Dozent der Uni Groningen muss nach “Unterricht in Verschwörungstheorien” aufhören
KI-Forscher Tjeerd Andringa wollte nach eigenen Angaben kritisches Denken unterrichten. Meldung eines Studenten führte zu Untersuchung. Jetzt wird ihm auch Antisemitismus vorgeworfen. Das fragliche Fach wurde eingestampft – und der Dozent darf an der Uni vorläufig gar nicht mehr unterrichten.
Etwas Wichtiges vorab: Es geht hier um einen Dozenten meiner eigenen Universität, den ich allerdings nicht persönlich kenne. Im Folgenden stütze ich mich auf Berichte in den niederländischen Medien und stelle ich ein paar eigene Gedanken zur Diskussionsfreiheit an. Ich spreche hier nur für mich, nicht für meinen Arbeitgeber.
Tjeerd Andringa hat einen Hintergrund in Festkörperphysik (Master, 1991) und promovierte schließlich über Künstliche Intelligenz und Kognition (PhD, 2002). Dabei spezialisierte er sich auf die Erkennung von Sprache und gründete auch das Start-up-Unternehmen “Sound Intelligence”.
Zurzeit ist er Assoziierter Professor und Leiter einer Forschungsgruppe für auditorische Kognition sowie Dozent am University College der Universität Groningen. Das University College gilt formal als eigene Fakultät und bietet einer kleinen Auswahl von Studierenden aus aller Welt eine breite interdisziplinäre akademische Ausbildung auf hohem Niveau an. Dafür zahlen die Teilnehmer auch doppelte Studiengebühren.
Folgenreicher Artikel
Am 26. Januar erschien dann aber die wöchentliche Ausgabe unserer (unabhängigen) Universitätszeitung mit einer beunruhigenden Titelstory: Der Dozent würde Fabeln und Verschwörungstheorien unterrichten und sei sonst auch mit antisemitischen Äußerungen aufgefallen.
In Windeseile verbreitete sich das Thema in den landesweiten Medien. Zuerst wurde nur das strittige Fach eingestellt, das im Februar wieder hätte beginnen sollen. Jetzt wurde dem Dozenten aber vorläufig die Lehrbefugnis entzogen, bis das Ergebnis einer unabhängigen Untersuchung vorliegt. Was ist da los?
Im Brennpunkt ist ein Kurs mit dem Namen “Systems View on Life” – systemisch auf das Leben schauen. Der Dozent verspricht in der Kursbeschreibung, die Studierenden würden lernen, einen wirklich eigenen Standpunkt zu entwickeln. Nur damit, andere Meinungen nachzuplappern, würde man bei ihm keine Punkte verdienen.
In dem Kurs würde man herausgefordert. Es gehe darum, die Teilnehmenden aus ihrer “Komfortzone” zu holen. Das könne unangenehm sein. Doch zur Belohnung warte nach der Auseinandersetzung mit “hochqualitativem Inhalt” ein Verständnis dessen, was einen echten Akademiker ausmacht.
“Bildung” kommt von “bilden”
Das klingt für mich ein bisschen nach einem Seminar zur Selbstfindung. Das muss nicht schlimm sein – immerhin kommt “Bildung” von “bilden” und geht es dabei auch um Persönlichkeitsbildung.
Man wirft den Universitäten oft genug vor, sich im Abstrakten und Theoretischen zu verlieren. Gerade an so einem University College soll natürlich auch mal außerhalb des Bekannten gedacht werden, “out of the box”.
Der Kurs scheint sich von der ursprünglichen Frage, wie Leben entsteht, in jüngerer Vergangenheit zu einem Potpourri gesellschaftspolitischer Fragen entwickelt haben. Der Artikel der Universitätszeitung, deren Redaktion mit insgesamt zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus mehreren Jahren sprach, nennt vor allem Klimawandel und Impfungen.
Demnach habe der Dozent hauptsächlich Quellen verwendet, die den (vom Menschen verursachten) Klimawandel bestreiten. Über Impfungen sei behauptet worden, dass diese Autismus verursachen können. Letzteres ist ein auf den inzwischen mit einem Berufsverbot belegten britischen Arzt Andrew Wakefield zurückgehender Mythos.
Dieser gründet auf einer 1998 in der angesehenen medizinischen Zeitschrift The Lancet veröffentlichten Studie. 2004 publizierten allerdings zehn der zwölf Autoren – ohne Erstautor Wakefield – eine Korrektur. 2010 wurde die Veröffentlichung aufgrund unterschiedlicher Fehler und falscher Angaben dann von der Zeitschrift vollständig zurückgezogen.
Einer Studentin, die den Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus in Zweifel zog, soll Tjeerd Andringa “Respektlosigkeit” vorgeworfen haben. Ein Experte in einem Video habe über das Thema immerhin sehr viel länger nachgedacht und mehr darüber geschrieben als sie. Vielleicht müsse sie erst noch etwas “wachsen”. Vom Wissenschaftler in dem Video könne sie noch viel lernen.
Umgekehrt sei ein Student gelobt worden, der darüber schrieb, wie die Eliten die Menschheit beeinflussen. Beispielsweise würden die Rockefeller Familie oder der Amazon-Milliardär Jeff Bezos in Bildung investieren, um die Menschen hinterher besser manipulieren zu können.
Der Artikel in der Universitätszeitung kommt zum deutlichen Fazit, dass der Dozent nur vorgeblich kritisches Denken habe fördern wollen. In Wirklichkeit habe er nur eine Wahrheit gelten lassen – nämlich seine eigene.
Allerdings kommen auch Studierende zu Wort, die Andringa loben. Er sei eloquent und beschäftige sich auch intensiv mit den Ansichten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Einer meint, durch die offenen Diskussionen habe er erst richtig kritisches Denken gelernt.
Außerhalb der Uni
Die Journalisten machten sich auf die Suche danach, wie sich der Wissenschaftler sonst in der Öffentlichkeit äußerte. Dabei stießen sie auf Texte und Interviews, in denen er Gedanken über eine “Kakistokratie” entwickelt habe: Demnach würde die herrschende Elite systematisch Kinder missbrauchen, damit diese zu gefügsamen Dienern heranwüchsen.
Sogar Geheimdienste würden höchstwahrscheinlich Sexpartys mit Kindern organisieren, um diese “Kakistokratie” zu stützen. Und dies würde wiederum von den Regierungen gedeckt. Allerdings gebe es hierfür nur Indizienbeweise.
Mit Blick auf die Anschläge vom 11. September meine er, dass Regierungen häufiger ihre eigene Bevölkerung angreifen, um die Menschen gefügiger zu machen. Der Dozent betone auch immer wieder die herausragende Bedeutung alternativer Medien.
Auf dem Bio-Bauernhof seiner Frau habe Andringa schließlich außeruniversitäre Vorträge organisiert, auf denen die Coronamaßnahmen und die angeblich dominante Position der Juden kritisiert wurden. Ein Student, der daran im Herbst 2020 teilgenommen haben soll, wandte sich dann an eine Vertrauensperson der Universität, die schließlich die Verwaltung einschaltete.
Qualitätskontrolle
In Gesprächen zwischen Verwaltung und Dozent habe dieser sich immer wieder geringschätzend über die Bürokratie geäußert, die Meldung des Studenten als “cancel culture” abgetan und sich mit beinahe kriminellen Äußerungen über das Antisemitismusverbot geäußert. Im Ergebnis erhielt Andringa eine Warnung und wurde der strittige Kurs vorläufig unter Aufsicht gestellt.
Der Direktor des University College meint nun dazu, dass Dozenten auch außerhalb ihres Fachgebiets im engeren Sinn unterrichten könnten – das sei bei ihrer interdisziplinären Ausbildung ausdrücklich Sinn der Sache. Auch sei kritisches Denken wichtig. Dieses müsse aber innerhalb “ethischer Grenzen” geschehen.
Zudem müsse man bestimmte Qualitätsmaßstäbe einhalten. Nach der Untersuchung des Kurses habe man aber festgestellt, dass dieser sich nicht hinreichend verbessern lasse. Daher habe man entschieden, ihn nicht länger anzubieten.
Wie bereits erwähnt, bleibt es dabei nun aber nicht: Landesweite Medien griffen den Artikel der Groninger Universitätszeitung vom 26. Januar sofort auf, beispielsweise die Tageszeitung NRC Handelsblad oder die Nachrichtenseite NOS.
Am 28. Januar veröffentlichte die Universität dann eine kurze Mitteilung, dass der Dozent bis auf Weiteres gar nicht mehr am University College unterrichte. Man beginne nun eine unabhängige Untersuchung und warte deren Ergebnis ab.
Tjeerd Andringa bekam von der Universitätszeitung die Gelegenheit einer Stellungnahme. Meinem Eindruck nach äußert er sich darin eher kryptisch, verweist auf Aristoteles und den Bildungspychologen William Perry.
Beide hätten sich dahingehend geäußert, ein entwickelter Geist müsse “mit Gedanken spielen, ohne diese zu akzeptieren”. Auf die Berichte in den landesweiten Medien will er diese Woche reagieren.
Komplexe, aber wichtige Fragen
Der Fall berührt eine ganze Reihe von Fragen, die für die Demokratie, die akademische Freiheit und die Polarisierung verschiedener Lager in unserer Zeit von enormer Bedeutung sind. Dazu im Folgenden ein paar Gedanken:
Warum gibt es überhaupt Universitäten? Wenn der Sinn des Bildungssystems ausschließlich wäre, produktive Arbeitskräfte zu erzeugen, dann bräuchte man gar kein öffentliches Bildungswesen.
Eine marktgerechte Ausbildung könnte man besser der freien Wirtschaft überlassen: Dann gäbe es vielleicht eine Allianz-Akademie für Versicherungswesen, eine BMW-Hochschule für Maschinenbau oder ein Facebook-Institut für Meinungsfreiheit.
Man kann sich leicht vorstellen, wie “frei” Diskussionen etwa von Verbraucherschutz, Umweltschutz oder Netz-Zensur an solchen Einrichtungen wären. Der Staat könnte bei Bedarf finanzielle Zuschüsse verteilen und wäre unterm Strich wahrscheinlich immer noch viel günstiger dabei als beim heutigen, größtenteils öffentlichen Bildungswesen.
Wir wissen aber alle nicht genau, wie die Zukunft aussieht und welche Herausforderungen auf uns zukommen. Allein das verpflichtet uns dazu, nicht nur eingleisig zu fahren. Zudem sind nicht alle Lösungen, die für die Menschen wichtig sind, auch profitabel.
In der Pharma-Forschung gibt es Beispiele zuhauf. Seltene Krankheiten sind finanziell weniger lukrativ, auch wenn die Folgen für die Betroffenen und ihre Angehörigen enorm sind. Auch spricht nach Marktlogik mehr für die Behandlung chronischer Erkrankungen als für eine einmalige Heilung. Wie wichtig Grundlagenforschung sein kann, für die es zum Zeitpunkt der Entwicklung noch keine Anwendung gibt, haben gerade erst die mRNA-Impfstoffe gezeigt.
Ein Menschenleben besteht aber nicht nur aus Arbeit und Gesundheit. Wie viel unsere Freiheiten wirklich wert sind, werden viele wohl erst verstehen, wenn sie sie nicht mehr haben.
Problematische Vorwürfe
Gerade diejenigen, die heute lautstark meinen, wir würden in einer Diktatur leben, könnten in selbiger ihre Meinung gar nicht äußern: Ihre Chatberichte würden dann wie von Zauberhand verschwinden, wenn nicht gar die Chatprogramme von vorneherein blockiert wären.
Willkürlich würde die Geheimpolizei an der Haustür klingeln und denjenigen zu einer “intensiven Befragung” mitnehmen. Wann er oder sie zurückkäme, wäre völlig unbekannt. Manche Leute würden sich dann nach ihrer Rückkehr auffällig regierungstreu äußern.
Der uns heute so bekannte Reflex aus dem bürgerlichen Lager, unliebsame Meinungen sofort als “Verschwörungstheorie” abzutun und ihre Überbringer als “Querdenker”, “Trolle”, “Verfassungsfeinde” oder Ähnliches, ist aber auch sinnlos. Wir sehen seit gut 20 Jahren, dass sich die so Ausgegrenzten nur noch lautstärker äußern und dafür auch immer wieder neue Kanäle finden. Bestes Beispiel dafür ist Donald Trump, der es sogar ins Amt des US-Präsidenten schaffte.
Dabei ist der Verschwörungstheorie-Vorwurf insofern schlimm, als er dem Gegenüber nicht auf der inhaltlichen, sondern auf der emotionalen Ebene eine falsche Wahrnehmung der Realität unterstellt. Die Grenze zur Geisteskrankheit ist dann fließend. Wenn man aber nicht mehr Argumente austauscht, sondern nur noch Beleidigungen, dann kann es auch zu keiner sinnvollen Lösung mehr kommen.
Tückisch ist an solchem Vokabular, dass die Bedeutung meistens unklar ist: Wo hört berechtigte Regierungs- oder Wirtschaftskritik auf und wo fängt ein irriger Verschwörungsglaube an? Oder wo genau hört beispielsweise Kritik am Staat Israel auf und wo fängt Antisemitismus an?
Beim Fall von Tjeerd Andringa kommt nun hinzu, dass hier ein Beamter in seiner öffentlichen Funktion problematische Äußerungen getätigt hat. Die Beteiligten scheinen sich zumindest darüber einig zu sein, dass das Lehren und Lernen kritischen Denkens wichtig ist. Doch wie weit darf das gehen?
Methode, nicht Ergebnis zählt
Beim Streitthema menschengemachter Klimawandel könnte man durchaus untersuchen, wie die große Mehrheit der Klimaforscher zu ihrem Konsens kommt – und wieso Kritiker diesen anzweifeln. Man könnte dann herausarbeiten, wie die beiden Gruppen aufeinander reagieren: Werden noch Argumente ausgetauscht, das heißt, geht man noch prinzipiell auf den Standpunkt des Anderen ein? Oder wird immer nur dasselbe wiederholt?
Auf welchen Gegebenheiten beruhen die Argumente und welche Interessen könnten für Konflikte sorgen? Wie sicher ist “sicher” bei den zugrundeliegenden wissenschaftlichen Daten? Wie stark hängt das Ergebnis von Interpretationen ab und wie sehr unterscheiden sich diese?
Wichtig: Für den Erfolg so einer Unterrichtseinheit muss das Ergebnis weder vorgegeben werden, noch am Ende eindeutig feststehen. Wenn die Standpunkte hinterher 99:1, 90:10 oder 80:20 verteilt sind, kann die Demokratie gut damit leben.
Den selbsternannten Verfechtern der Aufklärung liegt sonst doch auch so viel an Pluralismus. Man muss daraus keinen Meinungskrieg machen und die Gegenseite emotional-psychologisch abwerten; wie wir zur Genüge gesehen haben, löst das gar nichts, sondern eskaliert es die Situation nur weiter.
Wenn die Standpunkte nach der Diskussion aber nahe bei 50:50 liegen, dann ist das ein starker Hinweis darauf, dass die Daten nicht eindeutig und die Argumente nicht überzeugend sind; oder es handelt sich prinzipiell um einen Streit um Werte, der sich nicht mit Fakten beilegen lässt.
Dann sollte man offen über diese Werte sprechen. Lässt sich damit immer noch keine Einigung finden, muss man das tolerieren: Bestraft werden in demokratischen Rechtsstaat keine Gedanken oder Meinungen, sondern nur ausdrücklich verbotene Taten.
Unabhängige Untersuchung
In dem Fall Andringa wird es nun eine Untersuchung geben. Und so viel ist klar: Das Ergebnis wird die Öffentlichkeit beschäftigen, wie auch schon der Artikel in der Universitätszeitung (im niederländischen Original) rund 200 Kommentare nach sich zog, bis die Redaktion die Funktion deaktivierte. In der Regel wird dort kaum diskutiert.
Die Universitätsleitung täte also gut daran, den Fall von neutralen Personen untersuchen zu lassen, die den Verdacht einer Beeinflussung von oben erst gar nicht aufkommen lassen. Wenn der Dozent mit dem Ergebnis nicht übereinstimmen sollte, steht ihm wie allen Bürgerinnen und Bürgern der Rechtsweg offen – wo der Konflikt dann in öffentlichen Sitzungen und nach festen Regeln, die eine “Waffengleichheit” garantieren sollen, ausgetragen würde.
Die Kommission und später vielleicht die Gerichte werden sich erst einmal damit beschäftigen müssen, was überhaupt in den universitären Sitzungen gesagt wurde. Äußerungen, die Andringa als Privatmann getätigt hat, müssen anders bewertet werden.
Aber auch hier ist die Toleranz nicht grenzenlos: Der demokratische Rechtsstaat hat das Recht, ja sogar die Pflicht, seine eigene Grundlage zu verteidigen. Auch in Deutschland würde ein Beamter Probleme bekommen, der offen zur Revolution aufruft, um nur ein Beispiel zu nennen. Und der umstrittene Radikalenerlass, der angeblich gefährliche Personen präventiv aus dem Beamtentum halten sollte, feierte gerade sein 50. Jubiläum – und wir immer noch kritisch diskutiert.
Wie weit kritisches Denken gehen kann, wie unvoreingenommen es sein muss und was akademische Freiheit in unserer Zeit bedeutet – all das sind Fragen, auf die uns der vorliegende Fall Antworten geben kann. Und bevor wir es merken, sind wir vielleicht selbst schon kritische Denker geworden.
Hinweis: Dieser Beitrag erscheint auch auf Telepolis. Titelgrafik: geralt auf Pixabay.
“Werden noch Argumente ausgetauscht, das heißt, geht man noch prinzipiell auf den Standpunkt des Anderen ein? Oder wird immer nur dasselbe wiederholt?”
Die Frage ist, wie weit man an der Uni wirklich unsinnige Theorien ausdiskutieren muss und ob es Sinn macht, das in fachfremden Fächern zu tun. Kreationismus, Relativitiätstheorie-Leugner, Astrologie oder grundsätzliche Zweifel an der globalen Erwärmung sind eigentlich keine Themen, mit denen sich seriöse Wissenschaftler heute noch intensiver beschäftigen, das frisst zu viel Zeit und die Vertreter dieser Theorien sind erfahrungsgemäß unbelehrbar.
“Den selbsternannten Verfechtern der Aufklärung liegt sonst doch auch so viel an Pluralismus.”
In den Wissenschaften ist das aus pragmatischen Gründen kein Selbstzweck. Die kritische Vernunft darf durchaus aussortieren, was im rationalen Diskurs mit guten Gründen verworfen wurde.
Kurse in kritischem Denken müssten also zuallererst die Methoden eines kritischen Diskurses klären, dazu gehört zuallererst auch Selbstkritik. Erfahrungsgemäß fehlt gerade die denen, die sich als kritische Denker bezeichnen und dann irgendwelche absurden Theorien nachplappern.
Kritisches Denken? Das ist doch diese schlimme “Denkpest”, von der Sacha Lobo neulich schrieb:
“Sie ermöglicht, sich vollkommen frei auszusuchen, was man für richtig hält, was für falsch oder wo man einfach das Gegenteil des Inhalts für richtig hält.”
https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/corona-und-die-radikalisierung-der-impfgegner-die-denkpest-geht-um-kolumne-a-307b0e08-c4fe-43c2-800b-b2da618ec4ca
Das geht natürlich gar nicht in einer Demokratie. Nur die Regierung und ihre “Experten” bestimmen, was richtig und was falsch ist.
@Peter Müller
Haben Sie auch Argumente bezüglich des Artikels von Sascha Lobo oder nur Unterstellungen?
@Paul Stefan: kritisches Denken vs. Glauben
Wenn wir nicht einmal an den Universitäten der nächsten Generationen kritisches Denken beibringen und dabei auch keine Themen behandeln dürfen, die für Sie “offensichtlich falsch” sind – ja, wie sollen die Leute es dann lernen, selbst zu diesem Ergebnis zu kommen? Sollen sie halt einfach glauben, was Paul Stefan sagt?
Einfach nur zu glauben, was eine bestimmte Tradition sagt, ohne wirklich zu wissen, warum – davon wollten wir uns doch gerade wegbewegen und das ist auch der Kern des philosophischen Menschheitsprojekts mindestens seit Sokrates. (Der für sein kritisches Hinterfragen übrigens die Todesstrafe erhielt und den Giftbecher nahm.)
P.S. Bei dem Titel Sascha Lobos wird mir ehrlich gesagt schon übel; ich schaue aber mal in den Text.
Wenn Kritisches Denken zur “Denkpest” erklärt wird, fehlen mir als “Betroffener” ehrlich gesagt die Worte. Niemals hätte ich bei der Wende 89 gedacht, das gut 30 Jahre später der Staat wieder das Denken für mich übernimmt, regierungskritische Demonstration verboten werden, Kritik zensiert und kritische Geister sogar vom Geheimdienst bespitzelt werden.
@Paul Stefan, Müller: Sascha Lobos “Denkpest”
Der Artikel war dann zum Glück weniger schlimm, als ich befürchtete; kann man bei Gelegenheit mal drauf reagieren. Hier nur kurz:
Es ist eine leicht zugängliche Tatsache, dass sich in Deutschland inzwischen rund 30 Prozent der Bevölkerung nicht mehr an den Bundestagswahlen beteiligen beziehungsweise die AfD wählen. Wer hat sich denn in den letzten zehn, zwanzig Jahren ernsthaft um die Integration dieser Menschen gekümmert, die sich offensichtlich von der deutschen Demokratie nicht mehr repräsentiert fühlen?
Lobo wiederholt jetzt wieder denselben Fehler, dessen Folgen er für bedauerlich hält: Wie viele der Menschen, denen er eine “Denkpest” diagnostiziert, werden wohl offen für ein Gespräch mit ihm sein?
Und Sascha Lobo greift meiner Meinung nach ganz schön tief ins Klo, wo er schreibt:
Klar, ich will mein Gegenüber angeblich nicht pathologisieren – und attestiere ihm dann erst einmal die PEST. Mich überzeugt das nicht; für mich gehört dieses Vorgehen eher in die Schublade “Realsatire”.
Der Begriff “kritisches Denken” ist leider von Verschwörungsgläubigen massiv missbraucht worden und ist meiner Meinung nach “vergiftet”. Echtes Nachdenken bedeutet eben mehr als irgendwelche Gerüchte und hingeworfene Meinungen einfach als Fakten zu akzeptieren. Wenn der gute Herr Professor tatsächlich die ihm vorgeworfenen Äußerungen gemacht hat, ist er als Wissenschaftler komplett diskreditiert.
Beim Thema Impfungen ist der Fake mit der Auslösung von Autismus schon Jahrzehnte lang widerlegt, und der menschengemachte Klimawandel ist so gut mit Fakten belegt, wie es überhaupt in diesem Gebiet geht.
@Müller: der Staat übernimmt nicht das Denken für uns, aber in einer Pandemie hat die Exekutive eben das Problem, dass sie auf Basis von unvollständigen und auch sich schnell ändernden Informationen entscheiden muss, wie man am besten Schaden von der Bevölkerung abwenden kann. Solange sie sich dabei auf den Rat von Experten stützt ist nichts dagegen einzuwenden. Wenn die von ihnen ohne Angabe von Beispielen zitierten “kritischen” Geister deshalb zum Umsturz der Regierung aufrufen und Demos organisieren muss die Regierung dagegen vorgehen.
P.S. @Müller: Ich halte es auch für bedauerlich, dass “Querdenker” nun zum Unwort wurde. Zur Erinnerung mal aus dem Prä-Corona-Duden:
Kritische Denker sind Querdenker – und von solchen lebt eine offene und pluralistische Demokratie.
@Peter Müller
Was Sie zum Thema Meinungsfreiheit schreiben, ist Unsinn und widerlegt sich schon allein dadurch, dass ich es gerade lesen konnte.
Sie dürfen nicht
– den Holocaust leugnen,
– nationalsozialistische Propaganda verbreiten,
– Staatsgeheimnisse verraten und
– zu Straftaten aufrufen.
Alle anderen Meinungsäußerungen sind Ihnen gestattet. Nur verwechseln Sie Meinungsfreiheit bitte nicht mit dem Recht, unwidersprochen seine Meinung äußern zu dürfen.
Es ist beileibe keine Zensur, wenn Sie Widerspruch erfahren, sondern ganz im Gegenteil Ausdruck der Meinungsfreiheit nicht nur von Ihnen, sondern auch Ihres Gegenübers.
Widerspruch muss man als Demokrat ertragen können.
@Physiker: Sprache und Sprachverbote
Ich erinnere mal daran, dass man im Deutschen beispielsweise den Begriff “Euthanasie” nicht mehr verwendete, weil dieser von den Nazis pervertiert wurde. (Hier in den Niederlanden, wo aufgrund der damaligen Datenverarbeitung relativ gesehen die meisten Juden aufgespürt wurden, verwendet man den Begriff übrigens ohne Einschränkung, sogar im Namen des Gesetzes: de euthanasiewet.)
Jetzt sprechen wir – man könnte sagen: politisch Korrekt – von “Sterbehilfe”. Meinetwegen. Stellen wir uns aber vor, Neonazis würden an die Macht kommen und ein “Sterbehilfeprogramm” einführen. Dann dürfte man nicht mehr von “Euthanasie” sprechen (missbraucht von den Nazis) und auch nicht mehr von “Sterbehilfe” (missbraucht von den fiktiven Nezonazis). Man müsste sich also wieder einen neuen Begriff einfallen lassen.
Erstens sehe ich nicht ein, wieso ich mir von Radikalen eine bestimmte Sprachkultur aufzwängen lassen soll (was passiert, wenn man die von ihnen missbrauchten Begriffe mehr oder weniger verbietet). Zweitens deckt man damit auch die Geschichte zu: Anstatt nicht mehr von “Euthanasie” zu sprechen, könnte man Menschen auch darüber aufklären, was dessen ursprüngliche Bedeutung war (altgriechisch eu + thanatos) und was die Nazis dann daraus gemacht haben; so könnte man noch ‘was lernen.
@Physiker: Allzumenschliches
Menschen können sich im Leben auch mal verrennen. Wir kennen beide nicht die persönlichen Hintergründe. Durch eine zu scharfe Ausgrenzung löst man das gesellschaftliche Problem nicht, sondern vergrößert es wahrscheinlich noch. Fast möchte ich an die Metapher vom “verlorenen Schaf” denken, doch ich bin kein Pfarrer.
Wie dem auch sei, ich wünsche dem Menschen vor allem eines: ein faires Verfahren!
@Klingbeil: Meinungsäußerungsfreiheit
Finden Sie nicht, dass sich hier mit der berühmten “Nazi-Keule” nicht etwas verheben? @Müller sprach von “regierungskritischen Demonstrationen”. Hier hätte man anmerken könnten, dass diese wohl nicht wegen der Regierungskritik, sondern wegen Missachtung bestimmter Sicherheitsregeln untersagt wurden; manche nehmen es halt anders – und meiner Meinung nach unzutreffend – wahr.
Den “Unsinn” könnte man Ihnen aber auch selbst vorwerfen, da wir uns hier nicht in einem öffentlichen Forum befinden, sondern einem privatrechtlichen Zusammenhang, in dem die Grundrechte wahrscheinlich nicht einmal mittelbar gelten. Dafür sind die SciLogs und umso mehr MENSCHEN-BILDER wohl schlicht zu unbedeutend (siehe: Meinungsfreiheit und das “Hausrecht” im Zeitalter des Internets).
Danke für den interessanten Artikel. Zu diesem Thema fällt mir auf, daß die Themen “Klimawandel” und “Corona” neben der wissenschaftlichen Komponente auch eine “politische” haben. Denn diese Themen haben ja zur Folge, daß Einschränkungen für viele Menschen von der Politik beschlossen oder diskutiert werden. Bein Corona sehen wir dies mit Lockdown, Impfpflicht etc. Dies ist ja auch nach den früheren Artikeln auch in den Niederlanden im Prinzip nicht anders als in Deutschland. Es ist klar, daß die Folge eines “Irrtums” der “Wissenschaft” auch entsprechende Folgen für die angeordnete Politik hat. Daher vermutlich auch die Reaktionen etwa von Medien, die sich wohl kaum fär “akademische Diskussionen” interessieren.
Gruß
Rudi Knoth
@Knoth: wissenschaftliches Wissen
Dazu passt, was ich an anderem Ort gerade formulierte:
Damit wissenschaftlichem Wissen ein bestimmter Status zukommt, muss es insbesondere systematisch und nachvollziehbar entstanden sein.
In der Praxis beruhen aber auch wissenschaftliche Studien auf Vorannahmen und bedürfen ihre Ergebnisse einer Interpretation. In diesem Sinne ist auch alle Wissenschaft menschengemacht. Man sieht doch gerade in der Coronapandemie, dass nicht alle Virologen oder Epidemiologen einer Meinung sind – durchaus auch angesehene Vertreter ihrer Fächer.
@Stephan Schleim
“Wenn wir nicht einmal an den Universitäten der nächsten Generationen kritisches Denken beibringen und dabei auch keine Themen behandeln dürfen, die für Sie “offensichtlich falsch” sind – ja, wie sollen die Leute es dann lernen, selbst zu diesem Ergebnis zu kommen? Sollen sie halt einfach glauben, was Paul Stefan sagt?”
Es gibt wissenschaftliche Theorien, die wurden mit guten Gründen aussortiert. Das hat mit mir und meinen Vorstellungen überhaupt nichts zu tun. Ich sprach vom Diskurs, nicht von meiner Autorität.
Es ist einfach auch Pragmatismus, nicht alles, was widerlegt wurde, noch einmal wiederzukäuen. Das hätte Platz in Vorlesungen und Seminare zur Wissenschaftsgeschichte.
Ich spreche mich überhaupt nicht gegen echtes kritisches Denken aus, im Gegenteil. Es geht, soweit man der Schilderung des Falles Adringa trauen kann, aber eher um ein trojanisches Pferd, es nennt sich kritisches Denken und beinhaltet unkritisches Denken.
Kritisches Denken lernt man wahrscheinlich am Besten am guten Vorbild und theoretisch wohl mit Popper (ich selbst habe ihn nicht gelesen).
Bezüglich der globalen Erwärmung reicht m.E. eine Graphik, an der man den Temperaturverlauf seit der letzten Eiszeit ablesen kann. Die zeigt ganz klar: die globale Erwärmung findet sehr schnell statt, ihr Ausmaß ist groß und sie kann nicht natürlich sein.
Die Analyse im Artikel von Sascha Lob halte ich für relativ gut, aber ich lehne die Wortschöpfung “Denkpest” ab, die ist polemisch und als Krankheitsmetapher sehr problematisch. Ich nehme mal an, dass er als Kolumnist mit solchen Leuten stärker konfrontiert ist, d.h. sein Postfach mit problematischen mails überquillt und deswegen sein Geduldsfaden gerissen ist.
@Schleim:
Natürlich hat Adringa Recht auf einen fairen Umgang mit den Vorwürfen, aber ich hatte ja geschrieben “wenn er die Äußerungen tatsächlich gemacht hat…”.
Falls das der Fall sein sollte, gibt es aber wirklich nichts mehr zu beschönigen, dann zeigt er die typische Denkweise von Verschwörungsgläubigen und ist damit als Dozent untragbar.
Zu den “Sprachverboten”: es gibt Begriffe, die sich im ursprünglichen Sinn nicht mehr verwenden lassen, weil – Sprache ist eben dynamisch – sich neue Bedeutungen und Assoziationen heraus gebildet haben. Man kann das beklagen, aber das ändert eben nichts an den Tatsachen. “Querdenker”, “kritisches Denken” sind eben in den letzten zwei Jahren neu besetzt worden und können daher nicht mehr so verwendet werden wie bisher. Im Englischen gibt es das Beispiel “gay”. “Young and gay” kann man nicht mehr sagen wie früher, die Bedeutung von “gay” ist eben heute eine andere.
@Artikeltext
„Dann sollte man offen über diese Werte sprechen. Lässt sich damit immer noch keine Einigung finden, muss man das tolerieren: Bestraft werden in demokratischen Rechtsstaat keine Gedanken oder Meinungen, sondern nur ausdrücklich verbotene Taten.“
Dagegen steht der Spruch: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.“
Zumal auch Worte im weiteren Sinne Taten sind. Beleidigungen sind durchaus strafbare Handlungen, wenn auch am unterem Ende des Spektrums von Straftaten. Und auch der Trickbetrüger arbeitet völlig gewaltfrei, nur mit Worten schafft er es u.U. hohe Geldbeträge abzuzocken, etwa mit dem Enkeltrick.
Und psychisch Kranke werden aufgrund von Gedanken und Meinungen diagnostiziert, dann zwar offiziell nicht bestraft, aber eben u.U. zwangsbehandelt. Theoretisch braucht es für die Zwangsbehandlung auch noch eine tatsächlich tätige Gefährlichkeit, die ist aber oft schnell gefunden. Und da muss noch nichts passiert sein, die bestehende Möglichkeit genügt.
Was alles auch seinen Sinn macht.
Wir sind hier jedenfalls selbst im Diskurs, und jeder hat die Freiheit, auf andere Meinungen nicht (mehr) einzugehen, sie zu überspringen und sie sich nicht durchzulesen. Wobei der Blogmaster auch löschen kann, wenn er es für richtig hält.
Was ich denke: mit einer Wirklichkeitsverweigerung kommt man generell in ungute Zustände. Auch dann, wenn man die fleißig diskutiert. Jeder Verrückte kennt das ganz gut: wenn hier Grenzen an mangelnder Wirklichkeitsprüfung überschritten werden, wird eine weitere Verständigung ergebnislos.
Auch wenn sich eine Demokratie in eine Diktatur verwandelt, wird erst nur gesprochen, bis eine Mehrheit ins Parlament gewählt wird, die dann die Demokratie abschafft. Danach fangen dann erst die Gewalttätigkeiten an.
Zumal überhaupt Gesetze und Verwaltungsvorschriften reiner Text sind, der aber die Grundlage aller Staatsgewalt ist.
@Stephan Schleim: Freiheit der Meinungsäußerung
Nun, ich hatte Herrn Müllers Kritik weiter gefasst als nur bezogen auf die aktuellen Demonstrationen unter Missachtung von Sicherheitsauflagen.
Allerdings muss ich zugeben, dass ich gleich und ähnlich lautende Kritik durch eine Person in meinem beruflichen Umfeld seit Monaten ertragen muss und vielleicht etwas dünnhäutig geworden bin, was Pauschalvorwürfe gegen unseren Staat, seine Organe und die Presse angeht.
Interessant finde ich, dass Sie meine kleine Auflistung dessen, was man in Deutschland nicht sagen darf, als “Nazikeule” bezeichnen. Ich dachte bislang immer, das wäre eine Metapher für einen Nazi-Vergleich insbesondere mit dem Ziel, als Totschlagargument zu dienen.
Für mich stellt diese Liste eher die strafrechtlich relevante Grenze dessen dar, was man in Deutschland öffentlich äußern darf. Honi soit qui mal y pense.
Und hier, in diesem Forum, sind wir, und in diesem Punkt bin ich gar nicht bei Ihnen, zweifelsohne in der Öffentlichkeit.
Anders als bei einer Privatwohnung gibt es hier weder a priori eine Zugangsbeschränkung noch darf man hier auf die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes hoffen. Man kann schlicht nicht wissen, wer alles mitliest, wobei die absolute Zahl derer, die das tun, eher eine untergeordnete Rolle bei der Beurteilung der Frage speilen dürfte, wo Öffentlichkeit aufhört und privates Umfeld anfängt.
Also gelten auch hier die Grenzen der freien Meinungsäußerung. Und die sind in diesem Lande zu unser aller Glück, siehe besagte Liste, extrem weit gesteckt.
Meiner Meinung nach.
@Tobias Jeckenburger 31.01.2022, 14:37 Uhr
Dieser “Antifa-Spruch” hat aber keine Entsprechung in unserem Strafrecht. Davo abgesehen, daß Faschismus eine Ideologie und ein politische Organisationsform ist, kann man in unserem Rechtsstaat wegen Faschismus verurteilen. Es ist eher die Denkweise der Erbauer des “antifaschistischen Schutzwalls” (Berliner Mauer).
Gruß
Rudi Knoth
@Paul Stefan: Bildung
Es geht hier aber doch nicht darum, als Wissenschaftler das Rad immer wieder neu zu erfinden, was tatsächlich witzlos wäre.
Es geht hier darum, junge Akademikerinnen und Akademiker auszubilden.
Im Chemieunterricht verwendet man übrigens auch Bohrs Atommodell oder die Newtonsche Mechanik, obwohl man weiß, dass die – streng genommen – nicht stimmen: weil das eben einen didaktischen und praktischen Nutzen hat.
Im Prinzip geht es aber mindestens seit Sokrates immer wieder um diesen Punkt: Seine Aussagen gut begründen können; und dabei offen für Kritik und selbstkritisch sein.
Der Biologe Thomas Huxley hat das als sein “agnostisches Prinzip” schön formuliert (siehe z.B.: Skeptizismus, Agnostizismus; oder: Wer rettet die Wissenschaft?).
@Physiker: dynamische Sprache
Ganz genau – und gerade darum, weil Sprache etwas Lebendiges, Dynamisches ist, stehen oft mehrere Bedeutungen nebeneinander.
Haben Sie als Physiker Schwierigkeiten damit, dass es mehrere “Wahrheiten” geben kann? Dazu habe ich gerade einen interessanten Aufsatz von Max Planck gelesen; ein anderes Mal mehr darüber. Erinnern Sie mich dann bitte daran, dass Sie ein Gratisexemplar von mir bekommen.
@Tobias: Faschmismus und so
Ich hatte im Studium eine Kommilitonin, die in der Mensa immer Flugblätter der Burschenschaften einsammelte und wegschmiss. Persönlich fand ich, dass das zu weit ging.
Man kann (und soll) faschistische Handlungen verbieten; faschistisches Denken in den Köpfen kann man aber nicht verbieten. Die Gedanken sind frei. Also sollte man sinnvollerweise darüber nachdenken, wie man mit faschistischen Strömungen in der Gesellschaft umgeht. (Linksradikale treten übrigens auch nicht immer astrein demokratisch auf.)
Und zur psychischen Gesundheit: Es passieren schlimme Dinge in der Welt; und es passieren immer wieder auch Fehler. In gewisser Weise kann man selbst entscheiden, ob man das als individuelles, mitunter auch systemisches Versagen sieht – oder als Ausdruck der großen Weltverschwörung. Bisher habe ich mich für Ersteres entschieden und das ist auch besser für die psychische Gesundheit.
@Schleim:
Ich habe ein Problem damit, wenn man offensichtlich widerlegte Falschbehauptungen wie “Impfungen lösen Autismus aus”, “Viren existieren nicht” usw. verbreitet. Da gibt es keine “anderen Wahrheiten”. Weltverschwörungen (insbesondere von Juden), Chemtrails, “Kakistokratie” und Ähnliches gehört ebenfalls in die Kategorie kompletter Schwachsinn; auch da kann es keine “anderen” Wahrheiten geben.
Bei “anderen Wahrheiten” bin ich in Versuchung, an die berühmten “alternativen Fakten” von Trumps Pressesprecherin zu denken.
@Klingbeil: Probleme
Vergessen wir auch nicht die außerordentlichen gesellschaftlichen Umstände (z.B. die Coronapandemie), in denen wir uns immer noch befinden.
Mit der “Nazikeule” meinte ich, dass Sie auf Straftaten verwiesen, die mit der Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts zu tun haben und in Deutschland (aber übrigens nicht überall auf der Welt) zu recht verboten sind. Solche Tendenzen sah ich nicht in dem Kommentar des anderen Lesers.
Durch eine Eskalation provoziert man wiederum eskalierende Reaktionen. Mitunter wird so etwas strategisch verwendet. Versuchen wir hier aber doch, so normal wie möglich miteinander zu diskutieren.
P.S. Hier in den Niederlanden sind beispielsweise Hakenkreuze meines Wissens gar nicht verboten, obwohl es dafür gute Gründe gäbe. Ich erinnere mich an einen Fall im letzten Jahr, dass ein Mann mit einer Hakenkreuz-Tätowierung ins Schwimmbad ging. Darüber beschwerten sich andere Besucher. Die Polizei konnte hier nicht einschreiten. Das Schwimmbad hat das dann aber über die Hausordnung gelöst. Der Mann durfte nur noch ins Schwimmbad, wenn er seine Tätowierung verdeckt.
@Physiker: Wahrheiten und Falschbehauptungen
Jetzt wechseln Sie aber das Thema:
Gerade noch ging es um die Verwendung von Begriffen (konkret: Euthanasie, kritisches Denken, Querdenker).
Jetzt verweisen sie auf die Verbreitung von Falschbehauptungen.
Natürlich dürfen Sie persönlich “ein Problem damit haben”. Es gibt aber nun einmal (jedenfalls in demokratischen Rechtsstaaten) kein Wahrheitsministerium, das gegen die Verbreitung von Falschbehauptungen vorgeht; und zwar aus guten historischen Gründen.
Ich empfehle noch einmal die Lektüre von z.B. George Orwells 1984.
@Klingbeil hatte gerade eine Liste mit Ausnahmen aufgestellt. Da geht es aber um Falschbehauptungen bzw. Volksverhetzung, die zu konkreten Gefahren für Leib und Leben führen können – und darum ins Strafgesetzbuch aufgenommen wurden.
@Schleim:
Ich kann nicht sagen, dass ich das Thema wechsele. Es geht doch im Kern darum, dass der gute Herr Dozent (vermutlich) Aussagen machte, die auch von selbsternannten “Querdenkern” oder von Leuten die angeblich “kritisch hinterfragen” kommen. Wie war doch das Ziel des Seminars? Kritisches Denken beizubringen? Das war doch eher der Versuch, längst widerlegten Unsinn an die Studenten zu verkaufen. Die Begriffe Querdenker, kritischer Denker werden leider inzwischen inflationär von Leuten verwendet, die solchen Schwachsinn wie oben aufgezählt verbreiten und so tun als seien sie und nur sie im Besitz der Wahrheit. Wie Sie dann auf ein “Wahrheitsministerium” kommen ist mir nicht klar. Es gibt klare Richtlinien für die Elimination von solchem Unsinn, das kann jeder der noch einen klaren Verstand hat machen.
@Physiker: Wenn er sogenannte Verschwörungstheorien nicht aus didaktischen Gründen verwendete, sondern um die Studierenden von seiner persönlichen Meinung zu überzeugen, dann ist das kritikwürdig. Die Universität lässt das untersuchen und wird dann darauf reagieren.
P.S. @Physiker: Wenn sich die “Querdenker” auf “Corona-Demonstrationen” jetzt alle “Physiker” nennen würden, würden Sie dann auch Ihren Namen ändern? Und Ihre Berufsbezeichnung?
Vielleicht geht Ihnen so ein Lichtlein auf.
@Schleim:
Das ist doch ein schräges Beispiel. Aber wenn die Berufsbezeichnung “Physiker” tatsächlich in einem neuen, irreführenden Zusammenhang verwendet würde, würde ich mich als Naturwissenschaftler mit Schwerpunkt Physik bezeichnen. Begriffe werden eben manchmal neu besetzt, und nicht immer in einer Weise die vielen Leuten gefällt.
Bei dem Herrn Andringa gibt es ihrer Schilderung nach doch sehr starke Hinweise, dass er diesen Unsinn eben nicht didaktisch verwendet hat sondern ihn für wahr hält. Aber Sie werden uns sicher über den Verlauf der Untersuchung auf dem Laufenden halten. An dem Aufsatz von Max Planck bin ich übrigens sehr interessiert.
“Jetzt wurde dem Dozenten aber vorläufig die Lehrbefugnis entzogen, bis das Ergebnis einer unabhängigen Untersuchung vorliegt. Was ist da los?”
Vorschlag: Warten wir die unabhängige Untersuchung ab und urteilen danach.
Auf Deutschland übertragen:
Eine Krise der Demokratie zu sehen ist übertrieben. Der deutsche Michel wurde immer als Schlafmütze dargestellt. Jetzt, wo sich ein Teil der Wählerschaft mobilisiert und auf die Straße geht, jetzt ist das auch nicht recht.
Warum gehen die Leute auf die Straße ? Weil sich ein “Machtvakuum” gebildet hat, hervorgerufen durch die Uneinigkeit der gewählten Volksvertreter. Das ist eine ähnliche Situation wie nach dem 1. Weltkrieg. Wir hatten eine Republik mit einem demokratisch gewählten Parlament. Aber wir hatten keine Demokraten.
Heute haben wir Demokraten aber noch keine Erfahrung im Umgang mit der Demokratie in Krisenzeiten. Es fehlt eine demokratische Kultur. Hoffentlich lernen wir etwas aus den gegenwärtigen Verunsicherungen.
@Physiker: Naturwissenschaftler
Dann nennen sich die Radikalen im nächsten Schritt eben “Naturwissenschaftler”, um Sie zu ärgern!
Mein Standpunkt ist und bleibt, dass man sich von einer Gruppe von Radikalen – und auch nicht von der Reaktion darauf – keinen bestimmten Sprachgebrauch diktieren lassen soll.
Die Duden-Redaktion hat, wie zu erwarten, inzwischen übrigens eine zweite Bedeutung für “Querdenker” aufgenommen:
Ich vermute mal, dass der Begriff nach der Coronapandemie auch wieder vermehrt in seiner ursprünglichen Bedeutung verwendet werden wird.
@ Schleim
möglich, daß es schon erwähnt und ich übersehen habe. Es gibt die Beweislast. Bei den sogenannten Querdenkern nehme ich vermehrt wahr, daß sie die Beweislast umkehren bzw. Behauptungen aufstellen, deren Beweis sie schuldig bleiben. Durch stetes Wiederholen der Behauptungen und vernetzen mit anderen “Querdenkern” bleibt’s dann, so die Hoffnung, schon irgendwie und irgendwann hängen.
Mit Sapere aude und der Aufklärung hat das freilich nichts zu tun. Aber vielleicht besteht die Hoffnung, daß so mancher besorgte Bürger durch “einigmal Fallen wohl endlich gehen lernt.”
@Hilsebein: So wie ich das sehe, geht es bei dieser Protestbewegung nicht um einen Streit um Fakten – sondern um politischen Protest. Mit anderen Worten: Der Impfstatus ist inzwischen (auch) ein politisches Statement geworden.
Darüber kann man lachen. Man kann sich aber auch mal Gedanken darüber machen, was diese Menschen sonst noch für politische Äußerungsmöglichkeiten haben, die irgendeine Aussicht auf Wirkung haben.
Dass die Impfquote in den südöstlichen Randbezirken der Bundesrepublik so viel geringer ist, kann man meiner Meinung nach unter gar keiner anderen Prämisse verstehen. Gerne verweise ich noch einmal auf meine Bemerkungen darüber, dass sich inzwischen fast 30% der (wahlberechtigten) Bevölkerung aus der “bürgerlichen” Gesellschaft verabschiedet haben – und das bisher kaum jemanden gekümmert hat (mit Ausnahme vielleicht von Gregor Gysi und ein paar Sozial- und Wohlfahrtsverbänden).
@Schleim
Dann vergleichen Sie mal den jetzigen Südosten mit Wahlerfolgen und Tendenzen während der Weimarer Zeit hin zu ’33 und folgenden Jahren. Da wird Ihnen schlecht nahezu 100 Jahre und weniger später.
@ Schleim
“Darüber kann man lachen. Man kann sich aber auch mal Gedanken darüber machen, was diese Menschen sonst noch für politische Äußerungsmöglichkeiten haben, die irgendeine Aussicht auf Wirkung haben.”
Warum sollte man denen eine Sonderstellung einräumen? Wir leben in einer repräsentativen Demokratie, was durchaus weiter entwickelt werden könnte, wenn es dafür auch die Menschen gäbe. Für eine direktere Form der Demokratie scheint die Vernunft aber noch nicht weit genug entwickelt zu sein. Wie sonst wären Trump, Johnson und Co und deren Wähler möglich?
@Schleim
Ehrlich,ich kann Sie verstehen. Es ist aber nicht die Frage,wer das bessere Argument versteht,sondern wer es für HÄLT…
Gewalt gilt für Einige als Haltungsargument.
Für mich zeigt der Fall Tjeerd Andringa vor allem eines: Denken ausserhalb der Naturwissenschaft führt nicht zu echtem Wissen. Es ist vielmehr normativ. Normativ bedeutet: Irgend jemand bestimmt, was wahr und was falsch ist.
@Holzherr 31.01. 22:23
„Denken ausserhalb der Naturwissenschaft führt nicht zu echtem Wissen.
Innerhalb auch erst nach langwierigen Prozessen. Sogar allgemein anerkannte Theorien mussten schon verworfen werden, weil Bessere gefunden wurden. Aber was eben am schwersten wiegt, ist dass man mit den gesicherten Erkenntnissen alleine nicht durchs Leben kommt. So brauchen wir auch die Geisteswissenschaften, auch wenn sich da die Theorien öfter ändern, und noch deutlich mehr Unklarheiten offen sind.
„Es ist vielmehr normativ. Normativ bedeutet: Irgend jemand bestimmt, was wahr und was falsch ist.“
Es gibt gerade in der Psychologie, teils auch in der Medizin, durchaus Koryphäen, deren Ansichten normativ genommen werden. Das halte ich für ein deutliches Manko, auch wenn es seinen Zweck erfüllt, und eine scheinbare Klarheit bringt. Die dann am Ende aber meistens nicht hält, was sie verspricht.
Was anderes ist die persönliche gelebte Praxis, in der man eben die ganzen Lücken der Theorie mit Improvisation und Gefühl überbrücken muss. Und daraus lässt sich durchaus auch ganz persönliche Erkenntnis ziehen, die nicht unter dem Niveau der Koryphäen liegen muss. Manch einer ist zwar nicht berühmt, und hat auch keine Bücher geschrieben, kommt aber mit seiner Aufgabe beim Dienst am Menschen wirklich gut zurecht.
Und die persönliche Lebenserfahrung ist sowieso eine eigene Lebensaufgabe, als ganz individuelle Leistung. Eine reine Komposition von geltendem naturwissenschaftlichem Wissen ist auch interessant, aber wiederum selber sehr speziell, weil man sich auf Bereiche beschränken muss, die der naturwissenschaftlichen Methode gut zugänglich ist. Das wilde Leben hält sich da meistens auch nicht so dran.
@Holzherr: Wissen
Dann haben wir ein ernsthaftes Problem: Dann können wir nämlich nicht wissen, warum naturwissenschaftliches Wissen einen besonderen Status hat; das lässt sich selbst nämlich nicht rein naturwissenschaftlich Begründen.
Ergo gibt es in der Holzherrenwelt gar kein echtes Wissen; ein neuer Skeptiker ist geboren. Willkommen im Philosophenclub!
@Dietmar Hilsebein
Repräsentativen Demokratie funktioniert nicht mehr, weil nicht jeder Burger Zeit hat sich über jede Sache gut zu informieren. David van Reybrouck sammelte alternativen: David Van Reybrouck, Gegen Wahlen.
Er schlagt for das Los und Deliberation anzuwenden für Entscheidungsprocesse. Das Los weist Repräsentanten an und die geben wir Zeit für Deliberation und Entscheidungsfindung.
Immer wieder hören wir die Ruf für neue Führer in der Politik. Das ist aber nicht was wir brauchen, wir brauchen gute Entscheidungen.
@ Schleim
“Dann haben wir ein ernsthaftes Problem”
Da habe ich auch erst mal geschluckt. Gäben wir aber dem alten Kant die Ehre, dann könnten wir wissen, warum naturwissenschaftliches Wissen einen besonderen Status hat: die Empirie. Wir müssen auf etwas zeigen können. Meine kleine Tochter pflegte da, da, da zu sagen. Und Papa/Mama sagten: das ist ein Auto, eine Puppe u.v.m. Aber das Kind zeigt auf etwas. Irgendwas erscheint in der Welt des Kindes, es fehlt nur der Begriff, um daraus eine Erkenntnis zu machen. Wenn uns nichts erscheint -im Sinne des Konstruktivismus- so müssen wir glauben. Ja, so gesehen ist Wissen nur naturalistisch denkbar.
@ Ronald
“Repräsentativen Demokratie funktioniert nicht mehr, weil nicht jeder Burger Zeit hat sich über jede Sache gut zu informieren.”
Dann funktionieren direkte Demokratien erst recht nicht. Gerade aber das fordern Querdenker ein, zumindest gehe ich da davon aus. Oder wollen sie einen starken Mann, der sagt, wo es lang geht? Offensichtlich nicht! Gute Entscheidungen setzen Fachkompetenz voraus. Und da ist man doch in Deutschland auf einem guten Weg -bei aller Kritik. In der Coronakrise hörte man zum gefühlten erstem Mal auf die empirische Wissenschaft.
@Stephan Schleim 31.01.2022, 21:00 Uhr
Was meinen Sie eigentlich mit “südöstlichen Randbezirken”? Etwa Niederbayern oder doch die berüchtigten Sachsen, die schon mal einer Regierung vor 30 Jahren Probleme brachten? Ich denke, daß die jetzige Politik hier schon Anlass für Kritik bringt.
Gruß
Rudi Knoth
KI-Forscher Tjeerd Andringa vermittelte im Kurs “Systems View on Life” kritisches Denken – oder gab das mindestens vor.
Aus der Beschreibung Stephan Schleims, aber auch aus dem was man sonst darüber liest, kann man entnehmen, dass der Lehrinhalt dieses Kurses die Meinungen und die Weltsicht des Dozenten waren. Keiner hätte irgend etwas gegen diesen Kurs auszusetzen gehabt, wenn nicht Tjeerd Andringa’s Meinungen krude, querdenkerisch und in Ansätzen vielleicht sogar antisemitisch waren.
Mein Einwand aber: Können/sollen Meinungen und persönliche Weltsichten Thema eines universitären Kurses sein? Ganz unabhängig davon ob diese Meinungen und Weltsichten nun gesittet oder ungesittet sind.
Letztlich meine ich damit: Natürlich kann man sich an der Universität kritisch austauschen (was immer das ist). Doch wohl eher in privaten Gesprächszirkeln und nicht in Kursen, die etwa sogar geprüft werden.
Mussi 31.01.2022, 21:24 Uhr
Ach und ein solches Wahlverhalten ist “erblich”? Denn inzwischen gab es dort nach dem Krieg eine andere Diktatur, die gerade durch Proteste, die von Leipzig ausgingen, überwunden wurde. Eventuell sollte mancher “Wessi” mal darüber nachdenken, ob es dort auch eine Skepsis gegenüber der Regierung und dieser “scheinbar nahestehenden” Medien gibt.
Gruß
Rudi Knoth
@Martin Holzherr 01.02.2022, 09:18 Uhr
Wie ist das denn dann mit Philosophievorlesungen? Dort werden doch Weltsichten vermittelt.
Die Ansichten etwa über Juden waren nach dem Artikel aber nicht Thema des Kurses sondern die “privaten Ansichten” des Dozenten ausserhalb der Universität. Also stimmt dies so nicht ganz, daß diese Ansichten Teil des Kurses waren.
Gruß
Rudi Knoth
@Dietmar Hilsebein
“Gäben wir aber dem alten Kant die Ehre, dann könnten wir wissen, warum naturwissenschaftliches Wissen einen besonderen Status hat: die Empirie.”
Kant und Empirie! LOL
“Der Begriff Transzendentalphilosophie umfasst philosophische Systeme und Ansätze, die die Grundstrukturen des Seins nicht durch eine Ontologie (Theorie des Seienden), sondern im Rahmen des Entstehens und Begründens von Wissen über das Sein beschreiben. Indem transzendentale Ansätze die Bedingungen der Erkenntnis untersuchen, die vor jeder Erfahrung (a priori) im Subjekt liegen, wird der Metaphysik als universelle Grundlagentheorie eine Erkenntniskritik vorgeschaltet. Die Transzendentalphilosophie ist somit auch Kritik der herkömmlichen Metaphysik. Mit der Transzendentalphilosophie verband zuerst Immanuel Kant den Anspruch, eine völlig neue Grundlage der Philosophie geschaffen zu haben.”
https://de.wikipedia.org/wiki/Transzendentalphilosophie
@Hilsebein: Empirie
Auf die Empirie zeigen – ja. Einigen wir uns jetzt noch darauf, dass das, was wir dann sehen, auch von unserem Blickwinkel abhängt (sogar in der Wissenschaft: von unseren Instrumenten, Methoden, Theorien, Vorannahmen, der gewählten Situation), dann sind wir uns einig.
Im Grunde gibt es hier keinen Unterschied: Wissen sollte immer systematisch und nachvollziehbar entstanden sein, unter Erwägung unterschiedlicher Perspektiven. In diesem Sinne gibt es auch keinen Unterschied zwischen Naturwissenschaft und Philosophen. Letztere fordern das seit mindestens 2.500 Jahren.
@Knoth: Schauen Sie sich die “Impflandkarte” des RKIs an, dann sehen Sie sehrdeutlich, wo der Südosten ist.
Nach Landkreisen ist das wahrscheinlich noch einmal aussagekräftiger.
@Knoth: Privatmeinung
Interessanterweise scheint dieser Unterschied in einigen Berichten in den landesweiten Medien vernachlässigt worden zu sein (also was der Herr im Privaten und was er in seinen Kursen gesagt haben mag). Auf diesen Aspekt wollte ich aber nicht auch noch eingehen. Manche scheinen doch etwas hastig von dem Artikel in der Universitätszeitung abgeschrieben zu haben.
Mal aus rechtlicher Sicht: Wie stark müsste eine antisemitische Haltung eines Beamten ausgeprägt sein, damit er seine Stelle verliert? Das niederländische Grundgesetz positioniert sich jedenfalls klar gegen Rassismus, schon im ersten Artikel:
(Übersetzung: Alle, die sich in den Niederlanden befinden, werden in gleichen Fällen gleich behandelt. Diskriminierung wegen Religion, Lebensüberzeugung, politischer Anschauung, Rasse, Geschlecht oder aus welchem Grund dann auch ist nicht erlaubt.)
@Stephan Schleim 01.02.2022, 09:59 Uhr
Das sind aber dann eher die “neuen Bundesländer” allgemein. Auch Bayern ist da eher etwas “östlich”.
Gruß
Rudi Knoth
@Paul Stefan: Schuss nach hinten
Der Schuss geht wohl nach hinten los: Wenn ein Philosoph an einer Stelle definiert, was Transzendenz oder Metaphysik meint, dann muss er ja nicht an allen Stellen die Empirie ablehnen.
Ich erinnere mich spontan daran, dass Kant zum Beispiel im Selbstversuch erforscht haben soll, ob man sich mit Luftanhalten in die Bewustlosigkeit bringen kann. Antwort: eher nicht. Was sollte so ein Versuch, wenn man die Empirie nicht ernst nimmt?
@Knoth: Wenn Sie die selbe Karte sehen, die ich sehe, dann fällt Ihnen vielleicht auf, dass Bayern tendenziell auch hinterher hinkt, jetzt insbesondere bei den “Auffrischungsimpfungen”. Das war während der ganzen Pandemie so.
Ein Bayer lässt sich halt von einem Preußen nicht einfach mal so ‘was sagen; mal salopp gesprochen.
P.S. Wo findet man denn die “Freistaaten” und warum?!
@ Knoth
Ich empfehle die Lektüre „Freiheitsgrade“ von Christoph Möllers.
Hier eine kurze Einführung/Stellungnahme:
https://www.philomag.de/artikel/christoph-moellers-ich-halte-die-individualliberale-sicht-fuer-verfehlt
Wenn Sie das verstanden haben, dann verstehen Sie vermutlich auch, wer warum offensichtlich den individuellen Freiheitsbegriff versucht zu kapern.
@ Holzherr: echtes Wissen
Gerücht, Märchen, Mythos, Legende, Sage, Fabel, Mär, Lüge, Verdrehung, Verzerrung, Behauptung, fake news, Einbildung, Imagination, Suggestion, Phantasie, Fiktion, Möglichkeit, Geschichten, Unsinn, Glaube.
Dann geht es weiter mit Widersprüchen, Gegensätzen, Ambivalenzen, Bedeutungswandel, Unklarheiten und Hypothesen vs Antithesen und Verschiedenheit in Definitionen und Entitäten, Ansichten, Annahmen, Schluss, Geheimes, Unwissen, Assoziation, Argument, Widerspruchsfreiheit, Empfindung, Eindruck, Aussage, Nachvollziehbarkeit, Beweis, Rolle, Heuristik oder Hermeneutik.
Ein Haus nicht als Haus zu bezeichen, nur weil die Physiker nicht genau wissen was Materie ist, ist das Problem zwischen „entweder oder“. Bei „sowoh als“ auch hebt es sich auf.
Als Jules Verne „Die Reise zum Mond“ schrieb, war das „echte“ Fiktion. Als wir mittels Naturwissenschaften auf dem Mond waren, war das „echtes“ Wissen? Was denn nun?
So ist Wissen momentan zwischen Wirklichkeit und Wahrheit. Nicht so einfach mit dem Urteil, was Wissen ist und vor allem, was echt ist.
@Stephan Schleim:
“Der Schuss geht wohl nach hinten los: Wenn ein Philosoph an einer Stelle definiert, was Transzendenz oder Metaphysik meint, dann muss er ja nicht an allen Stellen die Empirie ablehnen.”
Ich habe nicht gesagt, dass Kant Empirie überhaupt nicht ernst nimmt. Man kann ihn aber nicht heranziehen, um ihr einen besonderen Status zuzuweisen. Kants Ästhetik kommt z.B. völlig ohne Empirie aus.
Stephan Schleim schrieb (31. Jan 2022):
> [… D]er umstrittene Radikalenerlass […] feierte gerade sein 50. Jubiläum
… wobei sich im Bemühen um Ironiefreiheit z.B. stattdessen formulieren ließe:
“… dessen Inkrafttreten sich gerade zum 50. Mal jährte …”.
> – und wir immer noch kritisch diskutiert.
In Bearbeitung dieses Halbsatzes schlägt (u.a.) ein maschineller Sinnstifter anstatt des Wortes “wir” das Wort “wird” vor (das möglicherweise durch einen Tippfehler verstümmelt wurde).
(Ja, über’s Leben noch geht, Erwiderungen auffindbar beifügen zu können; anstatt sie zweckentfremdet und wirkungslos “irgendwo” hausen zu lassen.)
@Stephan Schleim:
” Wenn ein Philosoph an einer Stelle definiert, was Transzendenz oder Metaphysik meint, …”
Kants Hauptwerk, die drei berühmten Kritiken, beschäftigen sich nur mit Transzendentalphilosophie. Das ist nicht “eine” Stelle.
@Mussi 01.02.2022, 10:19 Uhr
Was soll dieser “Ausflug in die Philosophie”? In Ihrem Kommentar haben Sie Wahlergebnisse von vor 90 bis 100 Jahren erwähnt. Daraufhin habe ich Sie darauf aufmerksam gemacht, daß es von 1949 bis 1989 dort eine Regierung gab, in der gewisse Freiheiten stark beschränkt waren. Gegen dies hatten die Leute ausgehend von Leipzig demonstriert. Ist dies also nach Ihrer Sicht nicht recht? Unsere Verfassung betont ja diesen “individuellen Freiheitsbegriff”. Also ist diese auch nicht in Ordnung? Was die Impfpflicht angeht, so gibt es folgende Bedenken:
1. Der Impfstoff wirkt nicht zuverlässig gegen Ansteckung und Weitergabe (sterile Immunität).
2. Wir wissen nicht, welche Mutante im Herbst auftreten, und dieser Impfstoff schützt nicht mal gut gegen die Omikron-Variante, um Herdenimmunität zu erreichen.
Dies sind Kritikpunkte, die man überdenken sollte.
Gruß
Rudi Knoth
@ Knoth
Sehen Sie, ich habe versucht, auf Sie einzugehen. Sie versuchen es erst gar nicht.
@ Paul Stefan
Sie haben offenbar beim Begriff Empirie aufgehört, meinen Kommentar weiterzulesen.
@Paul Stefan: Kant
Worüber diskutieren wir hier eigentlich? Kant war halt Philosoph und hat sich auch mit den Empiristen auseinandergesetzt, deren Gedanken vor allem im englischsprachigen Raum verbreitet waren.
An einer Anthropologie oder Völkerkunde hat er sich durchaus empirisch versucht (z.B. Anthropologie in pragmatischer Hinsicht) – aus heutiger Sicht übrigens nicht nur in unproblematischer Weise. (Wo wir das Stichwort “Antisemitismus” schon im Text hatten.)
Doch was soll das hier? Inwieweit Kant Empirie ernst nahm, ist für das Thema dieses Artikels unerheblich.
@ Stephan Schleim
Wir sind uns einig, wenn wir uns darüber einig sind, daß nicht jede Perspektive gleich gut ist. Hinter einer Mauer kann ich nicht wissen, wie es in West-Berlin aussieht.
@Stephan Schleim
Freistaaten sind Sachsen und Bayern. Übrigens der Freistaat Bayern wurde von einem Sozialisten ausgerufen.
Gruß
Rudi Knoth
@Dietmar Hilsebein
Das Sortionismus oder Lottokratie ersetzt gewahlte Repräsentanten mit per Lotterie ernannte Repräsentanten. Und gibt diese Repräsentanten Zeit mit Experten und Interessengruppen zu diskutieren um gut informiert ein Entscheidung zu machen. Da gibt es keinen starken Mann, da gibt es einen Entscheidungsprozess.
Zu mindestens für die Gesetzgebung sieht Sortionismus gut aus.
Um die Diskussion wieder auf den ursprünglichen Grund zurück zuführen: es geht doch darum, ob Andringa in dem Kurs für Erstsemester (!) Vorgehensweisen des kritischen Denkens vermittelt hat oder ob er genau das Gegenteil getan hat, nämlich die Teilnehmer perfide indoktriniert. Nach der Lektüre des Artikels im Ukrant bin ich der Meinung, dass die Vorwürfe stimmen. Es gibt einfach zu viele Puzzleteile die diese Interpretation stützen. Dazu gehören auch die Äußerungen auf seiner Uni-Webseite und unter den Links dort, die durch diesen Bezug nicht mehr als rein persönliche Meinungen zu bewerten sind. Ein solches Verhalten ist besonders übel, weil ganz offenbar Studenten im Fokus standen, die noch nicht viel von wissenschaftlichem Denken gehört hatten und weil er natürlich als Autorität gilt. Falls sich die Vorwürfe erhärten, ist eine solche Person als Mitarbeiter einer Universität, so offen sie sein mag, untragbar.
Die Beispiele die er offenbar häufig besprochen hat, nämlich menschengemachter Klimawandel und der Zusammenhang von Impfung und Autismus, kann man übrigens ohne Rückgriff auf Kant diskutieren.
@Physiker: Das ist eine klare Ansage. Mich überraschte übrigens die Diversität der Kommentare auf der Seite der Universitätszeitung (mit anderen Worten: manche verurteilten den Dozenten scharf, andere verteidigten ihn). Ich weiß aber nicht, ob Sie niederländisch lesen können.
Wie dem auch sei: Da es hier um einen Kollegen geht, auch wenn wir einander nicht kennen, halte ich mich vorerst mit meinem Urteil zurück, auch wenn ich hierzu sicher eine persönliche Meinung habe.
@Physiker
Dazu brauchen wir die Fakten und die haben wir jetzt nicht. Wir können nur hoffen das die unabhängige Untersuchung uns die Fakten gibt.
Der Artikel in UKrant ist sehr tendenziös und populistisch und atmet Rache und Effektverfolgung und keine objektive journalistische Distanz.
Bei uns an der Uni haben einige Profs und Dozenten die Augen verdreht, als in allen Einführungsveranstaltungen des Wintersemesters das Mantra “Lasst Euch impfen!” bei jeder Gelegenheit und ständig eindringlich wiederholt wurde.
@FrankD:
Wahrscheinlich haben diese Profs die Augen verdreht, weil einige Studenten immer noch nicht geimpft waren.
@Ronald:
Der Artikel listet die bekannten Fakten auf und erklärt die Hintergründe. Tendenziös und populistisch geht anders. Ihre Behauptung er “atme Rache und Effektverfolgung und wahre keine journalistische Distanz” müssen Sie mit Zitaten belegen.
@Physiker
Neue Fakten oder vielleicht Perspektive, Andringa antwortet:
– https://corecognition.com/systems/introduction/
– https://www.linkedin.com/posts/tjeerd-andringa-a2477a6_core-cognition-the-cognition-shared-by-activity-6894310417766965249-lcjz
Um meine behauptung mit Zitaten zu belegen brauch ich mehr Zeit. Das Schreiben auf Deutsch fällt mir nicht leicht, aber Ich mag es.
Stephan Schleim schrieb (01.02.2022, 10:14 Uhr):
> P.S. Wo findet man denn die “Freistaaten” und warum?!
Ein Schelm, wer denkt, diese Frage sei nicht rhetorisch gemeint gewesen; oder “rund um Bloemfontein” sei Teil der (rhetorisch nahegelegten) Antwort.
Rudi Knoth schrieb (01.02.2022, 12:07 Uhr):
> Freistaaten sind Sachsen und Bayern.
Ein Schelm, wer denkt, damit wäre gemeint, dass Thüringen kein Freistaat (mehr) sei.
Stephan Schleim schrieb (31.01.2022, 16:04 Uhr):
> Es gibt aber nun einmal (jedenfalls in demokratischen Rechtsstaaten) kein Wahrheitsministerium, das gegen die Verbreitung von Falschbehauptungen vorgeht; und zwar aus guten historischen Gründen.
Immerhin gibt es die PDG…
Aber einen bestimmten “Frag-doch-mal-bei-SciLog”-SciLog gibt’s (noch) nicht.
(Ein Schelm, wer fragt, wofür es die besseren Gründe gäbe. …)
@Ronald:
Ich warte ab, was uns Herr Schleim über die Entwicklung des Falls Andringa berichten wird.
Ich möchte ihnen aber ein paar Bücher zum kritischen Denken empfehlen. Da wäre als erstes der Klassiker:
Carl Sagan, The Demon-Haunted World.
Dann mit dem Bezug zur Physik:
Milton A. Rothman, A Physicist’s Guide to Skepticism
Und zuletzt, nur auf Deutsch:
Dr. Mai Thi Nguyen-Kim, Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit
@Physiker: Danke für die Lesetipps. Rothman werde ich mir mal anschauen. Nguyen-Kim ist für meinen Geschmack zu viel Marketing und nicht alles, was sie über Wissenschaft verbreitet, stimmt so.
@Schleim:
“Nguyen-Kim ist für meinen Geschmack zu viel Marketing ”
Sie spricht natürlich eine andere Zielgruppe an, und bei jüngeren Menschen kommt ihr Stil gut an. Wenn Sie Kritik an ihrer Darstellung der Wissenschaft haben könnten Sie ihr einfach mal schreiben, ich bin sicher sie geht darauf ein.
Generell ist ihre Darstellung aber korrekt und gerade im heutigen Umfeld dringend erforderlich.
@Physiker
Die Empfehlungen sehen interessant aus, danke!
Ich mag das Konzept “Explanatory Coherence” zur Bewertung wissenschaftlicher Erkenntnisse:
Conceptual Revolutions, Paul Thagard
Im Fall Andringa ist jetzt viel los, und vielleicht ist Abwarten tatsächlich besser, um einen guten Überblick zu bekommen.
@Physiker: Ich kann mich nicht mit allem in der Welt beschäftigen, jedenfalls nicht gleichzeitig; zudem verwendet die Dame in ihren Darstellungen ad-personam-Angriffe. Das liefert sicher viele Likes auf You Tube, bei ihrer “Zielgruppe”, ist aber nicht mein Stil, selbst nicht bei einem ausgetickten Coronaprofessor.
Komt Zeit, kommt Nguyen-Kim-Replik.
@Frank Wappler 02.02.2022, 10:19 Uhr
Nun das war wohl mein Unwissen über Thüringen und keine “Absicht”.
Gruß
Rudi Knoth
Ronald schrieb (02.02.2022, 12:19 Uhr):
> Ich mag das Konzept “Explanatory Coherence” zur Bewertung wissenschaftlicher Erkenntnisse:
Conceptual Revolutions, Paul Thagard
Ich verstehe, nutze und empfehle das Konzept der quantitativen Angabe von “Messunsicherheit” zur Bewertung wissenschaftlicher Erkenntnisse,
zusammen mit dem Konzept “Messung” zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse;
vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/GUM_(Norm)
@Frank Wappler
🙂
Also nicht “Bewertung” sondern “Beurteilung” oder vielleicht “Auswertung”?
@Schleim:
Sicher sind ad hominem Argumente weder nützlich noch fein, aber man sollte sich auch vor Augen führen, welchen Anfeindungen Frau Nguyen-Kim ausgesetzt ist. Angefangen von üblen shit storms (habe ich selber mitbekommen) bis hin zu Morddrohungen gegen sie und ihre Familie. Da kann einem schon mal das Temperament durchgehen.
Ich vermute, dass Sie bisher noch nicht Ziel solcher Angriffe gewesen sind, daher sollten Sie etwas weniger kritisch über Frau Nguyen-Kim urteilen.
@Physiker: Shitstorms etc.
Wenn man in der Öffentlichkeit steht, wird man leider Ziel solcher Shitstorms; in kleinerem Maßstab bekomme ich das auch mit. Natürlich ist das keine Rechtfertigung.
Eine ad-hominem-Reaktion auf so etwas mag menschlich nachvollziehbar sein; trotzdem halte ich das inhaltlich für problematisch. Und wir sprechen hier ja über Wissenschaft. Zudem macht man sich damit natürlich wieder angreifbar – nicht nur von den Menschen, die einen sowieso schon angreifen, sondern auch von denen, die eine rein sachliche Diskussion führen wollen.
P.S. In einem Nachbar-Blog hatten wir vor Kurzem einen ihrer Auftritte in einer Talkshow thematisiert. Mal davon abgesehen, dass mich ihre Kleidung eher an eine Instagram-Influencerin erinnerte (jetzt rufen manche vielleicht “Sexismus”; Kleider machen aber nun einmal Leute und mit seiner Wahl strahlt man eine bestimmte Seriosität aus – oder eben nicht), überzeugte es mich auch nicht, dass sie, wenn sie nicht mehr weiter wusste, sich “nur als Journalistin” darstellte, sonst aber gerne als “Wissenschaftlerin” inszenierte, mit der dazugehörigen Autorität.
Dies ist eine freie Gesellschaft. Redaktionen können die Gäste einladen, die ihnen gefallen. Und ich darf darüber meine Meinung haben und äußern; die ist sogar begründet.
P.S. Man könnte die steilen Karrieren derjenigen, die auffällig oft mit Leuten aus der PR- oder Medienbranche verheiratet sind, auch mal kritisch beleuchten.
Ronald schrieb (02.02.2022, 15:42 Uhr):
> Also nicht “Bewertung” sondern […] ?
Aber gerne doch 😎:
Falls eine (bereits vorliegende) Messung ein Ergebnis im (endlichen) Vertrauensbereich [ m … p ] ergeben hatte, und eine weitere Messung (der selben Messgröße, in einer gleichen Versuchsanordnung) ein Ergebnis im Vertrauensbereich [ l … h ], dann beträgt, auf einer Skala von 1 bis 10, der Erkenntnisgewinn aufgrund der letzteren Messung
10 Tanh[ 1/( π^2 √{ (h – l) / (p – m) } ) ].
Stephan Schleim schrieb (02.02.2022, 18:40 Uhr):
> Dies ist eine freie Gesellschaft. Redaktionen können die Gäste einladen, die ihnen gefallen. Und ich darf darüber meine Meinung haben und äußern […]
In einer Gesellschaft mit betreuter Freiheits-Teilhabe dürfte freilich nicht nur jeder eine Meinung haben und irgendwo vor-sich-her-trällern, sondern diese wahlweise und praktisch-konkordant auffindbar mitteilen. (Und sei es vermittels Einladung von einer durch den Beitrag für kommunikative Teilhabe finanziert jeweils geeignet zu schaffenden Redaktion).
1. Problemfall A:
und zum Folgenden aus dem Artikel:
“…Beim Fall von Tjeerd Andringa kommt nun hinzu, dass hier ein Beamter in seiner öffentlichen Funktion problematische Äußerungen getätigt hat. Die Beteiligten scheinen sich zumindest darüber einig zu sein, dass das Lehren und Lernen kritischen Denkens wichtig ist. Doch wie weit darf das gehen?…..”
(Zitatende)
Daraus lerne ich zunächst mal, dass mein ” Kritisches Denken als Beamter in einer öffentlichen Funktion” nur so weit gehen darf, bis irgendjemand meinem Arbeitgeber signalisiert, dass dieses Denken (wenn ich es öffentlich äußere) möglicherweise auf irgendeine Art “problematisch” sein könnte.
Und da ich wie die allermeisten Menschen nicht gerade einen Hang zu selbstaufopferndem Heldentum habe, unterlasse ich deswegen in den allermeisten Fällen solche Äußerungen. Aber wenn ich sie mir nur selbst referieren darf, werde ich mir irgendwann mal sagen, dass das alles für mich keinen Sinn macht und werde das Denken solcher Gedanken allmählich einstellen. Zumindest bis zu meiner Pensionierung.
2. Problemfall B : Antisemitismusvorwürfe
“……Tückisch ist an solchem Vokabular, dass die Bedeutung meistens unklar ist: Wo hört berechtigte Regierungs- oder Wirtschaftskritik auf und wo fängt ein irriger Verschwörungsglaube an? Oder wo genau hört beispielsweise Kritik am Staat Israel auf und wo fängt Antisemitismus an?…..” (Zitatende)
Tückisch ist diesbezüglich vor allem , dass hier eine einzige voreingenommen-parteiische Gruppierung alleine definieren darf, dass Israelkritik immer auch Antisemitismus ist oder auch immer dann Antisemitismus ist, wenn NICHT gleichzeitig parallel zu jeder einzelnen Israelkritik auch weltweit alle anderen Regime kritisiert, werden , die ebenfalls Minderheiten schlecht oder völkerrechtswidrig behandeln.
Doch niemand verlangt , dass in D. Kritik an Rechtsradikalismus nur dann zulässig sein soll, wenn man immer jeweils auch eventuellen bzw. tatsächlichen Rechtsreadikalismus in allen anderen Staaten weltweit kritisiert.
3. Problemfall Doppelstandards und Scheinheiligkeit:
Sascha Lobo und Denkpest , Renate Künast und Beleidigung oder Hetze
Merkwürdigerweise scheint kaum jemand bei den (moralisch?) “Guten” wahrnehmen zu wollen, dass auch auf ihrer Seite mit öffentlichen Beleidigungen bis zur “Hetze” gearbeitet wird. Dazu ein Beispiel:
In einer Tageszeitung fand ich am Jahresanfang eine Kritik zu einem Buch des Autors Peter Grünlich mit dem Titel „Idiotenland“. Wie es scheint werden da auf 224 Seiten (alle?) „Querdenker“ Deutschlands mitsamt deren „Sympathisanten“ pauschal als grenzdebile Idioten verunglimpft. Auch hätten (diesbezüglich ?) Wissenschaftler aus Oslo durch Überprüfung von 730 000 IQ- Tests herausgefunden, dass wir am Übergang zur Idiotie leben würden.
Mal abgesehen von der grenzenlosen Arroganz des Buchautors müsste zudem auch jeder halbwegs Rechtskundige erkennen, dass es sich hier mit größter Wahrscheinlichkeit nicht nur um eine Beleidigung Einzelner, sondern eines nicht unerheblichen Teiles unserer Bevölkerung und zudem um den Tatbestand der Volksverhetzung handeln könnte. Und das gilt wohl unabhängig davon, wie man sich im Coronastreit selbst positioniert.
Ich hatte in einem Leserbrief an diese Zeitung und in einem Kommentar bei heise/telepolis auf diesen Tatbestand hingewiesen. Der Leserbrief wurde kommentarlos NICHT veröffentlicht bzw. abgelehnt. Der Kommentar bei telepolis wurde kommentarlos nach kürzester Zeit gelöscht.
Wo bleibt bezüglich des angesprochenen Buches die Organisation “Hate Aid”, welche laut heutigen Zeitungsberichten das sicher nicht ganz “preiswerte” langjährige juristische Verfahren von Renate Künast gegen ihre Beleidiger finanziert hat?
Deswegen mein Vorwurf bezüglich (eventueller) moralischer (und juristischer ?) Doppelstandards.
Zum Folgenden aus einem obigen Kommentar:
“…Die kritische Vernunft darf durchaus aussortieren, was im rationalen Diskurs mit guten Gründen verworfen wurde…..” (Zitatende)
Eine “Kritische Vernunft” hat einstmals in durchaus rationalen Diskursen auch das heliozentrische Weltbild mit (in ihrer Zeit) sehr guten Gründen verworfen.
Denn es widersprach aller damals möglichen empirischen Beobachtung.
Ich staune immer wieder , wie selbst angeblich kritische Rationalisten immer wieder in einen platten Positivismus bzw einen völlig unkritischen “Scientizismus” (den sie manchmal auch “Naturalismus ” nennen) zurückfallen.
Zum folgenden Kommentar eines “Physikers”:
“…..der Staat übernimmt nicht das Denken für uns, aber in einer Pandemie hat die Exekutive eben das Problem, dass sie auf Basis von unvollständigen und auch sich schnell ändernden Informationen entscheiden muss, wie man am besten Schaden von der Bevölkerung abwenden kann. Solange sie sich dabei auf den Rat von Experten stützt ist nichts dagegen einzuwenden. Wenn die von ihnen ohne Angabe von Beispielen zitierten “kritischen” Geister deshalb zum Umsturz der Regierung aufrufen und Demos organisieren muss die Regierung dagegen vorgehen…..” (Zitatende)
Nahezu (!) dieselbe Argumentation hätte auch der herumschreiende nationalsozialistische Ankläger während der Schauprozesse gegen die Hitler – Attentäter anführen können.
Oder einer der “furchtbaren Juristen” , die Partisanen und Deserteure noch fünf Minuten vor der deutschen Kapitulation bzw. vor Kriegsende zum Tode verurteilt haben.
“Physiker” biegen sich Demokratie und Grundrechte manchmal zu einfach nach ihren Denkschablonen zurecht. Zumindest manche. (-:
Im Jahr 1933 konnten sich selbst viele deutschnationale (bekennende) Juden nicht vorstellen , wie schnell die Demokratie zu Fall gebracht werden kann . Andere haben die schleichende Erosion schon Jahre zuvor erkannt und Konsequenzen gezogen. Natürlich oft nur , wenn es die ökonomischen Verhältnisse überhaupt zuließen.
Und wer heutige Hinweise auf Verhältnisse um und nach 1933 auf typisch demagogische Art als “Verharmlosung des Nationalsozialismus” diffamiert, steht nach meiner Meinung selbst schon mit einem Fuß außerhalb des Grundgesetzes.
@ Paul Stefan und zu :
“…Es ist einfach auch Pragmatismus, nicht alles, was widerlegt wurde, noch einmal wiederzukäuen. Das hätte Platz in Vorlesungen und Seminare zur Wissenschaftsgeschichte…” (Zitatende)
In DER Wissenschaft geht es aber nicht um Pragmatismus im Sinne einer Kosten- Nutzen -Abwägung, sondern auch um das Erforschen /Durchdenken der generellen Bedingungen und Voraussetzungen für Wissen oder Wissenszuwachs.
Und nur nebenbei: halten sie Großexperimente mit milliardenschweren Gerätschaften wie z. B. in der Grundlagenphysik oder der Astronomie eigentlich für “pragmatisch” ? (-;
@ Paul Stefan und:
“…Kritisches Denken lernt man wahrscheinlich am Besten am guten Vorbild und theoretisch wohl mit Popper (ich selbst habe ihn nicht gelesen)….” (Zitatende)
O mein Gott (der Wissenschaftstheorie)………… dann schauen Sie erst mal , was die Herren P. Feyerabend , Imre Lakatos oder Thomas Kuhn dazu Kritisches anzumerken hatten bzw. haben.
Dann reden wir weiter. Vielleicht . (-:
Und zur psychischen Gesundheit: Es passieren schlimme Dinge in der Welt; und es passieren immer wieder auch Fehler. In gewisser Weise kann man selbst entscheiden, ob man das als individuelles, mitunter auch systemisches Versagen sieht – oder als Ausdruck der großen Weltverschwörung. Bisher habe ich mich für Ersteres entschieden und das ist auch besser für die psychische Gesundheit.
(Ende des Zitates)
Psychische Stabilität ist sicher ein hohes persönliches Gut.
Aber ich überlege gerade , ob dieses Bekenntnis auch von einem Menschen stammen könnte, der sich zu Hochzeiten des Stalinismus überlegt, ob er kooperieren oder lieber doch Rücksicht auf seine psychische Gesundheit nehmen soll.
Denn bekanntlich wurde damals dort die Verweigerung von Kooperation nicht selten als Geisteskrankheit in psychiatrischen Spezialkliniken (meist erfogreich) behandelt, (-:
(Endlich muss ich mich mal nicht dem Vorwurf der Verharmlosung des Nationalsozialismus aussetzen. Hoffentlich (-: )
Nguyen-Kim ist für meinen Geschmack zu viel Marketing und nicht alles, was sie über Wissenschaft verbreitet, stimmt so.
(Zitatende)
Bei “kritischen” bzw. konträren Themen und Wissenschaftlern, sagt sie gelegentlich, dass das man an deren “Ergebnissen” zwar kaum etwas (wissenschaftlich) aussetzen könne, dass man deren Thesen aber trotzdem aus “wissenschaftskommunikativen” Gründen nicht (öffentlich ) verbreiten solle.
Kein Witz. Hab mir das vor Kurzem einen halben Nachmittag lang angeschaut. Sie ist der “Eduard Schnitzler” der veröffentlichten Populärwissenschaft. Riecht auch (etwas ?) nach GWUP- Dogmatik.
@Frank Wappler
Fehlt da die Konsistenz?
Erkenntnisgewinn(0.25,0.5)+ Erkenntnisgewinn(0.5,1) > Erkenntnisgewinn(0.25,1)
[1.423 + 1.423 > 1.999]
Der Erkenntnisgewinn ist also höher, wann man unterwegs Zwischenpräzisionsmessungen durchführt? Und sogar beliebig groß, wenn wir eine beliebige Anzahl von Zwischenpräzisionsmessungen zulassen.
@little Louis 03.02.2022, 16:50 Uhr und Nguyen-Kim
In einer Talkshow mit Jan Josef Liefers beklagte sie sich, daß durch die Aktion #allesdichtmachen die Diskussion über die Corona-Massnahmen wieder angefacht werde. Ihr sind wohl Widersprüche zu der aktuellen Politik unangenehm.
Gruß
Rudi Knoth
PS: Physiker sind nach meiner Meinung Menschen, die sich wie andere irren können.
@little Luis:
Wer mit Ausdrücken wie “Gwup-Dogmatik”, ” “Eduard Schnitzler” der veröffentlichten Populärwissenschaft”, ” herumschreiende nationalsozialistische Ankläger” nur so um sich wirft, der muss sich nicht wundern wenn man ihn nicht ernst nimmt. Offenbar haben Sie keinerlei Bodenhaftung in Bezug auf diese Diskussion mehr.
@ Physiker 03.02.2022, 18:42 Uhr
Ich bedanke mich beim Physiker für das konsistent- argumentative Eingehen auf meine obigen Thesen. Denn genau Solches hat auch schon in der Vergangenheit zu meiner jetzigen etwas flexibleren Bodenhaftung beigetragen. Denn in der Tat: Nur über trittsichere (argumentative) Treppenstufen erreicht man im Laufe des Lebens höhere Ebenen der Erkenstnis – wie auch meines Eigenheimes. (-:
Trotzdem habe ich nicht ganz verstanden, weshalb ” Physiker 03.02.2022, 18:42 Uhr” mich jetzt nicht (mehr?) ernst nehmen will.
Aber ich trags mit Fassung. Immerhin hat er seine Gegenargumentation ja einigermaßen höflich formuliert. Man bedankt sich für die Kenntnisnahme meiner Kommentare Was (beides) selbst hier nicht immer selbstverständlich war.
@ litle Louise
Vielleicht ist es die Arroganz und Eitelkeit,die von Ihnen ausgeht und irritiert.
Ronald schrieb (03.02.2022, 18:09 Uhr):
> Der Erkenntnisgewinn ist also höher, wann man unterwegs Zwischenpräzisionsmessungen durchführt? […]
Jedenfalls wollte ich “Erkenntnis” in dem Sinne auffassen und quantitativ bewerten, dass jedes kommensurable Messergebnis einen (positiven) “Gewinn” beiträgt
– der um so größer ist, je enger der Vertrauens- bzw. “Unsicherheits”-Bereich des Messergebnisses ist
(möglichst einschl. Vertrauens-Bereichsgröße Null, d.h. Messungen in Anwendung des Operators, der die betreffende Messgröße definiert; bzw. für “nicht-empirische” Herleitungen),
– der aber ausdrücklich nicht vom jeweiligen nominalen (einzelnen) “Wert des Messergebnisses” abhängt, und
– der ausdrücklich auch nicht davon anhängt, ob und wie die Vertrauensbereiche des anfänglichen (Referenz-)Messergebnisses und des dazukommenden (Erkenntnisgewinn bringenden) Messergebnisses eventuell überlappen, oder nicht.
Die Intuition ist kurz und knapp: je mehr Messungen oder je kleiner der Vertrauens-Bereich, um so mehr “Erkenntnis-Gewinn”.
Bei Betrachtung mehrerer Messwerte liegt aber außerdem die Forderung nahe, dass der damit insgesamt verbundene “Erkenntnis-Gewinn” unabhängig von der Reihenfolge der (sukzessiven) Bewertung der Einzel-Ergebnisse sein soll (d.h. assoziativ sein soll).
Damit die oben (03.02.2022, 12:46 Uhr) (mit einem durch die Smiley-Sonnenbrille verdeckten Augenzwinkern) vorgeschlagene Formel auch diese Forderung erfüllt, wäre (bestimmt) eine zusätzliche geeignete Regel/Formel zum “update des Referenz-Vertrauensbereichs” erforderlich;
also wie von den Werten
(p_1 – m_1) ≡ (p – m) und (h_1 – l_1) ≡ (h – l)
jeweils ein bestimmter (Referenz-)Wert (p_2 – m_2) ermittelt werden sollte.
Dafür eine passende und außerdem plausible Regel zu finden, fällt mir im Moment nicht leicht. …