Gedanken über die Seele
Wer erklärt den Menschen? Brauchen wir dafür eine Seele? In der neuen Ausgabe von Gehirn&Geist wird von der Idee einer immateriellen Seele Abstand genommen. Diesen Standpunkt kann man vertreten, doch die genannten Begründungen halte ich für zweifelhaft.
Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm erstreckt sich der Eintrag über die (übrigens ungeklärte) Herkunft des Wortes Seele und seine vielen Bedeutungen über sage und schreibe fünfundsiebzig kleingedruckte Spalten (Band Fünfzehn, Spalten 2851-2926). Doch wer sich selbst zur Weihnachtszeit nicht darin vertiefen möchte, der hat Glück: Denn die neue Ausgabe von Gehirn&Geist widmet der Seele das Titelthema und verspricht „Die Wahrheit über eine unsterbliche Idee“.
Auf nur vier großzügig bedruckten Seiten erfahren wir den Stand der Forschung aus der Psychologie zum Thema, „Was von der Seele übrig bleibt“, flankiert von einem Interview mit der Dortmunder Philosophin Katja Crone mit dem Titel „Wir können auch ohne“. Was erfahren wir dort?
Kinderpsychologie der Seele
Gehirn&Geist-Redakteur Steve Ayan verweist auf einige amerikanische Studien mit Kindern oder Studenten, bei denen es beispielsweise um die Frage geht, ob tote Mäuse noch Schmerzen fühlen können. Schließlich fasst er drei psychologische Erklärungsansätze für die Seele zusammen:
- Erstens könne die Seele „eine Art Refugium für das [sein], was uns im Innersten ausmache –– und was nicht durch Naturgesetze determiniert sei.“
- Zweitens, gemäß der so genannten Simulation Constraints Theory, bräuchten „wir die Seele als Kompensation dafür, dass uns das eigene Nichtsein unbegreiflich ist.“
- Drittens schließlich, laut der so genannten Terror Management Theory, sei die Seele „in erster Linie nur ein Trick, mit dem wir die Angst vor dem Tod vertreiben.“
Zum Schluss des Artikels sowie im Interview wird das ganze noch mit etwas neurowissenschaftlicher Autorität garniert: So könnten sich laut Ayan „Phänomene wie Déjà-vus oder so genannte Nahtoderfahrungen … ganz ohne Seele und Jenseits erklären“ lassen. Die Philosophin Crone endet mit einem Lob auf den Fortschritt, denn „Wissenschaft trägt dazu bei, alte, oft lieb gewonnene Ansichten durch neue zu ersetzen, die mehr erklären und die Probleme der früheren vermeiden. So funktioniert Fortschritt.“
„Erklärung“ ist ein leeres Versprechen
Anstatt mich über die Angepasstheit amerikanischer College-Studenten auszulassen, auf denen gefühlt 90% unserer neuen psychologischen Erkenntnisse beruht –– siehe hierzu die einschlägigen Studien über die „Weirdest people in the world“ von Joseph Henrich und Kollegen ––, will ich mich hier vor allem mit dem Begriff der „Erklärung“ beschäftigen. Denn wir lesen und hören das so oft, dass die Neurowissenschaften dieses oder jenes über den Menschen erklären (den freien Willen, die Liebe, die Moral…), dass Reflexion hierüber wichtig ist.
So wie der französische Philosoph René Descartes die Leser seines Discours de la méthode von 1637 an einer Stelle dazu auffordert, erst das Herz einer Kuh zu sezieren, um seine folgenden Ausführungen verstehen zu können, habe ich eine Bitte an meine Leserinnen und Leser: Bitte schauen Sie sich diese TEDx-Vorlesung von Semir Zeki an, der sich am renommierten University College London Professor für Neuroästhetik nennt und bereits seit 1990 Mitglied der britischen Royal Society ist.
Wie schön ist’s, einfach die Schönheit zu erklären!
Glauben Sie mir, es lohnt sich, denn in dieser Vorlesung erklärt der Professor nicht nur das Erleben von Schönheit, woran sich Denkerinnen und Denker der vergangenen Jahrhunderte die Zähne ausgebissen haben, sondern ganz nebenbei auch noch die Liebe. Und was könnte zur Weihnachtszeit besinnlicher sein als Schönheit und Liebe oder am besten gleich beides zusammen: schöne Liebe?
Vielleicht geht es Ihnen nach dem Video so wie mir: Erstens fragen Sie sich, was Sie nun Neues gelernt haben; zweitens fragen Sie sich, ob Zeki das wirklich ernst meint; und drittens fragen Sie sich, auf welcher Datengrundlage er diese Behauptungen gründet. Für diejenigen, die es nicht verstanden haben oder kaum glauben können, sei es hier noch einmal ausdrücklich formuliert: Ja, Zeki behauptet allen Ernstes, das einzig definierende(!) Kriterium für Schönheit sei Aktivierung im medialen orbitofrontalen Kortex, abgekürzt mOFC.
Denjenigen, die sich allzu leicht von pseudomedizinischem Geschwafel einlullen lassen, sei hier noch mit auf den Weg gegeben, dass der mOFC keineswegs eine klar abgegrenzte anatomische Struktur bezeichnet, wie etwa die Mandelkerne (Amygdalae), sondern eine Region irgendwo in der Mitte (von lat. medialis) und hinter den Augenhöhlen (von lat. orbitalis) im Frontallappen der Großhirnrinde. Zweifellos macht sich die Redeweise vom mOFC aber viel besser als zu sagen: irgendwo da!
Einfach schöne Studie
Urkomisch wirkt Zekis Präsentation, wenn wir uns die Studie anschauen, auf die der Neuroästhetik-Professor seine Behauptungen gründet (Toward A Brain-Based Theory of Beauty). Dann gelangen wir nämlich auf das inhaltliche Niveau, auf dem meine Bachelor-Studierenden der Psychologie im zweiten oder dritten Jahr aus eigenem Denken heraus feststellen können, dass an der ganzen Sache etwas faul ist. Denn bis dahin hat man im Psychologiestudium (hoffentlich) begriffen, dass ein Experiment nur so gut sein kann, wie seine Operationalisierung.
Zeki und sein Mitarbeiter haben rund 20 Versuchspersonen im fMRT-Scanner ein paar vorausgewählte Kunstwerke gezeigt und Musikstücke vorgespielt. Um sicherzustellen, dass diese Personen keine Ahnung von Kunst haben oder davon womöglich gar mehr verstehen, als die Versuchsleiter selbst, wurden Künstler und Musiker sorgfältig von der Studie ausgeschlossen. Denn irgendwie scheinen die beiden Hirnforscher davon auszugehen, erklären uns das leider aber nicht näher, dass (musikalische, künstlerische) Schönheit im Gehirn von Fachleuten anders verarbeitet wird als bei Laien. Kritischen Denkern sollte hier auffallen, dass Zeki damit den Ast absägt, auf dem seine eigene Erklärung sitzt, aber Schwamm darüber.
Zurück zur Seele
Man soll ja bekanntlich keinen Strohmann abfackeln, beziehungsweise argumentatorisches Schattenboxen betreiben. Lassen wir daher Zeki Zeki sein und kehren wir zurück zum Gehirn&Geist-Titelthema, nämlich der Wahrheit über die Seele. Da wurde uns eben beigebracht, dass man die Seele gar nicht mehr brauche.
Wer sich, wie ich, schon mit fünfunddreißig Jahren und mit dem Kopf durch die Wand auf eine feste Stelle an der Uni hochgearbeitet hat und einen leicht polemischen Blogbeitrag zur allgemeinen Unterhaltung schreibt, anstatt einen Forschungsantrag zur eigenen beruflichen Erhaltung, der kann einmal ganz offen sagen, dass das mit der fortschreitenden Naturalisierung des Geistes (Steve Ayan) beziehungsweise dem erklärenden Fortschritt der Wissenschaften (Katja Crone) ein alter Trick aus der Marketing-Kiste ist.
Zugegeben, um fair gegenüber den beiden zu sein, gibt es sicher bessere Beispiele für die Erklärung von Nahtoderlebnissen oder anderen psychischen Prozesse aus den kognitiven Neurowissenschaften als Semir Zekis Erklärung von Schönheit. Dennoch begeben sich die beiden in die Tradition großer naturwissenschaftlicher Erklärer, die doch im Endeffekt recht wenig erklärt haben. Denken wir etwa an den Arzt Julien Offray La Mettrie im achtzehnten Jahrhundert (Der Mensch eine Maschine, 1748), an den Physiologen Carl Vogt im neunzehnten („daß die Gedanken in demselben Verhältniß etwa zu dem Gehirne stehen, wie die Galle zu der Leber oder der Urin zu den Nieren“; Physiologische Briefe für Gebildete aller Stände, 1854) und die zahlreichen Auf-, Er- und Verklärer im zwanzigsten, die wir hier nicht einzeln aufzuzählen brauchen.
Popper, Hyrtl, du Bois-Reymond…
Der berufliche Zweifler (und übrigens Substanzdualist) Karl Popper (1902-1994) erwiderte gegenüber solchen Versuchen zu recht, es handle sich dabei um einen Schuldscheinmaterialismus. Denn schon Popper gingen jene Materialisten auf die Nerven, die gebetsmühlenartig wiederholten, alles sei doch im Prinzip nichts anderes als Materie, Physik, Körper, was auch immer das bedeutet. Nur bei der Aufschlüsselung dieses „im Prinzip“ wird es eben etwas schwieriger, als man den Durchschnittskonsumenten des unterhaltenden Wissenschaftsjournalismus zumuten will.
Und dann waren da auch noch Naturwissenschaftler wie der Physiologe Josef Hyrtl (1810-1894), der den Braten roch und in einer berühmten wie skandalösen Rede vor der versammelten akademischen Öffentlichkeit der Universität Wien Anno 1864 mit Blick auf seine Zeitgenossen wie Vogt behauptete, die Erfolge der materialistischen Weltanschauung seien herbeigeredet, doch nicht herbeigeforscht; oder der Physiologe Emil du Bois-Reymond (1818-1896), der vor den Mitgliedern der Königlichen Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin 1872 gar ausführte, dass es sich prinzipiell gar nicht erklären lasse, wie Empfindendes aus Nicht-Empfindendem, Denkendes aus Nicht-Denkendem entsteht.
Keinen alten Wein in neuen Schläuchen
Solche Gedanken machen sich in der heutigen Wissenschaft aber leider nicht gut, wo das berufliche Überleben auch und mancherorts sogar vor allem vom Einwerben von Drittmitteln abhängig ist. Da redet man eben lieber etwas vom Fortschritt und von der Bedeutung von Begriffsklärung und fertig ist das interdisziplinäre Neuro-Philo-Forschungsprojekt. Ein völlig unspezifizierter Begriff der „Erklärung“ kommt einem zum Glück entgegen. So kann man beliebige psychische Erscheinungen nehmen, ihnen ein paar so genannte neuronale Korrelate zur Seite stellen, die in Wirklichkeit gar keine sind (siehe meine ältere Arbeit), und so tun, als hätte man das psychische Phänomen nun erklärt, verstanden und/oder aufs Gehirn reduziert.
Bitte, liebe Autorinnen und Autoren, liebe Kolleginnen und Kollegen, verkauft der Öffentlichkeit doch nicht immer wieder alten Wein in neuen Schläuchen. Euer Marketingmaterialismus ist genauso ein alter Hut wie euer Schreckensdualismus. Erklärt habt ihr noch lange nicht, wie Geist aus Körper entsteht; und denkt zur Abwechslung auch einmal darüber nach, wie Körper Geist sein kann.
Wer sich noch mit etwas wissenschaftstheoretischeren Gedanken zum Leib-Seele-Problem und der so genannten Naturalisierung des Geistes (oder der Seele) beschäftigen möchte, den verweise ich gerne auf meine dreiteilige Serie bei den englischsprachigen SciLogs:
- Science and the Search for the Soul (1): Psychology, Physics, and Metaphysics
- Science and the Search for the Soul (2): Not Everything That Exists is Purely Physical
- Science and the Search for the Soul (3): Pluralistic Causation and How to Avoid the Reductionistic Fallacy
Descartes’ Irrtum?
Und eine historische Randnote noch, da Steve Ayan Descartes einen „Denkfehler des Philosophen“ unterstellt, wenn er schreibt: „Auch er [gemeint ist Descartes] wies der Seele dingliche Eigenschaften zu, indem er ihren Sitz in der Zirbeldrüse verortete, wo sie sich mit dem Körper verbinde“ (G&G 1/2016, S. 15). Für Descartes „saß“ die Seele nicht in der Drüse, denn die Seele war per Definition als denkende Substantz (res cogitans) immateriell. Wohl aber vermutete der Philosoph dort –– übrigens aufgrund empirischer Untersuchungen –– den Ort der Interaktion zwischen Seele und Körper. Descartes maßte sich aber nicht an, damit das Leib-Seele-Problem erklärt zu haben, denn in späteren Briefen diskutierte er die Erklärungslücke zum genauen Mechanismus der vermuteten Interaktion, wie eben im zwanzigsten Jahrhundert auch Popper und Eccles.
Lesenswert. Ihre feste Stelle sei Ihnen gegönnt, wobei ich nicht davon ausgehe, daß Sie eventuelle Konkurrenten nicht durch die Gabe klingenden Redens und Schreibens und also des Ränkeschmiedens ‘harmonisch’ weggemobbt haben.
Wenn Sie es aber ernst gemeint hätten mit diesem Text, hätte ich fast einschränkend gesagt, hätten Sie ihn nicht hier im Internetz, in einem doch recht farblosen (ausgeleierten) Blog veröffentlicht.
Der Text nämlich, ernst genommen, kann nicht, wird aber innerhalb der nächsten sechs Monate von heute an kommentiert werden. Etwa, und dies sei kein Kommentar, weil in der Hüfte, da, wo der Schnellschuß seinen Holster hat, die Seele eigentlich, durchaus massiv, beheimatet ist?
Du Bois-Reymonds vertrat einen reduktionistischen Physikalismus und ist damit als Zeuge für einen Immaterialismus/Dualismus/Vitalismus wenig geeignet. Es stimmt aber, dass er nicht -wie gewisse Kollegen – daran glaubte, man könne Ethik aus Wissenschaft ableiten. Vielmehr war sein Hauptanliegen die Etablierung eines „epistemologischen Waffenstillstandes“ zwischen Wissenschaft, Religion und Philosophie.
Vieles was wir als geistig wahrnehmen hat zweilesohne eine materielle Grundlage. Beispielsweise gibt es Menschen, die keinen Schmerz empfinden. Und das weil sie einen (materiellen) Schaden davongetragen haben.Menschen die keine Gesichter erkennen können (ja die gibt es) haben vielleicht doch etwas gemeinsam mit Menschen, die keine Empathie kennen. In beiden Fällen kann etwas fehlen und das was fehlt ist nichts Geistiges sondern etwas Materielles.
@Holzherr: Wenn Sie schon Wikipedia zitieren, dann aber bitte richtig. Dort steht, dass er eine Kritik am physikalischen Reduktionismus formulierte. Wenn Sie dann noch etwas weiterlesen, dann stoßen Sie auf den Abschnitt über seine Sieben Welträtsel, von denen vier nicht (natur-)wissenschaftlich lösbar seien. Das ist ein komischer Reduktionismus, nicht wahr?
Es ist aber sicher nett gemeint, wenn Sie mir hier meine Quellen erklären möchten. Den Originalaufsatz kann ich Ihnen sehr empfehlen (Wink mit dem Zaunpfahl: man achte auf den Titel des Essays):
du Bois-Reymond, E. (1872/1974). Über die Grenzen des Naturerkennens. In ders., Vorträge über Philosophie und Gesellschaft , S. 54-78. Hamburg.
@Holzherr: Und, ach ja, die Läsionsstudien.
Schon die alten Ägypter haben versucht, Kopfschmerzen mit Zitteralen zu behandeln (Stichwort: transcranielle Gleichstromstimulation) und der griechische Arzt Galen hat im zweiten Jahrhundert nach Christus Funktionsstörungen bei Gladiatoren mit Kopfverletzungen beschrieben.
Können Sie sich nicht einmal etwas Neues einfallen lassen?
Der scilogs-Artikel Die Grenzen der Physik aus Sicht eines vergessenen Physiologen geht ebenfalls auf das Thema ein. Dort steht das Entscheidende
Oder simpel ausgedrückt:du Bois-Reymond betreib Wissenschaft aus einer naturalistischen Haltung heraus. Er glaubte aber nicht, dass man damit alles erklären könnte was den Menschen umtrieb, weil für ihn die Naturwissenschaft nicht alles umfasste und nicht alles umfassen konnte.
Übrigens: Eine naturalistische Haltung ist mit dem Glauben verbunden es gehe überall mit rechten Dingen zu. Was im menschlichen Körper geschehe sei also naturwissenschaftlich erklärbar. Wunder und Magie gibt es in der Natur und im menschlichen Körper keine.
@Holzherr: Erstens stützt Ihr Zitat von 23:22 Uhr nicht Ihre Aussage von 23:01 Uhr (EdBR sei reduktionistischer Physikalist). Zweitens verwickeln Sie sich jetzt in Selbstwidersprüche: Reduktionisten/Physikalisten wollen i.d.R. doch gerade das Denken, Fühlen und Handeln auf Physik/Materie/das Gehirn zurückführen. Nun sagte EdBR ausdrücklich, dass das prinzipiell nicht geht –– und dafür ist er auch berühmt (ignorabimus –– wir werden es nie wissen).
Sie werfen wild mit Begriffen um sich, offenbar ohne deren Bedeutung zu kennen. Und woher wissen Sie eigentlich, dass alles “mit rechten Dingen zugeht” (was übrigens eine sinnlose Behauptung ist), wenn Sie mit EdBR gar nicht alles naturwissenschaftlich erfassen können?
Aber in einem Punkt gebe ich Ihnen Recht: “Eine naturalistische Haltung ist mit dem Glauben verbunden…” Ja, Naturalismus und Glauben, die gehen Hand in Hand.
Mich betrübt der desolate Zustand der Diskussion nach so vielen Jahren Ihrer SciLogs-Leserschaft etwas.
Vielen Dank für den Blogpost, @Stephan. Mich hat das platte Niveau der Seelen-Ausgabe auch negativ überrascht – gerade bei Gehirn & Geist war ich nach dem gelungenen Relaunch eigentlich nicht auf einen Aufguss von überholtem Nothing-Butism gefasst gewesen… :-/
Ratlose Grüße
Die Seele wird außer-religiös nicht benötigt, im Exoterischen (“Wissenschaftlichen”) entspräche sie der Psyche oder dem individuellen Geist, dann wird sie benötigt.
Hat wohlverstanden auch nüscht mit ‘Materialismus’ zu tun, wenn so festgestellt wird.
MFG
Dr. W
PS hierzu ‘Wie schön ist’s, einfach die Schönheit zu erklären!‘ :
Die Schönheit meint, wenn sie nicht beliebig werden soll, die (gelegentlich mögliche) Einfachheit der Bearbeitung bestimmter Probleme. [1]
Die (falsch verstandene) Seele wäre insofern nie ‘schön’.
[1]
oder ‘Herausforderungen’ – So klingt’s schon allgemein akzeptanter, woll?!
@Blume: Ich habe den Eindruck, dass Gehirn&Geist seit dem Relaunch noch einmal besser wurde (auf bereits hohem Niveau) und lese tatsächlich auch mehr der Artikel als vorher.
Der Seelenartikel ist wohl ein Ausrutscher. Das Thema ist einfach zu groß für einen Vierseiter… und an Stelle eines Interviews nur mit der Philosophin hätte man besser ein Streitgespräch führen können. Es gibt z.B. auch Neurowissenschaftler, die (öffentlich) die Existenz einer Seele behaupten. Das wäre doch einmal interessant gewesen!
@Webbaer: Ich verwende den Seelenbegriff selbst poetisch und eingangs erwähne ich bereits, dass man durchaus für den Standpunkt argumentieren kann, dass es keine Seele gibt.
Uns das aber als Neuigkeit zu verkaufen, das hat mich gestört. Schon Laplace wird die Aussage zugeschrieben, der Hypothese “Gott” nicht zu bedürfen, also spätes 18./frühes 19. Jhd.
Wo ist die neue Erkenntnis?
Bedeutet die Annahme, dass es eine Seele gibt, auch, dass es einen Gott gibt – und umgekehrt. Ein paar Sätze von Stefan Schleim von oben legen nämlich diese Verbindung nahe. Mir scheint sie aber nicht zwingend.
Noch eine Bemerkung zur Weltsicht Du Bois-Raymonds. Er steht als einer der Begründer der Physiologie für die Sicht, in der der menschliche Körper ein physikalisches Studienobjekt ist, ein Objekt in dem dieselben physikalischen Gesetze gelten wie überall. In den Augen seiner Zeitgenossen überschritt er damit eine Grenze. Doch andere Zeitgenossen gingen noch weiter indem sie überhaupt alle Fragen, auch Sinnfragen und ethische Fragen in die Obhut der Naturwissenschaft geben wollten während er daran glaubte dass viele für den Mensch wichtige Dinge nie wissenschaftlich/ naturwissenschaftlich und abschliessend beantwortet werden können. Insoweit ist er kein radikaler Physikalist.
Warum muss die Seele immateriell sein? Wenn die Seele das ist, was die Integrität einer Person ausmacht, könnte sie auch eine materielle Inkarnation in einem Hirnteil oder einem Hirnprozess haben. Allerdings ist mit der Idee der Seele meist auch der Glaube an die Unzerstörbarkeit dieser Seele verbunden. Wer an eine Seele glaubt neigt wohl dazu, auch einen Alzheimer-Patienten immer noch als beseelt zu betrachten. Oder aber die Seele hat den Körper des Alzheimer- Patienten schon verlassen und sucht nach einer neuen Heimat.
@Holzherr: Wenn es in meinem Artikel um einen Gott gegangen wäre, hätte ich das auch so geschrieben.
Jetzt führen Sie also ein Rückzugsgefecht: Erst war du Bois-Reymond ein “reduktionistischer Physikalist”, jetzt ist er “kein radikaler Physikalist”. Einigen wir uns doch einfach darauf, dass er gar kein Physikalist war.
Physicalism aus der Stanford Encyclopedia of Philosophy
@ Stephan Schleim :
Webbaer ganz bei Ihnen, alles Gute und viel Erfolg im Neuen!
MFG
Dr. W
Aus der Existenz eines Begriffes kann man nicht die Existenz des damit Benannten ableiten. Die allermeisten unserer Begriffe bezeichnen Aggregationen zusammengesetzter Objekte. Ein Auto ist ein aus tausenden Einzelteilen zusammengesetztes Gebilde mit phänomenalen Eigenschaften und Funktionsweisen, sowie einer begrenzten Lebensdauer oder Existenz. Das gilt für alle wahrnehmbaren Objekte, den Menschen eingeschlossen, denn die elementaren Objekte sind nicht selber unmittelbar wahrnehmbar. Die Seele, oder synonym die Psyche und der Geist eines Menschen, bezeichnet die Gesamtheit seiner Denk-, Ausdrucks und Verhaltensweisen über durchschnittlich längere Zeiträume des Lebens, und sogar die Erinnerung an ihn darüber hinaus. Die Seele ist insofern immateriell, als sie nur ein Wort für eine abstrakte, diffuse Vorstellung vom Menschsein ist.
Der Mensch besteht aus derselben Materie wie das gesamte Universum, daran geht kein Weg vorbei. Der menschliche Geist, genauso ein inhaltsarmer Begriff wie die Seele, ist im Prinzip schon erklärt, nur niemand hat es bisher bemerkt. Es ist nichts Mystisches daran. Die Robotik und die KI kommen der Funktion des menschlichen Geistes immer näher, jedenfalls emulierend (nachbildend). Inhaltlich ist menschlicher Geist und Bewusstsein jedoch an die menschliche Materie gebunden, denn Proteine und andere organische Moleküle verhalten sich nicht wie Halbleiter. Die Erklärungslücke, die DuBoi-Reymond postuliert hat, gehört daher mehr zur Physik oder Chemie als zur Neuropsychologie. Da wir die Welt immer nur als Mensch wahrnehmen können, bleibt die Erklärungslücke unüberwindbar.
@ Anton Reutlinger
“Der menschliche Geist […] ist im Prinzip schon erklärt”
Trotzdem:
“[…] bleibt die Erklärungslücke unüberwindbar”
… noch dem oben erwähnten Prinzip folgend oder bereits einem anderen Prinzip nach? Haben Sie innerhalb eines Absatzes einen Prinzipienwechsel vollzogen? Kommt mir abstrus vor.
Solche Missverständnisse kommen vom Unverständnis der Begriffe. Die ganze Diskussion ist nur ein Streit über Wörter! Der Name einer Märchenfigur sagt nichts über die Existenz und die Eigenschaften der Märchenfigur.
Die Funktionsweise des Geistes oder Bewusstseins ist etwas anderes als die phänomenalen Inhalte wie Farben, Töne, Gerüche. Ein Computer oder Roboter kann schon heute dasselbe vollbringen wie ein Mensch, eine mathematische oder technische Aufgabe lösen, selbstständig gehen oder fahren, aber er kann nie sagen “ich sehe blau und rot”.
@ Herr Reutlinger :
Wenn Sie sich die Welt als gedacht vorstellen – eine übrigens unfalsi- wie unverifizierbare Hypothese und ToE, was sie womöglich zur perfekten Metaphysik macht -, wie sähen dann die Mutterstoffe beim erkennenden Subjekt und seiner Umgebung genau aus? Wie wäre dann die ‘Seele’ immateriell und das andere materiell?
BTW, daran, dass die hier gemeinten erkennenden Subjekte mit Hilfe einer KI-Robotik ähnlich bauen können, wie realiter vorgefunden, muss geglaubt werden, szientistisch sozusagen. (Der Schreiber dieser Zeilen glaubt nicht dran, eher schon an diese Variante.)
MFG
Dr. W
@ Joker :
Der menschliche Geist ist erklärt, sogar brauchbar erklärt, auch in dem Sinne, dass dieser Geist seine Grenzen kennen darf.
I.p. Widersprüchlichkeit lässt sich hier nichts düddeln, oder tüddeln, hatten Sie sicherlich auch gar nicht vor.
MFG
Dr. W
@ Anton Reutlinger
Verstehe ich Sie richtig? Der Geist eines Computers oder Roboters verfügt über keine phänomenalen Inhalte, wird auch nie über so etwas verfügen – könnte ein Roboter sagen, “da sehe ich schwarz”? – und das obwohl er aus der selben Materie besteht wie wir Menschen.
Was macht den Unterschied, die Seele?
@Reutlinger: Na, da ist mal jemand, der anständige, wenn auch leicht widerlegbare, Aussagen formuliert. Willkommen bei dem Überbleibsel eines einst schönen Blogs, der vor zweieinhalb Jahren technologisch zugrunde gerichtet würde!
Sie schreiben: “Der Mensch besteht aus derselben Materie wie das gesamte Universum, daran geht kein Weg vorbei. Der menschliche Geist, genauso ein inhaltsarmer Begriff wie die Seele, ist im Prinzip schon erklärt, nur niemand hat es bisher bemerkt.”
Ihre argumentatorische Lücke verbirgt sich hinter Wendungen wie “daran führt kein Weg vorbei” oder “im Prinzip”. Schon in meiner Magisterarbeit als Grünschnabel kritisierte ich diesen leeren “Imprinziplismus”.
Ähnlich wie Sie argumentiert auch der Physiker Sean Carroll, auf den ich in den drei verlinkten englischsprachigen Teilen reagierte. Carroll meint übrigens, drei Elementarteile und drei Elementarkräfte seien hinreichend, um die ganze Welt zu erklären. Na, dann erklären Sie so mal meine Beteiligung an diesem Chat!
Weder wissen wir genau, was Geist ist, noch wissen wir genau, was Materie ist (hierzu übrigens noch einmal du Bois-Reymond zu empfehlen). Auch die uns schon vor hundert Jahren versprochene Einheitstheorie ist kein bisschen näher gerückt. Im Gegenteil gabelt sich die Wissenschaft in immer mehr Teildisziplinen und verstehen schon Nachbarn nicht mehr, was der andere macht.
Das einzige, was bei Ihnen stimmt, ist die Aussage, dass “Seele” eben nur ein Wort ist. Bitte, Sie können ja versuchen, den Menschen ohne Phänomenologie, ohne Psychologie usw. zu erklären.
Bis Sie eine überzeugende Erklärung haben, ist Ihre Aussage, dass es die Erklärung (im Prinzip) bereits gibt, ein bloßer Glaubenssatz. Sie müssen ein Prophet sein, wenn nur Sie die Erklärung bemerkt haben, sonst noch niemand.
@ Dr. Webbaer
“Der menschliche Geist ist erklärt, sogar brauchbar erklärt”
Schön, wenn auch mal andere einen Scherz platzieren. Oder meinen Sie das gar ernst, das fände ich ja noch lustiger, vielleicht hier “Consciousness explained in 30 seconds”?
Was ist denn jetzt notwendig und was hinreichend für einen brauchbaren Geist?
P.S. Reaktionen, die mithilfe der unübersichtlichen Antworten-Funktion gegeben werden, werden von mir wahrscheinlich übersehen.
Gerade fällt mir auch noch der “Bauplan für eine Seele” (Dietrich Dörner) ein. Dass der noch nicht umgesetzt wurde, könnte an der “Logik des Misslingens” liegen (vom gleichen Autor).
Klar, war ernst gemeint, auch die Einschränkung, Joker.
Es gibt bestimmte philosophische Sicht, die mit Welten hantiert, typischerweise mit der Außenwelt, die auch schlicht Welt genannt werden darf, also das, was waltet und ist oder zu sein scheint, und mit der Innenwelt erkennender Subjekte, die dann besondere Bedeutung gewinnt, wenn diese Subjekte kommunizieren können, bspw. das Vorhandensein mindestens zweier Welten.
Letztlich liegt hier eine Setzung vor, Philip K. Dick hatte bspw. andere Ideen, lebte sozusagen von diesen, und Frege, Popper und andere postulierten gar dritte Welten.
So wie bestimmte philosophische Sicht mit Welten hantiert, ist die Innenwelt erkennender Subjekte als Geist zu verstehen, jedenfalls: wenn diese Subjekte kommunizieren.
—
Ein spannender Punkt womöglich ist auch die Idee oder unfalsi- wie unverifizierbare Vorstellung, dass Welten Welten gebären können.
Auch davon lebt eine ganze Menge schreibendes Volk.
MFG
Dr. W
PS:
Theorien beschreiben, erklären und erlauben die Prädiktion, wobei ein einzelner Punkt genügt, gar: in einem einzigen Fall, um einer Theorie einen Wert zusprechen zu können.
@ Stephan Schleim
“Wie der Physiologe Emil du Bois-Reymond […] ausführte, dass es sich prinzipiell gar nicht erklären lasse, wie Empfindendes aus Nicht-Empfindendem, Denkendes aus Nicht-Denkendem entsteht.”
Fällt das nicht auch unter diesen leeren “Imprinziplismus”?
Was würdest Du denn als ‘Erklärung’ von Seele oder Geist gelten lassen? Wären da die gleichen Kriterien angemessen, wie bei einer wissenschaftlichen Erklärung?
Die Materie des Universums besteht aus etwa 100 chemischen Elementen. Man kann also begründet sagen, dass der Mensch aus derselben Materie besteht wie das Universum, ungeachtet der Bedeutung von Materie im Sinne der Quantenphysik. Die Physik hat die Materie entmaterialisiert, die Genetik hat die Vererbung des Lebens materialisiert, die Informatik hat die Materie zum Partner des Geistes gemacht. Semiotik und Linguistik untersuchen gemeinsame oder äquivalente Strukturen von Materie und Geist, im Sinne von Zeichen und Symbolen.
Der menschliche Geist zeigt sich nach außen selbsterklärend als menschlicher Geist, als logischer Verstand, als Gedächtnis, als Wahrnehmungsvermögen, als Sprachfähigkeit, als Emotion, als Motorik. Ein Protein ist ein hochkomplexes Molekül, das sehr spezifisch auf andere Moleküle als Signale reagiert, seien es Transmitter oder Reaktionspartner. Es werden also auf chemischem Weg Vergleiche angestellt und Entscheidungen getroffen, die Grundfunktionen des Geistes oder Intellekts. Man kann den Geist sowohl top-down als auch bottom-up analysieren, also auch beides, von außen nach innen gewissermaßen. Die Funktionsweise sagt aber noch nichts über die phänomenalen Inhalte aus.
Solange man nur auf den nichtssagenden oder bedeutungslosen Begriffen herumreitet, kommt man wissenschaftlich nicht weiter.
Interessante Gedankengänge ich hoffe wir werden wieder mehr von Ihnen auf scilogs lesen.
Meine Meinung zur Seele haben Sie doch geprägt. Bin von einem Reduktionisten zu jemanden geworden der die Existenz der Seele nicht ausschließt.
Ein Ignorabimus im Sinne von Emil Heinrich Du Bois-Reymond’s Welträtseln, zu denen die Fragen gehören: Was ist Materie und Kraft? Woher kommt der Ursprung der Bewegung? Woher stammt der Zweck in der Natur? wird es auch nach meiner Auffassung immer geben.
Denn ein Naturwissenschaftler kann keine Sinn- und Zweckfragen beantworten, mindestens nicht bis ins Letzte. Existenzfragen wie “Warum gibt es die Gravitiation oder warum gib es uns” sind besonders heikel und tendenziell unbeantwortbar.
Zugänglicher ist dagegen die Frage ob es uns als denkende Geschöpfe in einer rein physikalisch erklärten Welt geben kann. Ja, uns Menschen kann es geben. Alles was in unseren Körpern und in unserem Geist passiert ist kompatibel mit dem Universum und den darin geltenden Gesetzen. Bis jetzt musste man noch nie etwas Metaphysisches, Ausserweltliches postulieren um das zu erklären, was in unserer Welt und in unseren Köpfen passiert.
@ Stephan Schleim :
Hierarchische (vs. sequentielle) Kommentarmöglichkeit muss nicht schlecht sein, stellen Sie sich das Web gerne als eine Art Misthaufen vor, mit Trüffeln in der Mitte, das selektiv zur Kenntnis genommen werden will.
Was Sie womöglich und dann auch nachvollziehbar anmängeln, ist der mangelnde Komfort, sicherlich darf ein Inhalteverbund wie dieser bspw. mit Filtern und Sortierung und einem optional verfügbaren Kontensystem glänzen.
Der Schreiber dieser Zeilen, der auf einem WebLog dieses Verbunds nicht mehr kommentieren kann, weil versehentlich und administrativ ein Filter eingestellt worden ist und die Rückgängigmachung unmöglich scheint, weiß hier sein Lied zu singen.
MFG
Dr. W
PS:
Anwendungen der Informationstechnologie sind aber auch schwierig, lol.
“Schuldscheinmaterialismus” ist ein schöner Begriff. Immerhin, ein Schuldschein wird ausgestellt, bei der anderen Fraktion (den Geistersehern aller Art) hat man dagegen oft den Eindruck, dass auch Falschgeld willkommen ist.
Die “Seele” ist im Übrigen materialistisch sehr einfach zu erklären. Bei Wikipedia steht dazu beispielsweiese, dass sie aus Dinkel besteht und auch ihre Eigenschaften werden näher beschrieben: “Die Seele ist außen knusprig, innen weich, luftig und feucht.”
Ja, Zustimmung – so sehe ich es auch…
Hallo Stephan, (und hallo Michael),
ich will dem nicht zustimmen.
Wieso soll das Thema Seele für einen Vierseiter nicht gut sein? Wo ist das grundsätzliche Problem, der Seele – oder jedem anderen, wissenschaftlichen (!) Thema – sogar auf zwei Seiten gerecht zu werden? Kann es vielleicht sein, dass es Dir, Stephan, darum geht, dass du glaubst, Steve Ayan sei dem Thema nicht gerecht geworden? Aber weniger, dass er falsches sagt?
Ich habe für mich Neues aus dem Artikel mitgenommen. Vielleicht überrascht es: Nach dem Lesen hatte ich eine offenere Einstellung zu dem Begriff “Seele”. Insofern empfand ich den Artikel als ausgewogen. Was freilich meine völlig subjektive Erfahrung ist und nicht Maßstab eines Gerechtwerdens.
Für einen Fachmann, für eine “neurowissenschaftliche Autorität” auf dem Gebiet, wird dass anders sein. Doch wenn weitere Argumente in diesem Sinne “objektiv” fehlen, warum lese ich von denen hier so wenig?
Stattdessen lese ich Kritik, bei der ich kaum den Bezug zu dem Artikel von Steve Ayan erkennen kann. Einige Abschnitte scheinen mir zudem nicht völlig frei von Eitelkeiten zu sein. (Müssen Forscher heute wirklich einem “Nothing-But-ism” folgen, um es mit Michaels Worten zu sagen, um Forschungsanträge durchzubekommen? Sind fünfundsiebzig kleingedruckte Spalten der Brüder Grimm in diesem Kontext relevant? Und warum muss man sich Neues einfallen lassen, wenn alte Läsionsstudien zum Thema passen?)
Ich sehe das ja so: Die Physik kann zur Seele nichts essentielles sagen, und das ist auch nicht ihre Aufgabe, da die Seele nicht Teilchen herumschubst oder Kräfte verbiegt. Wenn ich ein schönes Bild betrachte oder ein Kompliment höre (s. Diskussion “Science and the Search for the Soul (3)”), dann kann innerhalb von Sekunden etwas mit mir geschehen. Das dieses Event meine Seele berührt hat, ist eine gute Umschreibung für Funktionen desjenigen Organs, das diese Erfahrungen schnell in ein Reaktionsmuster übersetzt. Dieses Organ nennen wir Gehirn.
Die kritische Reduktion ist dabei in meinen Augen nicht etwas die, auf die Atome und physikalischen Kräfte, die das Gehirn völlständig determinieren, das scheint mir keine Frage mit zu sein, sondern die Reduktion auf den kurzen Zeitabschnitt und auf eine Einteilung in Innenwelt und Umwelt.
Sich an den Reduktionismus à la Sean Carroll zu reiben, ist deswegen meiner Meinung nach schlicht die falsche Baustelle (bezogen auf die alten Beiträge von dir, Stephan). Ganz ähnlich fehlplatziert kommt mir deine Kritik an Steven Ayans Beitrag vor. Für mich als Laie war es ein wirklich lesenswerter Beitrag zum Thema Seele.
Nichts für ungut, liebe Grüße und schöne Feiertage,
Markus
Ihre Bedenken und Kritik teile ich. Das Motiv von Herrn Schleim ist mir unklar, seine Ausführungen erscheinen mir unangebracht. GuG ist kein fachwissenschaftliches Medium, sondern wendet sich an ein breites Publikum mit begrenztem Verständnis. Die Wissenschaftskritik von Herrn Schleim ist widersprüchlich, denn er zitiert seine eigenen Werke dazu, offenbar in der Überzeugung, alles besser zu wissen.
Der wissenschaftliche Fortschritt in der Hirnforschung mag nicht so rasant sein, wie man es vielleicht erwartet oder wünscht, aber er ist vorhanden. Andererseits behauptet niemand ernsthaft, alles endgültig erklären zu können. Immer wieder wird von Kritikern und Gegnern der Wissenschaft das irrtümliche und unsinnige Argument vorgebracht, die Wissenschaft könne noch nicht alles erklären und folglich müssten Alternativen zur Wissenschaft richtig sein. Die Wissenschaft, gerade die Hirnforschung, ist noch lange nicht am Ende!
Dass Wissenschaft auch Marketing und Versprechungen enthält, ist in einer Medien- und Konkurrenzgesellschaft unvermeidlich. Auswüchse darf man selbstverständlich kritisieren, aber nicht ganze Wissenschaftszweige deswegen diffamieren. Gerade Michael Blume und Stephan Schleim sind hier prominente Beispiele für offensives Selbstmarketing, ohne nennenswerte wissenschaftliche Inhalte!
Wie die Wissenschaft auch mit sich selber ringt, das zeigt eindrucksvoll dieser Bericht: “Die Philosophie soll der Physik aus der Patsche helfen”.
http://www.spektrum.de/news/die-philosophie-soll-der-physik-aus-der-patsche-helfen/1390994
Das Bewußtsein Mensch, im Ursprung von einem Zentralbewußtsein / einer kosmischen oder “göttlichen” Ordnung abkömmlich, ist multidimensional in evolutions- und quantensprüngen unterwegs. Eine Seele, also die zweifelsfreie Erkenntnis von …, die kann Mensch sich nur erarbeiten, wobei die Fusion das “hellste Licht” / die “stärkste Seele” …, wenn wir denn mal unseren Kreislauf im geistigen Stillstand seit der “Vertreibung aus dem Paradies” (Evolutionssprung) überwinden würden 🙂
“Schuldscheinmaterialismus” – genau, instinkt-gepflegte Bewußtseinsschwäche von Angst, Gewalt und “Individualbewußtsein” in gebildeter Suppenkaspermentalität auf stets systemrationaler Schuld- und Sündenbocksuche, wo längst geistig-heilendes Selbst- und Massenbewußtsein wirklich-wahrhaftig und OHNE … gestalten könnte.
Ich hoffe ich habe nichts übersehen, aber hätte man nicht erst einmal definieren müssen was man unter dem Begriff “Seele” versteht und was der Unterschied zu Psyche, Geist oder Bewusstsein sein könnte? Die Herkunft des Begriffs ist ja nach wie vor unklar. Vermutlich geht er auf einen altgermanische Mythos zurück, der das Wasser und die Seen als Hort der Seelen von Toten und Ungeborenen ansah. Wird eine unsterbliche Seele mit Religion und Glauben verbunden, dann erledigt sich diese Vorstellung, wenn Menschen vom Glauben abfallen. Anders im Buddhismus, wo die verschiedenen Schulen meist ohne Seele auskommen.
http://relilex.de/seele-buddhismus/
In der Psychologie wird das “Seelische” jedoch oft mit dem Gehirn verbunden, da wäre es natürlich abwegig, wenn man die Seele verleugnen würde.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/dritte-kultur/bindungsforschung-wie-das-gehirn-die-seele-formt-13733288.html
“Wohl aber vermutete der Philosoph dort –– übrigens aufgrund empirischer Untersuchungen –– den Ort der Interaktion zwischen Seele und Körper.
Ja, auch wenn meine Erfahrungen nicht als empirische Untersuchungen gelten, die Schnittstelle / das Interface für eine “Seele” steckt dort, als Erklärungslücke bis …!? 😉
Ist eine rein materiell aufgebaute Welt unbeseelt? Also arm an Sinn, ohne jede Anmut geschweige denn Raffinesse. Ist so eine Welt mechanisch wie ein Räderwerk? Ja für diejenigen, die ein mechanistisches Weltbild wie Descartes haben. Nein aber für die, welche wissen, dass es die magische Welt der Alchemisten in der Chemie und der Physik des Kleinsten, in der Welt der Quanten und ihren Verschränkungen, tatsächlich gibt und dass diese geheimnisvolle vorreale Welt von miteinander verschmelzenden unscharf konturierten Entitäten in jedem Augenblick und immer wieder unsere Realität konstruiert, indem diese unscharfen Entitäten konfrontiert mit ihrer Umgebung sich zu klaren Formen von Teilchen oder Wellen materialisieren, zu den vertrauten Photonen und Elektronen, die dann durch die Drähte unserer Smartphones huschen oder auf die Sinneszellen in unseren Augen stossen.
Doch auch eine raffinierte, teilweise magisch erscheinende materielle Welt mag vielen immer noch als unbeseelt erscheinen, denn mit dem Begriff Seele ist etwas Gefühliges und zugleich Personales verbunden, ja die Seele steht für eine über allem Materiellen stehende ewig währende Identität, die alle Fertigkeiten einer Person, all ihr Wissen und all ihr Empfinden in Vollkommenheit bündelt.
Wenn ich Seele höre denke ich auch ans Paradies. Ist das nicht der liebste Aufenthaltsort der Seele? Denn es ist der Ort der Glückseligkeit, der für die Gläubigen bestimmt ist und der mit vielen sinnlichen Freuden (72 Jungfrauen selbst für den Geringsten unter den Gläubigen) für den frommen Muslim aufwartet. Warum aber wird im Koran (der nichts anderes ist als die Mitschrift der ersten 23 Jahre der entstehenden islamischen Gemeinde) den vorzeitig hingeschiedenen gläubigen Seelen das Paradies mit all diesen sinnlichen Freuden versprochen? Dazu muss man die Entwicklung des Islams und seines Propheten Mohammed kennen. Mohammed war ein Waisenkind, das um Anerkennung kämpfte. Etwas was Mohammed, der (spätere) Prophet, erst sehr spät als Ehemann einer reichen Geschäftsfrau erfahren durfte. Als von ihr eingestellter Karawanenführer lernte er die (damalige) Welt und auch die monotheistische Religionsauffassung kennen. Visionen, die ihn zuerst verängstigten, liessen ihn dann zum Prediger in Mekka werden – zu einem unbeachteten Prediger, denn er war nur einer von vielen. Nach dem Tod seiner geliebten Kadisha (die ihn überhaupt erst zu dem machte was er war), wollte er kriegerische Stämme in unmittelbarer Umgebung von Mekka dazu bringen seine Heimatstaat zu überfallen, denn nur so sah er eine Chance seine Lehre zu verbreiten. Doch diese Stämme lehnten ab und fassten die Versprechungen Mohammeds (eine Teilhabe an der Kriegsbeute und freie Wahl unter den Frauen der Niedergerungenen) als unmoralisches Angebot auf. Mohammed zog daraufhin zum weiter entfernten Medina, denn erst dort fand er die Stämme und Banden, die als Kämpfer für die neue Religion zuerst Mekka und dann ganz Arabien zu erobern bereit waren. Und tatsächlich gelang es ihnen Mekka niederzuringen. In den Kriegspausen vertrieben die Truppen Mohammeds auch die drei jüdischen Stämme Medinas, wobei Mohammed alle Männer (waren es 400?) des letzten Stammes köpfen liess. Ein Jahr später eroberte er auch einen Rückzugsort von ein paar überlebenden Juden und heiratete die Schönste unter den Jüdinnen nachdem er am Vortag ihren Mann und seinen Bruder getötet hatte. Der Dschihad wurde schon im Diesseits belohnt – mit Frauen des Feindes mit denen die Eroberer machen konnten was sie wollten. Für diejenigen tapferen Krieger, die im Kampf für die Verbreitung des Islams fielen aber versprach der Koran das Paradies. Mit 72 Jungfrauen selbst für den Geringsten unter den Gefallenen – den gefallenen Seelen, die für das Gute und Gerechte gekämpft hatten.
Es wäre in der Tat sinnvoll, zunächst eine konzeptuelle Analyse des Begriffes Seele vorzunehmen. Natürlich ist das in der Philosophie längst gemacht. Eine Definition des Begriffes macht dagegen keinen Sinn, denn man würde nur ein Wort durch andere Wörter ersetzen, ohne zusätzliche Erkenntnis zu gewinnen. Genau das ist das unvermeidbare Problem der Seelengläubigen, dass sie nur Wortakrobatik betreiben, ohne Wissen über die Seele zu generieren, weil es eine Seele in Wirklichkeit nicht gibt. Es ist ein zusätzlicher Sammelbegriff für eine Reihe menschlicher Eigenschaften und Phänomene, die bereits andere Namen haben, z.B. Charakter, Gemüt und viele andere.
Die Wissenschaft dagegen zerlegt einen Begriff schrittweise in Einzelteile, den Geist z.B. in Gedächtnis, Wahrnehmungsvermögen, Verstand. Das wird ihr oft als Reduktionismus zum Vorwurf gemacht. Aber nur so kann Forschung funktionieren. Wissenschaftliche Erklärungen müssen deswegen nicht reduktionistisch sein, denn sie sollen Zusammenhänge und Strukturen der Teile zum Ganzen sinnvoll beschreiben.
Die Wissenschaft reduziert, wird sie dabei tölpelhaft unzulässig vereinfachend und dies erkannt, bspw. bei bundesdeutschen Hirnwissenschaftlern ist dies anscheinend gelegentlich der Fall, wird die Sache dann gerne auch mal Reduktionismus genannt.
Wichtig ist hier die Suffix ‘-ismus’, die ein bestimmtes Glaubens- und Lehrsystem meint, beim Reduzieren, das kein Selbstzweck, sondern eine Methode, ist, wird dann der Reduktionismus zu einer Art Schimpfwort.
Die Reduktion als Methode, oder top-down bzw. stepwise refinement, wie es schon von Descartes propagiert wurde, ist eine unerlässliche wissenschaftliche Methode, aber sie kann zum bloßen Reduktionismus entarten. Oftmals sind die Vorwürfe allerdings unberechtigt und kommen von dogmatischen Gegnern der Wissenschaft.
Ich möchte zwischen der Forschungs- und der Erklärungsmethode unterscheiden. Eine wissenschaftliche Erklärung kann korrekt und trotzdem sinnlos sein, wenn sie das zu Erklärende nicht verständlich beschreibt. Insbesondere in der komplexen und phänomenalen Welt des Lebens wären physikalische Erklärungen ziemlich sinnlos, sofern überhaupt möglich. Reduktionistische Forschung muss keineswegs in reduktionistische Erklärungen münden. Man darf nicht vergessen, dass die Wissenschaft heute viel mehr in der Öffentlichkeit stattfindet und somit unfertige oder vorläufige Resultate der Kritik von Laien und Ideologen ausgesetzt sind.
Es gibt verschiedene Prinzipien, die Welt zu beschreiben. Das häufigste Prinzip ist das Kausalprinzip, das die Notwendigkeit und Determiniertheit zur Grundlage hat und daher Vorhersagekraft besitzt. Ein anderes Prinzip ist die Konditionalität, indem ein Ereignis durch seine notwendigen und hinreichenden, retrospektiven Bedingungen erklärt wird. Dieses Prinzip kann gegebenenfalls viel besser erklären, besonders in Fällen der Multikausalität und auf der Ebene der Phänomenalität mit Korrelationen. Von Franz Brentano stammt das Prinzip der Intentionalität, angewendet auf das menschliche Bewusstsein, also nahe an der Beschreibung der Seele (Brentano war Theologe). Meines Erachtens wäre dieses Beschreibungsprinzip für jede Lebensform zutreffend, auf Grund der inhärenten Intention zum Leben, mit oder ohne Bewusstsein. Bei näherer Betrachtung ist auch jede physikalische Erklärung nur eine Beschreibung!
@Martin Holzherr / 26. Dezember 2015 9:30
»Noch eine Bemerkung zur Weltsicht Du Bois-Raymonds. Er steht als einer der Begründer der Physiologie für die Sicht, in der der menschliche Körper ein physikalisches Studienobjekt ist, ein Objekt in dem dieselben physikalischen Gesetze gelten wie überall.«
Das dürfte soweit stimmen. In der Encyclopædia Britannica heißt es zu dieser Frage:
Ich sehe Du Bois-Reymond ebenfalls als einen gemäßigten Physikalisten oder Materialisten, aber auf keinen Fall als jemanden, der z. B. mit Karl Popper oder Josef Hyrtle in einen Topf geworfen werden sollte.
Zumal Du Bois-Reymond in einem Brief an Eduard Hallmann einst geschrieben hatte: „Brücke und ich, wir haben uns verschworen, die Wahrheit geltend zu machen, daß im Organismus keine anderen Kräfte wirksam sind als die gemein physikalisch-chemischen.“
Keine anderen Kräfte, also auch keine „Seele“.
@all, ich habe schon mehrmals darauf hingewiesen, dass ich diese gemischte Diskussionsstruktur für unübersichtlich halte. Vor dem Umstieg auf WordPress musste man nur an einer Stelle kontrollieren, es gab eine einheitliche Chronologie der Beiträge und hier bei bei MENSCHEN-BILDER regelmäßig Posts mit 100+ bis in Einzelfällen 500+ Kommentaren. Beim heutigen Durcheinander steigt der Aufwand, den Diskussionen zu folgen, exponentiell. Dazu fehlt mir die Zeit.
@all: Es gibt hier offensichtlich zwei Themen: Erstens die Seele und zweitens die Erklärung (wahlweise zu ersetzen mit: Reduktion) psychischer Phänomene durch neurowissenschaftliche Daten.
Den Spezialfall des Titelthemas (“Die Wahrheit über die Seele”) nahm ich zum Anlass für Gedanken über das allgemeine Thema, was man heute alles zu erklären können glaubt (wie Moral, Liebe, Willensfreiheit, steht alles oben im Text).
Wer es für kein bisschen Problematisch hält, die reichhaltige Kultur und das reichhaltige Erleben des Menschen mit Verweis auf ein paar neurowissenschaftliche (oder biologische oder chemische oder…) Beobachtungen (i.d.R. heute komplexe statistische Konstrukte) zu “erklären” und auch nicht bereit ist, sich damit theoretisch auseinanderzusetzen, dem kann ich nicht helfen. Für den gibt es eben Wissenschaftsentertainment, doch das ist mir persönlich zu flach. MENSCHEN-BILDER stand seit seinem bestehen 2008 immer für wissenschaftliche und philosophische Tiefe.
@Reutlinger
Also bitte, wer lesen kann, der ist klar im Vorteil: Wo habe ich denn bitte einen ganzen Wissenschaftszweig diffamiert? Mir sind glücklicherweise genügend Kolleginnen und Kollegen begegnet, die nicht alles versprechen, nur um Forschungsgelder zu erhalten (und die halten sich i.d.R. auch von Themen wie der Seele fern). Zur Frage, wie man ernsthafte Neurowissenschaft von Unterhaltungsneurowissenschaft trennt, habe ich schon internationale Tagungen organisiert. In Ihren Kommentaren kann ich dazu jedoch keinen Beitrag erkennen.
Ferner ist es selbstwidersprüchlich, mir Selbstmarketing vorzuwerfen (mit Verweis auf eine wissenschaftliche Quelle, die frei zugänglich ist) und obendrein ein Fehlen “nennenswerter wissenschaftlicher Inhalte” (A. R., 27.12., 12:18 Uhr). Wenn Sie die weiterführenden Quellen nicht lesen wollen oder können, weil Sie sie als Marketing diffamieren, dann spricht das nur für Ihre Oberflächlichkeit.
Ich bin schließlich auch nicht an Ihren pseudopsychologischen Interpretationen interessiert (“denn er zitiert seine eigenen Werke dazu, offenbar in der Überzeugung, alles besser zu wissen”, A. R. ebenda).
Wenn Sie etwas inhaltlich zur Frage beitragen wollen, wie man psychische Phänomene reduktiv erklärt, dann bitte; ansonsten verschwenden Sie hier die Zeit Ihrer LeserInnen.
Echt jetzt? Du Schreibst doch kaum noch was in “Menschen-Bilder”!?
Und genau aus den Gründen, die ich schon vor zweieinhalb bis drei Jahren genannt habe: Dass aus einer gut funktionierenden, übersichtlichen und auf Gemeinschaft setzenden Plattform durch eine technologische Vergewaltigung ein chaotisches wie langweiliges Durcheinander geworden ist, von dem nur einige Vielschreiber profitieren.
Zynischerweise wurde, erstens, das alles nach dem Vorbild der englischsprachigen SciLogs aufgezogen, die schon damals und immer noch heute ein desolates Schattendasein führen, und haben, zweitens, diejenigen, die den technologischen Umstieg am meisten heraufbeschworen und als alternativlos dargestellt haben, die Plattform schon lange verlassen.
@Joker
Gut aufgepasst, Joker.
Emil du Bois-Reymond unterschied bei seinen Welträsteln solche, die man naturwissenschaftlich würde lösen können (bsp. der Ursprung des Lebens) von solchen, die “transzendent” seien (neben den im Text genannten etwa auch die Frage, was Materie ist). Wären die SciLogs nicht kaputt gemacht worden, würde ich darüber womöglich einen Post schreiben.
Ich selbst treffe keine prinzipielle Aussage, sondern habe eher ein induktives Argument: Die heutige Wissenschaft erscheint mir in großen Zügen vor allem als große Reklameveranstaltung: Publizieren fürs berufliche Überleben führt massenweise zu nicht-replizierbaren Studien; schon kleinste Effekte müssen für den Marketingwert aufgeblasen werden; Kritik, die zum Wesen der Wissenschaft gehört, darf man nicht äußern, denn das ist schlecht fürs Geschäft (sprich den nächsten Forschungsantrag). Obwohl das (fast) jeder weiß, spielen die Leute weiter ihr Theater.
Von so einer Wissenschaft erwarte ich wenige neue Erkenntnisse; aber auch diese Zeit geht früher oder später wieder vorbei.
@Mona
Ja, ich verwies gleich am Anfang auf die fünfundsiebzig Spalten im Deutschen Wörterbuch. 😉
Wie die geneigte Leserin inzwischen gemerkt hat, geht es mir gar nicht so sehr um die Seele, die ich, wie bereits angemerkt, vor allem poetisch auffasse. Das allgemeine Thema sind die Versuche, dieses und jenes (angeblich) wissenschaftlich wegzuerklären.
Etwas “Wegerklären” zu können, ist ja, Ockham folgend, eine wissenschaftliche Tugend. Der Zoo der Entitäten soll nicht durch verkleidete Wesen unnötig bereichert werden. Die Untugend, Sachverhalte als “im Prinzip” erledigt zu betrachten (meist reduktionistisch im Sinne des “Schuldscheinmaterialismus”), scheint allerdings in der Tat rund um das Psychische besonders ausgeprägt zu sein. Ärgerlich, weil dabei oft relevante Unterschiede verwischt werden, z.B. zwischen Sachverhalten, die man durchaus “(weg)erklären” könnte, aber nicht physikalistisch, und solchen, bei denen sich eine solche reduktionistische Strategie lohnen würde.
“Einladung zum Nachdenken über die Seele. Hier mit einem Sonnenuntergang auf der niederländischen Insel Texel, der mich im Frühjahr inspirierte.”
Also für mich ist das aktive Bewußtseinsbetäubung, die absolut nicht taugt für ein Nachdenken über die Seele!
Viel Spass noch 😉
@Joseph Kuhn
»Die Untugend, Sachverhalte als “im Prinzip” erledigt zu betrachten (meist reduktionistisch im Sinne des “Schuldscheinmaterialismus”), scheint allerdings in der Tat rund um das Psychische besonders ausgeprägt zu sein.«
Nun, wo sonst bietet es sich dermaßen an? Wenn man davon ausgeht, dass alles Psychische auf materiellen Vorgängen beruht, bleibt einem doch praktisch gar nichts anderes übrig, als zu schauen, was die materiellen Grundlagen für bestimmte psychische Phänomene sind. Was ja keineswegs ausschließt, dass man auch andere Beschreibungsebenen akzeptiert. Niemand will Stephan Schleim die poetisch verstandene Seele wegerklären.
Wenn etwas „im Prinzip“ als erledigt betrachtet wird, wie etwa die evolutionäre Entstehung der Lebensformen, dann bedeutet das ja keineswegs, dass damit auch die diesbezügliche Forschung als beendet betrachtet wird. Genau so verhält es sich m. E. bei Psyche und Geist.
Im Übrigen ist jede Metaphysik letztlich ein „Schuldschein“-ismus, das besagt gar nichts, das liegt in der Natur der Sache.
@ Balanus:
Die Mathematik bietet sich beispielsweise auch an. Inwieweit sie sich naturalisieren lässt (Stichwort Quine), ist offen. Die Ethik als Frage nach der Begründbarkeit moralisch richtigen Verhaltens wäre auch ein Kandidat.
Die “Beruht auf-Grundlagen-Semantik” ist ein Beispiel dafür, was ich oben mit dem Verwischen von relevanten Unterschiede gemeint habe: Geht es hier wirklich stets nur um die Frage nach verschiedenen “Beschreibungsebenen”, weil es als erwiesen gelten kann, dass “beruht auf” gleichbedeutend ist mit “alles ist materiell”, oder könnte es auch um mehr gehen, wenn man an Konzepte wie Emergenz, Supervenienz etc. denkt? Und hat man belastbare Anhaltspunkte dafür, ob es sich so oder so verhält? Könnte es vielleicht auch so sein, dass man gar nicht so genau weiß, was mit “materiell” gemeint ist, außer einer Abgrenzung gegenüber dem Geisterhaften?
Die Fragezeichen sind ernst gemeint, ich habe keine Antworten.
@Kuhn über Ockhams Rasiermesser
Das ist leider eines dieser Beispiele dafür, wie Nichtphilosophen versuchen, einfach einmal so ein philosophisches Werkzeug zu verwenden. Glauben Sie mir, das geht meistens schief.
Erst einmal der Hinweis, dass lange vor Ockham schon Aristoteles und ausgerechnet der Theologe Thomas von Aquin (1225-1274) ein Prinzip der erklärenden Einfachheit formulierten. Ockham (ca. 1287-1347) war übrigens auch Theologe.
Abgesehen von dieser historischen Note, ist es beim Prinzip der Einfachheit entscheidend, dass es zwei (oder mehr) gleich (oder wenigstens annähernd gleich) erklärungsstarke Theorien gibt. Da wir aber gerade keine erklärungsstarke Theorie vom Menschen als Menschen haben (und nicht nur als biologischer Automat, wie es La Mettrie [1709-1751] schon formulierte), ist es ein ziemlich missglückter Versuch, Ockhams Rasiermesser oder ein ähnliches Prinzip der Sparsamkeit ins Feld zu führen.
Etwas wegerklären zu wollen, ohne eine gute Erklärung zu haben, entspricht gerade nicht meinem Bild von Wissenschaftlichkeit. Deshalb ja dieser ganze Blogpost über die Seele.
Als allgemeine Einführung ins Thema kann ich diesen Artikel der Stanford Encyclopedia of Philosophy empfehlen: Simplicity.
@ Stephan Schleim:
Mag sein, dass es meistens schief geht, warum das hier so sein soll, verstehe ich nicht. Gibt es denn nicht mehrere gleich erklärungsstarke Theorien zur “Seele”, oder dem Psychischen, oder worüber auch immer hier im Einzelnen diskutiert wird, von mir aus dem Wesen des “Schönen”? Sonst müsste man sich über reduktionistische Möglichkeiten nicht ernsthaft streiten. Wobei ich den Teppich des Philosophen natürlich nicht mit meinen ungeweihten Füßen beschmutzen wollte.
@Joker
»Was macht den Unterschied, die Seele?«
Gute Frage, die beschäftigt mich auch.
Dass in einem lebenden Organismus bzw. Gehirn die Materie (was immer das ist) dynamisch anders organisiert ist als in einem Computer oder Roboter, dürfte ein notwendiges Kriterium dafür sein, dass „Geist“ überhaupt möglich ist (Geist hier verstanden als das phänomenale Erleben von Sinneseindrücken und Gefühlen). Dass ein hinreichend hochkomplexes Kunsthirn aus Halbleitern und dergleichen ebenfalls Sinneindrücke haben könnte, kann ich mir einfach nicht vorstellen. Meine Vorstellung ist, dass ein Gehirn sich in einem Wachstumsprozess selbst organisieren muss, damit Empfindungsfähigkeit entstehen kann. Dann sollte es eigentlich keine Rolle spielen, aus welchem Material bzw. welcher Materie es besteht.
Für ontologische Materialisten wie Bunge/Mahner ist klar was “materiell” bedeutet. Bunge/Mahner propagieren im übrigen den emergentischen Materialismus und lehnen den reduktionistischen Materialismus ab, wenn er behauptet, die Physik erkläre alles (bis hin zur Soziologie) .
Materie ist für Bunge/Mahner alles was einen physikalischen Energieinhalt hat und veränderbar ist. Licht, Elektromagnetische Felder, die bekannten massebehafteten Körper – all das zählen Bunge/Mahner zur Materie. Und nur Materie existiert real. Alles andere was existiert, existiert über die Materie aus dem es besteht. Auch ein Staat oder ein literarisches Werk existiert also nur, wenn es etwas Materielles gibt, in dem sich diese Dinge realisieren. Allerdings kann man nach Bunge/Mahner Dinge wie Staaten oder materielle Werte nicht physikalisch erklären, denn diese Dinge emergieren aus der materiellen Welt. Für sie gelten eigene Gesetze wie es für emergente Objekte typisch ist. Letztlich aber haben auch die emergenten Objekte eine materielle Basis. Ohne diese gibt es nichts Reales.
Wenn man den Begriff “materiell” offen lässt, dann ist man wieder so gescheiht wie vorher. Für den ontologischen Materialismus ist der Begriff Materie essentiell und klar definiert.
Den Unterschied machen mindestens zwei Dinge. Erstens müsste dem Roboter per Programm gesagt werden, was genau die Kriterien für Farben sind. In der Außenwelt gibt es elektromag. Strahlung, aber keine Farben. Wo und wie entstehen die Farben im menschlichen Gehirn? Welche Situation müsste also gegeben sein, so dass der Roboter sagen könnte “da sehe ich rot”? Der Empfang einer bestimmten elektromag. Strahlung ist nicht dasselbe wie “rot sehen”! Dazwischen sind die Nervensignale, die für alle Sinnesorgane gleich sind.
Zweitens besteht der Roboter aus Metall und Halbleitern, nicht aus hochkomplexen Eiweißen, Fetten, Nukleinsäuren und vielen anderen Substanzen. Diese Substanzen reagieren völlig unterschiedlich auf ihre Umwelt, bzw. auf Ereignisse in ihrer Umwelt. Eine kleine Konformationsänderung eines Proteins durch Anlagerung eines einzigen Atoms oder Ions kann über die Funktion des Proteins bestimmen.
@Stephan Schleim:
“Ja, ich verwies gleich am Anfang auf die fünfundsiebzig Spalten im Deutschen Wörterbuch”
…der Gebrüder Grimm. Naja, das ist ja schon etwas angestaubt. 🙂
Wie ich oben bereits schrieb, kann man die Seele so oder so auffassen. Als Synonym zu Psyche, Geist oder Bewusstsein wird sie sicher weiterbestehen. Wer sie allerdings nur mit Religion oder Glauben verbindet, dem kann man keinen Vorwurf machen, wenn er versucht sie wissenschaftlich wegzuerklären – egal ob es sie nun gibt oder nicht. 😉 Wobei ich Ayan allerdings zustimmen würde, dass sich “”Phänomene wie Déjà-vus oder so genannte Nahtoderfahrungen … ganz ohne Seele und Jenseits erklären“ lassen.”
Ich glaube nicht, dass mit Entzauberung der Welt durch die Wissenschaft auch die Poesie verloren geht. Moderne Poesie äußert sich nur anders, als es beispielsweise die Gedichte der Romantik vermochten. Manchmal überdauert Poesie auch die Zeit und die Jahrhunderte, wie die einfache lyrische Form des Haiku in Japan. Und weil ich Hobbyastronomin bin gefällt mir ein Haiku des Zen-Mönchs Ryokan besonders gut:
Decken auf dem Gras,
eine Nacht lang ohne Haus –
reich nur durch den Mond.
“Wo und wie entstehen die Farben im menschlichen Gehirn?” – Jedenfalls ist das Farbsehen evolviert. Wo ist das in unserer Ahnenreihe geschehen? Haben unsere dichromatischen Vorfahren schon ‘rot’ gesehen? Und ist dann das Qualium Rot bei den trichomatischen neu belegt oder neu entstanden? Was werden unsere Nachfahren sehen, falls irgendwann ein vierter Farbrezeptor evolviert?
Ich sehe nicht, wie sich kategoriale Unterschiede wie Körper-Seele oder mensch-Roboter mit der Evolutionstheorie vereinbaren lassen.
@Kuhn: Was zu erklären ist…
Das ist ja gerade der Witz, dass man in der Bewusstseinsforschung noch nicht einmal weiß, was das explanandum ist, das zu erklärende. Darum sind diejenigen, die schreien, “Ich habe die Erklärung!” (siehe z.B. das Buch “Consciousness Explained”, 1991, des Materialisten Daniel Dennett), doch eher Gebrauchtwagenhändler.
Und in Konsequenz muss man dann eben auch Ockhams Rasiermesser einpacken.
@Mona: Wörterbuch
Bitte, ich möchte mich hier auf wissenschaftlichem Niveau mit dem Thema auseinandersetzen.
Jacob und Wilhelm Grimm waren beide Germanistikprofessoren und haben, nachdem sie das Land (will sagen: Niedersachsen) verlassen mussten (Stichwort: Göttinger Sieben), dank der Unterstützung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. das umfangreichste und wissenschaftlichste Wörterbuch der Deutschen Sprache ausgearbeitet, das mit ingesamt 32 Bänden jedoch erst 1971 fertig gestellt werden sollte, also mehr als hundert Jahre nach ihrem Tod.
Lesetipp: Günter Grass, Grimms Wörter.
@Joseph Kuhn
»Könnte es vielleicht auch so sein, dass man gar nicht so genau weiß, was mit “materiell” gemeint ist, außer einer Abgrenzung gegenüber dem Geisterhaften?«
Das, also diese Abgrenzung, ist doch nicht gerade wenig, finde ich (wobei auch die sogenannte geisterhafte Fernwirkung ja noch innerhalb des Materiellen verortet wird).
»Und hat man belastbare Anhaltspunkte dafür, ob es sich so oder so verhält?«
Nun, welche Anhaltspunkte und Erfahrungen hat man überhaupt für die Annahme von „Geist“ oder „Seele“, die über die individuelle Introspektion hinausgehen? Ich bin zwar davon überzeugt, dass die hier schreibenden Individuen sich ihrer selbst bewusst sind und somit in einem gewissen Sinne Geist und Seele (Verstand und Gemüt) besitzen, aber zweifelsfrei (natur-)wissenschaftlich überprüfbar ist das wohl eher nicht.
Zu Ockhams Rasiermesser:
Ich denke nicht, dass es darum geht, dass die unsterbliche Seele „wegerklärt“ werden soll, es ist wohl einfach so, dass sich keine wissenschaftliche Erklärung für so ein Ding finden lässt.
Die sterbliche Seele, d. h. die Psyche, wird aber genauso wenig wegerklärt, sondern es wird versucht, sie auf eine solide biologische Grundlage zu stellen.
Es gibt nach meinem Verständnis also durchaus zwei konkurrierende Theorien zu Psyche und Geist des Menschen (kurz und knackig formuliert):
1. Psyche und Geist sind als Systemeigenschaften des Gehirns aufzufassen.
2. Psyche und Geist sind nicht als Systemeigenschaften des Gehirns aufzufassen, sondern es handelt sich dabei um etwas völlig anderes.
@ anton reutlinger
“Erstens müsste dem Roboter per Programm gesagt werden, was genau die Kriterien für Farben sind.”
Was hält uns davon ab, es ihm zu sagen?
“Zweitens besteht der Roboter aus Metall und Halbleitern, nicht aus hochkomplexen Eiweißen, Fetten, Nukleinsäuren und vielen anderen Substanzen.”
Das sind die Fakten. Die Frage ist nur, ob aufgrund dieser Differenz grundsätzlich (*) kein Geist entstehen kann – und wieviel Fett braucht man für einen beseelten Roboter?
Sind also die Schlussfolgerungen, die Sie nahelegen, naturwissenschaftliche Erkenntnis oder reine Poesie?
(*) mein Euphemismus für ‘prinzipiell’, bzw. ‘im Prinzip’
@Anton Reutlinger
»Der Empfang einer bestimmten elektromag. Strahlung ist nicht dasselbe wie “rot sehen”!«
Das wird hier wohl niemand bestreiten wollen. Aber woher können wir wissen, dass, wenn ein Roboter (oder ein „Android“ wie z. B. ‚Data‘) sagt: Ich sehe rot, dass er dann nicht die Wahrheit sagt?
(Hat er eine Seele, wenn er lügen kann?)
@ Stephan Schleim:
Ich habe das nicht mal geflüstert. Dennett: vertritt diskussionswürdige Positionen, aber meine süßen Träume sind es nicht. Ich neige eher Thomas Nagels Überlegung zu, dass uns vielleicht noch die Begriffe fehlen, Probleme wie das Leib-Seele-Problem wirklich zu verstehen.
Nein. Man muss aufpassen, wo man damit an diesem Problem herumschneiden darf und wo nicht.
@ Balanus:
Schwierig, weil Ihre beiden “Theorien” ja erst mal nur Reizwortsammlungen und keine echten Theorien sind. Eine Psyche ohne Gehirn kann ich mir nicht vorstellen, aber was genau impliziert das, was schließt es aus, was lässt es zu? Bekanntlich steht schon die Formulierung “Ich bin mein Gehirn” unter dem Verdacht, nichts als einen Kategorienfehler auszudrücken. Da bin ich wieder beim zweiten Teil meines Kommentars von heute, 18.11 Uhr.
Ich würde bei der Analyse des Psychischen gerne etwas Psychologie gewahrt sehen, z.B. dass es dabei um die “Welt geht, wie sie dem Subjekt gegeben ist” (Holzkamp), damit der Mensch nicht in seine Innerlichkeit, auch nicht die seines Gehirns, eingesperrt wird.
@ Stephan Schleim
“Das ist ja gerade der Witz, dass man in der Bewusstseinsforschung noch nicht einmal weiß, was das explanandum ist”
So wie man vor der medizinischen Forschung nicht wusste, was genau eine Krankheit ist; oder so wie man in der Physik bis heute nicht weiß, was Materie ist? Entsteht Wissen gerade auch über das Wesen des zu Erklärenden nicht erst im Zuge der Forschung?
“Wörterbuch”
Elan Vital (gut, nicht sehr deutsch), Phlogiston und Evolution habe ich nicht im Grimms Wörterbuch gefunden, ich hoffe man darf sie hier in der weiteren Diskussion trotzdem gebrauchen.
Wenn Gott, Seele oder Äther, zumindest diese Begriffe lassen sich in Grimms Wörterbuch finden, für Erklärungen nicht mehr gebraucht werden, wer möchte sich darüber aufregen?
@ Joker:
Auch hier darf man übrigens getrost im Präsens sprechen, siehe z.B. Schramme “Krankheitstheorien”, Frankfurt 2012. Trotzdem ein schönes Beispiel.
@Kuhn Dennett, Nagel… und die Voraussetzungen
Sie wechseln das Thema: Es ging nicht darum, ob Dennett diskussionswürdige Thesen vertritt. Davon abgesehen ist das Kriterium auch rein subjektiv.
Es ging darum, ob man behaupten kann, etwas erklärt zu haben (explanans), wenn man noch nicht einmal weiß, was überhaupt erklärt werden soll (explanandum). Dennoch verkaufte Dennett seit 1991 sein Buch mit eben diesem Titel: Bewusstsein erklärt.
Es ist sehr komisch, dass erst Jahre später, nachdem Dennett Bewusstsein schon “erklärt” hatte, die Bewusstseinsforschung richtig in Fahrt kam, eben mit genau diesem Ziel (wofür weltweit Milliarden aus Steuermitteln investiert wurden), das Bewusstsein zu erklären. Hätten die mal Dennett gelesen, dann hätte man viel Geld sparen können…
Es scheint also, als würde mit dem Begriff der Erklärung Missbrauch getrieben und –– was für ein Zufall! –– das ist ja gerade das Thema dieses Blogbeitrags.
Das erinnert mich an einen Professor, der mehr als einmal Sätze formulierte wie: Wir wissen, dass die Voraussetzungen für diesen statistischen Test nicht gegeben sind, aber wir können ja trotzdem einmal schauen, was dabei herauskommt (und vielleicht sieht das Ergebnis ja gut aus und fällt es dem Peer Reviewer nicht auf, dann kann man wieder etwas auf die Publikationsliste setzen).
Nein, die Voraussetzung für das Rasiermesser ist, dass es zumindest ähnlich erklärungsstarke Theorien desselben Phänomens gibt, die miteinander konkurrieren, ansonsten begehen Sie eben einen methodischen Fehler.
@Joker Erklärung
Das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist –– ich schreibe es zum x-ten Mal ––, unter welchen Voraussetzungen man behaupten kann, etwas erklärt zu haben.
Ich gehe davon aus, dass es in der Medizingeschichte solche Fälle gibt: Man ging (aufgrund der Symptome) von Krankheit A und Krankheit B aus, im Laufe medizinischer Forschung ergab sich aber, dass A und B auf dieselbe Ursache zurückzuführen sind. Dann wird man vermutlich die seltenere als Untertyp auffassen, spricht also von Krankheit A’ mit dem Untertyp B. In diesem Sinne wurde dann Krankheit B wegerklärt: Es handelt sich um einen Spezialfall von A’.
In der Bewusstseinsforschung (und in Seelenfragen) ist die Situation aber eben nicht so.
Der fleißige Jacob Grimm starb meiner Erinnerung nach irgendwo beim Buchstaben E oder F. Das war 1863. Insgesamt dauerte die Fertigstellung rund 120 Jahre (mit dem Quellenband). Es ist klar, dass am Ende des Projekts die früheren Teile nicht mehr aktuell sind. Anstatt sich hier zu beschweren, können Sie sich ja selbst an die Überarbeitung setzen und zum Beispiel den Eintrag über das Wort Evolution hinzufügen.
Jedenfalls scheint mir Ihre Bemerkung off topic. Ich verstehe jedenfalls nicht, was sie hier in der Diskussion soll. Ich habe nie behauptet, man dürfe hier nur Wörter verwenden, die im Deutschen Wörterbuch stehen.
Die Diskussion hier hat aber schon über 70 Kommentare und wir haben Gott und Äther bisher sogar außen vor gelassen. Ihre These scheint mir damit empirisch widerlegt.
@Kuhn, Joker
Nun ja, Krankheit ist jedenfalls keine natürliche Art, sondern ein irreduzibel normativer Begriff: Krankheit ist das, was eine (einflussreiche Gruppierung in einer) Gesellschaft zur Krankheit erklärt.
Je nach Kultur fallen da manchmal solche Phänomene wie Gotteslästerung, Zweifel am politischen Regime (ehem. Sowjetunion), Zweifel am Endsieg (ehem. Nazideutschland), der Wunsch eines Sklaven nach Freiheit (Drapetomanie, 1851), Eintreten für gleiche Bürgerrechte (Schizophrenie als “Black Disease” in den 1950ern bis 60ern), Homosexualität (teilweise bis heute) oder Kriminalität (in bestimmten Zweigen der Neurowissenschaften heute wieder in Mode) darunter.
Begriffe sollten immer innerhalb eines Aussagensystems betrachtet werden. Absolute Begrifflichkeiten sind dagegen meist unfruchtbar.
Aussagen wie die Physik weiß bis heute nicht, was Materie ist sind solche Beispiele wo nach einer absoluten Aussage, nach einer Definition, gefragt wird. In der Mathematik und Physik, ja in der Naturwissenschaft überhaupt arbeitet man aber meist mit Beziehungen zwischen den Objekten die man erforscht. Absolute Aussagen sind meist nicht nötig und oft unfruchtbar. Interessanterweise kommen selbst der Naturwissenschaft zugeneigte Leute wie @Anton Reutlinder oder @Chrys oft mit solchen Definitionsfragen, mit solchem “ErklärEtwasBisZumLetzten”, wenn sie sich auf das Gebiet der Philosophie begeben – so als ob es in der Philosophie vor allem um die letzten Fragen, um Metaphysik gehe. So schreibt Anton Reutlinger “Die Physik hat die Materie entmaterialisiert”. Und @Chrys hat einmal ein Zitat von Richard Feynman gebracht, in dem er (ganz ähnlich) sagt “Wir wissen nicht was Energie ist”. Dazu sage ich: Mag sein, doch für die Frage um die es hier geht, die Frage ob der ontologische Materialismus eine gültige Weltbeschreibung sein kann, ist das nicht entscheidend. Der Materiebegriff ist dort ein funktionaler Begriff im gleichen Sinn wie ein Stuhl als Sitzgelegenheit aufgefasst zum funktionalen Begrriff wird und alles ein Stuhl sein kann, worauf man sitzen kann. In diesem Sinne sind alle physikalischen Objekte materiell, mithin ist alles materiell was mit anderen Dingen interagiert und sich ändern kann. Beispiele für materielle Dinge sind magnetische oder gravitative Felder, Atome und ihre Bestandteile, ektromagnetische Wellen wie Licht oder Radiowellen, Schall- und Wasserwellen. Alle diese Dinge sind materiell und der ontologische Materialismus sagt nun, wenn etwas real ist, dann ist es materiell, dann hat es eine materielle Grundlage.
Im Zusammenhang mit der Fragen nach der Seele und dem Bewusstsein nimmt der ontologische Materialismus an, dass diese eine materielle Grundlage haben. Ein Bewusstsein – ganz unabhängig davon, was es genau ist – muss eine materielle Grundlage haben, damit es ein reales Ding ist, also ein Ding das mehr Bedeutung hat als ein Gedanke, eine Idee oder eine Fiktion. Übrigens: Sind Gedanken, Ideen oder Fiktionen real? Sie müssen in Bezug auf den Inhalt, den sie bearbeiten nicht real sein: Ein Gedanke kann sich um nicht reale Dinge wie Engel, Geister und Dämonen drehen. Doch der Gedanke selbst kann nur in einem realen Objekt wie unserem Gehirn entstehen und man muss annehmen, dass Denken Energie verbraucht. Das deckt sich bestens mit unserer Erfahrung. Auch Denken macht hungrrig!
Occam’s Razor ist der Rat bei der Theoretisierung sparsam zu bleiben, was die Entitäten betrifft.
Auch im Sinne Zusammenhängendes (“Systeme”) von anderem Zusammenhängenden getrennt zu bearbeiten, sofern es sich trennen lässt, aber es muss sich trennen lassen, sonst ginge es nicht um ein (einzelnes) System. Die Identifikation einzelner Systeme ist wichtich.
Liegt aber eine Theorie vor, dann kann diese nicht rasiermesserartig verkürzt werden oder weil sie (aus Sicht einiger) nicht “sparsam” genug war abgelehnt werden, alleine deshalb.
‘Wegerklären’ klingt grausig, korrekt.
MFG
Dr. W
@ Herr Holzherr :
‘Materie’ meint Mutterstoffe, die in der Physiklehre theoretisiert und (nicht notwendigerweise) belegt worden sind, da muss nicht rumgequatscht werden, Kräfte sind nicht materiell, sie können bestenfalls versucht werden materiell oder auf Mutterstoffe zurückgeführt zu begründen.
‘Real’ und ‘Realität’ meinen die Sache und die Sachlichkeit, es ist möglich die Physik (“Natur”) undinglich (“antirealistisch”) verstehen zu suchen.
Begriffe sind wichtich, insbesondere im Fachlichen, dort sind sie definiert und haben einen Geltungsbereich, außerfachlich sind sie auch wichtich, denn sie sind von Altvorderen teils mühsam erarbeitet worden und sie sind nicht beliebig, Ihr Kommentatorenfreund bemüht im Außerfachlichen regelmäßig die Etymologie.
‘Absolut’ meint losgelöst, die Meta- oder Überphysiklehre ist insofern losgelöst und abstrakt (“abgezogen”).
Zudem geht es in Ihrer Nachricht noch um Welten (‘Doch der Gedanke selbst kann nur in einem realen Objekt wie unserem Gehirn entstehen und man muss annehmen, dass Denken Energie verbraucht. Das deckt sich bestens mit unserer Erfahrung. Auch Denken macht hung[]rig!’ klingt schon “etwas” flach oder dull).
In etwa so, wie sich die Naturwelt (“Physik”) gedacht vorgestellt werden kann, ist die Welt des (individuellen) Geistes eine Welt, die für anderes Naturwelt sein könnte.
HTH
Dr. W
@ Stephan Schleim:
Dennett: Sie widersprechen mir, wenn ich Ihnen zustimme. Das überfordert mich.
Krankheitstheorien immer normativ: Es gibt normative und naturalistische. Darum geht es in dem genannten Buch von Schramme.
Nein, Dr.Webbaer, nicht nur Stoffe, sondern alle physikalischen Objekte inklusive Felder, Wellen (Strahlen) sind in diesem Zusammenhang materiell. Sogar in der Physik macht es keinen Sinn mehr streng zwischen stofflichem und nicht-stofflichem zu unterscheiden solange Stoffliches und Nicht-Stoffliches einen Energieinhalt besitzen. Im ontologischen Materialismus macht das noch viel weniger Sinn, denn dort geht es genau darum ob die Dinge, die die Physik als Objekte kennt, genügen um die Welt zu erklären. Ontologische Materialisten glauben, dass alles was real ist eine Basis in der Welt der physikalisch erforschbaren Dinge hat.
Muss halt definitorisch bestimmt werden, ‘Bewusstsein’ ist wie anderes nicht anders zu handhaben, niemand [1] würde bspw. auf die Idee kommen Humor oder Schönheit [2] oder die richtige politische Einstellung (die liberale, die der Aufklärung, die das Sapere Aude meint, folgt) anders als definitorisch anzugehen (wenn es wissenschaftlich werden soll), dabei Gründe nennend, aber letztlich geht es um Setzung und manchmal (wie bei der Aufklärung) um einen Glaubensentscheid.
‘Bewusstsein’ könnte in diesem Sinne meinen, dass das erkennende Subjekt erkennt, dass es A) ein erkennendes Subjekt mit Innenwelt ist und B) dass es eine Außenwelt oder Natur oder Physik gibt, die nicht willentlich [3] von ihm beeinflusst werden kann.
Sondern diese ihm zur Beschreibung, Erklärung und Prädiktion unterliegt, sofern es geeignet theoretisiert (die Sichtenbildung ist gemeint, die gerne auch im modernen wissenschaftlichen und skeptizistischen Sinne der Physiklehre folgen darf), dass Vernunft anzulegen ist.
MFG
Dr. W
[1]
War ein Gag, loge! *
*
Im Sinne von Word!, ‘Loge!’ ist altes Punk-Sprech.
[2]
Klingt vielleicht für einige bekloppt, aber es gibt Humor- und Schönheitstheorien, die ernst zu nehmen sind, insbesondere wenn sie sinnhafterweise den Anspruch erheben eine Setzung zu sein.
[3]
Es gibt durchaus auch unfalsifizierbare andere Sichten, bspw. theozentrische und Sichten der SciFi, Philip K. Dick lebte sozusagen davon.
Es besteht wohl kein Zweifel, dass der Mensch genauso aus Atomen und Molekülen zusammengesetzt ist wie jeder andere Gegenstand der Welt. Also könnte der Mensch einschließlich von Geist und Seele als Funktion solcher Strukturen erklärt werden. Eine solche Erklärung wäre jedoch sinnlos, weil niemand sie verstehen könnte und weil sie über das Menschsein nichts mehr aussagen würde.
Die ganze Diskussion läuft darauf hinaus, dass verschiedene Erklärungs- und Beschreibungsebenen, auf unterschiedlichem Niveau der Abstraktion und Aggregation, notwendig sind. Die Naturwissenschaft braucht reduktionistische Erklärungen, weil nur sie kausale und universelle Erklärungen des Weltgeschehens ermöglichen. Dadurch werden andere Beschreibungsebenen wie die Psychologie weder obsolet noch wegerklärt. Die Kritik an den Naturwissenschaften ist ein Sturm im Wasserglas, weil manche Ideologen Angst haben, ihre Ideologie würde dadurch überflüssig oder als falsch entlarvt.
Eine zentrale Frage ist die der Emergenz neuer Eigenschaften auf höheren Niveaus der Struktur von Materie. Es gibt zusätzliche Phänomene durch komplexe Beziehungen und Wechselwirkungen, aber keine neuen Eigenschaften, die nicht schon auf den einfacheren Ebenen vorhanden wären. Gravitation wird scheinbar erst bei zwei Körpern wirksam, ist aber schon eine Eigenschaft jedes einzelnen Körpers. Dabei ist die Frage, welcher Körper genau gemeint ist, denn schon die Atome und Elementarteilchen unterliegen der Gravitation. Dort wird sie aber von anderen Kräften überlagert und verschleiert.
@ Herr Reutlinger :
Negativ. – Es soll hier nicht der Physiklehre, der modernen und skeptizistischen -es wird ja seit geraumer Zeit nicht mehr verifiziert, sondern die Falsifikation von Provisorien gesucht, die aus naturwissenschaftlicher Theoretisierung bestehen- gegengeredet werden, diese scheint schon sehr vernünftig zu sein, aber die zugrunde liegende materialistische Denkweise muss nicht geteilt werden, vgl. auch mit dieser ToE und mit weitergehender physikalischer Theoretisierung, die schon ziemlich locker und antirealistisch ist, auch die Verschränkung und die Relativität meinend; Hawking rubbelt sich mit anderen insofern etwas mit elf Dimensionen (zwölf wären ja auch fast apostolisch) und Leutz wie Bas van Fraassen sind hier sozusagen extra-locker.
MFG
Dr. W
Die entscheidende Frage ist ob Materie (Physik) das Primäre (die Grundlage) ist – oder eben nicht. Dazu ein Zitat aus dem Wikipedia-Aritkel Idealismus: Im engeren Sinn wird als Vertreter eines Idealismus bezeichnet, wer annimmt, dass die physikalische Welt nur als Objekt für das Bewusstsein oder im Bewusstsein existiert oder in sich selbst geistig beschaffen ist.
Das mag sie vielleicht überraschen Anton Reutilinger, aber es gibt Philosophien, die das Materielle nur als etwas Sekundäres betrachten, als etwas was erst durch den Geist entsteht. Ja, es gibt diese Philosphien heute noch.
Der dem Realismus mit seiner Materialität Gegenredende muss kein Idealist im gemeinten Sinne sein, es genügt im skeptizistischen Sinne Materialität wie sie sich bspw. im Perirodensystem manifestiert als potentiell unzureichend anzunehmen.
Nicht gemeint ist von vielen diese Materialität skeptisch Betrachtenden, dass sie die Beschaffenheit der Welt der Geisteswelt (das Fachwort) anvertrauen.
@Kuhn Zustimmung und Krankheit
Man muss seine LeserInnen schon etwas herausfordern, finde ich. 😉
Aber wie ist es denn logisch möglich, dass Sie mir zustimmten, wenn Sie über ein anderes Thema sprachen?
Dass Sie nicht bei Dennett stehengeblieben sind, sondern bei Nagel weitergelesen haben, das finde ich durchaus sympathisch, war aber nicht mein Thema. 😉
Ich sprach nicht von den Theorien, sondern vom Krankheitsbegriff.
Natürlich gibt es Theorien, die Krankheit naturalisieren wollen (wie eben die Versuche, das Seelenleben des Menschen zu naturalisieren). Da die Begriffe vom Funktionieren/Dysfunktionieren aber vom Menschen in die Welt gelegt sind, ist meinem Verständnis nach jeder Begriff von Krankheit zumindest teilweise normativ und scheitern daher Versuche einer vollständigen Naturalisierung.
Ähnlich verhält es sich beim Seelenleben, wo das Gehirn (und man sollte nicht vergessen: das Nervensystem, der Körper als Ganzes) für die psychischen Vorgänge wichtig ist –– aber eben nicht hinreichend zur Erklärung/Naturalisierung des Menschen.
Daher irrt Carroll, wenn er meint, drei Arten von Teilchen und drei Arten von Kräften seien hinreichend, um die ganze Welt zu erklären, und mit ihm irrt auch Reutlinger.
@Stephan Schleim
na dann rücken sie doch mal raus mit der Sprache, was ihrer Meinung nach mit Naturwissenschaften am Menschen nicht erklärt werden kann?
Sie behaupten da wäre “mehr” – also?
Wer wie sie behauptet, dass andere irren, weiss es selbst offenbar besser. Nur blieben sie bisher jegliche Erklärung schuldig. Seltsam.
Die Einwände zu meinem Beitrag sind nur vordergründig gültig. Fakt bleibt, dass der Mensch aus einer Teilmenge der chemischen, über einige Zeit stabilen Elemente besteht. Andere stabile Substanzen außerhalb der chemischen Elemente müssten erst gefunden werden, nicht nur im Menschen, sondern in der Welt. Solange bleiben sie rein spekulativ. Die Quantenwelt liefert dazu keine Gegenargumente und keine Erklärungsmöglichkeiten. Letztlich bleibt der Mensch mit Geist und Seele ein Produkt der jüngeren biologischen Evolution.
Falsch ist auch ein unverstandener Idealismus. Dass der Geist die Materie hervorbringt, kann zweierlei bedeuten, eine ontologische und eine epistemologische Sichtweise. Die ontologische Sichtweise ist barer und spekulativer Unsinn, die epistemologische Sichtweise bedeutet, dass der menschliche Geist ursächlich ist für die menschliche Erkenntnis von Materie. Das wiederum ist trivial. Auch Bakterien ohne Geist erkennen Materie als Materie und geistlose Materie wechselwirkt mit Materie.
Wortspielereien und metaphysische Spekulationen mit dem Begriff der Materie bringen keine wissenschaftliche Erkenntnis und sollen wohl nur von fehlenden Alternativen ablenken. Die Eigenschaften und die strukturellen Möglichkeiten der Materie reichen aus, um den menschlichen Geist einschließlich Seele hervorzubringen. Das bedeutet nicht, dass Geist und Seele naturwissenschaftlich vollständig erklärbar sind. Die phänomenalen Inhalte des Bewusstseins (Qualia) bleiben unerklärbar, weil die fundamentalen Erscheinungen der Welt unerklärbar bleiben.
@Reutlinger Wissenschaftsbegriff und Leib-Seele-Problem
Bei allem Zutreffendem, das Sie hier und da über Naturwissenschaft schreiben, irren Sie sich leider schon mit Ihrem Bild von Wissenschaft: Wiederholt unterstellten Sie hier, alle Wissenschaft sei analytisch, reduzierend.
Ich muss nicht erst Kultur- und Geisteswissenschaften bemühen, um auf die hermeneutische Methode zu kommen. Beispielsweise sind auch die Evolutionstheorien von Lamarck oder Darwin nicht durch Analyse und Reduktion, sondern durch Beobachtung und kreative Kombination entstanden, bei Lamarck durch die Untersuchung der Proben im Nationalmuseum für Naturgeschichte in Paris, bei Darwin durch die Untersuchung der Proben seiner Reisen.
Das ist nicht mein Fachgebiet, doch ich würde mich wundern, wenn sich das Vorgehen eines Einsteins oder eines gewöhnlichen theoretischen Physikers als (ausschließlich) analytisch-reduktiv beschreiben ließe.
Da Sie also schon in Ihren Grundannahmen über Wissenschaft irren, sind auch Ihre Schlussfolgerungen zum Leib-Seele-Problem irrelevant.
@Xian: Netter Versuch
Davon abgesehen, dass es darum immer wieder hier bei MENSCHEN-BILDER ging und ich das im Blogbeitrag und der Diskussion erneut ansprach, brauche ich mich, anders als Sie, nicht in Spekulationen zu verlieren, sondern kann es ganz einfach halten:
Für meine Handlung, dass ich jetzt meine linke Hand hebe und winke [hebt linke Hand und winkt], gibt es keine vollständige physikalische Erklärung, wohl aber eine psychologische.
Die psychologische kommt natürlich nicht ohne die Physiologie aus (wo es etwa um die Aktivierung bestimmter Nervenbahnen, Muskeln usw. geht); umgekehrt bleibt die Physiologische ohne die Psychologie aber unvollständig.
@Stephan Schleim
netter Versuch. Sie behaupten jedoch ihr Handheben (nicht belegbar) wäre physikalisch nicht erklärbar. Dann was daran soll denn prinzipiell physikalisch nicht erklärbar sein? Diese Antwort bleiben sie schuldig.
Natürlich ginge es prinzipiell über Teilchen und Kräfte, nur wäre der Rechenaufwand in menschlichen Zeiträumen nicht leistbar. Ergo erklären es Menschen gerne über Chemie, Biologie, Physiologie, Neurologie, Psychologie oder Soziologie usw. usw.. Aggregieren es also zu “noch verständlichen/rechenbaren Größen.
Wir bemühen alle Disziplinen, die Menschen sich so ausgedacht haben um Phänomene für ihr Gehirn überhaupt fassbar zu machen (was nicht heisst, dass es dadurch exakt korrekt ist). Dadurch können sie Phänomene (Herr Schleim hebt virtuell eine Hand) vermeintlich erklären, Bibliotheken füllen, Artikel publizieren. “Mehr” ist es dadurch nicht, nur anders verpackt.
@Xian Sie spekulieren
Sie meinen etwas zu wissen, doch können es nicht ausdrücken. Das verweise ich ins Reich des Glaubens, doch ich gönne Ihnen Ihre Glaubensfreiheit.
Es fängt schon damit an, dass der Handlungsbegriff kein physikalischer ist. Meine Handlung des Winkens kann physikalisch auf unendlich viele Weisen ausgeführt werden, doch was sie zu einer Handlung macht, das ist vor allem die Absicht und der soziale Kontext, in dem das Winken als solches verstanden wird.
Sie können physikalisch nicht unterscheiden, was meine Winkbewegung [winkt] von einem Ausschütteln meiner Hand [schüttelt die Hand] unterscheidet. Es gibt viele Wahrheiten über diese Welt, die nicht physikalisch sind. Negieren Sie das, dann negieren Sie einen Teil der Welt und das ist nicht wissenschaftlich.
Wittgenstein sagte so schön, wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen. Sie tun es trotzdem –– und sind damit eine Art Prediger.
@Joseph Kuhn
»…nur Reizwortsammlungen und keine echten Theorien…«
Ob nun „Theorie“ oder ‚Hypothese‘ oder ‚Grundgedanke einer möglichen Theorie‘, darauf kommt es hier m. E. nicht an, sondern darauf, welcher der beiden Erklärungsansätzen man folgen möchte.
Wenn man unter der Annahme forscht, dass Psyche und Geist als Systemeigenschaften des Gehirns aufzufassen sind, dann ist damit keineswegs das Psychologische ausgeschlossen, ganz im Gegenteil. Wenn man zu einer naturwissenschaftlichen Theorie der menschlichen Psyche gelangen will, muss die Ebene der Psychologie mit einbezogen werden. Die grundlegende Annahme ist eben, dass Psychologen und Neurophysiologen es mit dem gleichen Forschungsobjekt zu tun haben, nämlich dem Gehirn (man könnte ja auch der Auffassung sein, dass es eine höhere, steuernde Instanz gibt, dass also das Gehirn nur als eine Art „Empfänger“ für außerkörperliche seelische Vorgänge dient).
Und darüber hinaus gibt es immer noch die Ebene, auf der es »um die “Welt geht, wie sie dem Subjekt gegeben ist” (Holzkamp)«.
Und last but not least: Ich finde, man sollte, wenn man Neuropsychologie und/oder Bewusstseinsforschung betreiben will, keine unnötige Angst vor Kategorienfehler haben. Das Bewusstsein mit all seinen Sinneseindrücken und Erinnerungsbildern ist ohnehin nicht physikalisch fassbar. Und bei einem rein psychologischen Interview erfährt man nichts über die dabei stattfindenden physiologischen Prozesse. Ein Satz wie „Ich bin mein Gehirn“ führt diese beiden Bereiche auf prägnante Weise zusammen, das ist alles. Man kann sich daran reiben, aber man kann’s auch lassen.
@ Xian
“Natürlich ginge es prinzipiell”
Frage an Radio Eriwan:
Gibt es für Stephan Schleims Handheben eine vollständige physikalische Erklärung mit Berechnung?
Radio Eriwan:
Im Prinzip schon. Aber es kommt prinzipiell auf das Prinzip an. Es gibt auch prinzipiell keine solche Erklärung.
“Rechenaufwand in menschlichen Zeiträumen”
Zeit scheint mir nur einer von vielen Faktoren zu sein, die eine vollständige Erklärung und Berechenbarkeit menschlicher Handlungen knifflig werden lassen.
Geist und Handeln ist wohl einigen Philosophen so bedeutsam, dass diese hier auf Vollständigkeit beharren, obwohl sie in allen (?) anderen Bereichen bereit sind, auch noch oder sogar immanent Unvollständiges als Erklärung zu bezeichnen und zu akzeptieren.
@Stephan Schleim
und sie erklären immer noch nichts.
Es ist ja ok, wenn sie von Naturwissenschaften nichts verstehen (wie sie oben ja auch selbst zugeben), aber dann bemühen sie diese doch auch nicht um ihre Thesen vermeintlich zu stützen. Denn das geht schief.
Das führt dann dazu, dass sie mit Unterstellungen arbeiten; denn wo steht Handlung wäre ein physikalischer Begriff? Ach richtig, nirgends. Wo hätte ich was negiert, wiederrum nirgends.
Ich nehme jedoch an, dies war der Begrenztheit des Mediums geschuldet und kein böser Wille.
Natürlich sind Winken und Schütteln prinzipiell physikalisch unterscheidbar, die Frage ist lediglich wie groß der theoretische und experimentelle Aufwand wäre, sprich, ob es in vorhin schon angesprochenen menschlichen Zeitraum leistbar wäre.
Och das Wittgenstein-Zitat ist süß. Sind wir wirklich schon auf dem Niveau, Herr Schleim?
Soll ich jetzt mit Gustav Mahlers “Derjenige, dem das Genie fehlt, sollte sich enthalten” kontern?
@ Joker
Es ist das Wesen physikalischer Prinzipien im Rahmen physikalischer Freiheitsgrade alles zu ermöglichen. Kommen wir zum Rechenaufwand …. ich muss weg 😉
Wer jemals in zB theoretischer Chemie versucht hat Moleküle mit nur wenigen Atomen zu modellieren weiss was gemeint ist. Es geht alles, aber der Aufwand ist enorm und steigt mit steigender Atomzahl exponentiell, oder hyperbolisch an.
Viele Dinge entziehen sich der vollständigen Erklärung (zB nichtlineare Systeme) und Berechenbarkeit (Gödel). Und viele entziehen sich der realisierbaren vollständigen Erklärung (Rechenaufwand). Die Frage ist immer wie genau ich ein Phänomen erklären möchte oder muss. Um eine sinnvolle medizinische Therapie einzuleiten, muss ich vorher nicht jedes Blutkörperchen auf atomarer Ebene beschrieben haben. Um die Geologie des Matterhorns zu beschreiben muss ich auch nicht jede Chiralitätsachse der Mineralien bestimmen.
Na, Philosophen sehen Geist und Handeln wohl als ihren hometurf, weswegen die Schmuddelkinder aus den Laboren da gefälligst nicht mitzureden haben.
Man sollte eine Beschreibung nicht mit einer Erklärung verwechseln. Eine psychologische Beschreibung des Handhebens erklärt nichts, denn dafür gibt es viele Gründe und jedes Individuum hat andere Gründe dafür! Das Ziel naturwissenschaftlicher Erklärung sind kausale und universelle Zusammenhänge, die also für alle Menschen gültig und unausweichlich sind! Die Gegner der Naturalisierung des Geistes erkennen ihre eigenen Irrtümer nicht, denn auch die Gründe für das Handheben (z.B. die Wahrnehmung der Nachbarin) sind psychologisch und müssten wiederum erklärt werden. Man dreht sich also nur im Kreis. Das haben die Philosophen und die professionellen Hirnforscher längst erkannt. Die Neurobiologen erforschen Signale im Gehirn und ihr Zusammenwirken zwischen Wahrnehmung, Gedächtnis und Motorik, nicht Gründe oder Motive. Letzteres sind nur Worte und Selbstdeutungen des Geistes.
@Xian
Ja, genau, verstecken Sie sich weiterhin vor der Falsifizierbarkeit. Amen.
@ anton reutlinger (29. Dezember 2015 14:32)
“Eine psychologische Beschreibung des Handhebens erklärt nichts”
Eine physikalische Beschreibung erklärt ebenfalls nichts.
Die Angabe der individuellen Gründe für das Handheben kann eine hinreichende psychologische Erklärung des Phänomens liefern.
“die Gründe für das Handheben […] sind psychologisch und müssten wiederum erklärt werden”
Wenn auch Sie jetzt auf die Interpretation bestehen, Erklärungen hätten immer vollständig zu sein, bis zum Urgrund oder Ursprung zurück zu gehen, dann müssten Sie eingestehen, dass es nirgends, auch nicht in den Naturwissenschaften, für irgendetwas eine Erklärung gibt.
Im Interview spricht Katja Crone von besseren Erklärungen. Das sei es, was in der Wissenschaft unter Fortschritt zu verstehen sei.
@ Stephan Schleim
Katja Crone lehrt zur Zeit in Dortmund, einen Bezug zu Darmstadt, wie im Text genannt, konnte ich ihrer Biografie nicht entnehmen.
Sie wollen es nicht verstehen. Ich hebe täglich hundertmal die Hand, aus verschiedensten Gründen und in verschiedenster Weise. Niemand verlangt eine Erklärung, wie sich die einzelnen Atome der Hand bewegen. Man kann aber erklären, welche Signale in welchen Teilen des Gehirns die Bewegung der Hand verursachen. Man kann schon heute, mit der “Kraft der Gedanken” Prothesen bewegen oder Geräte steuern. Für die Medizin ist es wichtig, zu verstehen, welche Substanzen an der Steuerung von Muskeln und damit an der Motorik beteiligt sind, z.B. bei Parkinson. Den Grund für eine Handbewegung zu kennen, besagt absolut nichts, das ist nur noch lächerlich.
Die Kritiker der Naturalisierung des Geistes haben selber keinerlei Alternativen und versuchen daher, die naturwissenschaftliche Hirnforschung zu diskreditieren. Die Forschung geht unverdrossen weiter und liefert immer wieder neue Erkenntnisse. Ob es vollständige Erklärungen gibt oder nicht, das spielt nicht die geringste Rolle und ist nur für Philosophen von Bedeutung.
@alle Physikalisten hier
Noch ein konstruktives Zitat aus besagtem Artikel. Dort heißt es:
Unter der Berücksichtigung, dass Deutschland ein eher säkularisiertes Land ist und mit Blick auf die allgemein zunehmende Religiosität weltweit darf damit Ihr naturalistisches Kommunikationsverhalten als gescheitert angesehen werden.
Wissenschaftssoziologische Studien können das auch erklären, doch ich fürchte, dass Sie die wieder nicht lesen wollen oder nicht verstehen, weil es darin nicht um Elementarteilchen und -Kräfte geht.
@Joker, Reutlinger Erklärungen
Erklärungen sind immer auch Zweckgebunden.
Wenn ich frage: Warum hat Stephan mit der Hand gewinkt, dann ist die Antwort, dass er damit etwas in der Diskussion veranschaulichen wollte, eine hinreichende Erklärung.
Wenn ich frage: Wie genau hat Stephan mit der Hand gewinkt, dann ist unter Umständen die Physiologie interessant, wohl eher nicht die Physik, setzt dies aber weiterhin wenigstens eine Alltagspsychologie voraus, da Winken eben eine intentionale (d.h. zielgerichtete, absichtsvolle) Handlung ist, für die es physikalisch keine Entsprechung gibt.
P.S. Heißt es wirklich gewinkt, nicht gewunken? Mein Niederländisch kontaminiert immer mehr mein Deutsch.
@Joker: Crone
Ich verwechsle öfter einmal Personen- und Städtenamen. Gut, dass Ihnen das aufgefallen ist! Ich werde es gleich korrigieren. Im G&G-Text steht wirklich Dortmund, nicht Darmstadt. Vielleicht, weil ich als gebürtiger Wiesbadener beinahe Darmstädter bin… 😉
@Reutlinger: Hände, Prothesen und Naturalisierungen
Man kann im statistischen Rauschen der Nervenbahnen Aktivierungsunterschiede messen, die mit der Bewegung korrelieren. Man kann aber eben nicht neurophysiologisch sagen, wie Sie diese Handlung (wenn es denn eine ist und nicht bloß ein unwillkürliches Zucken) einleiten.
Bei diesen Prothesen geht es aber gerade nicht um Gedankensteuerung, sondern die Versuchspersonen (müssen) lernen, wie sie physiologische Reaktionen hervorrufen, die vom Computer als bestimmte Bewegungskommandos interpretiert werden, Stichwort: Brain-Computer-Interface. Ihre Kenntnis ist hier nur oberflächlich.
Was das Parkinsonbeispiel zeigen soll, ist mir nicht klar. Man stellte einmal fest, dass vor allem die dopaminergen (d.i. dopaminerzeugenden) Neuronen in der substantia nigra (dt. Schwarze Substanz) im Mesencephalon (dt. Mittelhirn) absterben. Man behandelt nun mit Dopamin und glücklicherweise hilft das vielen Patienten, zumindest eine Zeit lang.
Wenn Gründe für Sie kein Teil dieser Welt sind, dann kann ich Sie auch nicht zu einer anderen Meinung zwingen. Dann wird es aber ganz allgemein schwierig, Sie noch als Person und Gesprächspartner ernst zu nehmen. Vielleicht sind Sie eher so etwas wie ein Schachcomputer, der vorprogrammierte Algorithmen abspult? (Über den lieben Balanus äußerte ich vor Jahren schon einmal eine ähnliche These.)
Da sind Sie aber schlecht informiert. Ferner kritisiere zumindest ich nicht die Hirnforschung, sondern eine meiner Meinung nach falsche verstandene Neurophilosophie, derer sich auch einige Hirnforscher bemühen, ja.
Auch im 20. Jahrhundert wurden übrigens hinreichend viele prinzipielle Einwände gegen die Naturalisierung psychischer Prozesse erhoben, diskutiert und auch bis heute noch nicht widerlegt. Für Ihre These hingegen, der Geist lasse sich naturalisieren, können Sie nur einen Schuldschein ausstellen, wie Popper es schon nannte. Das ist eine reichlich dünne Datenbasis für so eine hochtrabende Behauptung.
Damit diskreditieren Sie nun aber nicht nur die gesamten Wissenschaften, sondern vor allem sich selbst: Einerseits wollen Sie harte Wissenschaft, andererseits es dann doch nicht so genau wissen.
Sollen wir uns einmal ein paar Forschungsanträge anschauen und überprüfen, ob Erklärungen keine so wichtige Rolle spielen? Schon der hier diskutierte G&G-Artikel ist ein Gegenbeispiel für Ihre Behauptung.
@ anton reutlinger
“Den Grund für eine Handbewegung zu kennen, besagt absolut nichts, das ist nur noch lächerlich.”
Das ist nur noch lächerlich.
Nicht nur für die Gesellschaft ist es wichtig, zu verstehen, welche Gründe zu bestimmten Handbewegungen führen. Nicht alle sind erwünscht. Es geht dabei auch bei weitem nicht nur um das Winken. Solange Physik und Physiologie noch nicht liefern können, sollten wir der Psychologie dankbar sein. Es ist bedauerlich, dass sie diese Fachrichtung hier so diskreditieren und ihr anscheinend nur Beschreibungen, aber keine Erklärungen zutrauen.
“Ob es vollständige Erklärungen gibt oder nicht, das spielt nicht die geringste Rolle”
Sie hatten dies ins Spiel gebracht, um zu zeigen, dass die Psychologie nichts erklären kann. Es freut mich, wenn Sie ihr Argument nun auch als irrelevant erkannt haben.
@Stephan
»(Über den lieben Balanus äußerte ich vor Jahren schon einmal eine ähnliche These.)«
Jeder wie er halt kann, lieber Stephan.
Du schreibst in einer Antwort an @anton reutlinger:
» Man kann im statistischen Rauschen der Nervenbahnen Aktivierungsunterschiede messen, die mit der Bewegung korrelieren. Man kann aber eben nicht neurophysiologisch sagen, wie Sie diese Handlung (wenn es denn eine ist und nicht bloß ein unwillkürliches Zucken) einleiten.«
Nur zu meinem Verständnis: Meinst Du damit, dass es niemals möglich sein wird, herauszufinden, wie eine Willkürbewegung, die auch als Handlung gedeutet werden kann, eingeleitet wird?
Wenn ja, warum nicht?
Aus grundsätzlichen, prinzipiellen Gründen nicht? Welche wären das?
Vielleicht deshalb nicht, weil wir zu jedem neuronalen Feuern ein vorhergehendes Feuern finden werden, bis hin zur allerersten Depolarisation einer Nervenzelle im Embryo?
Oder etwa deshalb nicht, weil es die Initiierung einer willkürlichen Bewegung (womöglich) von einer nicht-physischen Instanz aus erfolgt?
»Für Ihre [Reutlingers] These hingegen, der Geist lasse sich naturalisieren, können Sie nur einen Schuldschein ausstellen, wie Popper es schon nannte. Das ist eine reichlich dünne Datenbasis für so eine hochtrabende Behauptung.«
Die Datenbasis für die gegenteilige Behauptung scheint mir auch recht dünn zu sein. Eigentlich noch deutlich dünner.
Wohl am verrücktesten aber dürfte die Vorstellung sein, ein wässriges Gebilde aus Nerven- und anderen Zellen könne „Geist“ hervorbringen. Gibt es dafür irgendeinen Anhaltspunkt? Nein! Was wir als Geist bezeichnen, kann mit dem Gehirn nicht das Geringste zu tun haben. Das anzunehmen, wäre ein eklatanter Kategorienfehler.
“Heißt es wirklich gewinkt, nicht gewunken?”
Im Deutschen geht beides.
@ Bal :
Huch.
Sogar ein ‘Kategorienfehler’ wäre dies, also so richtig überzeugt sind hier im anscheinend beabsichtigten anti-reutlingerschen Sinne jetzt nicht sofort alle.
Kann nicht die Welt selbst bereits als “geistig” verstanden werden und erst die Individualisierung erkennender und zur Sprache befähigter Subjekte erlaubt dann die Reflexion über den “Geist”?
MFG
Dr. W
PS:
Wobei Herr Reutlinger zuletzt so freundlich oder so unfreundlich war sich im Reduktionistischen und Szientistischen aufzulösen.
Schwierig, Szientisten sind schwierig zu bearbeiten, die verfügen über apriorisches Wissen.
Da haben Sie meine Beiträge wohl nicht richtig gelesen oder gründlich missverstanden. Schon früher hatte ich erklärt, dass die phänomenalen Inhalte des Bewusstseins (Qualia) unerklärbar bleiben. Nie habe ich behauptet, dass die Psychologie verzichtbar wäre und dass der Geist nur physikalisch zu erklären sei.
Man kann die Naturalisierung des Geistes ablehnen, aber man kann sie nicht aufhalten. Das zeigen schon ganz banale Beispiele. Alkohol und Drogen beeinflussen Geist und Seele genauso wie Medikamente bei psychischen Störungen. Anatomische oder physiologische Hirnschädigungen zeigen markante Veränderungen von Intelligenz und Verhalten. Eine physiologische oder biologische Erklärung von Geist und Seele ist die Grundlage der Medizin. Will das jemand bestreiten?
@Reutlinger, Joker: Naturalisierung des Geistes
Ich schrieb hier schon vor fünf Tagen @Holzherr, dass solche Beispiele rund zweitausend Jahre auf dem Buckel haben. Wenn Ihre Naturalisierung des Geistes in diesem Tempo voranschreitet, na dann prost!
Im Übrigen führt dieses Denken oft genug in die Sackgasse, siehe etwa das lokalisationistische Denken, die Neophrenologie mit ihrer Blütezeit von 2005 bis 2010. Ich könnte jetzt eine Arbeit von mir zitieren, doch dann würde mir wohl jemand wieder Selbstmarketing vorwerfen.
Damit drehen Sie sich im Kreis. Nachdem die Medizin vor allem das biomedizinische Paradigma adaptiert hat, ist das biologische Denken dominant, ja.
Sie sehen ja aber, wohin das führt: Rausgeschmissenes Geld für wertlose Forschung (das sage nicht ich, sondern ein Special in der hochrangigen Medizin-Zeitschrift The Lancet) und scharenweise zum Heilpraktiker laufende Kunden.
Das Denken in der Medizin wird sich früher oder später auch wieder ändern müssen und in der Psychiatrie, wo die Widersprüche und Begrenzungen des biomedizinischen Paradigmas zurzeit am deutlichsten sind, passiert das schon jetzt.
@ anton reutlinger (30. Dezember 2015 9:27)
“Eine physiologische oder biologische Erklärung von Geist und Seele ist die Grundlage der Medizin. Will das jemand bestreiten?”
Ja, ich.
Sie scheinen Mediziner mit Medizinmännern zu verwechseln. War bei letzteren eventuell noch häufiger von der Seele die Rede, die nach dem Tod in die ewigen Jagdgründe einzieht, so verzichten Ärzte offensichtlich weitgehend auf den Begriff, speziell im wissenschaftlichen Kontext:
“im Jahr 2014 [enthielten] nur 387 Fachartikel in der Datenbank »ISI Web of Knowledge« das Wort
»soul« – »brain« (Gehirn) dagegen 37 422.” (G&G 1/2016, S. 14)
Seele kommt nicht mehr in naturwissenschaftlichen Erklärungen für irgendetwas vor und der Begriff bedarf auch keiner weiteren naturwissenschaftlichen Explikation. Es liegt wohl weniger eine Naturalisierung, als vielmehr eine Eliminierung vor.
Ein ähnliches Schicksal droht wohl auch dem Geist, der seinen Rückzug selbst aus den Geisteswissenschaften bekanntlich schon begonnen hat.
@Balanus: Irreduzibilität
Nunja, es gibt ja psychologische Handlungsmodelle mit verschiedenen Vor- und Nachteilen.
Der springende Punkt ist aber: Wenn du das auf die physiologische Unterebene herunterbrechen willst, setzt du immer schon ein Subjekt voraus. Das ist auch bei den berühmten Studien von Libet oder Haynes et al. markant sichbar, wird jedoch gerne einmal vergessen: Die Versuchspersonen mussten jeweils bestimmen, wann für sie der Moment der Bewusstwerdung war. Früher nannte man das in der Psychologie noch Introspektion und die positivistisch denkenden Behavioristen hielten dies für unwissenschaftlich schlechthin.
Man sucht sich also immer ein Subjekt, lässt das auf eine Zeitreihe zeigen, und danach sucht man nach statistisch signifikanten Veränderungen im Signal.
Wie man so das Subjekt, den Geist naturalisieren will, indem man Subjekt und Geist erst als unabdingbar voraussetzt, das ist mir ein Rätsel.
Meine Vermutung ist, dass selbst wenn man mit phänomenologischen Mitteln auf der Ebene des Subjekts validere Ergebnisse erzielt, man im Körper keinen Anfang wird finden können: Meines Wissens verhalten sich schon zwei Nervenzellen miteinander chaotisch.
In diesem Sinne kann ich nicht beweisen, aber halte ich es für wahrscheinlich, dass du Bois-Reymond mit seinem ignorabimus Recht hatte.
@Balanus: Verrückte Vorstellungen
Nun ja… Dein Erleben ist dir nicht genug?
Und Argumente dafür, dass Situation, Körper etc. psychische Prozesse beeinflussen und daher “der Geist” nicht im Äther schwebt, sind ja nun schon ausführlich genug angesprochen worden.
@Joker, @Stephan Schleim;
Dass nicht jede Psychose mit Medikamenten therapiert werden kann, das ist wohl trivial. Dieses Schwarzweiß-Denken ist mir schleierhaft und es ist nicht diskussionswürdig. An Sylvester wird mancher Geist und manche Seele wieder auf ihre natürlichen Grundlagen reduziert.
Manche Leute scheinen zu verkennen, dass jede geistige Regung von neuronalen Signalen gesteuert wird. Sogenannte second-messenger beeinflussen die Expression von Genen in Hirnzellen mit Folgen über relativ lange Zeit. Manche Hormone werden über die Hypophyse gesteuert und regen unter anderem die Emotionen und Gefühle, sowie das Verhalten an, auch das Sexualverhalten.
Dass die Hirnforschung noch viele offene Aufgaben hat, ist absolut kein Argument gegen naturalistische Erklärungen der Geistestätigkeit. Dadurch werden psychologische Erklärungen nicht obsolet, aber sie sind unzureichend und können letztlich immer nur Einzelphänomene erklären.
@Reutlinger: Psychiatrie
Das stand hier auch nicht zur Diskussion.
Das impliziert natürlich, dass Geist und Seele zu andere Zeiten mehr als ihre natürliche Grundlagen sind. Wie schön, dass Sie das endlich zugeben. 😉
Das ist eben gerade keine naturwissenschaftliche Erkenntnis, sondern ein Glauben, von dem aus Sie naturwissenschaftliche Ergebnisse interpretieren.
Warum solch ein verifikationistisches Denken, das Sie hier voraussetzen, falsch ist, wurde vor rund achtzig Jahren schon belegt. Danach kam dann Karl Popper mit seinem Fallibilismus und Falsifikationismus.
Das ist sehr vereinfacht und vom Gehirn aus gedacht.
Dass wir hier deutsch miteinander sprechen, setzt auch bestimmte biologische Gegebenheiten voraus, die sind aber eben nicht hinreichend. Die (für den Menschen vor allem auch soziale) Umwelt prägt Körper und Psyche, bewusste Erlebnisse, Gefühle, Reflexionsschleifen prägen unser Denken, Fühlen und Handeln.
Deshalb ist der Mensch eben mehr als die Summe seiner Nervenzellenaktivitäten; deshalb kann der Mensch nie vollständig in physikalischem Vokabular beschrieben werden, jedenfalls nicht mit dem Vokabular, das uns heute zur Verfügung steht. Spekulationen über die Zukunft sind aber vor allem das: Spekulationen.
@ anton reutlinger
“Manche Leute scheinen zu verkennen, dass jede geistige Regung von neuronalen Signalen gesteuert wird.”
Falls es so wäre, was könnten die derart gesteuerten Leute ändern, wenn deren Neuronen ihnen doch nichts anderes signalisieren?
Kann es nicht auch sein, dass ‘geistige Regungen’ neuronale Signale steuern, oder ist das ausgeschlossen? Mit anderen Worten, ist Geist, Ihren, Herr Reutlinger, neuronalen Signalen nach ein Epiphänomen?
@Stephan
Danke für die Antwort(en).
Der eine Grund dafür, dass sich kein genauer Zeitpunkt oder Ereignis als Einleitung einer willkürlichen Bewegung bestimmen lässt, ist also primär ein methodischer (auf der physiologischen Ebene). Das würde ich auch so sehen, denn in einem andauernden und fortlaufenden Prozess der physiologischen Ereignisse muss die Festlegung eines Startereignisses letztlich willkürlich bleiben.
Der andere Grund scheint mir eher prinzipieller oder logischer Natur zu sein. Wenn man ein handelndes Subjekt oder einen Geist voraussetzt, dann kommt man mit biophysikalischen Methoden eben nicht weiter, nicht bis zu dem Punkt, wo der Geist über eine Handlung entscheidet. Subjekt und Geist fallen unter eine andere Kategorie als die Physis.
Diesen Grund kann ich nun nicht nachvollziehen, denn warum sollte ich von der Existenz eines Subjektes oder eines Geistes ausgehen, wenn sich diese Entitäten nicht in der Welt der physischen Dinge zeigen?
Ich sehe das ähnlich wie @Markus A. Dahlem (27. Dezember 2015 9:04):
»Die Physik kann zur Seele nichts essentielles sagen, und das ist auch nicht ihre Aufgabe, da die Seele nicht Teilchen herumschubst oder Kräfte verbiegt.«
Und ich halte es mit E. du Bois-Reymond, „daß im Organismus keine anderen Kräfte wirksam sind als die gemein physikalisch-chemischen.“
Was sich nicht messen lässt, darüber muss man schweigen (als Naturwissenschaftler).
(Aber Gedanken über die Seele sind selbstredend erlaubt…)
Worüber nimmt der Mensch seine soziale Umwelt wahr, wenn nicht über die Sinnesvermögen und die Fähigkeiten zur Wahrnehmung? Das sind nichts anderes als neuronale Signale.
Deshalb ist der Mensch eben mehr als die Summe seiner Nervenzellenaktivitäten;
Das ist Ihr Glaube, wie Sie ihn immer wieder den Naturalisten zum Vorwurf machen. Wie wollen Sie diese Behauptung begründen, geschweige denn belegen? Dafür gibt es nicht den geringsten Hinweis. Es ist nichts anderes als der alte, längst begrabene Vitalismus.
deshalb kann der Mensch nie vollständig in physikalischem Vokabular beschrieben werden, jedenfalls nicht mit dem Vokabular, das uns heute zur Verfügung steht.
Niemand erwartet, dass der Mensch vollständig physikalisch beschrieben werden kann. Das ist Ihre Unterstellung. Es gibt Zwischenebenen der Erklärung wie die Physiologie und Biologie. Deren Vokabular ist noch nicht ausreichend, denn diese Forschung ist noch mitten in der Arbeit. In der Tat gibt es eine Erklärungslücke der Begriffe. Das Problem war in der Vergangenheit, dass niemand in das lebende Hirn schauen konnte, um die Hirnstrukturen und die Funktionsweise zu beobachten.
Jedes Kind weiß heute, dass Nebel nur ein Phänomen ist und kein eigenständiger Gegenstand mit spezifischen Eigenschaften, dass Nebel aus kleinen Wassertröpfchen besteht, weil Nebel für jedes Kind erfahrbar ist. Niemand käme auf die Idee, dass Nebel etwas übernatürliches wäre und dass er mit dem Vokabular der Physik nicht vollständig beschrieben werden könnte. Es ist amüsant, wie hartnäckig die Antinaturalisten selbst offensichtliche Gegebenheiten oder Analogien leugnen.
@Balanus
»Diesen Grund kann ich nun nicht nachvollziehen, denn warum sollte ich von der Existenz eines Subjektes oder eines Geistes ausgehen, wenn sich diese Entitäten nicht in der Welt der physischen Dinge zeigen?«
Und warum muss ich gerade dabei an Mephistopheles denken?
Daran erkenn’ ich den gelehrten Herrn!
Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern,
Was ihr nicht faßt, das fehlt euch ganz und gar,
Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr,
Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht,
Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht.
@Chrys
»Und warum muss ich gerade dabei an Mephistopheles denken?«
Vielleicht, weil Du mich als „gelehrten Herrn“ wahrnimmst?
Das würde ich auch so sehen, denn in einem andauernden und fortlaufenden Prozess der physiologischen Ereignisse muss die Festlegung eines Startereignisses letztlich willkürlich bleiben.
Diese Aussage sehe ich zweigeteilt. Es ist richtig, dass man das Leben bzw. das Gehirn nicht beliebig anhalten und starten kann wie eine Maschine. Andererseits kann man eine Reaktion in Beziehung setzen zu einer Wahrnehmung. Der Anblick eines Raubtieres oder von Bildern mit bestimmten Motiven setzt ein Bündel von zerebralen Reaktionen in Gang, die man im CT oder mit fMRI beobachten kann. Solche Experimente werden ständig gemacht.
Man darf nicht willkürlich die Beschreibungsebenen wechseln, indem einmal vom Geist die Rede ist und dann im gleichen Zusammenhang von neuronalen Signalen. Jede Wahrnehmung ist eine Folge von Sinnesreizen und neuronalen Signalen. Jeder Gedanke, jeder Handlungsgrund und jede Erinnerung ist ein Bündel von neuronalen Signalen und jede Hand- oder Muskelbewegung ist eine Folge von neuronalen Signalen des zentralen Nervensystems.
Entweder man redet von Geist und Seele oder vom Nervensystem und Nervensignalen, aber nicht kreuz und quer. Es fehlen noch die notwendigen Brückenbegriffe zwischen den Beschreibungsebenen. Der Grund ist, dass das Innere des Gehirns nicht erfahrbar ist. Erst die Hirnforschung kann solche Brückenbegriffe schaffen, z.B. für die Teilorgane des Gehirns, für die Nervenzellen, für Substanzen und Funktionen usw., zunehmend detaillierter bis zur Molekularbiologie oder Biochemie.
Die (meisten) Philosophen gehen davon aus, dass die physikalische Welt geschlossen ist, d.h. dass jedes physikalische Ereignis ausschließlich physikalische Ursachen hat. Es gibt bisher keinen Hinweis, wonach diese Annahme widerlegt werden könnte.
Aus dem Oktoberheft von ZEIT-WISSEN zum Gedankenlesen:
Tanja Schulz ist es gemeinsam mit amerikanischen Neurowissenschaftlern vor Kurzem erstmals gelungen, vollständige Sätze aus den Hirnströmen zu rekonstruieren. Dafür sollten die Probanden Texte laut vorlesen: [..]. Elektroden zeichneten währenddessen die Aktivitätsmuster der Großhirnrinde auf. Aus den Signalen erstellten die Forscher eine Art Lautbibliothek für jede Person. Dabei ordneten sie jedem Laut ein bestimmtes neuronales Signal zu. Wurden die Texte noch einmal vorgelesen, konnten sie anhand der Hirnsignale die richtigen Texte erkennen.
Es wurde also eine Zuordnung gefunden zwischen einem Text als Produkt des Geistes und den zugehörigen physikalisch messbaren Signalen. Aus den physikalischen Signalen kann ein Phänomen des Menschen (Geist) wie auch ein Phänomen des Wetters (Nebel) auf Grund von Kausalitäten vorhergesagt werden.
“Man darf nicht willkürlich die Beschreibungsebenen wechseln, indem einmal vom Geist die Rede ist und dann im gleichen Zusammenhang von neuronalen Signalen.” (@anton reutlinger)
Manche Leute scheinen das nicht immer zu beherzigen:
“Manche Leute scheinen zu verkennen, dass jede geistige [sic!] Regung von neuronalen Signalen [sic!] gesteuert wird.” (@anton reutlinger)
oder der hier:
“Es wurde also eine Zuordnung gefunden zwischen einem Text als Produkt des Geistes [sic!] und den zugehörigen physikalisch messbaren Signalen [sic!].” (@anton reutlinger)
@Reutlinger Letzte Runde
Sie irren sich: Ich gehe von dem aus, was gegeben ist. Das ist gerade keine Spekulation.
Gegeben sind verschiedene Ebenen der Forschung und damit Forschungssprachen. Die psychische ist nicht auf die physikalische angewiesen. Der Physikalist, d.h. derjenige, der der Meinung ist, alles lasse sich auf die physikalische Sprache zurückführen, trägt hier die Beweislast.
Im Gegenteil gibt es für Ihren Standpunkt nicht den geringsten Hinweis: Wie bereits gesagt, wurde schon vor rund hundert Jahren über eine physikalische Einheitstheorie spekuliert, doch die Wissenschaften bewegen sich auseinander.
Auch hier irren Sie sich und ich habe schon vor vier Tagen in der Reaktion auf @Holzherr die Definition von Physikalismus aus der Stanford Encyclopedia angeführt.
Ferner habe ich schon am Ende meines Blogbeitrags auf eine Diskussion der Thesen des Caltech-Physikers Sean Carroll verwiesen, der gerade behauptet, drei Elementarteile und -Kräfte seien hinreichend, um die ganze Welt zu erklären. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.
Herr Reutlinger, ich denke, niemand kann bezweifeln, dass ich nach einem gemeinsamen Nenner für unsere Diskussion gesucht habe, die sich schon über mehrere Tage erstreckt. Dabei fiel mir immer wieder auf, dass Sie Fachbegriffe verwenden, ohne deren Bedeutung zu kennen oder die Sie nur halb verstanden haben. Da ich bei Ihnen auch nicht den Willen erkennen kann, sich das nötige Wissen anzueignen, beende ich die Diskussion mit Ihnen hiermit.
@Balanus
Da uns die Welt wissenschaftlich aber immer nur über (Forschungs-)Methoden gegeben ist, ist das ein Problem, an dem wir nicht vorbeizukommen scheinen, auch wenn es “primär methodologisch” ist.
Die Willkür (übrigens ein Wort, das auf einen Willen, ein Subjekt, das eine Entscheidung trifft, verweist), die du einräumst, relativiert dann eben die Ergebnisse dieser Forschung.
Jetzt ist eine wichtige Frage, was du mit “der Welt der physischen Dinge” meinst. “Physisch” stammt from altgriechischen phusis für Natur. Ich verstehe deinen Satz also so, dass sich Entitäten in der Natur zeigen, und stimmte dir zu, dass diese Frage wichtig ist.
Dann gebe ich die Frage an dich zurück: Siehst du keine Absichten, Gefühle (denke an Liebe, Wut usw.), Normen, Gedächtnisleistungen, Überzeugungen usw. beziehungsweise deren Folgen in der Natur? Schon Darwin hat sich ausführlich mit Emotionen oder Protoemotionen im Tierreich beschäftigt; das Problem könnte also nicht nur den Menschen betreffen. Das Thema animal consciousness ist ja auch seit einigen Jahren in.
Wenn nein, dann würde ich sagen, dass du in einer sehr deprivierten Welt lebst. Wenn ja, dann kommst du am Leib-Seele-Problem nicht vorbei.
Fette und Eiweiße sind übrigens etwas grundsätzlich anderes als Halbleiter.
Halbleiter mußte man erst erfinden, sie sind seltene Frucht der Logik und bewußte Reduktionismen, “eben drum” nicht volatil, nicht vielseitig wie Fette oder Eiweiße.
@Stephan
»Dann gebe ich die Frage an dich zurück: Siehst du keine Absichten, Gefühle (denke an Liebe, Wut usw.), Normen, Gedächtnisleistungen, Überzeugungen usw. beziehungsweise deren Folgen in der Natur?«
Ja, aber diese „Dinge“ sehe ich auf eine völlig andere Weise als etwa eine Bewegung oder einen dinglichen Gegenstand.
Natürlich erlebe ich mich, wie wohl die allermeisten auch, als denkenden und fühlenden Menschen. Aus dieser intuitiven Selbstwahrnehmung heraus dürfte die verbreitete Vorstellung von Geist und Seele überhaupt erst entstanden sein. Was ich fühle, empfinde und denke, weiß ich, aber was andere fühlen, empfinden und denken, kann ich nicht wissen, nur ahnen und vermuten. Da muss ich mich auf das verlassen, was ich über meine Sinnesorgane z. B. an Bewegungen und Lautäußerungen wahrnehmen kann, und ich muss darauf vertrauen, dass meine Interpretation der Sinneseindrücke dem hinreichend nahekommt, was der andere tatsächlich gedacht hat oder im Moment gerade fühlt.
Das Problem bleibt also bestehen, ich kann schlicht nicht wissen, ob mein Gegenüber Geist und Seele besitzt. Ein perfekter Androide könnte, dem äußeren Eindruck nach, genauso Witze reißen, lachen und weinen wie ein Mensch, aber würde man ihm allein auf solche äußere Zeichen hin als beseelt betrachten? (Zugegeben, in gewissem Sinne schon, wenn man z. B. sieht, wie manche mit ihrem Automobil reden…). Wenn man aber nichts über Seele und Geist der anderen wissen kann, dann kann man auch nicht in Neuro-Experimenten Geist und Subjekt voraussetzen. Es reicht völlig hin, wenn ich dem Probanden die Fähigkeit zum Denken und Fühlen unterstelle.
Nebenbei bemerkt: Ich würde mir, an @anton reutlingers Stelle, nicht die Rede von der ‚Naturalisierung des Geistes‘ zu Eigen machen. Das ist ein philosophisches Projekt, Naturwissenschaftler sollten da die Hände von lassen. Zudem: Wenn „Geist“ bloß eine Metapher für Denken, Fühlen, usw. ist, dann erübrigt sich eine Naturalisierung, und wenn Geist als eine außerphysische Entität aufgefasst wird, dann erübrigt sich eine Naturalisierung ebenfalls.
Es ist sicherlich vernünftig, anzunehmen, dass andere Menschen in gleicher Weise denken und fühlen können wie ich. Das zeigt mMn aber nur, dass sie ein gesundes Denkorgan besitzen. Denn dass Denken und Fühlen im Gehirn stattfindet, davon können wir heute getrost ausgehen. Über den Besitz von Geist und Seele (in einem starken Sinne, also nicht bloß als Metapher für Denken und Fühlen) sagt das m. E. aber gar nichts.
» … Argumente dafür, dass Situation, Körper etc. psychische Prozesse beeinflussen und daher “der Geist” nicht im Äther schwebt,… « (heute, 11:34)
Der Begriff „psychische Prozesse“ verweist auf Vorgänge auf organischer Ebene (Prozesse), die als Gefühle und Empfindungen erlebt werden (psychisch). In der Tat gibt es da nichts, das irgendwie im Äther schweben würde. Man könnte fast meinen, wir wären uns in diesem Punkt einig. Aber ich fürchte, mit „psychische Prozesse“ war etwas anderes gemeint.
So ist es, mein lieber Balanus. Und mich dünkt, auch der geschätzte Herr Geheimrat v. Goethe, wäre er hier und heute bei uns, könnte in Dir gewiss den Idealtypus eines gelehrten Herrn erkennen.
Das Kompliment, so es eins ist, gebe ich gerne zurück, lieber Chrys!
@Balanus: Gute Philosophie
Ich gewinne fast den Eindruck, du hättest in den letzten zwei Jahren das eine oder andere gute Philosophiebuch studiert. Gratulation. Jedenfalls hast du in einem Beitrag das Problem des Fremdpsychischen, das Zombie-Problem (nach Chalmers, auch wenn er nicht der erste war, der so etwas dachte) und das Wesen des Psychischen angesprochen.
Das Fremdpsychische würde ich erst einmal außen vor lassen und umgekehrt sagen: Wenn jemand schon am Bestehen seiner eigenen psychischen Prozesse zweifelt, dann braucht er gar nicht lang weiterzudenken (was das Leib-Seele-Problem angeht, meine ich). Und wissenschaftlich hätten wir gerne einen Standard, der unabhängig von den Individuen funktioniert. In diesem Sinne versuchen wir in der Psychologie ständig, das Subjektive zu “objektivieren” (mit Fragebögen, Verhaltensbeobachtungen, physiologischen Messungen etc.).
Ich denke, dass deine Prämisse hier falsch ist. Natürlich kannst du sehr viel über den psychischen Zustand des anderen wissen… nur hast du eben keine hundertprozentige Gewissheit, dass das auch wirklich stimmt. Er/sie/es könnte auch nur ein Zombie sein. 😉 Aber schon Herr Kant sagte (und war damit nicht der erste), das Ding an sich könne man eben nicht erkennen…
Was hat das jetzt mit der Diskussion hier zu tun? Ich verstehe (und lehre) die Psychologie als pragmatische Disziplin: Wir operieren mit Definitionen des Psychischen, sogenannten Operationalisierungen, die nicht in Stein gemeißelt sind, einem bestimmten Zweck dienen und in naher Zukunft schon wieder durch andere Definitionen ersetzt werden können (was auch regelmäßig passiert, wenn auch nicht immer explizit).
Prozesse hast du überall, auch in einem Betrieb, einem Computer etc. etc. “Geist” verwende ich als die Summe der psychischen Prozesse; “Seele”, wie gesagt, eher poetisch.
Es sollte nicht unbedingt als Kompliment missverstanden werden, zumindest nicht vom Geheimrat. Wie schon Mephistopheles Zitat ahnen lässt, Goethe war nicht Freund eines jeden gelehrten Herrn …
“Am widerwärtigsten sind die kricklichen Beobachter und grilligen Theoristen; ihre Versuche sind kleinlich und complicirt, ihre Hypothesen abstrus und wunderlich.” (Wilhelm Meisters Wanderjahre),
… da solche Typen die Wissenschaft letztlich ihrer Seele berauben:
“Wenn Wissenschaft Wissenschaft wird, ist nichts mehr dran.” (Goethe, zitiert nach: Der gelehrte Narr)
@Joker, @Chrys
Mir scheint, die lieben Herren verwechseln JvG mit Mephistopheles, der von sich selbst sagt:
Ich bin der Geist der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles was entsteht
Ist werth daß es zu Grunde geht;
Drum besser wär’s daß nichts entstünde.
So ist denn alles was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.“
Guten Rutsch allerseits!
@ Stephan Schleim:
Ob ich von etwas anderem sprach: ich glaube nicht, aber lassen wir es dabei bewenden. Guten Rutsch.
Die Naturalisierung des Geistes ist ein Ausdruck der Philosophie. Ihr Ziel ist die Bereinigung des Begriffes Geist von okkulten und außerwissenschaftlichen Konnotationen und das Verstehen der Funktionsweise, der Inhalte und des Zweckes des menschlichen Geistes. Außerdem ist die Untersuchung der biologischen Entwicklung des Menschen und des Gehirns notwendig für das Verstehen. Die Durchführung obliegt jedoch der Natur-, speziell der Neuro- und der Kognitionswissenschaft als Ziel. Die Philosophen, die sich damit beschäftigen, befassen sich auch mit Neurowissenschaft, oder auch umgekehrt, manche Neurowissenschaftler befassen sich auch mit der Philosophie des Geistes.
Der Geist ist ein Sammelbegriff für das Sehen, Denken, Fühlen, Sprechen und mehr. Die Neurowissenschaft muss alle Funktionen untersuchen, wenn sie den Geist untersuchen will. All diese Funktionen beruhen auf Teilstrukturen des Gehirns und bestehen wiederum aus einer Hierarchie von Teilfunktionen. Am Ende stehen chemische Substanzen mit ihren Eigenschaften und molekularbiologische Objekte, die funktional nicht weiter zerlegt werden können, z.B. die Gene oder die Zellmembran.
Durch die naturwissenschaftliche Erklärung wird die psychologische Erklärung nicht obsolet. Psychologische Erklärungen sind jedoch nicht kausal und nicht universell gültig. Sie beziehen sich auf einzelne, bestimmte Phänomene einzelner Menschen oder Gruppen von Menschen, z.B. in einer Kultur, oder auf einzelne Entwicklungsabschnitte des Menschen. Im Mittelpunkt stehen oftmals Abweichungen von einem fiktiven Normverhalten, wie Sucht, Aggression, Phobien. Die Entwicklung geht eindeutig zu interdisziplinären Forschungen.
Poetische Begriffe dagegen sind Gegenstand der Literatur, nicht der Psychologie und erst recht nicht der Naturwissenschaft.
@Stephan Schleim schreibt an @Balanus:
“Ich denke, dass deine Prämisse hier falsch ist. Natürlich kannst du sehr viel über den psychischen Zustand des anderen wissen… nur hast du eben keine hundertprozentige Gewissheit, dass das auch wirklich stimmt.”
Das ist angesichts des von Ihnen eingeforderten (“ich möchte mich hier auf wissenschaftlichem Niveau mit dem Thema auseinandersetzen”) Niveaus keine angemessene Argumentation.
Was heißt hier, erstens, “natürlich”?
Wieso kann ich “natürlich” sehr viel über den psychischen Zustand des anderen wissen? Was daran und warum wäre natürlichzu nennen?
Was bedeutet, zweitens, in diesem Zusammenhang “sehr viel”? Sehr viel?
Oder nein, alles zurück – doch nicht, weil du “eben keine hundertprozentige Gewissheit, dass das auch wirklich stimmt”, hast.
Das Herumhantieren mit Größen wie der Hundertprozentigen Gewissheit ist stets ein Quell semantisch-, logischen Treibsands. “Wenn ich sage, daß ich etwas weiß, dann meine ich damit nicht, daß ich es wirklich weiß, logisch, sonst hätte ich ja gesagt, daß ich es lediglich vermute, es also wisse.”
“Wir operieren mit […] Operationalisierungen”. Disziplinen haben (aus Selbstschutz) stets einen gehaltvollen Jargon.
Noch wichtiger aber:
Allen ein Frohes Neues Jahr!
Möge 2016 ein vergeleichsweise gutes Jahr werden!
@Stephan
»Ich denke, dass deine Prämisse hier falsch ist. Natürlich kannst du sehr viel über den psychischen Zustand des anderen wissen… nur hast du eben keine hundertprozentige Gewissheit, dass das auch wirklich stimmt.«
Den Begriff „wissen“ würde ich hier nicht gebrauchen. Man reimt sich zusammen, was der andere fühlt, man schließt vom eigenen Gefühlsleben auf das der anderen. Dass das im Großen und Ganzen recht gut funktioniert, zeigt die Erfahrung. Aber wenn der andere kein Mensch ist, sondern z. B. ein Schimpanse, dann braucht es schon eine Menge Erfahrung im Umgang mit dieser Spezies, um die Mimik und das sonstige Verhalten richtig zu deuten, aber es ist schlechterdings unmöglich, sich gefühlsmäßig in das Tier hineinzuversetzen.
»Er/sie/es könnte auch nur ein Zombie sein.«
Beim philosophischen Zombie geht es im Wesentlichen um das Bewusstsein und um sinnliche Erlebnisqualitäten. Ist das hier im Blog mit „Geist“ gemeint?
Ich hatte weiter oben ‚Geist‘ implizit anders definiert, indem ich nämlich behauptete, Materie könne keinen Geist (im starken Sinne) hervorbringen. Mit Bewusstsein und den sogenannten Qualia hat das natürlich nichts zu tun. Dass wir Farben sehen und Töne hören, ist ja evident. Die Frage ist halt, wie es dazu kommt. Und das ist meiner Meinung nach keine philosophische, sondern eine naturwissenschaftliche Frage. Wenngleich die Chancen zur Lösung dieser Frage ziemlich gering sind. Selbst wenn man genau wüsste, welche Zellverbände in einem Individuum aktiv sein müssen, damit z. B. die Farbe Rot erlebt wird, von außen betrachtet ließe sich dieses Farberlebnis schlicht nicht überprüfen. Man stößt da auf eine unüberwindliche Grenze. Man kann lediglich testen, ob Farben überhaupt wahrgenommen und unterschieden werden können.
» Prozesse hast du überall, auch in einem Betrieb, einem Computer etc. etc.«
Das meinte ich, Prozesse sind bekannt als mehr oder weniger regelhafte Abläufe in der gegenständlichen Welt. Im Bereich des Geistigen wird dieser Begriff, nach meinem Verständnis, im übertragenen Sinne gebraucht, man denke etwa an „Denkprozesse“.
»“Geist” verwende ich als die Summe der psychischen Prozesse;…«
Das beantwortet nicht die wichtigere Frage, was man sich unter psychischen Prozessen vorzustellen hat. Sind sie mit neuronalen Aktivitäten kausal assoziiert? Oder bloß korreliert? Oder bewirken sie neuronale Aktivitäten? Oder basieren sie auf diesen?
Wenn ich z. B. das Bild mit den Tulpen betrachte, dann passiert, wenn Semir Zeki et al. Recht haben, in meinem medialen orbitofrontalen Kortex rein gar nichts. Was bewirkt hier was? Finde ich nichts Schönes an dem Bild, weil es in meinem MOOFC relativ still bleibt, oder bleibt es da still, weil ich das Foto nicht schön finde?
Wer die letztere Variante favorisiert, weil er meint, psychische Prozesse gingen den physischen voraus, muss sich fragen lassen, wozu das gut sein soll, im Anschluss an den psychischen Prozess des Schönfindens noch die Neuronenverbände im Bereich des MOOFC feuern zu lassen. (Handelt es sich vielleicht um eine Art Freudenfeuerwerk???)
Ein frohes neues Jahr Dir und allen, die hier mitlesen!
@anton reutlinger
»Diese Aussage sehe ich zweigeteilt. Es ist richtig, dass man das Leben bzw. das Gehirn nicht beliebig anhalten und starten kann wie eine Maschine. Andererseits kann man eine Reaktion in Beziehung setzen zu einer Wahrnehmung.«
Es ging aber speziell um den Startpunkt einer Willkürbewegung, und nicht um eine Reaktion auf Wahrnehmungen. (Philosophische) Mentalisten gehen offenbar davon aus, dass der menschliche Geist als Erstverursacher (unbewegter Beweger) eine Ereigniskette kausal in Gang setzen kann, eben indem er willentlich eine Handlung vollzieht. Die Kritik an Experimenten à la Libet und Haynes zielt vor allem in diese Richtung, man könne ja gar nicht wissen, was den beobachteten Neuro-Signalen an Mentalem alles vorausginge. Dass man damit den Boden der Naturwissenschaften verlässt, spielt dabei keine Rolle, denn der Bereich dieser Wissenschaften ist, so meinen sie, ohnehin beschränkt auf das physikalisch Messbare.
@Stephan: Zombies
Danke für den Link zum Zombie-Problem. Wenn ich diese Definition aus der Stanford Encyclopedia of Philosophy zugrunde lege:
…dann gehöre ich zu der Fraktion, die Zombies nicht für möglich hält. Denn meiner Auffassung nach impliziert die Aktivität bestimmter neuronaler Zellverbände notwendigerweise Bewusstsein. Wenn z. B. ein Gegenstand in einer anderen Welt physikalisch exakt einem Auto gleicht, dann hat dieser Gegenstand auch die Eigenschaften und Funktionen eines Autos. Analog verhält es sich m. E. mit dem gesunden Gehirn und dessen Eigenschaften.
Mir ist völlig unverständlich, wie man diese Zombie-Idee als ein Argument gegen den Physikalismus aufführen kann.
Die Zombie-Idee, es könne seelenlose Apparate geben, die sich aber wie normale Menschen verhalten, taucht in anderer Forma als Chinese Room Gedankenexperiment auf und wird vom Erfinder John Searle als Argument gegen die Möglichekti starker künstlicher Intelligenz verwendet. Das Gedankenexperiment postuliert, dass ein Set von Regeln und Algorithmen einen perfekten Beantworter von in chinesisch gestellten Fragen abgeben könnte und dass ein Mensch, der diese Regeln und Algorithmen verwendet vortäuschen könnte chinesisch zu verstehen, wenn er mit der Aussenwelt nur über den Briefkasten des “chinesischen Zimmers” kommunizieren würde. Doch es wäre eben nur ein Vortäuschen. Ein Verständnis des Chinesischen läge nach Searle nicht vor, denn die Maschine/das Zimmer würde das Verständnis nur simulieren. Dabei ist es für Searle unbedeutend ob ein Computer oder ein beispielsweise nur englischsprechender Mensch die Algorithmen ausführt, die chinesichen Input entgegennehmen und scheinbar sinnvollen chinesichen Output produzieren. Entscheidend ist allein, dass ein Algorithmus – nach Searle – kein Verständnis besitzen kann.
Im Grunde sagt Searle nichts anderes als: Wer nur die Funktion sieht, sieht nicht das Wesentliche. Das Wesentliche spielt sich nicht an der Schnittstelle zwischen chinesischem Zimmer und der Aussenwelt ab sondern im chinesischen Zimmer selber. Und wenn man dies betrete werden einem sofort klar, dass da kein Bewusstsein, keine Geist, keine Seele sei.Searle hat das “Chinesische Raum”-Argument später auf die Formel gebracht: Programme/Algorithmen haben nur eine syntaktische Ebene (sie sind nur formal), ihnen fehlt die semantische Ebene.
Das beste Gegenargument gegen die Zombie-Idee und auch gegen das Gedankenexperiment vom chinesischen Zimmer scheint mir gerade das Unwissen über das, was in uns selbst das Bewusstsein erzeugt. Im Grunde kann das alles sein, auch ein Algorithmus. Und es gibt überhaupt keinen Anhaltspunkt dafür, dass es irgend etwas Ausserweltliches ist, was uns mit Bewusstsein ausstattet. Im Gegenteil. Heute würde wohl jeder zustimmen, dass es ohne menschliches Gehirn kein menschliches Bewusstein gibt und dass dieses Hirn in vielerlei Hinsicht ein materielles Ding ist: Es benötigt eine Blutversorgung, verbraucht Energie, ist nicht einfach eine formlose Masse sondern strukturiert und so weiter und so fort. Wenn Searle über das chinesische Zimmer respektive über einen Supercomputer sagt: ” the “system” is nothing more than a collection of ordinary physical objects; it grants the power of understanding and consciousness to “the conjunction of that person and bits of paper”[28] without making any effort to explain how this pile of objects has become a conscious, thinking being. so lässt sich das über das menschliche Bewusstsein ebenso sagen. Auch dieses wird irgendwie erzeugt ohne dass es erklärt wie das zugeht. Mein Bewusstsein hat mir jedenfall bis jetzt noch nicht gesagt wie es funktioniert und warum es zu einem bestimmten Schluss kommt. Es lässt sich zwar immer wieder beobachten, dass jemand genau erklärt wie und warum er etwas gedacht hat, doch genau das ist ja oft auch eine Illusion und ein Freund oder Feind meint dann vielleicht zu wissen, dass der Grund für eine Überlegung ein ganz anderer ist als die betroffene Person selbst meint.
Wer nicht an eine Seele glaubt, sondern an eine rein materielle Wel in der alles den Naturgesetzen folgt glaubt auch an etwas, er befindet sich in einem anderen Glaubenssystem und ist als ontologischer Materialist (meist) auch ein Atheist, wobei gewisse Atheisten ihren Glauben mit brennendem Ingrimm in die Welt tragen, denn sie glauben, eine Welt ohne Gott und vor allem eine Welt ohne Religion wäre eine bessere Welt. Das ist ein neues Phänomen. Zu Zeiten von Heisenberg war ein missionarischer Atheismus, der sich vom Atheismus eine bessere Welt versprach, noch kaum zu finden. In seinem Buch “Der Teil und das Ganze” gibt Heisenberg Diskussionen mit seinen Physikerkollegen wieder. Zwar neigten nicht wenige seiner Kollegen – wie Dirac – zum Atheismus, aber gleichzeitig befürchteten sie auch, dass mit dem Glauben an Gott auch eine Zeit der Amoral anbrechen würde, eine Zeit auch von Eigennutz und Rücksichtlosigkeit.
Analog dazu liegt es nahe anzunehmen, eine Welt ohne Seele und ohne immateriellen Geist könnte eine seelenlose, poesielose, tote und rein technische Welt sein. Doch auch hier ist wohl schon etwas ähnliches passiert wie bei der Frage nach Gott und der Religion. Auch hier gibt es nun Leute, die mit der Befreiung vom Seelenbegriff Positives verbinden wie eine Abkehr vom Aberglauben und eine grössere Bereitschaft seelische und psychische Probleme mit medizinischen, psychologischen und wissenschaftlichen Methoden anzugehen.
Im gedruckten Spiegel vom 24.12.2015 findet sich ein Gespräch zwischen einem Pastor und dem Astrophysiker Ben Moore. Ben Moore vertritt genau diesen – relativ neuen – missionarischen Atheismus und bringt es sogar fertig, neuere Bioethik und Tierrechte als atheistische Errungenschaften einzuklagen. Hier ein paar Aussagen von ihm:
Wir sind durch Zufall hier, wir sind hier, weil Moleküle diesen erstaunlichen Weg von Bakterien zu Elefanten oder Menschen eingeschlagen haben. ..
und auf die Frage des Pastors: Glauben Sie, dass Atheismus humaner ist als die Relgion? antwortet er: Als Atheist würde ich sagen. Frauen sind genauso viel wert wie Männer …. und früher im Text geht er noch weiter und sagt: Jedes Lebewesen sollte ein Recht auf ein Leben haben, wewegen ich auch keine Tiere esse.
Der Atheist als Gutmensch und als moralischer Mensch also und die Religiösen als Hinterwälder und frauenverachtende Unmenschen und potenzielle Terroristen (er erwähnt die Bibel und den Koran sowie die 72 Jungfrauen, die auf Selbstmorattentäter warten).
Was aber denkt Ben Moore über die Seele?
SPIEGEL: Und dennoch sagen Sie, Herr Moore, in ihren Büchern, dass alles, was in unserem Gehirn passiert, nur chemische Vorgänge sind. Trifft das auch auf die Liebe zu?
Moore: Ja, natürlich. Eine Nervenzelle ist ein komplexes Gebilde, aber man kann nachvollziehen, wie sie funktioniert. Und Gefühle sind eine molekulare Interaktion, Hormone führen dazu, dass wir uns gut fühlen oder schlecht.
Moore ist offensichtlich ein ontologischer Materialist und von der Tendenz her vertritt er sogar einen eliminativen Materialismus, einer, bei dem am Schluss nur noch Naturwissenschaftler und Techniker das Sagen haben.
Wichtig aber ist mir, dass Ben Moore zugleich ein extrem guter Mensch ist, das mindestens von sich selbst glaubt und es nicht zuletzt seinem Atheismus zuschreibt, denn damit ist er gefeit vor vielen Übeln dieser Welt die von Religiösen und oder Schwätzern wie Philosophen ausgehen (Zitat.Pastor: Wahrscheinlich würde uns ein Philosoph des Bewusstseins jetzt helfen können Moore: Ein Philosoph würde hier auch nichts ausrichten können. Ich spreche von Wissenschaft. Sie sprechen von irgend einem merkwürdigen Ding, das in unseren Köfpen herumspuken soll und für dessen Existenz ich keinerlei Beweise habe.)
Ben Moore scheint zu der neuen Elite von Menschen zu gehören, die fest davon überzeugt sind und die das auch missionarisch verbreiten, dass es ohne Religion und ohne Metaphysik besser wäre auf dieser Welt.
Hier noch der Link zum SPON-Teaser des Interviews mit Ben Moore und Claussen
Dieser Thread hat immerhin über eine Woche lang ein kleines Häufchen gewitzter neben dem üblichen Berg eher wenig geistvoller Reaktionen hervorgerufen.
Danach gehen Autor und Diskutant mit allem gebührenden Ernst zum nächsten Thema über.
@Franziskus, Diskussion
Tja, ich habe mich hier schon vor Jahren (ohne Effekt) über die dysfunktionale Forenstruktur beschwert, aber nichts hat sich verändert. Daher werden die Diskussionen irgendwann unübersichtlich. Unter diesen Umständen haben wir das Beste daraus gemacht, finde ich.
Und um realistisch zu sein: Es gibt doch so viele Themen…
Ich bin spät dran mit meinem Kommentar, in dem ich eigentlich nur meiner Freude darüber Ausdruck verleihen will,
1) dass Du wieder was schreibst
2) was Du wieder schreibst.
Ich unterschreibe das alles.
Nur eines nicht: Der Joseph Hyrtl gehört zu UNS!
Zu den Anatomen, mein’ ich, er war kein Physiolog’.
Gruss
Helmut WIcht
“Und dann waren da auch noch Naturwissenschaftler wie der Physiologe Josef Hyrtl (1810-1894), der den Braten roch und in einer berühmten wie skandalösen Rede vor der versammelten akademischen Öffentlichkeit der Universität Wien Anno 1864 mit Blick auf seine Zeitgenossen wie Vogt behauptete, die Erfolge der materialistischen Weltanschauung seien herbeigeredet …”
Eine historische Erinnerung: Kurze Zeit später verband man “materialistische Weltanschauung” vor allem mit dem Namen Karl Marx. Der bezeichnete Vogt (dazu Moleschott und Büchner) als “Vulgärmaterialisten”. Das mußte bis vor 26 Jahren auf einem großen Teil der Erdoberfläche vermutlich jedes Schulkind lernen, und vermutlich hat es kein einziges verstanden. Ich, im Westen aufgewachsen und wie die meisten meiner Generation freiwillig jahrelang Marx und nichts als Marx lesend, hab’ vergessen, wie das gemeint war.
Heute ist das vergessen, und der Vulgärmaterialismus blüht wieder auf. Dazu, daß er auch bald wieder vergessen sein wird, trägt hoffentlich die Entdeckung bei, daß er im Wesentlichen ein “Marketingmaterialismus” ist.
@Joker,
ach so – einen “Joke” gemacht! Nann dann bemühen Sie Ihre Suchmaschine noch mal mit dem Stichwort PSYCHE oder noch besser, mit dem Stichwort WISSEN, THEO oder THEORIE nicht dass noch der Eindruck entsteht, Naturwissenschaftler fabulierten bloß von Feststoffen.
Geist kommt übrigens (etymolog. vereinfacht) von Geste und meint alle Bewegung / Beweglichkeit, die Sie auch nur irgendwo (NICHT) finden können. Daran ändert die Nominaldefinition ihrer mehr oder minder großen Sprachgenossenschaft nicht auch nur irgendwas. Zumal Sie dieselbe ja ohnehin nicht verifizieren, weil dass ja auch schon das allererstemal wäre, dass in den Naturwissenschaften eine Behauptung der Form “A bedeutet B” oder der Form “Subjekt – Prädikat – Objekt” verifiziert worden wäre.
Mir scheint eher, dass in diesem seelisch und mental vollends sterilen Feststoffmilieu einige Wissens-schaffer auf den Titel “Schöpfer” neidisch sind. Bis 2034 will das Team am Large Hadron Collider das erst Parelluniversum geschaffen haben, inklusive dem dafür notwendige Raumsprung nach “Hinter dem Strahlungshintergrund”, denn eine Universität – ähh, sorry – ein Universum im Universum stünde ja VOLL im Wege.
Aber keine Angst – auch das war jetzt natürlich auch nur ein Joke.
Das vermeintliche Leib-seele-problem mag ja in gewisser Weise tatsächlich “problematisch” sein – zum Beispiel in Bezug auf sein Definition – allerdings ist es damit weißgott kein exotisches Problem, denn die Definition für “Materie” ist angesichts ihrer Verwandtschaft mit “Mutter” (Matre), “Mut” (Motiv) und “Masse” auch nur an den Haaren herbeigezogen, also Produkt bloßer Beliebigkeit.
Dass Materie existiert, kann man nicht etwa beweisen, sondern lediglich Definieren / Beschließen, so ganz nach dem Motto: “Materie ist das, was handgreiflich existiert” – oder umgekehrt (und in Manier des hlg. Thomas von Aquin): “Da ist etwas, was ebenso handgreiflich wie augenscheinlich existiert, und eben das nennen alle Mutter (bzw. Materie).”
So funktioniert natürlich weder ein Gottes~ noch ein Materiebeweis – genaugenommen funktioniert dieserart nicht mal nur eine Definition. Solange man sich noch ganz frei aussuchen kann, was mit einem Nomen bezeichnet sein soll oder NICHT bezeichnet sein soll – solange das also auch noch per Definition oder “Taufe” jederzeit abgeändert werden kann und schlichtweg nicht “gesichert” ist – ist eben nicht nur die Seele ein Kuriosum aus vergangener (überkommener) Zeit, sondern auch der Leib alias “Materie”.
Falls “Seele” wesentlich nicht näher bestimmbar sein sollte, wäre aus haargenau gleichem Grunde auch das Wesen der “Materie” nicht näher bestimmbar. Das heißt, das eigentliche Problem besteht vielmehr darin, dass Definitionen nach heute üblicher Anschauung nicht verifiziert werden müssen, bzw. nicht verifiziert werden können. Die antik-philosophische (stoische) Wahrheit ist nämlich, dass Definitionen sehr wohl verifiziert / falsifiziert werden können – dass es also eben nicht dem Belieben des Menschen überlassen ist, was ein Nomen bedeutet oder nicht bedeutet.
Dass “Materie” existiert ist frühestens dann bewiesen, wenn bewiesen ist, dass dieselbe auch ganau nur so heißt, denn wenn sie anders hieße, wäre dieselbe Aussage glatt falsch (bzw. nicht bewiesen, sondern lediglich behauptet). Das heißt, die Materialisten haben es weder mehr noch minder schlau angestellt, als der heilige Thomas: “… und eben das nennen alle Gott”. Vollends analog dazu: ” … und eben das nennen alle Materie”.
Tja nun – in mehreren hundert anderen Sprachen (Idiomen) heißt die vermeintliche “Materie” eben nicht “Materie”, sondern anders – zum Teil sogar ganz erheblich anders.
Damit sollte nun eigentlich klargestellt sein, weshalb man tatsächlich nur um den heißen Brei herumredet, wenn man von “Seele” oder “Leib” oder “Materie” oder “Masse” oder “Messe” redet.
Die Nominaldefinition nach Belieben der Mehrheit einer Sprachgenossenschaft ist halt nicht auch nur einen Pfifferling wert. Damit kann man schon aus Prinzip zu keiner endgültigen “Antwort” auf eine Frage gelangen – auch nicht in den Naturwissenschaften. Die Validität ihrer Aussagen hängt von Definitionen ab, und da diese ebenso beliebig wie veränderlich sind, ist das auch deren “Validität”. Ändere einfach die Definitionen, und schon ist überhaupt jede naturwissenschaftliche Aussage eine Falschaussage.
Übrigens könnte es auch den “stummen Knall” geben, wenn es tatsächlich “bedeutungslose Nomen” geben sollte – “Zeichen, die nichts zeigen”. Falls es nun aber laut knallt und per Definition die Nachricht ergeht, dass wäre ein “Raunen”, dann ist schlichtweg etwas faul im Staate Dänemark. Will sagen: In den Naturwissenschaften ist etwas faul.
Was “Seele” ist oder nicht ist, ist gerade ebenso deutlich, wie das, was ein S ist oder nicht ist. Dasselbe würde nämlich auch “per Definition” niemals zu einem B, einem Furunkel oder einem F werden, weshalb schlichtweg nur vollends egal ist, was ein Naturwissenschaftler für X oder Y definiert. Was der definiert oder nicht definiert hat mit einer Wahrheit oder Wisenschaft überhaupt gar nichts zu tun – nur zugeben würde er das natürlich auch NIEMALS, denn sein Beruf und sein Gehalt hängen davon ab: Sein Beruf ist, “Aussagen wider das Wort” zu machen, denn wenn schon angesichts des Wortes klar wäre, was “Sache ist”, wüßte der Student schon vor Entrichtung aller Studiengebühr bescheid. Der Prof könnte dann wieder “einpacken” und müßte wie jeder andere auch, sein Gehalt mit handwerklicher Arbeit verdienen – die einzig ehrliche und wirkliche Arbeit.
Was etwas IST oder HEISST oder BEDEUTET, kann sich der Mensch eben NICHT aussuchen, und allein die Professoren behaupten, dass er das könnte, denn wenn schon allein das Wort die so hochgelobte Erfahrung (Empirie) überliefern könnte, wären die auch schon als aller erstes ihren Job los. Und beachte: Das ist ein ganz ausgesprochen großer und lukrativer “Job” – zig Millarden Dollar Umsatz hängen daran, wennauch in Wahrheit nur “Spielgeld” und die große Unlust zur derben Handarbeit, bei der man sich schmutzig machen und womöglich auch noch weit über Gebühr zu schwitzen beginnen könnte.
Es ist außerdem auch nicht nur eine Frage der Definition, wer oder was “Gott” ist oder nicht ist, sondern vielmehr ist es eine Frage des Überlebens, ob der Mensch seine eigenen Worte versteht oder nicht versteht – falsch versteht oder richtig versteht. Ob du einen Unverstand überlebst oder nicht, suchst du dir jedenfalls nicht aus – das wird vielmehr für dich und von höherer Warte ausgesucht.
Gott ist genau das, was darüber entscheidet, ob du abnippelst oder nicht abnippelst – ob deine Entscheidung, Urteil, Beschluß oder Definition ein “Fehler” oder ein “Treffer” ist – denn du nippelst halt einfach ab, sobald du daneben greifst.
Die eigentliche Definition eines Wortes ist nicht das, was durch Menschen geleistet wird, sondern das, was durch den Kontext eines Wortes geleistet IST – durch das, also, was so einem Nomen mehr oder minder mittelbar AN-GEHÖRT, mit besonderer Betonung auf das “Hören” im “Ge-hören”.
Man kann HÖREN, was so ein Wort sagt oder nicht sagt – bezeichnet oder nicht bezeichnet -Definitionen der anderen Art (“Artefakte”) sind daher ebenso “sinnlos” wie überflüssig und irreführend (be-trügerisch).
Genau so, wie die Dinge zusammenhängen, so hängen auch die Nomen, Verben und Adjektive zusammen, und wer das eine nicht versteht, der versteht auch das andere nicht, und wer insofern schon beides nicht versteht – die Zusammenhänge überhaupt – braucht sich auch keine allzu großen Hoffnungen auf ein “Überleben” machen, denn die Früchte des blanken Unverstandes wurden schon immer negativ selektiert.
Meiner Meinung nach ist Seele genauso real wie “Ich”.
Wer ein schlechtes Gewissen hat, der leugnet auch nicht sein Gewissen.
Das Vorhandensein von Materie ist nicht zwingend notwendig für die “Existenz”.
Man kann auch an gebrochenem Herzen sterben.
Wenn ich allerdings den Begriff Seele nicht habe, dann kann ich die Seele nicht denken. Wenn ich aber etwas nicht denken kann, bedeutet das noch nicht, dass es die Seele deswegen nicht gibt.
Menschen die nicht abstrakt denken können, haben noch nie über Seele nachgedacht. Haben sie deswegen keine?
Sogar im Grundgesetz steht schon, die Würde des Mensch ist unantastbar.
Damit wird unsere Existenz über den Tod hinaus erweitert. Warum sollte sonst Grabschändung strafbar sein?