Deutsche Forscher veröffentlichen ersten 3D-Atlas des menschlichen Gehirns

Ein Gespräch mit der Spitzenforscherin Katrin Amunts über Erkenntnisfortschritte, Herausforderungen der KI und ein gesundes Gehirn

Falls es einen Moment in meinem Leben gab, in dem ich bereute, nicht Medizin studiert zu haben, dann wahrscheinlich diesen: Katrin Amunts, Direktorin des Instituts für Neurowissenschaften und Medizin (INM-1) am Forschungszentrum Jülich und Professorin für Hirnforschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, hielt in meiner Zeit als Doktorand am Universitätsklinikum Bonn einen Gastvortrag über Neuroanatomie. Wie sie über die Windungen (lateinisch Gyri) und Furchen (Sulci) der Großhirnrinde referierte, verkörperte sie förmlich die Faszination für ihr Fach, wie ich sie sonst allenfalls bei meinem jahrelangen Ko-Blogger, dem Frankfurter Anatomen Helmut Wicht, erlebt habe.

Neben zahlreichen anderen wissenschaftlichen Funktionen, auch beim Human Brain Project, war Frau Amunts von April 2012 bis April 2020 Mitglied des Deutschen Ethikrats. Im August veröffentlichte sie mit, unter anderem, ihrem langjährigen und kürzlich leider verstorbenen Mentor Professor Karl Zilles in Science das Ergebnis von einem Vierteljahrhundert Forschung: den “Jülich Brain” genannten 3D-Atlas des menschlichen Gehirns.

In bisher ungekannter Genauigkeit kann jetzt jeder die rund 180 verschiedenen Regionen der menschlichen Großhirnrinde online nachschlagen. Da die mikroskopische Kartierung eines einzigen Gebiets rund ein Arbeitsjahr kostet, stecken darin etwa 200 Arbeitsjahre. Für die Zukunft der Hirnforschung ist insbesondere von Bedeutung, dass sich damit individuelle Unterschiede zwischen uns Menschen genauer quantifizieren lassen.

Frage: Frau Professorin Amunts, von wie vielen menschlichen Gehirnen haben Sie in Ihrem Leben schon Gewebe gesehen?

Amunts: Es waren sicher weit über hundert.

Und was faszinierte Sie so sehr an der Neuroanatomie?

Ich interessierte mich von Anfang an für die Zytoarchitektur, also das Aussehen und die Verteilung der Nervenzellen in unserem Gehirn. Diese Ordnung auf der Ebene einzelner Zellen in Schichten und Säulen der Großhirnrinde erlaubt Aussagen über deren Funktion, auch bei Erkrankungen. Und das alles hängt natürlich mit den kognitiven Funktionen zusammen, unserem Denken, Fühlen und Verhalten.

Von den rund 86 Milliarden einzelnen Nervenzellen unseres Gehirns hin zu den psychischen Funktionen ist es aber doch ein weiter Weg.

Mein Interesse kam und kommt schon auch von der psychologischen Seite, also den gerade von Ihnen genannten Fähigkeiten. Zwischen diesen und den Milliarden einzelnen Zellen liegen die neurophysiologischen Funktionen, beispielsweise die Aktivitäten großer Zellnetzwerke. Die Ästhetik und Ordnung der Zellen im Gehirn faszinierten mich schon immer.

Das Verständnis dieser Strukturen läuft aber ins Leere, wenn man nicht versteht, wofür das Gehirn als Ganzes da ist. Denken Sie zum Beispiel an einen Patienten, bei dem durch einen Schlaganfall das Sprachzentrum geschädigt ist und der nicht mehr richtig sprechen kann oder das eine oder andere nicht versteht. Wie genau hängt das damit zusammen, welche konkreten Hirnareale und deren Verbindungen beschädigt wurden und lassen sich daraus eine bessere Therapie und Rehabilitationsmaßnahmen ableiten?

Aufgabe für Mensch oder KI?

Im “Jülich Brain” steckt ein unvorstellbarer Arbeitsaufwand. Wie stark lässt sich die Identifikation der Nervenzellen und Gehirngebiete automatisieren? Haben KI-Algorithmen hier vielleicht zu einem Durchbruch geführt?

Künstliche Intelligenz wird tatsächlich immer wichtiger. Wir arbeiteten bisher mit einer Kombination verschiedener statistischer Verfahren und der Bildverarbeitung, um die Grenze zwischen Gehirnarealen reproduzierbar zu bestimmen. Das würden wir gerne noch weiter objektivieren, also noch unabhängiger von der Expertise des einzelnen Wissenschaftlers machen, und wir wollen den zeitlichen Aufwand der Kartierungen deutlich senken.

Es stellte sich aber heraus, dass man das nicht voll automatisieren kann. Das hängt vor allem auch mit dem Unterschied der menschlichen Gehirne voneinander zusammen: Zwar hat jeder von uns beispielsweise bestimmte motorische Areale für die Kontrolle von Bewegungen oder visuelle Areale fürs Sehen. Die Architektur der Zellen in diesen Arealen, also ihre genaue Anordnung, kann sich von Mensch zu Mensch aber sehr stark unterscheiden. Darum müssen wir uns jedes einzelne Gehirn und darin jedes einzelne Gebiet selbst ganz genau anschauen.

Abbildung: Für den Laien – ebenso wie für die heutige KI – kaum sichtbar, ändert sich an der Grenze zwischen zwei Arealen (gestrichelte Linie) die Architektur der Nervenzellen. Auf solchen Unterschieden basiert der neue probabilistische 3D-Atlas des Gehirns. Die römischen Zahlen markieren verschiedene Schichten in der Großhirnrinde. Quelle: Katrin Amunts/Forschungszentrum Jülich

Neuronale Netze lernen bestimmte Parameter, ähnlich wie das auch in einem echten Gehirn passiert. Interessanterweise kommen diese Netze schließlich zu ähnlichen Kategorien, wie diejenigen, mit denen wir Gehirnareale voneinander unterscheiden. Als Forscher wollen wir aber auch besser verstehen, was so ein Neuronales Netz genau tut. Doch da stehen wir noch am Anfang.

Sie sagten gerade “objektiv”. Aber führt so ein KI-Algorithmus nicht schlicht die Anweisungen aus, die ihm ein Mensch einprogrammiert?

Wir geben keine festen Kriterien vor, sondern trainieren ein Neuronales Netz mit Test-Datensätzen, in denen wir die Gehirnareale bereits kartiert haben. Danach nimmt das Netz die Unterscheidung selbstständig vor. Das ist eine andere Art der Analyse als die, die wir vorher hatten. Und diese führt übrigens zu neuen Forschungsfragen: Unsere Gehirne mit ihren natürlichen Neuronalen Netze haben Strukturen, um beispielsweise Kanten und Texturen zu erkennen. Lösen künstliche Neuronale Netze das auf ähnliche Weise, wenn sie letztlich zu denselben Ergebnissen kommen?

Jedes Gehirn ist individuell

Sie erklärten gerade, dass die individuellen Unterschiede zwischen den Menschen der automatisierten Kartierung im Wege stehen. Am Anfang unseres Gesprächs wiesen Sie aber auf den engen Zusammenhang zwischen der Zellstruktur und den psychischen Funktionen hin. Heißt das nicht, dass das Gehirn von jedem von uns anders arbeitet?

Wir sehen zwar in allen Gehirnen, die wir untersucht haben, die gleichen Gebiete. Diese können wir sogar mathematisch beschreiben. Innerhalb dieser Gemeinsamkeiten gibt es aber eine gewisse, zum Teil sogar beträchtliche Variabilität, die wir ebenfalls quantifizieren können. Was bedeutet das nun für die Funktion?

Denken Sie an eine einfache Sprachaufgabe: Nennen Sie zum Beispiel die Namen der ersten zehn Blumen, die Ihnen einfallen. Jetzt erinnert sich jemand vielleicht an ein Lied, in dem es um Blumen geht. Eine andere Person könnte aber in Gedanken das Blumenbeet des eigenen Gartens ablaufen. Wir können dieselbe Aufgabe also kognitiv unterschiedlich lösen. Menschen haben hier verschiedene Stile und Strategien. Und diese hängen wahrscheinlich auch mit strukturellen Unterschieden zusammen, wie wir sie festgestellt haben.

Denken Sie denn, dass sich diese beiden Ebenen – Zellstrukturen und Psychologie – eines Tages nahtlos verbinden lassen werden?

Ich bin Naturwissenschaftlerin und gehe von der Erkennbarkeit der Organisations des Gehirns aus. Es ist jedoch eine offene Frage, ob und wie die Kategorien von Psychologie oder sogar Soziologie und Kultur zur zellulären Organisation des Gehirns passen. Wichtig ist aber doch, dass es hier Interaktionen in beide Richtungen gibt: Das Gehirn steuert unser Verhalten – und die Umwelt sowie unser soziales Miteinander haben einen großen Einfluss auf das Gehirn.

Diese Art von Wechselbeziehungen ist hochkomplex. Ich denke, dass wir diese Komplexität noch nicht erfassen können. Wahrscheinlich wird man sie nicht zu 100% auflösen können. Dank wissenschaftlicher Forschung sind aber doch wichtige Erkenntnisse über unser Verhalten hervorgetreten, die früher nicht einmal im Ansatz vorhanden waren. Denken Sie insbesondere an die Verarbeitung der Sinnesreize oder den Bewegungsapparat. Diese Funktionen können wir heute recht gut erklären und das hat Bedeutung bis in die Klinik.

Ist angewandte KI mächtiger als Forschung?

Sie haben sich als Hirnforscherin gerade für den Nutzen von KI-Verfahren ausgesprochen. Ist es aber nicht ernüchternd, wenn nun Unternehmen wie Facebook oder Google schlicht aufgrund von Verhaltensdaten weitreichende psychologische Zusammenhänge über uns Menschen herstellen können – und das, ohne auch nur unsere Körper, geschweige denn unsere Gehirne im Detail zu untersuchen?

Ich empfinde das nicht als Ernüchterung. KI-Verfahren – wie im Übrigen auch Computersimulationen – sind Werkzeuge. Wenn man sie richtig anwendet, kann man beispielsweise falsche Annahmen ausschließen. Allerdings kann man Modelle zurzeit nicht so komplex machen, um damit alle relevanten Faktoren abzubilden. Und ich glaube auch nicht, dass KI die Antwort auf alle Fragen ist.

Aus wissenschaftlicher Sicht stellt sie aber eine große Herausforderung dar: Wie kommt so ein Neuronales Netz auf ein bestimmtes Ergebnis? Hier könnte die Hirnforschung gefragt sein, um für mehr Transparenz zu sorgen. Vielleicht nimmt sie eine Vermittlerrolle zwischen Informatikern und der Gesellschaft ein. Als ethisches Problemgebiet fällt mir hierzu beispielsweise die immer weiter personalisierte Art von Information ein, mit der wir in Suchmaschinen konfrontiert sind: Denken Sie daran, wie uns bestimmte Produkte präsentiert werden und damit unser Verhalten beeinflusst werden kann. Wie können wir uns als Bürgerinnen und Bürger vor Manipulationen schützen?

Alte Gehirnkarte abgelöst

Kommen wir noch einmal konkreter auf “Jülich Brain” zu sprechen. Noch heute wird in der bildgebenden Hirnforschung die über 100 Jahre alte Gehirnkarte des deutschen Neuroanatomen Korbinian Brodmann (1868-1918) zur Identifikation von Gehirngebieten verwendet. Lässt sich sagen, um wie viel genauer Ihr neuer 3D-Atlas ist?

Hier liegen mehr als 100 Jahre dazwischen, in denen sehr viel passiert ist. Brodmanns mikroskopische Arbeit ist sicher beachtlich, sonst hätte sie nicht so lange überdauert. Während seine Beschreibungen des Gehirns an vielen Stellen zutrafen, wissen wir aber seit 50 bis 60 Jahren, dass sie in anderen Bereichen nicht stimmten, beispielsweise bei den visuellen Arealen.

Ein wesentlicher Unterschied ist, dass Brodmann nur eine einzige Gehirnhälfte untersuchte. Damit fehlte schon einmal ein Links-Rechts-Vergleich. Die Karte zeigt auch keine Unterschiede zwischen Gehirnen. Das war ein Grund für uns, die Gehirne von zehn Personen zu untersuchen. Damit können wir für jeden Messpunkt die Wahrscheinlichkeit dafür berechnen, in welcher Gehirnregion er liegt. Das ist ein Aspekt der Variabilität, über die wir vorher gesprochen haben.

Und nicht zuletzt haben wir einen Atlas im dreidimensionalen Raum erzeugt, während sich Brodmann und viele andere nach ihm mit zweidimensionalen Schnittbildern begnügen mussten. Das sollte man nicht unterschätzen, denn wir Menschen bewegen uns auch im dreidimensionalen Raum und unser Gehirn repräsentiert diesen Raum auf der Ebene der Nervenzellen. Zwischen den Herangehensweisen vor mehr als 100 Jahren und heute liegen Welten.

Brodmann unterschied 43 Regionen des Großhirns. In Ihrer neuen Arbeit schreiben Sie von ungefähr 180. Wieso weiß man deren Zahl noch nicht genau?

Wir haben jetzt ca. 70% der Oberfläche der Großhirnrinde kartiert. Es gibt also Gebiete, die noch nicht fertig bestimmt sind. Diese Lücken gibt es, weil die Arbeit extrem aufwändig ist. Man weiß noch nicht genau, ob in diesen Zwischenräumen drei oder fünf Areale sind. Bedenken Sie, dass die Kartierung eines einzelnen Gebiets ein Arbeitsjahr kostet – bei fast 200 von ihnen steckt unglaublich viel Zeit drin.

Sie sprachen schon mehrmals die Individualität jedes Gehirns an, die jetzt in ihrem Atlas quantifiziert wurde. Lässt sich allgemein sagen, wie einzigartig das Gehirn von jedem von uns ist?

Menschen unterscheiden sich in der Gehirngröße, in der Art der Faltung der Großhirnrinde und in deren Architektur. Das sind alles strukturelle Eigenschaften, von denen man aber annimmt, dass sie funktionell relevant sind. Interessant ist, dass Areale weniger variabel sind, je näher sie an den Sinnesorganen und je älter sie evolutionär sind. Für mich ist diese Variabilität kein Zufallsrauschen, sondern etwas, das ich gerne verstehen möchte.

Vom Gehirn zur Psychologie

Lassen sich diese Unterschiede denn schon psychologisch deuten?

Wir haben einmal ein Gehirn eines Sprachgenies untersuchen können: von einem Mann, der über 60 Sprachen beherrschte und sein Gehirn der Forschung zur Verfügung stellte. Wir verglichen sein Sprachzentrum mit dem von zwölf anderen Gehirnen. Dabei stellten wir tatsächlich eine andere Zellstruktur und andere Asymmetrien fest. Das Sprachzentrum dieses Manns war im Vergleich zu den Kontrollen ein “Ausreißer”, der sich von anderen deutlich unterschied. Das ist ein starker Hinweis darauf, dass die Architektur der Zellen etwas mit der Funktion – hier dem Sprachvermögen – zu tun hat.

Solche Untersuchungen an Gehirnen verstorbener Menschen erlauben es natürlich nicht mehr, die psychischen Funktionen zu untersuchen. Auf der anderen Seite haben wir jetzt Verfahren der bildgebenden Hirnforschung, die wir beim lebendigen Menschen anwenden können. Da lässt sich aber die Mikrostruktur nicht gut untersuchen. Unser “Jülich Brain” ist als Bindeglied zwischen diesen beiden Welten gedacht – wir wollen Hirnaktivierungen aus modernen bildgebenden Untersuchungen den mikroskopischen Karten gegenüberstellen, um mehr über den Zusammenhang zwischen Struktur und Funktion zu erfahren.

Werden aber durch Ihren 3D-Atlas nun nicht die Ergebnisse von 50 Jahren bildgebender Hirnforschung gewissermaßen widerlegt, weil diese Studien die individuellen Unterschiede zwischen den Menschen nur unzureichend oder gar nicht berücksichtigten?

Diese älteren Studien entsprechen dem damaligen Stand der Forschung. Jetzt kann man viel genauer hinschauen und man kann bildgebende Untersuchungen in großen Kohorten durchführen. Mir ist wichtig, einem Gebiet nicht nur irgendeinen Namen zu geben, sondern wirklich zu verstehen, was sich dahinter verbirgt – welche zelluläre Architektur steckt dahinter, wie sieht die Verbindungsstruktur mit anderen Hirnarealen aus und wie sind die molekularen, funktionellen und genetischen Eigenschaften. Darum finden Sie in unserem Atlas zu vielen Gebieten auch Verweise zu Originalpublikationen, in denen die Struktur genauer beschrieben ist.

Langfristige Forschungsprojekte

Ich glaube, inzwischen dürfte jedem deutlich geworden sein, was für ein Mammutprojekt das “Jülich Brain” ist. In der heutigen Wissenschaftslandschaft ist Förderung oft nur auf drei oder vielleicht maximal fünf Jahre ausgelegt. Wie haben Sie und Herr Zilles es geschafft, Ihr Projekt über ein Vierteljahrhundert umzusetzen? Gab es in dieser Zeit auch schwierige Perioden, in der das Projekt zu scheitern drohte?

Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir ein Wissenschaftssystem mit den Sonderforschungsbereichen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) haben, mit der Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), mit der Helmholtz-Gesellschaft, die das Forschungszentrum Jülich trägt, und seit einigen Jahren auch Förderung der Europäischen Union. Von Vorteil war es, dass wir das große Projekt in viele kleine Teile zerlegt haben, die auch schon klinische oder psychologische Anwendungen hatten. So konnten wir uns Schritt für Schritt voranarbeiten.

Es gab in den 25 Jahren natürlich auch schwierige Zeiten. Wir mussten ständig neue Methoden entwickeln, in Software implementieren, Abläufe vereinheitlichen und Qualitätskontrollen einführen. Wirklich zu scheitern drohte es aber nie. Wir haben fortwährend daran gearbeitet, die Verfahren zu verbessern und mehr zu automatisieren. Stellen Sie sich ein Schiff vor, bei dem man noch einen Mast aufstellt und die Segel näht, während es aus dem Hafen ausläuft. So haben wir unseren Ansatz immer weiter angepasst, während wir an dem Projekt gearbeitet haben.

Hirnforschung in den Medien

Kommen wir zum Schluss noch auf eine allgemeinere Frage: In den letzten zwanzig bis dreißig Jahren sind mehrere führende Hirnforscher mit starken Äußerungen zu traditionell eher philosophischen oder rechtswissenschaftlichen Themen an die Öffentlichkeit getreten. Wie haben Sie das wahrgenommen? Und wo sehen Sie am ehesten einen Zusammenhang zwischen diesen Gebieten und der Hirnforschung?

Kontroverse Diskussionen gehören zur Wissenschaft dazu und ich begrüße das sehr. Das bedeutet auch, dass man mitunter Aussagen hört, die über das Ziel hinaus schießen. Verschiedene Forscher haben verschiedene Temperamente, so wie alle anderen Menschen auch. Zum Problem wird das, wenn die Dinge zu vereinfacht dargestellt werden und die nötige wissenschaftliche Tiefe und Qualität verlorengehen. Einen hohen wissenschaftlichen Anspruch zu verfolgen halte ich für sehr wichtig. Auch und besonders, wenn es über traditionelle Fächergrenzen hinaus geht.

Nehmen wir das Beispiel Schuldfähigkeit im Strafrecht: Heute werden hierzu mitunter psychologisch-psychiatrische Gutachten erstellt. Es geht um komplizierte Fragen und weitreichende Folgen für die Angeklagten, beispielsweise mit Blick auf langjährige Strafen und Vorhersagen in Bezug auf zukünftiges Verhalten. Es wäre doch ein wichtiger Schritt, hier der Entscheidungsfindung zur Hand gehen zu können und so irgendwann die Gutachten etwas objektiver zu machen. Die Schnittmenge mit den Erkenntnissen der Hirnforschung und Kognitionswissenschaften halte ich für offensichtlich.

Oder denken Sie an die Dual Use-Problematik, wenn etwa Wissen aus der Psychologie oder den Neurowissenschaften verwendet wird, um Menschen zu manipulieren. Wie sollte man Gesetze anpassen, um uns vor solchen Anwendungen zu schützen? Solche Fragen zeigen, wie wichtig es ist, die Mauern zwischen den Disziplinen abzubauen. Und international sehen wir ja auch, dass hieran immer mehr gemeinsam und interdisziplinär geforscht wird.

Zum gesunden Gehirn

Als Ärztin und auch als Forscherin, die mehr Gehirne unter dem Mikroskop als die meisten anderen Menschen gesehen hat: Was würden Sie den Leserinnen und Lesern empfehlen, um möglichst lange ein gesundes Gehirn zu erhalten?

Die Beantwortung hat vielleicht nicht nur mit Hirnforschung, sondern auch mit Erfahrungen zu tun, die man während des Lebens macht: Es scheint mir wichtig, neugierig und offen zu bleiben, sich zu bewegen und Sport zu machen und immer wieder zu versuchen, die eigenen Grenzen zu überwinden.

Aus der Hirnforschung wissen wir inzwischen, dass es kognitive Reserven gibt, die wir nutzen können. Das Gehirn verfügt über ein erstaunliches Maß an Plastizität und kann sich, zum Beispiel durch Lernen, an veränderte Bedingungen zu einem gewissen Grad anpassen.

Klar ist jedoch, dass sich konkrete Ratschläge nicht allein von der Ebene der Mikroanatomie oder aus unseren Kartierungen ableiten lassen. Aber wir können mit genaueren Karten und 3D-Atlanten den Neurologen, Kognitionspsychologen und anderen ein wesentlich besseres Fundament für ihre Einschätzungen zur Verfügung stellen.

Hinweis: Dieser Beitrag erscheint auch auf Telepolis – Magazin für Netzkultur. Titelgrafik: Katrin Amunts/Forschungszentrum Jülich

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36 Kommentare

  1. Daktylogramm im Gehirn! Aber es bleibt ein Gehirn.
    Faszinierend,oder?
    Die Relativität von gleich und ungleich.

  2. Man erkennt aus dem Interview: wir sind mittendrin. Mittendrin in der Forschung mit immer noch wenig gesicherten Erkenntnissen und vielen widersprüchlichen Aussagen. Was etwa die Alterung des Hirns betrifft, so gibt es viele Empfehlungen, darunter aber auch Aussagen, die die Hoffnung darauf geistig fitt bis ins zweite Lebensjahrhundert bleiben zu können, empfindlich dämpfen. Kürzlich las ich ein Interview mit einem Alters- und Hirnforscher, der meinte, das inzwischen viele Menschen so alt werden, dass ihr Hirn einfach nicht mehr mitmacht und dass es für dieses Problem keine einfache Lösung gebe.

  3. Eine “Kombination verschiedener statistischer Verfahren und der Bildverarbeitung, um die Grenze zwischen Gehirnarealen reproduzierbar zu bestimmen” klingt ein wenig wie Malen nach Zahlen, oder freundlicher ausgedrückt wie eine Wissenschaft für sich – oder begründet folgendes einen fatalen Kategorienfehler?

    Das würden wir gerne noch weiter objektivieren, also noch unabhängiger von der Expertise des einzelnen Wissenschaftlers machen, und wir wollen den zeitlichen Aufwand der Kartierungen deutlich senken.

    Es stellte sich aber heraus, dass man das nicht voll automatisieren kann.

  4. Vielen Dank, wieder einmal ein interessantes Interview. Gerne mehr davon!
    Vielleicht auch mal mit jenen, die Ihrer Meinung nach über das Ziel hinausschießen? Das fände ich sehr spannend.
    Schöne Feiertage,
    Diana

  5. @Holzherr: Das Seniorengehirn

    Der Star-Neuropsychiater an meiner Uni hat ein Buch mit diesem Titel (auf niederländisch) geschrieben, das innerhalb von ein bis zwei Jahren schon in der 15. Auflage erschienen ist.

    So oder so werden wir alle damit leben müssen, dass wir älter werden, krank und irgendwann sterben. So weit war man übrigens schon vor 2.500 Jahren in der Zeit des Buddhas (man nannte es: die unvermeidlichen Arten des Leidens).

  6. @Arne K.: Mit Objektivierung…

    …geht es wohl vor allem um den Ausschluss der Fehlerquelle Mensch. Frau Amunts hat, denke ich, als Ärztin und Hirnforscherin einen epistemisch-realistischen Standpunkt in dem Sinne, dass es eine Realität (hier: der jeweiligen Zellen/Gehirne) zu entdecken gibt; die will sie haben und keine andere.

    Aus philosophischer Sicht fände ich interessant, mehr darüber zu verstehen, wie denn genau eine Hirnregion definiert wird und inwiefern das wirklich eine natürliche oder eine von Menschen gemachte Kategorie ist, doch da müsste man jetzt sehr tief einsteigen.

  7. @Diana: Pop-Neurowissenschaftler

    Na, die kriegen doch schon so viel Aufmerksamkeit… Aus meiner Erfahrung kann ich übrigens sagen, dass die sich im Gespräch mit mir eher nicht trauen, ihr Wissen zu übertreiben, weil sie vermuten, damit nicht durchzukommen.

    Ich konfrontierte vor ein paar Jahren einen Star-Hirnforscher mit übertriebenen Aussagen aus den Medien. Darauf er: “Ach, immer diese Journalisten mit ihren Übertreibungen!” Erstens wissen wir aber aus Kommunikationsforschung, dass Wissenschaftler und ihre Institutionen durchaus selbst übertreiben; und zweitens finden sich auch in offiziellen Pressemitteilungen dieses Forschers Übertreibungen.

    Aber wie dem auch sei: Wer mir mir sprechen will, der ist willkommen – und bei Zeit und Lust mache ich daraus gerne ein Interview.

    P.S. Mit dem MPI-Direktor Kuno Kirschfeld gab es hier schon einmal einen Schlagabtausch.

  8. “Um Menschen zu manipulieren…”
    Dieses ist wohl keine Frage der Hirnstruktur sondern der moralisch-ethisches Einstlellung der jeweiligen Person. Wenn diese Person durch die Gesellschaft gelernt hat, dass man zum erreichen seiner (egoistischen) Ziele beinahe jede Methode anwenden kann- siehe die Manipulation von Doktorarbeiten bestimmter Politiker, die Manipulationen in der Autoindustrie und so unendlich weiter) dann arbeitet dieses kleine Gehirn – fremdgesteuert- da es diese Werte als seine eigenen Handlungsimpulse übernimmt. Man kann das Zeitgeist, Kultur, Wertesystem ,Marktwirtschaft , Raffgier etc. nennen- Was kann diese neutrale Gehirnmasse dafür ,dass man es mit solchen “Werten” permanent füttert ? Es wird immer nur manipulieren um seine Vorteile zu erreichen, was nicht an der Gehirnmasse und deren Strukturen liegt liegt sondern an dem vorgegebenen Wertesystem der Gesellschaft. Wenn diese krankhafte und dekadente Ausmaße annimmt, so kann auch ein gesundes Gehirn krank reagieren…

  9. @Stephan Schleim:
    Müssen ja nicht die Star-Hirnforscher sein – die sind ohnehin fast ausnahmslos Schaumschläger. Da sie vor kurzem den Spiegelneuron-Hype angesprochen haben – in anderen Ländern, v.a. den USA, mittlerweile überwunden, aber hierzulande gibt es immer noch erstaunlich viele Anhänger. Mich würde interessieren, wie diese Forscher die Entwicklung einschätzen, und ein “debunking” wäre insbesondere für die breitere Bevölkerung wünschenswert.

    Zum Thema Übertreibung: Ja. ein alter Hut. Wer übertreibt, macht von sich reden. Gibt es überall – auch bei Ihnen, und natürlich bei Journalisten, und ich würde sagen eher bei denen als bei Wissenschaftlern. Nach meiner Erfahrung werden Forscher für Pressemitteilungen von Pressestellen soweit wie möglich zu Verallgemeinerungen und Zuspitzungen gepusht. Sonst sagt die Zeitung nämlich nein (mir selbst passiert, weil ich mich nicht habe hinreißen lassen). Schade, aber so ist ist nun mal wenn der Kapitalismus Einzug hält im Journalismus und in der Forschung. Hoffentlich schaffen wir es, diese Entwicklung wieder umzukehren.

    “Aus meiner Erfahrung kann ich übrigens sagen, dass die sich im Gespräch mit mir eher nicht trauen, ihr Wissen zu übertreiben, weil sie vermuten, damit nicht durchzukommen.” Schwingt da nicht ein bißchen Hybris mit? Kann auch ein Hinweis sein, dass die meisten reflektierter und vorsichtiger sind als Sie in Ihren Beiträgen darstellen.

  10. @Diana: verschiedene Zungen

    Es gibt Forscherinnen und Forscher, die je nach Publikum – z.B. (1) bei einem Vortrag auf einem Kongress vor einem Fachpublikum, (2) bei einem Forschungsantrag, (3) in den populärwissenschaftlichen Medien und (4) mit Kollegen nach ein paar Bier – mit unterschiedlichen Zungen sprechen. Natürlich sollte man seine Botschaft der Zielgruppe anpassen. Das bedeutet aber nicht, dass man ihren Inhalt entscheidend verändert.

    Mir wurden übrigens zweimal Buchverträge angeboten, die ich abgelehnt habe, als klar wurde, dass hier mehr oder weniger die Marketingabteilung die Aussage diktiert. Das ist eine sehr individuelle Entscheidung, mit deren Folgen jeder und jede leben muss. Ich bereue von meinen Publikationen jedenfalls noch nichts.

    Zu den Spiegelneuronen: Die Mühe mache ich mir jetzt nicht. Es ist nämlich (psychologisch) so, dass an den Kritiker viel höhere Maßstäbe angelegt werden als an denjenigen, der die Gerüchte verbreitet. Falls Sie sich einlesen wollen, ist diese Arbeit von Baird und Kollegen ein guter Ansatz.

  11. Das (sic) im Interview erwähnte Sprachzentrum erscheint (zumindest mir als nahe liegender) Einstieg, “wie denn genau eine Hirnregion definiert wird” und insbesondere “inwiefern das wirklich eine natürliche oder eine von Menschen gemachte Kategorie ist”.
    Ich fände einen Vergleich “des Sprachzentrum” eines Gehirns mit den anderer Gehirne bemerkenswert, wozu augenscheinlich eine Region mit Sicherheit nicht genügt um den Anspruch der Bezeichnung zu klären.

  12. @Arne K.: Unterscheidungen

    Das ist dann eine funktionale Unterscheidung: Man schaut sich an, für was für eine Funktion eine Gehirnregion wichtig ist, und bezeichnet sie dann als Region.

    Klingt soweit logisch. ABER: Die Funktionen überlappen und überschneiden sich.

    Darum ist die anatomische Unterscheidung ein unabhängiger Versuch, um eine eindeutige Karte zu erhalten.

  13. Den Beitrag über den ersten veröffentlichen 3D-Atlas des menschlichen Gehirns finde ich sehr interessant, weil besonders auf „Trennstellen“ zwischen verschiedenen Neronentypen eingegangen wird.

    Dies scheint insofern interessant, weil an diesen „Trennstellen“ bestimmte „Bewusstseinseffekte“ auftreten dürften.

    Es kommt darauf an, dass Informationen in so etwas wie einen „örtlichen und zeitlichen Zusammenhang“ („Bild – Video“) gebracht werden. Besonders auch Zwischenergebnisse von vorhergehenden „Rechenprozessen“. Auf (auch „krummen“) flächigen Schichten kommt Information zur (beim Auge auch optischen) „Abbildung“ (im Sinne der Mathematik).

    Um nachvollziehbar zu erklären was ich meine, verweise ich auf die bekannten Prozesse an der Netzhaut. Das optische Bild wird sozusagen auf einer Seite auf die Netzhaut projiziert. Z.B. an den „Zapfen“ werden die Grundfarben zur Anzeige gebracht und vermutlich gleichzeitig als „Qualia“ wahrgenommen. Die in einem örtlichen und gleichzeitigen Zusammenhang stehenden, eintreffenden Bildpixel emergieren zu einem Bild, dessen Komponenten in den nachfolgenden Stufen ausgewertet werden.

    Auf der anderen Seite der Netzhaut werden entsprechend der anliegenden Bildpixel elektrische Signale ausgesendet und im neuronalen Netz aufbereitet. Vermutlich zunächst „aufgespalten“ um „informell“ festzulegen, dass z.B. neben einem blauen, ein rotes Pixel ist. Danach dürften Signale zusammengeführt werden um bestimmte „Muster“ (Kanten, Ecken, Krümmungen, Linien, Farbkombinationen, ….) selektiv abzubilden.

    In den weiteren Stufen dürfte es zu den üblichen assoziativen Prozessen und auch zu komplexen Mustervergleichen kommen die auch Intelligenz generieren können.

    Die Auswertung dürfte grundsätzlich? eventuell hauptsächlich? in Neuronen erfolgen, deren Eigenschaft einem „qualifizierten UND Gatter“ im Sinne von McCulloch entspricht. Darüber habe ich für Interessierte, Beiträge z.B. in diesen Foren aus Sicht eines Elektronikers geschrieben. (Schleim, Konecny, Dramiga …)

    Werden bestimmte „Zellverbände“ von diesen elektrischen Signalen „durchlaufen“, so erhält man vermutlich an den „Stoßstellen“ (unterschiedliche Neuronentypen) Effekte wie an einer „Mattscheibe“. Danach werden so etwas wie „Zwischenergebnisse“ weiter ausgewertet, wie hinter dem Auge. Man hat natürlich keine optische Abbildung mehr, sondern die Abbildung erfolgt durch jeweils triggernde Neuronen. Das annähernd gleichzeitige Triggern könnte man sich zusammengefasst vorstellen, wie die schwarze Farbe von „chinesischen Schriftzeichen“, die irgend eine früher gelernte Bedeutung haben. Anschaulich z.B. die Bedeutung „Katze“.

    Genaueres bitte aus meinen Beiträgen. Es sind „unverbindliche“ Überlegungen eines „alten Elektronikers“ aus dem “Gatterzeitalter“. Junge Elektroniker haben eine andere (Prozessor orientierte) Denke, die für die Prozesse im Gehirn weniger relevant scheint.

    Im Zusammenhang mit dem 3D-Atlas, wäre wichtig, dass die Abgrenzungen nicht genau die Funktion abgrenzen. Die z.B. für das Sehen bedeutsamen Funktionen geschehen sowohl vor der Abgrenzung (Netzhaut), als auch nachher. Erst in tieferen „Verarbeitungsstufen“ werden die Funktionen sozusagen „assoziiert“ mit anderen Bereichen, z.B. aus dem Sprachzentrum.

    Zitat: „Das sind alles strukturelle Eigenschaften, von denen man aber annimmt, dass sie funktionell relevant sind. Interessant ist, dass Areale weniger variabel sind, je näher sie an den Sinnesorganen und je älter sie evolutionär sind. Für mich ist diese Variabilität kein Zufallsrauschen, sondern etwas, das ich gerne verstehen möchte.“

    Bemerkenswert scheint, dass die Abbildung der Information hauptsächlich in der „Struktur“ liegt. „Daten, Datenstrukturen und Algorithmen“ werden sozusagen, so etwas wie „baumartig und vermascht“ auf den neuronalen Strukturen abgebildet. Die Daten liegen natürlich nicht aufbereitet und in digitaler Form gemäß einem bestimmten Protokoll an, wie bei den Informatikern. Es liegt „pure natürliche Information“ an, die erst von den jeweiligen sensorischen Zellen (Organen) in das vom Gehirn verständliche „Protokoll“ umgesetzt werden.

    An den grundsätzlichen Steuerungsprozessen (Herzschlag…) und an der von den Sinnesorganen ausgehenden Strukturen dürfte sich normalerweise nicht viel geändert haben und ändern, zumal alle Menschen eher der gleichen Umwelt ausgesetzt sind. Die anderen Strukturen könnten von unterschiedlichen Berufen (Tätigkeiten) abhängen, zumal bestimmte Ausprägungen von Strukturen („Talente“) auch noch durch das Training bei der Arbeit besonders verstärkt werden könnten.

    Habe einmal gelesen, dass eine Studentin der Tiermedizin einen Beagle, der sein ganzes Leben in einem Versuchslabor verbracht hat, aufgenommen haben soll (obwohl dies normalerweise nicht möglich ist). Der Hund konnte einen Spaziergang nicht verkraften, hat sich vor dem Haus hingelegt, Augen und Ohren „zugehalten“ und wollte nicht mehr weitergehen. Offensichtlich weil er sein ganzes Leben keine Autos und das „normale Leben“ wahrgenommen hat. Offensichtlich konnten sich die „Filter“ hinter der Netzhaut nicht wie sonst üblich entwickeln. Der Hund dürfte ähnliches wie wir empfunden haben, wenn wir einem willkürlichen bunten „Blitzlichtgewitter“ ausgesetzt werden.

  14. @Innere Erlebniswelt

    Interessant, das die Hirnforschung langsam vorwärts kommt. Und noch interessanter ist, dass sich die Strukturen der einzelnen Gehirnregionen von Mensch zu Mensch doch ziemlich unterscheiden.

    Hat man denn irgendeine Idee, welche Art von Strukturen das sein könnten, die unsere innere Erlebniswelt abbilden? @Elektroniker müht sich damit ab, und ich hol mir schon Hilfe von Geisteswelten, um das Problem irgendwie fassbar zu machen.

    In jedem Fall denke ich, dass diese Innenwelten evolutionär sehr alt sind. Dass in die Innenwelt das eingelagert ist, das wir auch Bewusstsein nennen, kann höhere Anteile haben, die z.T. nur der Mensch hat. Meine vielfältigen Erfahrungen mit Haustieren sagen mir aber, dass eine simple Innenwelt mindestens bei Mäusen vorkommen müsste. Das wäre eine gute Nachricht, was die Forschung angeht: Das kann man dann auch an Labormäusen untersuchen.

    Die guten alten EEGs mit den typischen Mustern vom Wachbewusstsein bzw. von Schlafphasen sehen mir sogar mehr nach unserer aktuellen Innenwelt aus wie die fMRT-Aufnahmen.

  15. @Jeckenburger: Zeit vs. Ort

    Schöner Vergleich: In der EEG-Welt denkt man eher an die zeitliche Dynamik von Gehirnprozessen; in der fMRT-Welt eher an den Ort. Tja, was kommt der “Psyche” wohl näher?

  16. @ Stephan Schleim 22.12.2020, 13:59 Uhr

    Zitat: „Jeckenburger: Zeit vs. Ort
    Schöner Vergleich: In der EEG-Welt denkt man eher an die zeitliche Dynamik von Gehirnprozessen; in der fMRT-Welt eher an den Ort. Tja, was kommt der “Psyche” wohl näher?“

    Was kommt der “Psyche” wohl näher, das ist eine sehr interessante Frage und ich möchte aus Sicht und im Vergleich mit einer „primitiven Elektronik“ eine möglichst anschauliche und nachvollziehbare Antwort finden.

    Die “MRT Welt” würde den elektrischen „Schaltplan abbilden“, leider derzeit nur mit schlechter Auflösung. Aus dem Schaltplan könnte man theoretisch die Funktion der Psyche (einen „winzigen Teil“ davon, wegen des Umfangs und der Komplexität des „Schaltplans“) erkennen. Dies würde im Prinzip reichen, sozusagen einen „Schaltplan zu zeichnen“.

    Anschaulich: In z.B. einer Waschmaschine wird die Information („abgebildet“ als elektrische Spannungen), ausgehend von Kontakten (z.B. Türe geschlossen, Wasserventil offen, …), Sensoren (Wassertemperatur, Waschpulver, …), Schaltuhren, Programmschaltern, … danach z.B. in Gatteranordnungen (früher und anschaulicher in Relaisschaltungen) verknüpft und in der Folge wird der Motor, Heizung, … elektrisch eingeschaltet (angesteuert) um eben Wäsche zu waschen.

    Die „Funktionen“ der Waschmaschine werden in der elektronischen Schaltung (gemäß dem Schaltplan) so abgebildet, wie die „Psyche“ des Menschen in den neuronalen Schaltkreisen.

    Die Bauteile wären hauptsächlich so etwas wie „qualifizierte UND Gatter“ die mit Synapsen, verknüpft sind.
    Die Synapsen könnte man sich ungefähr vorstellen wie „Lötpunkte“, die allerdings die Signale mit unterschiedlicher „Stärke durchlassen“. Ist ein bestimmtes Wissen sozusagen „sehr gut gelernt“, sind die Lötkontakte besonders „gut“ und es gibt sozusagen zur „Sicherheit“ noch „parallele Kontakte“ (frei interpretiert nach E. Kandel).
    Die UND Gatter (Neuronen) schalten dann durch (triggern), wenn an möglichst vielen Eingängen möglichst gleichzeitig Signalimpulse anliegen (frei nach W. McCulloch). Dieses Konzept entspricht ungefähr dem Konzept des „Perzeptron“ und ist sozusagen die Brücke zur Boolschen Schaltalgebra, letztlich zur seriösen Wissenschaft.

    Bedeutet, die Psyche wird in Wechselwirkungen von elektrischen Signalen mit neuronalen „Komponenten“ (Neuronen, Synapsen, mittels deren Funktionen und Verknüpfungen) realisiert, wie die Funktionen der Waschmaschine in Wechselwirkungen von elektrischen Signalen mit technischen Bauteilen (Schalter, Sensoren, Relais, Gatter, mittels deren Funktionen und Verknüpfungen) realisiert werden.

    Das EEG entspricht praktisch einem Oszilloskop mit vielen Kanälen, dass den zeitlichen Spannungsverlauf an bestimmten Stellen anzeigt. Damit könnte man überprüfen, ob und wie die Signale genau durch das System „fließen“, wie sie es gemäß der Schaltung tun müssten.
    Man könnte praktisch gleichzeitig die Signale am Eingang und am Ausgang der Schaltkreise messen. Also den Output in Abhängigkeit vom Input.
    Bedeutet, man kann an bestimmten Stellen die Inputsignale messen die einen bestimmten Sachverhalt abbilden, und kurze Zeit später kann man an anderen Orten den Output messen. Aus den Signalen kann man gewisse Rückschlüsse auf organische Erkrankungen ziehen, als auch auf einem bestimmten Input schließen.

    Die Wissenschaftlerin May-Britt Moser konnte sogar statistisch relevant ermitteln, für welches „Mittagessen“ sich ihre „Versuchsmaus“, sozusagen „nach dem Schnüffeln in der Geruchs Speisekarte“ entschieden hat.

  17. Was ist das, mit den architektonischen Zellbauweisen, für ein Thema? 3D Atlas geschenkt, aber erkenntnistheoretisch? Die Areale unterscheiden sich. Je nach Evolutionsalter, der Gattung. Hier nicht als Individuum verstanden, sind die Äußeren neuer werdend, wie, in ihrer Bauart verändert? Kann das einzelne Areal aus dem jeweiligen Zellzustand erklärt werden? (Planten mit Atommodellen zu vergleichen wurde vergangenes Jahrhundert schon kritisiert.) Eigentlich frage ich nach dem Verhältnis von Genotyp zu Phänotyp, einer andauernden Wechselwirkung und habe keine neurologischen Begriffe dafür. Um ehrlich zu sein, möchte ich mir das Lesen des ganzen Buch sparen und frage nur nach dem Profit der gefundenen Formel. Es gibt doch eine oder herrscht in der gestrichelten Linie das Chaos?!

  18. @Elektroniker: (f)MRT

    Ich glaube nicht, dass man mit fMRT den “Schaltplan” des Gehirns wird entschlüsseln können: Dafür ist einerseits die zeitliche und räumliche Auflösung viel zu grob und misst man andererseits ja nur eine Eigenschaft der Gehirndurchblutung, nicht die Zellaktivität.

    Die anatomische/strukturelle MRT ist für diagnostische Zwecke in der Medizin (nicht nur der Neurologie) sehr wichtig. Damit kommt man in den Millimeterbereich. In dem Projekt von Amunts, Zilles und anderen ist man aber im Nanometerbereich!

    Vor ein paar Jahren wurde der Vergleich gezogen, einen Prozessor aufgrund einer Wärmekarte (heat map) verstehen zu wollen; das scheint mir ein gutes Bild für die Möglichkeiten der fMRT zu sein.

  19. @Boß: Brücke zur Psychologie

    Ich weiß nicht, ob ich sie ganz verstehe… aber es gilt in der Hirnforschung und Psychologie, nach wie vor die Brücke zwischen den Zellen und den psychischen Funktionen zu bauen. (In der Philosophie spricht man auch von der Erklärungslücke.) Frau Amunts erwähnt ja immer wieder, dass daher die Faszination fürs Gehirn rührt. Nach meiner Einschätzung kommt man oft über die Feststellung, dass dieses oder jenes “anders aussieht” nicht hinaus, wie etwa bei dem Sprachgenie, das hier im Interview erwähnt wurde.

    Ich würde das in einem Folgeartikel wohl noch einmal aufgreifen. Vielleicht möchten Sie aber Ihre Frage noch einmal anders formulieren, wenn ich sie nicht beantwortet habe.

  20. @ Stephan Schleim 23.12.2020, 10:59 Uhr

    Mit der MRT misst man annähernd und mit sehr schlechter Auflösung ungefähr die Örtlichkeit auch von Zellaktivität.

    Die Hirnforschung dürfte insofern Glück haben, weil die Örtlichkeit einer Aktivität eher bedeutsam ist. Bei einem alten technischen „Prozessor“ würde der gesamte „Datenstrom“ z.B. über den Akkumulator (Datensammler) geführt, man bekäme eine praktisch sinnlose Aussage.

    Das „Schaltplanbeispiel“ einer fiktiven „Waschmaschine“ habe ich deswegen verwendet, weil die Informationsverarbeitungsprozesse im Gehirn, abgesehen von der Komplexität und der 3- Dimensionalität des Gehirns, mit dieser (ehemaligen) „Schaltungstechnik“ vergleichbar wäre. Man den Begriff „Psyche“ mit der technischen „Funktion“ vergleichen könnte. Es einerseits auf die Hardware mäßige „Abbildung“ (der Psyche, oder der Funktion), andererseits auf die „Realisierung“ (mittels der Einspeisung elektrischer Impulse) ankommt.

    Man weiß trotz schwierigem Zugang, relativ viel über das Gehirn. Man kennt die Funktion der Neuronen, der Synapsen, der Strukturbildung (E. Kandel), der Auswertung gemäß dem Gatterkonzept, wie Intelligenz generiert wird (Perzeptron W. McCulloch). Aus Mikroskopischen Untersuchungen die Feinstrukturen, den 3D-Atlas (Abgrenzungen, meiner Meinung nach wichtig für die „Bewusstseinsabbildung“), was selektive Ausfälle z.B. Kopfschüsse bewirken (Balint Syndrom), wo Medikamente andocken um bestimmte Wirkungen auszulösen. Welche Denk- oder allgemeine Signalkaskaden bei einer bestimmten Impulszufuhr ausgelöst, bzw. umgekehrt unterbrochen werden können werden, ….

    Man kann auch noch Vergleiche mit den früher in der Elektronik erfolgreich genutzten Gatterkonzepten ziehen.

    Auf Basis von so etwas wie „DNA Zufallsgeneratoren“ und der Darwinschen Selektion könnten sich derartige Strukturen besonders erfolgreich evolutionär entwickelt haben.
    Mikroprozessoren scheinen eher kein geeignetes „Vorbild“.

    Angeblich hat man mit dem Konzept „heat map“ herausgefunden, wie man einen Prozessor mittels Daten und Software partiell überhitzen und damit zerstören kann.

    Aber ohne Vorwissen und hoch entwickelter Messtechnik, wie es hochgradige Spezialisten z.B. von Intel, AMD haben, könnte man technische Prozessoren kaum analysieren.

  21. @ Stephan Schleim 23.12.2020, 11:02 Uhr

    Zitat: „….aber es gilt in der Hirnforschung und Psychologie, nach wie vor die Brücke zwischen den Zellen und den psychischen Funktionen zu bauen. (In der Philosophie spricht man auch von der Erklärungslücke.)“

    Genau diese „Lücke abzubauen“ habe ich in meinem Beitrag versucht.
    Es gibt eigentlich 2 Brücken. Eine Brücke zur Boolschen Schaltalgebra, zur Wissenschaft.

    Die 2. Brücke zwischen den Zellen und den psychischen Funktionen.
    Und da tut sich meiner Meinung nach die Philosophie deswegen schwer, weil sie weder den Dualismus und schon gar nicht das Konzept Prozessor – Prozess – Information akzeptieren will.

    1. Die „Realisierung der Psyche“ wird sozusagen in das System automatisch „eingespeist“ (eingelernt), über genetische Prozesse und über die Umwelt. (Das habe ich etwas vernachlässigt, scheint aber ohnehin selbstverständlich) Dies ist ein Prozess.

    2. Die Psyche ist zu einem „Zustand des Prozessors“ (neuronales Netz) geworden, sie wurde dort als „Information“ abgebildet.

    3. Die Psyche, der Prozess steuernde Effekt von Information, steuert hauptsächlich den Outputprozess gemäß der Information.

    4. Diese Prozesse können auf andere Systeme Einfluss nehmen, dort allenfalls die vorhandene Psyche „erweitern“. Über Rückkoppelungen kann es auch Rückwirkungen auf die „Psyche des „Absenders“ geben.

    Philosophen dürften auch deswegen Probleme haben, weil es nach dem Hardware – Software Konzept noch schwieriger ist, die Wechselwirkungen zwischen Körper und Psyche zu „verstehen“ (die es für Philosophen früher gar nicht geben durfte).

    Schlimmstenfalls sollte man sich halt zu Weihnachten einen Elektronik Bastelkit für Jugendliche, (mit Gatterschaltungen) schenken lassen.

  22. @ Stephan Schleim

    Auf den Empfindungsaspekt „Qualia“ habe ich in diesem Zusammenhang („Psyche“) auch „vergessen“. Ich habe schon öfters in meinen Beiträgen eine „These“ angeboten, kann aber keine seriösen Quellen angeben. Habe mir „passende Denkmuster“ im Laufe meines Lebens „aufgerissen“, mir den Zusammenhang praktisch aus den Fingern gesaugt.

    „Qualia“ könnte ganz allgemein als „Phänomen“ dann auftreten, wenn irgend ein Einfluss auf die Elektronenbahnen und die Kohäsionskräfte zwischen chemisch verknüpften Molekülen, z.B. durch Kräfte, Licht, chemische Prozesse…. auftritt und Elektronen aus ihre Bahn fliegen, die vom neuronalen System ausgewertet werden.
    Auch Lust und Schmerz wären so erklärbar, vermutlich dürfte aber noch eine zusätzliche Dynamik hinzukommen.

    Die Sensorik emittiert normalerweise Elektronen, die vom neuronalen Netzwerk lokalisiert und ausgewertet werden.

  23. @ @ Schleim

    Die schwarze gestrichelte Linie, entspricht genau meinem Astigmatismus, wenn so viel Datenfreigabe mal nicht ins Auge geht. Zum Thema, jede Hirnrinde hat ihre eigene Wabenstruktur bzw. Wabenform. Das ist der interessante Aspekt dieses Artikels über das Gehirn im Atlas. Zitat; “..kaum sichtbar, ändert sich an der Grenze zwischen zwei Arealen (gestrichelte Linie) die Architektur der Nervenzellen. Auf solchen Unterschieden.. der Atlas.” Meine Frage zielte gestern Richtung Geometrie der Gehirnzellen, hätte gerne Skizzen davon gesehen. In chronologischer Reihe, wie die Evolution sie geschaffen hat. Die Zoologie des Plankton. Und dann eine Prognose wie die nächste Gehirnzelle in Zukunft aussehen wird, wenn man die kommende Zellform in Fortsetzung der Ahnenreihe erforschen bzw. erschöpfen kann, wie das soundsovielte chemische Element. An dieser Stelle hinkt der Vergleich, weil ich die Ordnungszahl nicht ins Verhältnis zur Geometrie der Gehirnzelle setzen kann. Es fehlen eben die Skizzen der verschiedenen mikroskopischen Architekturen, zum weiterdenken und fragen. Ja mir scheint einzig und allein die Variation der Gehirnzellformen hier Anlaß zum Träumen, von der Musik mal abgesehen und die trägt schon einiges dazu bei. Gibt es nun noch Mikroskopien der Zellenarchitektur zu sehen oder sind die Konstruktionen unter Verschluß? Wohlmöglich haben Sie unterschiedliche Formen und das wars, kein triumphierendes Heureka ich habe das zukünftige Gehirnplakat im Kopf, nur eine weitere Zeile mit Bild. Klingt wie die Platte von letzter Nacht um High Noon. Ich könnte vermutlich ähnlich sinnvoll nach dem Qbit fragen, warum es so schlau ist wie Schweinslederarmbänder, aber so kompliziert wie Crisper. Jetzt gute Nacht, freue mich schon auf die griechische Philosophie.

    Postscript: Es erfordert eine hohe Anzahl Synaptischer Schaltungen damit Bewußtsein reflektiert. Alles was sich synaptischen schalten läßt ist prinzipiell bewußtseinsfähig. Der eindimensionale Mensch auch.

  24. @ Holger Boß 24.12.2020, 05:29 Uhr

    Ich würde vermuten, den am 3D-Atlas beteiligten Wissenschaftlern geht es in erster Linie darum, möglichst genau die „Gehirnfunktionen“ zu erforschen.

    Da wären die „Mikrostrukturen“ der Neuronenverbände interessant und natürlich auch woher sie kommen. Z.B. ob sie von der Netzhaut kommen, die Neuronenmuster „aufspaltende“ Funktion haben könnten, damit Bildpixel des zur „Auswertung anstehenden Inputmusters“ hinsichtlich ihrer Kombination ausgewertet werden.
    Ob z.B. „rot“ abbildende Pixel (Hausdach) neben „blau“ abbildenden Pixel (blauer Himmel) angeordnet sind…..
    in welchen „Winkel“ zueinander die verschiedenen Pixel stehen ….

    Oder ob die Auswertung der Kombinationen der Pixel sozusagen „zusammenführend auf ein Ziel“ gerichtet z.B. auf ein Haus hin erfolgt. Ob es Muster aus senkrechten, waagrechten, Linien, Rechtecken, Krümmungen, mit typischen Farbkombinationen … gibt.
    Ob bzw. wo es Assoziationen der visuellen Muster mit sprachlichen Mustern gibt. Von welchen Bereichen der Output ausgeht.

    Neuronen die eher besonders „fein“ sind und der Information verarbeitende Aspekt überwiegt, oder die etwas „gröber“ sind, weil sie sozusagen ausreichend Energie zur Ansteuerung der “Hände” bereitstellen müssen.

    Neuronenverbände dürfte auch so etwas wie „technische Funktionen“ haben, z.B. gemäß Konzepten der symmetrischen „elektrischen Brückenschaltungen“.

    Dass alles was sich synaptischen schalten lässt prinzipiell bewusstseinsfähig wäre ist klar, nur nicht sinnvoll. Die Informationen müssen und werden offensichtlich auch an flächigen „Übergangsschichten“ in einen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang gebracht, wie die Bildpixel zu einem Bild bzw. zu einem Art „Hirnvideo“ emergieren.

    Ein Mensch würde offensichtlich „verrückt“ kämen ihm alle im Leben jemals erworbenen Informationen sozusagen „gleichzeitig ins Bewusstsein“ …..

  25. @ Elektroniker

    Ja, der Bewußseinsstrom wäre entweder eine Erleuchtung oder Bewußtlosigkeit als Folge der Reizüberflutung. Was die kleinen grauen Zellen betrifft, mit dem menschlichen Gehirn sind diese im Homo Sapiens komplett geworden. Weiter geht es nur künstlich. Es ist keine weitere evolutionäre Gehirnwindung im Kopf des Menschen zu erwarten, klüger werden nur Androiden. Vor allem dichter und komplexer. Was das schillernde Dazwischen betrifft, ein Assembler weiß es nicht besser auszudrücken, als der Programmierer selbst. Revolutionäre Geometrien sind Modeerscheinungen in Chips.

  26. Der Atlas ist natürlich eine großartige Leistung.
    Das ist, als wenn man in einer Fabrik eine Aufstellung aller Maschinen erstellt. Wenn eine ausfällt, weiß man sofort, wo sie sich befindet.
    Was man nicht erwähnt, wer die Maschinen anstellt.
    Im Gespräch äußerte Frau Professor Amunts :
    ” Wichtig ist aber doch, dass es hier Interaktionen in beiden Richtungen gibt :
    Das Gehirn steuert unser Verhalten…. ”
    Wann werden die Hirnforscher das endlich begreifen ?
    Das Überhirn steuert, es ist für alles zuständig, für unser ganzes Leben, unsere Gesundheit und unser Glück. Das Gehirn führt nur Anweisungen des Überhirns aus, von sich aus macht es absolut gar nichts und nachts wird es mit dem Körper ruhig gestellt, damit beide das Überhirn bei seiner lebenserhaltenden Arbeit nicht behindern.
    Das Überhirn ist mit allen Teilen des Körpers und des Gehirns verbunden.
    Manche, denen ein Organ eingesetzt wurde, bemerken eine Veränderung in ihrer Lebenseinstellung. Der Teil des Überhirns, von dem das Organ stammt, wurde natürlich mit verpflanzt.
    H. Fischer.

  27. @Harald Fischer 26.12. 12:47

    „Wann werden die Hirnforscher das endlich begreifen ?
    Das Überhirn steuert, es ist für alles zuständig, für unser ganzes Leben, unsere Gesundheit und unser Glück. Das Gehirn führt nur Anweisungen des Überhirns aus, von sich aus macht es absolut gar nichts und nachts wird es mit dem Körper ruhig gestellt, damit beide das Überhirn bei seiner lebenserhaltenden Arbeit nicht behindern.“

    Hier ist ja wohl noch ein weiter Weg vor uns: Hirnforscher haben überwiegend die Auffassung, dass es überhaupt nichts Geistiges gibt. Auch nicht nur ein bisschen.

    Ich selbst rechne auch damit, dass Geisteswelten bei der Psyche maßgeblich mitspielen, aber ich rechne auch mit einer weitgehend selbsttätigen Architektur von Gehirnprozessen. So ähnlich wie Computer selbsttätig Aufgaben der KI ausführen können, und das mit Sicherheit ohne, dass hier geistige Unterstützung nötig wäre, so ähnlich vermute ich, dass auch das Gehirn selbsttätig Einiges leisten kann.

    Unsere geistige Leistung kann aber vermutlich Unterstützung von echten Geisteswelten gut gebrauchen, insbesondere stelle ich mir unsere innere Erlebniswelt als einen Geistesraum vor, den das Gehirn alleine gar nicht öffnen kann. Aber die Gehirnarchitektur liefert wohl einen Großteil der Bewusstseinsinhalte, und ist damit auch selbsttätig, ohne das alles von Geistesseite her beigesteuert werden müsste.

    Ihr Konzept vom Alles bestimmenden Überhirn erinnert mich an die Computertechnik: Der Computer alleine kann überhaupt nichts, was letztlich die menschlichen Programmierer nicht programmiert hätten. Das Primat des menschlichen Programmierers ist hier vergleichbar mit der Funktion ihres Überhirns. Ich denke aber, dass das die Wirklichkeit unserer Psyche doch nicht erfasst: die Physiologie des Gehirns liefert wesentliche Beiträge, und ist sozusagen von Natur aus vorprogrammiert, und entwickelt zusammen mit den Erfahrungen aus der Umwelt schon einen wesentlichen Teil seiner Funktionalität.

    So erklärt sich jedenfalls auch, dass Kinder von Menschen immer Menschen sind, und allesamt so ticken, wie es Menschen nun mal so tun.

  28. @Schleim: Lobgesang

    Achhh, vielen Dank für die schönen Schnittmuster. Oder sind das Affengehirn-Rezepte zum Nachkochen? Zum Durchlesen komme ich wohl nicht, das Geschirr stapelt sich nicht von alleine.

    Flohe Weihnachten a posteriori
    Ihr Second Hand Bookladen

    PS: Während Sie auf den Kernfusionsreaktor warten, kümmern wir uns um ihre Diplomatenkoffer.

    PPS: Sowohl als auch und weder noch.

    https://suppose.de/produkt/die-zeiten-des-gehirns/
    https://canongate.co.uk/books/3336-livewired-the-inside-story-of-the-ever-changing-brain/

  29. @ Tobias Jeckenburger 26.12.2020, 15:20 Uhr

    Zitat: „Ich selbst rechne auch damit, dass Geisteswelten bei der Psyche maßgeblich mitspielen, aber ich rechne auch mit einer weitgehend selbsttätigen Architektur von Gehirnprozessen.“

    Irgendwie haben sie recht. Allerdings der Begriff “Geisteswelten“ hat einen etwas „unwissenschaftlichen Geruch“. Er riecht ein wenig nach „Geisterbahn“. Die Architektur im Gehirn dürfte sich tatsächlich gemäß den „Ansprüchen der Umgebung“, optimal entwickelt haben.

    Zitat: „ … Computer selbsttätig Aufgaben der KI ausführen …. auch das Gehirn selbsttätig Einiges leisten kann.
    Unsere geistige Leistung kann aber vermutlich Unterstützung von echten Geisteswelten gut gebrauchen, insbesondere stelle ich mir unsere innere Erlebniswelt als einen Geistesraum vor, … Gehirnarchitektur liefert wohl einen Großteil der Bewusstseinsinhalte, ….“

    Computer sind gemäß dem „von Neumann Konzept“ so konstruiert, dass es möglichst flexible Maschinen sind, die Menschen bei der Informationsverarbeitung massiv unterstützen können. Es erfolgte aus praktischen Gründen eine Trennung in Daten, Datenstrukturen und Algorithmen.

    Das neuronale System, hat sich sozusagen „von selbst programmiert“, und den Ansprüchen angepasst. Die „Muster“ enthalten sozusagen gleichzeitig „Daten und Programme“ und generieren neuronale Strukturen die sich automatisch den Gegebenheiten anpassen.

    Es war sozusagen nicht notwendig, dass sich „der liebe Gott“ eines Nachmittags „hingesetzt“ hat, um z.B. die „Psycho Programme“ für Tiere und Menschen, zum Beispiel für einen „Prozessor“ im Sinne des „von Neumann Konzeptes“ zu schreiben. (Das wäre jedenfalls sehr schwierig für die Gehirnforschung, weil sie ein derartiges Konzept nur schwer im Detail nachvollziehen könnten. Obwohl es Spezialisten gibt, die Software eines bestimmten Prozessors sozusagen (halbwegs) rekonstruieren können).

    Der Mensch nimmt über seine Sensorik in der Hauptsache Information aus seiner Umwelt (Sie formulieren „Geisteswelt“) auf und verarbeitet sie.

    In Ihrer Sprache: In der vorhandenen Gehirnarchitektur, in einer Art von „Geistesraum“ (realisiert auf den örtlich verzweigten Neuronenverbänden), werden die Prozesse der „Erlebniswelt abgebildet“ (im mathematischen Sinne) und gespeichert.

    Gemäß Konzepten der Elektronik (elektrische „Signalverschiebungen“) werden im Netz aus Neuronen und Synapsen die Informationen gespeichert (Neubildung und „Verstärkung“ von Synapsen) und ebenfalls mittels gesteuerter Signalverschiebungen „ausgegeben“.

    Meiner Meinung nach entstehen an den Zwischenschichten (zwischen den „Hirnorganen“) die „Bewusstseinsabbildungen“, als so etwas wie die Ausgabe von Ergebnissen aus den neuronalen Verarbeitungsprozessen auf einer Art von „innerem Bildschirm“ mit der Möglichkeit einer weiteren Verarbeitung …..

    „Qualia“ (auch Lust und Schmerz) könnten ganz allgemein als „Phänomen“ z.B. in einer Sensorik dann auftreten, wenn irgend ein Einfluss auf die Elektronenbahnen und die Kohäsionskräfte zwischen chemisch verknüpften Molekülen, z.B. durch Kräfte, Licht, chemische Prozesse…. auftritt und Elektronen aus ihre Bahn fliegen, die vom neuronalen System ausgewertet werden.

  30. @ Tobias Jeckenburger 26.12.2020, 15:20 Uhr

    Zitat: „Hirnforscher haben überwiegend die Auffassung, dass es überhaupt nichts Geistiges gibt. Auch nicht nur ein bisschen.“

    Es sind weniger die Hirnforscher die derartiges behaupten, eher ältere Neurologen und natürlich die „Materialisten“. Für die ist nur die Materie relevant, Information völlig unbedeutend weil sie auf Materie angewiesen ist.

    Meine „Zunft“, die Nachrichtentechnik/Elektronik, will die Information sozusagen völlig von der Materie „entkleiden“ würde sich am liebsten nur für die absolut „pure nackte Information“ interessieren. Materie ist sozusagen nur „notwendiges Übel“.

    Der Mensch nimmt über seine Sensorik in der Hauptsache Information auf und verarbeitet sie nach elektrischen Konzepten. Es werden zwar auch z.B. Geruchs Moleküle, oder Mikroben aufgenommen und sind in die Prozesse eingebunden. Aber das Gehirn beschäftigt sich hauptsächlich mit der elektrisch abgebildeten, in einer Sensorik umgesetzten Information, die letztlich mittels von Information gesteuerter Prozesse die Motorik steuern.

    Bell hat das Telefon erfunden. Er wollte letztlich auch Geld damit machen, dass er nur die „pure sprachliche Information“ überträgt, nicht den Menschen, kein Stäubchen eines Menschen, kein Aerosol, kein Atom…

    Die Fernsehleute wollte nur die „Bilder einer Landschaft“ übertragen, selbstverständlich übertragen auch sie kein einziges Atom….

    Die „Computerleute“ verarbeiten auch nur pure Information die nach den Gesetzmäßigkeiten der Mathematik „abgebildet“ wurde.

    Unternehmer denen es gelang, Information ohne teure Maschine zu verkaufen, wurden extrem erfolgreich. Die hatten es insofern schwer, weil sie die Juristen für Betrüger hielten, die etwas verkaufen wollen was es, aus materialistischer Sicht, gar nicht geben kann. Die Informatiker wollten nur mit einem leichten (sozusagen etwas obszönen) „Datenträgerkleidchen“ bekleidete, „nackte Information“ verkaufen.

    Die Hardwarefirmen wollten sich übrigens nicht die „Butter vom Brot“ nehmen lassen und wollten derartiges, wie den Siegeszug externer Software, aufhalten.

    Jetzt ist angeblich die gleiche Firma (zumindest ein von ihr gesponserter Ableger) die mit „fast nackter Information“ extrem erfolgreich ihre Geschäfte gemacht hat, auf den „Corona Impfzug aufgesprungen“ und verkauft schon wieder „fast nackte“, nur mit einem („neckischen“ und wärmeempfindlichen) „Fettmäntelchen“ bekleidete, pure mRNA Information.

    Wenn alles gut geht, werden wir den Sponsor auch dankbar sein müssen. Und Hoffenheim wird endlich deutscher Fußballmeister. (Muss nicht jeder verstehen…)

  31. @Elektroniker

    Gibt es einen Unterschied zwischen einer Freiheit über den Wolken und einer Freiheit auf der Oberfläche einer Kugel? Das eine ist die Freiheit der Poesie das andere die Freiheit der Wissenschaft. Die eine entfernt sich die andere kommt näher.

    Guten Rutsch
    Ihr Anton Zeilinger
    Bewunderer

  32. @ Holger Boß 30.12.2020, 05:40 Uhr

    Ich bewundere Wissenschaftler die mathematische Konstrukte auch noch „weit über den Wolken“ als Abbildung einer Realität erkennen und nachvollziehen können.

    Guten Rutsch noch ….
    H.W.

  33. @Elektroniker 30.12. 16:46

    „Ich bewundere Wissenschaftler die mathematische Konstrukte auch noch „weit über den Wolken“ als Abbildung einer Realität erkennen und nachvollziehen können.“

    Genau dies schafft auch Vorstellungswelten, die Eingang ins menschliche Bewusstsein finden. Im Falle von Astronomie ist der Sinn der Forschung im Wesentlichen ganz der Bewusstseinsgewinn. Auf dem Mond hatten wir Nichts anderes als reine Erkenntnisse zu suchen. Selbst wenn da Goldbarren herum liegen würden, sie zu holen und zur Erde zu bringen wäre um viele Größenordnungen teurer, als was das Gold wert wäre. Alles was weiter weg ist als der Mond, wird schon überhaupt keinen praktischen Nutzen haben können. Und doch ist die Astronomie wie die Exobiologie das Interessanteste, was Wissenschaft derzeit zu bieten hat.

    In diesem Sinne ist Wissenschaft immer auch Bewusstseinsarbeit. Auch wenn das menschliche Bewusstsein gerne mal darüber hinausgehen kann. Die Wissenschaft kann bei weitem nicht Alles erklären, womit wir als Menschen zu tun haben, und was unseren Alltag ausmachen kann, und wie wir Selbst wiederum funktionieren. Hier sind jede Menge Fakten relevant, die die Wissenschaft noch nicht erfolgreich untersucht hat.

    Und damit ist auch immer noch eine Menge Platz für Poesie und Fantasie. Für ein Innenleben in einer manchmal mit verzauberten Details verzauberten Außenwelt. Für eine Mystik in der Praxis des persönlichen Lebens.

    Der reduktionistische Materialismus bleibt ein Armutszeugnis in einer eigentlich reichhaltigen persönlichen Welt. Insoweit er aber gerade in der Astronomie in seinem Kernbereich tatsächliche Fakten findet, erfüllt er doch seinen Sinn und Zweck, und bereichert das Bewusstsein von Menschen, die sich für den Kosmos interessieren, um mehr Platz zum Träumen zu haben.

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