je gelesen habe.

    Imgrunde zeigt dieser Wechsel der Bezeichnung nur, dass man immer och nicht weiß, womit man es zu tun hat – weshalb ich von einem wissenschaftliches Fiasko gesprochen habe.

    Wir sind mit der neuen Bezeichnung keine anderen Menschen geworden – wir werden es nicht einmal dann sein, wenn sich herumgesprochen hat, dass es keine Krankheit oder Störung, sondern eine der beiden Arbeitsweisen menschlicher Gehirne ist, die dieses Denken und Verhalten bedingt. Unser Pech ist nur, dass wir in der Minderheit sind. Aber eine Lösungskompetenz in bezug auf komplexe Probleme hatte für das Überleben der Menschen eben keinen Vorrang. Das hat sich erst in den letzten ein, zwei Jahrhunderten geändert.
    —————
    Ich schreibe derzeit ein Buch – eigentlich sind es zwei. Das erste ist fertig, das zweite in Arbeit, deshalb habe ich hier nicht mehr geschrieben.

    *Franz Kramer, Hans Pollnow. (1932) Über eine hyperkinetische Erkrankung im Kindesalter. Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie. Bd 82.Heft 1/2 S.3. S.Karger Verlag.

  21. @hwied (Zitat):

    Prostitution muss man verbieten um der Polizei die rechtliche Möglichkeiten zu eröffnen um gegen Frauenhandel vorzugehen.

    Gilt hier nicht genau dasselbe, was Jan Fährmann im von Stephan Schleim erwähnten Beitrag sagte?: ein Verbot bedeutet nicht, dass etwas verschwindet, es bedeutet nur, dass es illegal wird oder wie man in taz-Artikel inkspartei streitet über Sexarbeit liest:

    Sobald Strukturen in die Illegalität verlagert werden, gibt es weniger Schutz vor sexuellen Krankheiten und Gewalt, weniger Rechte, mehr Stigma. Sex werde auch dann gekauft, wenn er verboten ist – aber im Untergrund.

  22. @Holzherr & hwied: Prostitution

    Es wird viel diskutiert, wenn der Tag lang ist. Ich gehe nicht davon aus, dass Prostitution in Deutschland oder den Niederlanden verboten wird, auch wenn man vielleicht andere Formen der Regulierung findet. Übrigens sind sowohl der einschlägige UN-Bericht als auch die Betroffenenverbände (also die organisierten Sexarbeiter selbst) ausdrücklich gegen ein Verbot, sondern für die richtige Regulierung. Frauenhandel (konkreter: Menschenhandel) muss man nicht erst verbieten, denn dieser ist bereits verboten.

    In diesem Artikel geht es um Gehirndoping. Bitte halten Sie sich ans Thema. Bei Interesse an der Regulierung von Prostitution kann ich aber die Ausgabe des “Philosophischen Stammtischs” im schweizer Fernsehen vom 4. November 2018 empfehlen: Soll man Sex kaufen dürfen?

    Ein schlagendes Argument für ein Verbot wurde dort meinem Eindruck nach nicht gefunden. Das Buch der promovierten Psychologin lese ich zurzeit. Gut möglich, dass ich darüber einmal schreibe.

  23. Stephan Schleim,
    gesellschaftliche Perspektive und Doppelmoral,
    darum geht es, wenn man über Freigabe und Verbot nachdenkt.

    Die Prostitution hat sich da geradezu aufgedrängt, weil in den skandinavischen Ländern die Frauenrechte höher eingeschätzt werden.
    Was wird bei uns höher eingeschätzt, die Gesundheit oder die Freizügigkeit ?

    Ich selbst nehme da eine pragmatische Stellung ein, weil ein Verbot, das nicht wirkt, noch schädlicher ist als Freizügigkeit.
    Als Ex-Lehrer kann ich das beurteilen. Ausgesprochene Verbote, die man nicht durchsetzen kann, die zerstören die Autorität.
    Auch der Staat hat seine Autorität zu wahren !

  24. @hwied: Ich hatte angefangen, Ihnen eine Antwort zu schreiben, doch erinnere noch einmal daran, dass Prostitution hier nicht Diskussionsthema ist.

    Sie verwiesen doch selbst gerade auf Regeln und ihre Einhaltung. Schauen Sie sich die Sendung an; es lohnt sich!

  25. Wir hatten, Herr Schleim, vor geraumer Zeit einmal über die Frage diskutiert: Wie definiert man einen gesunden Menschen. Ihre Antwort hat mich damals nicht überzeugt, meine auch nicht. Wenn ich lese, dass über die Hälfte der Deutschen psychische Probleme haben und die andere Hälfte wahrscheinlich mit einem anderen Karma belastet ist, dann könnten Drogen doch sowas wie ein rettender Anker sein um dieses System zu erhalten, satirisch gesehen. “Gesunde Menschen” ist an und für sich schon ein Widerspruch in sich, da jeder Mensch physisch und psychisch anders gestrickt ist und auf Belastungen anderes reagiert. Wahrscheinlich sind Phlegmatiker in der Richtung gesünder als der täglich mit allen Ängsten manipulierte Rest -der dann mit Drogen dieses Phlegma erreichen will. Die Buddhisten sprechen von Gleichmut, die Christen von göttlicher Hingabe, die Psychologen wahrscheinlich vom Phlegma. Werte, die kein Gehirndoping brauchen weil sie selber Gehirndoping sind.

  26. Ich möchte von Karl Marx ausgehen, Religion ist „Opium des Volkes“, sozusagen die Substitution von Opium.

    Das hat etwas an sich und ich möchte versuchen dies völlig rational zu begründen, sozusagen von der alltäglichen Realität ausgehen, so ähnlich wie es eher die Psychologen heutzutage sehen.

    Im Gehirn des Menschen „laufen Prozesse“ ab, für mich ist es Informationsverarbeitung. Die steuern das Verhalten des Menschen, eben so wie er es gelernt hat.

    Aus biologischen Gründen offensichtlich, braucht der Mensch auch „Schlafzeiten“.

    Und dann gibt es auch noch „Freizeiten“, da ist das Gehirn zwar auch „beschäftigt“, aber halt mit mehr oder weniger „problematischen Gedanken“, die sozusagen unaufhörlich im Gehirn „zirkulieren“.

    Die Gedanken können sich mit der persönlichen Situation beschäftigen, z.B. der Unfähigkeit mit dem verfügbaren Geld oder dem Partner oder mit sonstigen Problemen (die für andere Menschen lächerlich sein können) zurecht zu kommen. Die praktizierenden Psychologen/Therapeuten die Milliardärstöchterchen, oder Gattinnen behandeln, werden sofort nachvollziehen können was ich meine….

    Es ist jedenfalls Realität, dass es derartige „Denkprozesse“ die eigentlich die Existenz stabilisieren sollten gibt und die mitunter verhängnisvoll sein können.

    Da gibt es grundsätzlich die 2 Möglichkeiten der „Behandlung“, Drogen oder eben psychischen Einfluss auf die „Denkprozesse“ zu nehmen, wie es Religionen, Ideologien, Gurus, Psychotherapeuten ….. versuchen.

    Z.B. in den Klöstern waren die Menschen sozusagen „rundum versorgt“. Damit sie nicht, (trotz oder wegen) der „Vollversorgung“, auf „blödsinnige Gedanken“ kommen können, wurden sie angehalten, sich zu rund einem Drittel ihrer Tageszeit, „wohltuenden Gesängen“ (Hi Fi Geräte oder TV gab es nicht), so wie auch der intensiven Beschäftigung mit extra dafür vorgesehen Texten „hinzugeben“. Da damals nicht alle selber lesen konnten, mussten sie zuhören, was so vorgelesen wurde.

    Es ist neben der Frage der optimalen Wirkungen der 2 Behandlungsstrategien, auch eine Frage der Ökonomie. Was ist günstiger für die Gesellschaft, Drogen, Alkohol mit den „Nebenwirkungen“, oder Pfaffen, Gurus, Therapeuten, ….technische Bespaßung (TV, Internet…).

    Eigentlich alles ganz einfach und offensichtlich …. allenfalls ein wenig verkürzt.

  27. @Golzower: Gesundheit vs. Krankheit

    Ich kann hier im Moment nur anmerken, dass Gesundheit und Krankheit beides normative Begriffe sind und sich die Grenze zwischen beiden nicht immer gut ziehen lässt.

  28. Stephan Schleim, Golzower.
    Wenn ein Mensch nicht mehr arbeiten kann, selbst wenn er wollte, dann ist er krank. Und jeder andere Mensch kann erkennen ob jemand krank ist. Dazu braucht es keinen Arzt.

    So, und jetzt zu den Drogen , legal und illegal.
    Wenn eine Droge hilft, die Arbeitskraft wieder herzustellen, dann sollte sie angewendet werden. Wo ist jetzt das Problem ?

    Wenn eine Droge hilft die Schmerzen zu lindern, auch die seelischen, dann sollte sie angewendet werden. Wo ist jetzt das Problem?

    Back to the roots !

  29. @hwied: Wenn ich Sie recht verstehe, dann definieren Sie “Gesundheit” als Arbeitsfähigkeit.

    Dann ist die nächste Frage, wann ist jemand arbeitsfähig? Eine wirkliche Antwort haben wir also nicht.

    Ich lasse das mal so stehen.

  30. @Trice: Vielleicht können Sie sich dann auch auf die Neurodiversity-Bewegung beziehen: Menschen mit Autismus-Diagnose, die sich dafür einsetzen, dass man (ihren) Autismus nicht als psychische Störung, sondern als Variante menschlichen Lebens ansieht.

  31. Stephan Schleim,
    arbeitsfähig bedeutet, dass ein Mensch allein in der Wildnis überleben kann. Wenn er nicht mehr angeln, jagen oder Früchte sammeln kann, dann verhungert er.

  32. @ Stephan Schleim

    Nein, kann ich nicht, denn ich sehe in der sogenannten ADHS keine Persönlichkeits- oder Lebensvariante.

    Die Tatsache, dass man bisher nicht herausgefunden hat, worum es sich handelt, hat ihre Ursache darin, dass bisher nicht getrennt wird zwischen der Funktionsweise des Gehirns und der Arbeitsweise – und das, obwohl beides fachlich sehr wohl getrennt untersucht wird: für die Funktionsweise sind die Neurowissenschaften zuständig, die sich mit der Materie des Gehirns beschäftigen, für die Arbeitsweise die Kognitionspsychologen und -philosophen.
    Die haben allerdings auch den schwierigeren Job, denn die Arbeitsweise kann man nicht, wie die Funktionsweise, anhand der Materie untersuchen. Trotzdem hätten sie schon längst herausfinden müssen, dass zwar die Funktionsweise bei allen Menschen in etwa dieselbe ist – von individuellen Unterschieden abgesehen -, es von der Arbeitsweise aber zwei Ausgaben gibt. Ich vermute, es war Rösler, der damals in dem Manifest in der G&G schrieb: “Nach welchen Regeln das Gehirn arbeitet (…) wissen wir nicht einmal im Ansatz.”
    Peinlich, denn die hätten sie finden müssen, wenn sie wissen wollen, wie das Gehirn arbeitet – nicht, wie es funktioniert. Sie hätten es wissen können, weil sie die beiden Prototypen bzw. deren Regelsysteme kennen. Und mit dem einen Regelsystem arbeitet das Gehirn der Mehrheit der Menschen, mit dem anderen (von dem Dehaene sagte, seine Leistung, bzw. die Leistung dieses Regelsystems entspreche der einer Turingmaschine)eine Minderheit, zu der die Menschen gehören, die man als von ADHS betroffen bezeichnet.
    Das ist etwas völlig anderes als eine “Variante menschlichen Lebens” – was immer man sich darunter vorzustellen hat.

  33. @ Trice 13.01.2021, 21:47 Uhr

    Zitat: „…. dass bisher nicht getrennt wird zwischen der Funktionsweise des Gehirns und der Arbeitsweise … Funktionsweise sind die Neurowissenschaften zuständig, …. für die Arbeitsweise die Kognitionspsychologen und -philosophen.“

    Arbeitsweise, Funktionsweise gelten üblicherweise als synonym. Obwohl man diese beiden Begriffe in der Informatik sozusagen „privat“ als „getrennt deklarieren“ könnte, wie Sie es tun, so sollte man derartiges vermeiden, weil es zu Missverständnissen führt.

    Ich nehme an, sie meinen einerseits die Hardware, also die synaptisch verschalteten Neuronen und (entsprechend der auf den „Impulsen abgebildeten Information“) andererseits, die Prozesse. Also z.B. dass zunächst ein einzelnes Neuron „triggert“, danach eine „Kaskade“ derartiger triggernder Neurone ausgelöst wird, die z.B. Sprachmuskel so ansteuern dass letztlich „Sprache“ ausgegeben wird.

    Die Neurologen erforschen sozusagen die Hardwarekette, die Psychologen die Auswirkungen der Prozesse.

    Die Regel, dass ein (einzelnes) Neuron triggert ist: Ein Neuron triggert dann, wenn auf möglichst vielen Eingängen, möglichst gleichzeitig ein Impuls einlangt. Das entspräche, (der Begriff stammt von mir) einem „qualifizierten UND Gatter“ im Sinne von W. McCulloch.

    Mit dem Konzept des „Perzeptron“ kann auf theoretischer Ebene ein Zusammenhang mit technischen Neuronalen Netzen hergestellt werden, Letztlich wäre dies eine Brücke zur Logik, zur Informatik und zum Verständnis derartiger Prozesse, bis hin Richtung „Künstlicher Intelligenz“.

    ADHS könnte mit diesem Konzept besonders gut erklärt werden.
    Kinder mit ADHS dürfte sozusagen in bestimmten Bereichen besonders „empfindliche“ Neuronen haben, gemäß der o.a Regel. Bedeutet, Neuronen triggern bereits dann, wenn nicht nur auf möglichst vielen, sondern auch sozusagen „bei nicht ganz so vielen“ Eingängen gleichzeitig Impulse einlangen damit ein Neuron triggert. „Normalos“ reagieren bei durchschnittlich vielen Eingangsimpulsen gleichzeitig, „Phlegmatiker“ sozusagen nur wenn besonders viele Eingangsimpulse eintreffen….

    Es scheint naheliegend, dass chemische Stoffe (Medikamente), auch die Ernährung, die „Triggerempfindlichkeit“ regeln können. Auch hätte es einen Einfluss, wenn ADHS Kinder (genetisch verursacht) mehr Neurone mit mehr Dendriten haben, als „Normalos“.

    Auch dieses Konzept könnte veranschaulichen, warum Menschen überhaupt unterschiedliche Eigenschaften und Fähigkeiten haben.

  34. Zu Elektroniker
    “Opium für das Volk”
    Dieser Begriff stammt wohl nicht von Marx sondern von Lenin. Auch entspricht ihre Definition nicht der ursprünglichen. So gehen diese Ideologen bzw. Weltanschauung davon aus, dass Religion das Gehirn “vernebelt” und von den eigentlichen Problemen dieser Welt, dem Kampf zwischen Arm und Reich(Klassenkampf) ablenkt: Es ist die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, die Bereicherung weniger auf Kosten der Masse. So sind heute einige wenige Leute reicher als viele Staate zusammen. Dass diese Personen-dank ihres Geldes- Staaten “kaufen” können in dem sie Politiker, Medien und Religionen als Lobbyisten vereinnahmen, ist wohl schon Realität. Lenin hat dieses schon damals erkannt und diesen Begriff
    auf die Situation in Russland bezogen, als die Kirche ,die selbst dem Staate bzw. dem abgewirtschafteten System diente, die armen Schlucker mit ihrem Weihrauch einnebelte und auf das bessere Leben im Jenseits verströstete.(Die Schuldfrage hat sie nie gestellt). Die Kirche hat hier also-wie lange Zeit in der Geschichte- die Menschen im Sinne der herrschenden Macht manipuliert, hat selbst weltliche Machtstrukturen geschaffen, hat nach Geld und Macht gegiert und unzählige Kriege geführt und
    ihre Pfarrer haben -auf beiden Seiten der Front- die Soldaten jeweils mit Gottes Segen in den Tod geführt. Und im Hintergrund stand immer eine Macht die damit verdient hat, Profit gemacht hat (Siehe die deutschen Großkonzerne der Rüstungsindustrie die am 2. Weltkrieg reich geworden sind)

  35. @Elektroniker 13.01. 14:51

    „Und dann gibt es auch noch „Freizeiten“, da ist das Gehirn zwar auch „beschäftigt“, aber halt mit mehr oder weniger „problematischen Gedanken“, die sozusagen unaufhörlich im Gehirn „zirkulieren“. „

    Das Problem der Langeweile ist u.a. genau, dass eben das unbeschäftigte Gehirn zu grübeln anfängt, was sich bis zu handfesten Depressionen auswachsen kann, und auch vorzeitige Demenz fördern kann. Insbesondere ist der Handlungsbedarf im Sinne von instrumentellen Substanzen fast schon gegensätzlich, je nachdem, ob man zu viel oder zu wenig zu tun hat.

    Bei Zuwenig hilft Cannabis und LSD-artiges, bei zuviel eher Speed und Ritalin, vielleicht auch Kokain. Wobei Tabak, Alkohol und Heroin sowohl bei zuviel als auch bei zuwenig Belastung hilft.

    „Da gibt es grundsätzlich die 2 Möglichkeiten der „Behandlung“, Drogen oder eben psychischen Einfluss auf die „Denkprozesse“ zu nehmen, wie es Religionen, Ideologien, Gurus, Psychotherapeuten ….. versuchen.“

    Bei Menschen, die zuwenig zu tun haben, hilft gerade Beschäftigung mit Religion, oder auch mit Wissenschaft. Das ist dann womöglich tatsächlich sogar produktiv, finde ich. Sich mit Welt und Geist zu beschäftigen ist doch gerade das Mächtigste überhaupt, zu dem der Mensch fähig ist. Das ist dann den betäubenden Drogen eindeutig vorzuziehen. Allenfalls Kaffee, Tabak und Zucker fördern hier wohl noch dabei.

    @Golzower 14.01. 12:04

    „…auf die Situation in Russland bezogen, als die Kirche ,die selbst dem Staate bzw. dem abgewirtschafteten System diente, die armen Schlucker mit ihrem Weihrauch einnebelte und auf das bessere Leben im Jenseits verströstete.“

    Dies ist dann wieder Religion in einer Situation, in der man Ausbeutungsbedingt viel zu viel Arbeit hatte. In einer Situation mit zuwenig Beschäftigung hilft auch ganz andere Art von Religion: Das können esoterischere Varianten sein, aber auch sowas wie die Theologie der Befreiung oder das Projekt Weltethos von Küng, oder die erstaunliche Weltoffenheit des Dalai Lama. Oder Dostojewski lesen.

    Auch wieder modern sind die schamanistischen Konzepte der Naturreligionen, nicht nur wegen deren guten Integration von naturverträglicher Lebensweise. Auch hier ist der Mensch in seinem Element, wenn er seine freie Zeit mit Festen, Tänzen und bunter Kleidung füllt – und ein spezifischer Drogengebrauch ist hier gerne auch dabei. Einfach ur-menschlich sozusagen.

    Ein gewisser Kulturkampf spielt beim War on Drugs wohl offensichtlich mit. Alles, was der Leistungsgesellschaft nicht entgegen kommt, wird unterdrückt. Die Arbeitsfähigkeit ist das oberste Primat, und ein Klarkommen mit Arbeitslosigkeit ist in keiner Weise erwünscht.

  36. @ Golzower 14.01.2021, 12:04 Uhr

    Ich habe „Opium des Volkes“ formuliert, im Sinne von Wikipedia.

    Ich persönlich meine, dass Religionen/Ideologien das Gehirn „vernebeln“ um die realen Lebensumstände besser ertragen zu können, wie es Marx laut Wikipedia zugeschrieben wird.

    Auch der „kommunistische Traum“ von den an sich immer guten Menschen die alles für die Gesellschaft tun, keiner nützt die Situation aus, war letztlich auch nur ein „Nebel“. Jedenfalls bei unserer Mentalität des Konkurrenzdenken. Bei den Asiaten bin ich mir nicht sicher, meine dass die mehr auf Kooperation aus sind.

    Ich bin zwar stark vom „Sudel Ede“ (Freiheitssender 904) beeinflusst, habe aber später versucht, mir eine möglichst realistische Sichtweise zuzulegen. Mich haben zwar die Geschichten vom Quandt mit seinen Schlössern und seinen goldenen Klodeckeln und den Arbeitssklaven in seiner Schmiede stark beeindruckt. Aber als ich zufällig erfuhr, dass ein aus dem Kleinbauernstand stammender Bekannter überglücklich war, in einer Quandt Schmiede als „Sklave“ unterzukommen, habe ich angefangen umzudenken. Nach einiger Zeit hat man den Bekannten wegen seines erarbeiteten Wohlstandes, ein Haus dass heute übrigens weit über eine Million Euro wert ist, auch noch beneidet.

    Ausgebeutet kann sich jeder fühlen. Es besteht nun einmal die Tendenz, dass immer mehr Menschen weltweit mit Ressourcen versorgt werden müssen, und diese Ressourcen optimal genutzt werden müssen. Das Kapital kumuliert ganz automatisch immer mehr bei den „Kapital Verwaltungsspezialisten“ weil sie besser die vorhandenen Ressourcen zu Gunsten der Allgemeinheit nutzen können. Ein genialer Unternehmer kann einen Weltkonzern begründen, irgendwann schaffen es die Nachfolger nicht mehr und sie müssen abgeben. Womöglich bleibt am Ende ein Herr Wang, womöglich ein Chinese und gläubiger Kommunist übrig…. Seine Computer überwachen alles ganz genau und verteilen alles ganz gerecht ….

    Das Zarenreich ist, auch wegen der verschiedenen Einfluss nehmenden Mächte, entartet und zusammengebrochen.

    Der Kommunismus war für mich ein höchst interessantes Experiment. Es musste einfach durchgeführt werden. Die „Versuchskarnickel“ sind zwar zu bedauern, hatten aber ohnehin nichts mehr zu verlieren. Wir alle haben haben wichtige, auch psychologische Erkenntnisse gewonnen.

    Ich meine, das Christentum setzt sich z.B. mit dem Konzept der „Nächstenliebe“ durchaus für die Kooperation der Menschen ein.

    Wenn sich Völker (z.B. beim Streit um Ressourcen) zerstritten haben, so ist das ein Zeichen menschlicher Unzulänglichkeit, es ist schwer, wirklich ernsthaft, jemanden dafür verantwortlich zu machen. Diese Aussage habe ich übrigens von einem Kommunisten….

    Wenn Soldaten, die wegen der Umstände gezwungen wurden in den Krieg zu ziehen, die Pfarrer gebeten haben ihre Waffen „zu segnen“, so war das wie eine Art von „Bitte um Glückwünsche“. Die Pfarrer konnten diese Bitte „um Segen“ doch nicht abschlagen.

    Kirchliche „Führungspersönlichkeiten“ haben sich, durchaus intelligent würde ich meinen, bemüht grundlegende gesellschaftliche Probleme zu lösen.

    Sie haben versucht, Menschen die nicht auf ihren (kleinen) Bauernhöfen ernährt werden konnten, in Klöstern, also in „vergesellschafteten Betrieben“ (einer „Kolchose“ nicht ganz unähnlich) unterzubringen. Einerseits um, abgesehen von der Landwirtschaft, die Wissenschaft, Kultur und das soziale Leben (Alterseinrichtungen, Krankenhäuser, …) zu fördern, andererseits um ein übertriebenes Bevölkerungswachstum zu vermeiden, indem sie eine planmäßige „Geschlechtertrennung“ förderten. Gleichzeitig wurden auch, brutal formuliert, weniger Menschen im Krieg “verheizt“.

    Mit dem Bau von „Kulturbauten“ haben sie nicht nur die Kultur gefördert, es waren gleichzeitig Maßnahmen das „Konjunkturproblem“ zu lindern. Fanden Menschen sozusagen keinen Job, so wurden sie eben beim Kirchenbau beschäftigt. Der Bau des Kölner Dom dauerte übrigens rund 600 Jahre….

    Die „Pfarrer“ mussten sich mit der Realität (auch des Krieges) abfinden. Ihr Konzept von der Kooperation der Menschen hat Entwicklungspotential…

  37. @Trice: Begriffe

    “Wie das Gehirn arbeitet…” Das ist doch salopp gesagt, in einem Pamphlet für eine populärwissenschaftliche Zeitschrift.

    Ich kann der Bedeutung Ihrer Unterscheidung zwischen “Funktion” und “Arbeit” leider nicht folgen. Die “Arbeit” des Gehirns, das ist entweder eine Metapher, oder ein Synonym für “Funktion”: eben was das Gehirn macht, die Gehirnprozesse, und wie das mit psychischen Vorgängen zusammenhängt.

  38. Trice
    “Funktion-und Arbeitsweise des Gehirns…”
    Das sehe ich ähnlich und es wurde mir erst klar als ich mich mit der buddhistischen Lehre befasst habe. Diese Funktionsweise ist sekundär und “arbeitet” nur wenn bestimmte andere geistige Abläufe passieren. Ein Zugang dafür wäre die Meditation bzw. die Selbst-Erfahrung. Bei ADHS bin ich überfragt, aber ich hätte Probleme mit der Verabreichung dieser genannten Psychopharmaka die ja selbst Dopamin in den Synapsen anreichern, was im Prinzip doch aber eine Verstärkung der bereits bestehenden Hyperaktivität /Erregung darstellt.

  39. @Trice 13.01. 21:47

    „für die Funktionsweise sind die Neurowissenschaften zuständig, die sich mit der Materie des Gehirns beschäftigen, für die Arbeitsweise die Kognitionspsychologen und -philosophen.“

    Das kann ich so verstehen, dass die Erkenntnisse auf der Ebene der Nervenzellen nur von unten ein bisschen die Realitäten ankratzt. Während der rein psychologische Blick auf das, was wir selbst erleben bzw. an anderem Erleben beobachten können, von der anderen Seite her den eigentlichen Menschen auch nur ankratzt. Dazwischen ist die sogenannte Erklärungslücke, wobei die wohl wesentlich größer und komplexer ist, als die gesamten Fachgebiete Hirnforschung und Psychologie zusammen.

    „Das ist etwas völlig anderes als eine “Variante menschlichen Lebens” – was immer man sich darunter vorzustellen hat.“

    Varianten des menschlichen Lebens spielen glaube ich eine sehr große Rolle. Davon gibt es fast so viele wie es Menschen gibt. Gerade wenn man eineiige Zwillinge kennt, und sieht wie unheimlich gleich die ticken, merkt man erstmal, wie verschieden wir alle sind.

    Andererseits hat man seine innere Struktur, so wie sie eben gewachsen ist, und je nach dem wie und womit man sich beschäftigt, so läuft man doch jeden Tag mitunter in einem ganz anderem Modus. Zum Beispiel erst auf der Arbeit, dann nach Feierabend, oder im Urlaub, wenn man ganz woanders Landschaften erkundet, während man sonst im Büro irgendwelche Abrechnungen macht.

    Und wenn man über Jahre zwischendurch mal psychisch erkrankt, oder sich einer neuen Religion zuwendet, so ändert sich dann doch Einiges. Selbst ein Wechsel des Partners oder der Arbeitsstelle ändert auch die innere Struktur, und wie wir durchs Leben gehen, wie wir erleben, und uns verändern und weiterentwickeln. So über die Jahre sind die eigenen psychischen Spielräume ziemlich riesig, finde ich. Persönliche philosophische Fortschritte mögen sogar in Richtung Weisheit wachsen.

    Die „Varianten menschlichen Lebens“ sind m.E. generell ein sehr guter Ansatzpunkt, auch psychische Krankheiten bzw. deren Überwindung einzuordnen. Die vielen Klassifikationen sind größtenteils recht nutzlos.

  40. @ Stephan Schleim, Elektroniker, Golzower, Tobias Jeckenburger

    Die Computermetapher ist out, spätestens seit Maturana herausfand, dass von außerhalb nichts ins Gehirn kommt, es sozusagen informationell geschlossen ist, und ein autopoietisches System ist, ist auch der Begriff Informationsverarbeitung obsolet.

    Es gibt im Gehirn ca. 10 hoch 12 Nervenzellen von denen jede über ca.10- bis 15tausend mit anderen über synaptische Verbindungen interagieren. Sie können also die Neurone beschreiben – woraus sie bestehen, wie sie Impulse weiterleiten, was an den Synapsen passiert und, und, und…
    Das ist dann die Beschreibung der Funktionsweise.
    Aber die ist eben nicht alles!

    Es würde vermutlich sehr viel weniger im Gehirn passieren, wenn es keine Rezeptorsysteme gäbe, die Wellenlängen der Außenwelt in Aktionspotentiale transformieren – die jedoch keinerlei Information tragen. Es geht also um die von Herrn Jeckenburger erwähnte Erklärungslücke, zu deren Lösung Wolf Singer und Christoph von der Malsburg soweit beigetragen haben, als sie vermuteten, dass das Schwingen in gleicher Phase von Neuronen etwas damit zu tun haben müsste, wie das Gehirn arbeitet, nicht funktioniert. Funktionieren ist z. B. das Empfangen der Impulse über die Dendriten, deren Verrechnen im Soma und die anschließende Entscheidung am Axonhügel :feuern oder nicht feuern, usw.
    Was nun die Oszillationen betrifft, so vermuteten Singer und von der Malsburg, dass sie dann auftreten, wenn sich Neurone geeinigt haben, an der gleichen Sache – dem Objekt, das wir sehen oder fühlen usw. – beteiligt zu sein.
    Bis heute ist es nur eine Hypothese, aber sie trifft zu! Die Frage ist nur: wie kommt es zu dieser Verständigung und was passiert dabei?
    Und die Lösung ist so einfach, dass nicht zu fassen ist, weshalb bisher kein Wissenschaftler darauf gekommen ist: sie arbeiten auf der Basis von Regeln, genauer: zweier Regeln, entweder der einen oder der anderen, niemals sowohl, als auch.
    Jede Regel besteht aus drei Variablen, und alles was Neurone tun, ist: sie einigen sich mittels der Impulse darüber, welches Neuron bzw. welche Neurone welche Variablenposition eingenommen haben. Beispiel: Wie werden Form, Farbe und Ort eines Gegenstandes miteinander verknüpft? Über den ventralen Pfad – auf paralleleln Bahnen – werden Impulse von Neuronen, die für Farbe (Variable Z) und für Form( Variable X) “zuständig” sind, weitergeleitet, über den dorsalen Pfad Impulse von Neuronen, die für Ort bzw. Bewegung”(Variable Y)zuständig” sind. Über die zig neuronalen Verbindungen zwischen ihnen wird kommuniziert und sie verständigen sich über ihre jeweilige Variablenposition – mehr nicht, es wird keine Information oder was auch immer weitergegeben nur : “ich bin X, ich bin Y, ich bin Z”. Und in dem Moment, in dem die Variablenfolge der Regel “erfüllt” ist , synchronisieren die Neurone ihre Aktivität. Das ist die Arbeitsweise, ok? Und das Synchronisationsmuster ist dann die Repräsentation des Objekts.
    Und da es nun mal zwei Regeln mit je unterschiedlicher Variablenfolge sind, sind es eben auch zwei Arbeitsweisen – die prädikative (XYZ) und die funktionale (ADHS: XZY).
    Was ist daran so schwierig zu begreifen?

  41. Nachtrag / vergessen

    Ich bin gefragt worden, warum es zwei Arbeitsweisen geben sollte, wenn man doch mit einer auch überall “hinkommt”. Die Antwort hat Dörner* gegeben: das normgerechte Denken befähigt zur Antizipation und zum adäquaten Umgang mit alltäglichen Problemen, das ADHS-Denken zur Antizipation und zur Prognose, sowie zum adäquaten Umgang mit komplexen Problemen – wie z. B. mit Corona, das bedauerlicherweise von den falschen Leuten gehändelt wird. Und ausgerechnet an dieser Art zu denken, die gebraucht wird, sonst gäbe es si nicht, wird nun herumgedoktert, um das Verhalten “anzupassen”, statt das es gefördert wird.
    Zwar kann man die Arbeitsweise des Gehirns nicht ändern, auch nicht medikamentös, aber man kann die betroffenen Menschen kaputt machen, indem man sie zwingt, gegen die Arbeitsweise ihres Gehirns “anzudenken”.

    * Dietrich Dörner (1998). Die Logik des Misslingens. Strategisches Denken in komplexen Situationen. Reinbek: Rowohlt
    Dörner et al.(1983) Lohhausen. Vom Umgang mit Unbestimmtheit und Komplexität. Bern /Göttingen.Verlag Hans Huber

  42. Stephan Schleim;
    wir sind nicht alle krank, wir sind nur spezialisiert. Das nennt man Arbeitsteilung.
    Die Arbeitsteilung macht es möglich, dass ein Beinverletzter trotzdem Körbe flechten kann. Der Schwachsinnige trägt dann die schweren Lasten, der körperlich Gewandte geht auf die Jagd. Das ist sehr sinnvoll und die Krankheit/ Verletzung verliert ihren Schrecken.
    Wir können jetzt den Begriff Krankheit spezialisieren in chronisch krank und zeitweilig krank. Wir können den Begriff “arbeitsfähig” auch spezialisieren . Die Unfallversicherungen unterscheiden auch zwischen “erwerbsunfähig” und “berufsunfähig”.
    Es ist also sinnvoll den Begriff “krank” mit der Einschränkung körperlicher Fähigkeiten zu verbinden.
    Jetzt kommen wir zu dem Begriff der “Zumutbarkeit”. Und dabei wird es normativ. Wieviel Arbeit kann man einem “Kranken ” zumuten.?

  43. zu hWied :
    “Wir sind nicht alle krank, wir sind nur spezialisiert…”
    Worauf waren denn solche Leute wie Stalin oder Hitler spezialisiert ? Oder Nero oder Napoleon ? Vielleicht auf Völkermord ?
    Da könnte man ja Mark Twain zitieren: “Wenn wir bedenken das wir alle verrückt sind, ist das Leben erklärt.”

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