Das Gesicht der Personalisierten Medizin

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Mensch, Gesellschaft und Wissenschaft
MENSCHEN-BILDER

Die Personalisierte Medizin verspricht, dem zukünftigen Patienten Therapien passend auf den Leib zu schneidern. Dies soll durch moderne genetische Forschung ermöglicht werden. Doch wie persönlich ist die Persönliche Medizin?

Zugegeben, es ist nicht gerade mein Fachthema, aber unter der Überschrift „Was ist wohl der nächste Hype in der Medizin?“ interessiert sie mich dann doch: die sogenannte Personalisierte Medizin. Das Versprechen dieser neuen Medizin besteht darin, in Zukunft jedem Patienten seine Behandlung maßzuschneidern. So weit, so gut. Das ist sicher das, was ein guter Arzt in der Praxis tut, für seinen Patienten diejenige Behandlung auszuwählen, die den größten Nutzen und den kleinsten Schaden verspricht – und sei es auch nur eine Placebo-Behandlung.

Die Idee der Personalisierten Medizin ist aber eine andere: Die Therapie soll hier nämlich vor allem durch die Genetik ausgewählt werden. Wer die Entwicklung medizinischer Forschung im Laufe der Zeit verfolgt – was in meinem Fall berufsbedingt vor allem in der Psychiatrie der Fall ist –, den wird auch das nicht sonderlich überraschen. Es dürfte sich ja auch herumgesprochen haben, dass es vor zehn Jahren dieses Human Genome Project gab, bei dem Millionen in ein Wettrennen gesteckt wurden, wer als erster den menschlichen genetischen „Code“ „knackt“; und anlässlich des zehnjährigen Jubiläums gab es vor kurzem in Nature und Science entsprechende Specials, aus denen hervorging, dass sich von den Hoffnungen von damals bisher so gut wie nichts erfüllt hat – jedenfalls dann, wenn man nicht nur in die Forschung, sondern in die Praxis schaut. Der Mensch hat zwar überraschend wenige Gene, die funktionieren aber so kompliziert, noch ganz abgesehen von der Epigenetik, dass die „Entschlüsselung“ eben noch lange nicht heißt, die Regeln zu verstehen, nach denen der menschliche Körper funktioniert.

Jetzt also die Personalisierte Medizin. Was mich daran wundert? Dass man die Medizin persönlich – oder manchmal wird auch von „Individualisierter Medizin“ gesprochen – machen möchte, indem man groß angelegte Studien mit Datensätzen von mehreren Tausend, in manchen Fällen sogar mehreren Zehntausend, Menschen durchführt, um den individuellen Ursachen einer Erkrankung auf die Spur zu kommen (für ein jüngstes Beispiel, siehe diesen Beitrag bei Medicine & More, inklusive Diskussion). Das Problem dabei ist, dass bei dieser Anzahl von Individuen eine ganze Reihe minimaler Effekte gefunden wird, die zwar für die Hypothesenbildung und für die Epidemiologie interessant sind, für den Einzelfall aber überwiegend irrelevant. Der Einzelne geht hier im Zufallsrauschen unter.

Einem statistischen Dogma zufolge findet man in einem jedem neuen Forschungsgebiet die größten Effekte am Anfang, denn diese sind eben am einfachsten zu finden (vgl. den Aufsatz von Kenneth Kendler im Am. J. Psychiatry 162). Man erntet sozusagen zuerst die Früchte, die am niedrigsten hängen. Demzufolge liegt der genetische Durchbruch in der Medizin also bereits hinter uns und nicht, wie es uns Anhänger der Personalisierten Medizin glauben machen wollen, erst noch vor uns. Sicher, den einen oder anderen interessanten Effekt wird man schon noch entdecken aber die prophezeite Revolution, ich glaube nicht an sie.

In der Praxis ist es um die Idee aber noch viel schlimmer bestellt: Denn das Wissen um die genische Ursache einer Erkrankung heißt noch lange nicht, dass es dafür eine Therapie gibt. Man schaue sich einmal die Beispiele an, in denen es wirklich um großen Effekte geht, wie etwa bei Chorea Huntington, einer sogenannten monogenen Erkrankung, da es hier einen sehr starken oder vielleicht sogar perfekten Zusammenhang zwischen einer bestimmten genischen Ausprägung und dem Phänotyp der Erkrankung geht. Auf diese Diskrepanz zwischen theoretischem Wissen und praktischen Können hat auch der Tübinger Medizintheoretiker Urban Wiesing vor Kurzem im Spektrum-Interview hingewiesen.

Würde es hier nicht einerseits um Abermillionen Euro an Forschungsgeldern und andererseits um das Leiden von Patienten gehen, ich könnte die Idee beinahe witzig finden, dass man die Medizin nun personalisieren oder individualisieren will und zwar nicht, indem man mit den Patienten spricht und ihnen gut zuhört, was denn ihre Probleme sind, sondern indem man ihnen eine genische Identität gibt, die auf den biomedizinischen Computerchips der neuesten Generation konstituiert wird. Neben „der Leber auf Zimmer zwölf“ wird es wohl also bald auch das „X-Allel auf Zimmer sechs“ geben, über das Ärzte auf ihrer Visite sprechen.


Und dafür, dass es der Personalisierten Medizin so ein passendes Gesicht gibt, möchte ich dem Universitätsklinikum Heidelberg danken sowie seiner Pressestelle, die in einer Mitteilung auf die Veranstaltung „Was ist individualisierte Medizin?“ aufmerksam machte, die am kommenden Samstag, 29. Oktober 2011, 10:30 Uhr, Karlstraße 4, 69117 Heidelberg, Akademiegebäude, stattfinden wird. Es ist wahrlich ein individueller Patient, der dort bis zur Unkenntlichkeit verpackt, stumm, austauschbar und entpersonalisiert vor den drei Ärzten im weißen Kittel und der Bohrung des Millionenapparats liegt.

Foto: Universitätsklinikum Heidelberg.

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39 Kommentare

  1. @ Maier: War on Cancer

    Danke, die TED-Talks sind natürlich für eine breite Öffentlichkeit optimiert: Vereinfachung, Unterhaltung, Wissenschaft. Ich komme gerade von einer ähnlichen Vorlesung hier beim Studium Generale.

    Ich wünsche allen, die an Krebs erkrankt sind oder Menschen kennen, die es sind, dass man diesen Kranken helfen kann.

    Zur Frage, ob der PM-Hype gerechtfertigt ist, schaue man sich zum Vergleich einmal den “War on Cancer” an, der in den 1970er Jahren ausgerufen wurde (z.B. in Nixons National Cancer Act von 1971) und welche Grundlagenprobleme es auch vierzig Jahre später immer noch gibt.

  2. @schleim

    naja mir ging es eigentlich nur um die idee statt den “bauplan” die “fertige konstruktion” auf einem so niedrigen layer zu untersuchen.

  3. @ Maier

    Aus der psychiatrischen Forschung kenne ich das als “Endophänotyp-Ansatz” – wäre super, wenn’s klappt, habe bisher aber noch kein einziges überzeugendes Beispiel gesehen.

    Flint, J. & Munafò, M. (2007). The endophenotype concept in psychiatric genetics. Psychological Medicine 37: 163-180.

  4. Falscher Blickwinkel

    Leider wird hier ein völlig falscher Blickwinkel vermittelt, nämlich einer der nur die Äusserlichkeiten betrachtet.

    Ich bin gerne dazu bereit, bis zur Unkenntlichkeit verpackt, stumm, austauschbar und entpersonalisiert vor drei Ärzten im weißen Kittel in der Bohrung eines Millionenapparates zu liegen, wenn das zu meiner Gesundheit beiträgt.

    Ohne den “gläsernen Patienten” ist eine sinnvolle Behandlung nicht gut möglich, weil man dann nicht alle notwendigen Informationen hat.

    Man füttert ja auch Menschen mit Laktoseintoleranz nicht mit Milchzucker.

    Das Recht des Patienten auf “Nichtwissen” ist ungefähr so sinnvoll, wie mit verbundenen Augen die Strasse zu überqueren.

    Nur volle Information ermöglicht sinnvolles Handeln.

  5. @ Bednarik: Informationen?

    Ich sehe, bei Ihnen ist die Konstituierung der personalen Identität auf der genischen Ebene bereits vollends fortgeschritten, denn sonst würde Ihnen vielleicht der Gedanke kommen, dass sich manche zur Behandlung wichtigen oder gar notwendigen Informationen auch im Anamnesegespräch gewinnen lassen.

    Dafür haben viele Ärzte aber kaum noch Zeit; es sei denn (und hier spreche ich jetzt über Deutschland), Sie haben das Glück, privat versichert zu sein, wofür der Arzt dann den dreieinhalbfachen Satz abrechnen kann.

  6. Anamnesegespräch

    Gegen ein ausführliches Anamnesegespräch ist nichts einzuwenden, denn man benötigt überhaupt alle Informationen, die man bekommen kann.

    Gegen die rein äusserliche Bewertung der Apparatemedizin ist aber schon etwas einzuwenden.

    Notfalls kann man ja das Magnetresonanztomographie-Gerät mit rosa Plüsch verkleiden, damit es persönlicher aussieht.

  7. Personalisierte Medizin bei Medikation

    Personalisierte Medizin als genomgeleitete Medizin scheint schon einen gewisse Rolle bei
    der Medikamentenpräskription zu spielen. So weiss man von einigen Krebsarten, dass sie auf
    bestimmte Chemotherapeutika nur bei Vorhandensein eines bestimmten Gens erfolgreich sind.
    Der hohe Preis und all die Kollateralschäden einer Chemotherapie rechtfertigen oder erzwingen sogar, dass die Chemotherpeutika nur bei Vorliegen der Indikation, also des Gens, verabreicht werden.
    siehe dazu Personalisierte Medizin. Es verwundert deshalb nicht, dass auch die Pharmafirma Roche, welche einige neuere Chemotherapeutika in ihrem Portfolio hat, auf personalisierte Medizin setzt.

  8. Beispiel: Pharmakogenomik

    Ich finde auf diesem und ähnlichen Gebieten kann gar nicht genug und schnell genug geforscht werden.

    Auszug aus dem Wikipediartikel

    ‘Mit Hilfe der Pharmakogenomik wird eine.. „personalisierte Medizin“ angestrebt, bei der Patienten das für ihr Genmaterial maßgeschneiderte Medikament in der vorhergesagt wirksamen Dosierung erhalten…… Der Abbau von Medikamenten kann beschleunigt, verlangsamt oder verhindert werden. Dafür sind Mutationen oder Polymorphismen in Genen verantwortlich, die für Enzyme kodieren, weil diese unter anderem Medikamente verstoffwechseln. So kann es zum Nichtwirken des Medikaments oder, noch schlimmer, zu Nebenwirkungen kommen, die im ärgsten Fall den Tod des Patienten verursachen können. Einer Schätzung nach sterben in Deutschland jährlich etwa 17.000 Menschen an solchen Nebenwirkungen.’

    Dem ist nichts hinzuzufügen.

  9. @ Bednarik, Holzherr, Dihlmann

    Ja, dankeschön; ich suche schon seit geraumer Zeit nach guten Beispiele für die PM aber bisher hat sich immer herausgestellt, dass der Beitrag des genetischen Wissens sehr klein ist – vor allem verglichen mit dem, was Ärzte aus anderen Informationsquellen schöpfen. Kürzlich haben wir hier den Fall des Blutverdünners Warfarin diskutiert.

    Man muss schon unterscheiden zwischen Werbedarstellungen, parawissenschaftlichen und wissenschaftlichen Aussagen.

  10. … netter Versuch

    Hallo,

    … ein netter Versuch wär´s schon … doch es ist in meinen Augen nur die Verfeinerung einer „mechanistischen“ Idee (Medizin), weil hauptsächlich die Genetik (hier: eines konkreten Patienten) allzusehr im Vordergrund steht. So bleibt es wiedermal bei dem Versuch, dieses mal basierend auf der persönlichen genetischen „Ausstattung“ mal eben „hier&dort“ an diversen „Schrauben“ drehen zu wollen … und schon soll´s (besser) funktionieren! Mag sein, dass ich sehr plakativ klinge …

    Andererseits distanzieren sich immer mehr Wissenschaftler davon, „die Gene“ eines Menschen als einzig „schicksalsentscheident“ in den Vordergrund zu stellen. Was von dem hin&her von Genen&Umwelt übrig bleiben wird, ist, dass sicher das funktionale Miteinander von Genen und Umwelt (inclusive sozialem Umfeld) in einer konkreten Situation entscheidend wirkt, Kranksein also eher ein systemisches Fundament hat, basierend auf einer „krankmachenden“ Konstellation aus persönlicher „Veranlagung“ und den situaltiven und sozialen Umständen.

    So gesehen hat für mich „Krankheit“ durchaus einen evolutionären Charakter, bei dem be-stimmte (genetische) Anlagen eines Individuums unter äußeren wie inneren, physischen wie auch psychischen „Druck“ geraten, sich in einer bestimmten Situation bewähren zu müssen. Was sich dann als Krankheit zeigt, ist dann der Ausdruck des Geschehens insgesamt, gleich ob bei einer Infektion, einer Krebserkrankung oder vielleicht bei dem vielzitierten psycho-somatischem „Leiden“!

    Heilen oder ganz banal (wieder) „gesund werden“ benötigt demnach einen grundsätzlich anderen „Weg“ als den, hauptsächlich auf chemischen (… pharmazeutischem) Wege aus einer solch „kranken“ Konstellation herauszugelangen.

    mfG

  11. Jobs bereute alternative Krebstherapie

    @ S. Schleim
    Was haben die unnötigen Rückenoperationen mit der Erforschung der individuellen Wirkmechanismen von Medikamenten zu tun?

    @ S. Müller
    Dass für das Auftreten einer Krankheit schädliche Umweltbedingungen und genetische Disposition meist (wenn auch nicht immer) gemeinsam wirken, wird doch kein vernünftiger Mensch jemals bestreiten.
    “Heilen oder ganz banal (wieder) „gesund werden“ benötigt demnach einen grundsätzlich anderen „Weg“ “
    Welchen denn?
    Was hätten Sie Steven Jobs geraten?
    http://www.spiegel.de/panorama/leute/0,1518,793140,00.html
    Wo ich Ihnen Recht gebe: Das heutige Wissen Über das Zusammenspiel von Genen, Umwelteinflüssen, Proteinfabriken in den Zellen… und was auch immer überraschendes noch hinzukommen mag – ist erst rudimentär. Deshalb wird ja zum Glück auch weiter geforscht.

  12. @ RD: Lesen

    Wenn Sie die Zitatstelle noch einmal nachschauen, dann werden Sie sehen, dass es um Nebenwirkungen medizinischer Behandlungen ging, auf die Ralph Dihlmann um 12:08 Uhr verwiesen hat; und unnötige Rückenoperationen halte ich durchaus für ein relevantes Beispiel unnötiger Nebenwirkungen.

  13. Proteom

    In der personalisierten Medizin geht es eigentlich weniger um das Genom, sondern mehr um das Proteom.

    Die Gene sind in praktisch allen Zellen gleich, aber völlig unterschiedlich ist, welche Gene in welchen Zellen als Proteine exprimiert werden.

    Die Proteine sind die bevorzugten Ziele der therapeutischen Wirkstoffe, und auch die Angriffspunkte der unerwünschten Nebenwirkungen.

    Daher ist es sinnvoll, die Proteome der verschiedenen Zelltypen des Patienten zu bestimmen.

    Aus der Tertiärstruktur der Proteine kann man dann mit Hilfe des Computers auf ihre Interaktionen mit den Wirkstoffen schliessen.

    Natürlich gibt es auch Wirkstoffe die auf die RNA oder die DNA abzielen, wie zum Beispiel die Antisense-RNA.

    In diesen Fällen kann man die Interaktionen relativ einfach bestimmen.

  14. Falsches Bild zum Artikel

    Leider ist das Bild sehr ungünstig gewählt, denn es passt nicht zum Thema:
    “Die Idee der Personalisierten Medizin ist aber eine andere: Die Therapie soll hier nämlich vor allem durch die Genetik ausgewählt werden.”

    Auf dem Bild ist eine Strahlentherapie dargestellt. Vermutlich die Bekämpfung eines Gehirntumors mit Protonen- oder Schwerionen-Therapie. Mit Genetik hat das nichts zu tun.

    Bei dieser Form von personalisierter Medizin kommt kein “statistische[s] Dogma” zum Einsatz, sondern es wird tatsächlich ganz individuell der Tumor vermessen und ein Bestrahlungsplan erstellt, der auf den Patienten zugeschnitten ist.

    Dass solch eine Behandlung alles andere als angenehm ist, dürfte klar sein. Aber sie erhöht tatsächlich die Erfolgsaussichten beträchtlich und schränkt Nebenwirkungen der Bestrahlung wirksam ein.

    Das Fixieren des Patienten ist dabei unverzichtbarer Bestandteil der Behandlung und für den Erfolg notwendig. Es sieht unmenschlich aus, aber es dient den Menschen.

  15. @ Joachim, Bild

    Danke, Joachim, für diese Erklärung. Sie wirft die Frage auf, warum sich die Mediziner vom UK Heidelberg ausgerechnet für dieses Bild entschieden haben, um einen Vortrag über “Was ist individualisierte Medizin?” zu veranschaulichen.

    Im Übrigen ist es völlig im Einklang mit meiner eigenen Forschung, dass man ein Verfahren erst im Individuum validiert, bevor man es dort anwendet; und das gilt sicher auch für Tumorbehandlungen.

    Dies geschieht aber eben gerade nicht durch groß angelegte Studien mit den Daten mehrerer Zehntausend Menschen, sondern beispielsweise mit einem strukturellen Scan im Einzelfall, um das kranke Gewebe abzubilden (und dann etwa zu bestrahlen, zu entfernen…).

  16. Lieber Herr Schleim,

    ich glaube Sie trollen auf ihrem eigenen Blog herum. Viel Spaß auch in Zukunft.

    Ralph Dihlmann

  17. Was ist Personalisierte Medizin?

    Hier mal eben die Definition aus dem President’s Council of Advisors on Science and Technology vom September 2008 (S. 1):

    “Personalized medicine” refers to the tailoring of medical treatment to the individual characteristics of each patient. It does not literally mean the creation of drugs or medical devices that are unique to a patient, but rather the ability to classify individuals into subpopulations that differ in their susceptibility to a particular disease or their response to a specific treatment. Preventive or therapeutic interventions can then be concentrated on those who will benefit, sparing expense and side effects for those who will not.

    The principle of adjusting treatment to specific patient characteristics has, of course, always been the goal of physicians. However, recent rapid advances in genomics and molecular biology are beginning to reveal a large number of possible new, genome-related, molecular markers for the presence of disease, susceptibility to disease, or differential response to treatment. Such markers can serve as the basis of new genomics-based diagnostic tests for identifying and/or confirming disease, assessing an individual’s risk of disease, identifying patients who will benefit from particular interventions, or tailoring dosing regimens to individual variations in metabolic response. These new diagnostics can also pave the way for development of new therapeutics specifically targeted at the physiological consequences of the genetic defect(s) associated with a patient’s disease.

    Ich denke, dies widerspricht deutlich einigen der hier vorgetragenen Ideen, v.a. denen Bednariks.

  18. @ RD

    Danke, Sie werden mit diesem Kommentar unter der Überschrift “Wie man sich vor einer inhaltlichen Diskussion drückt” in die Annalen der Blogs eingehen.

  19. @Karl Bednarik Proteom ist Zukunft

    Das Proteom (also die exprimierten Proteine) als Massstab für eine Therapie zu machen wäre zwar sinnvoll. Das ist aber Zukunftsmusik, denn es ist unendlich viel schwieriger die exprimierten Proteine zu bestimmen, als die zugehörigen Gene.
    Im Grunde schliesst man heute von der Existenz von Genen auf das Proteom, was aber eine Vereinfachung ist.

  20. Ganz einfach

    “Sie wirft die Frage auf, warum sich die Mediziner vom UK Heidelberg ausgerechnet für dieses Bild entschieden haben, um einen Vortrag über “Was ist individualisierte Medizin?” zu veranschaulichen.”

    Weil die individuelle Erstellung eines Bestrahlungsplans eben ein Beispiel ist, wo sich individualisierte Medizin schon seit vielen Jahren bewährt hat.

  21. @Stephan Schleim

    Ich führe hier jetzt einfach mal die Diskussion weiter, die ich bei Medicine&More aus anderen Gründen erstmal offen lassen musste.

    Du glaubst zwar nicht an die Revolution der personalisierten Medizin (PM), aber vielleicht kann ich dir durch folgende Beispiele belegen, dass der Ansatz der PM Gold wert ist und bereits jetzt schon vielen Menschen zu Gute kommt.

    1. Beispiel: Biomarker allgemein

    Mutationen sind Veränderungen in der DNA, die zu kaputten oder falsch funktionierenden Proteinen führen können und so die Ausbildung einer Krankheit fördern. Sie können daher genutzt werden das Erbgut des Patienten zu untersuchen. Findet man etwa bestimmte Mutationen von denen man weiß, dass sie defekte Proteine herstellen, so kann man sagen, dass hier eine Krankheit ausbrechen wird oder zumindest ein erhöhtes Risiko besteht. So etwas nennt man dann “Biomarker”. Polymorphismen – u.a. SNPs – sind nichts anderes als Mutationen, genauer gesagt es sind Punktmutationen und können als Biomarker eingesetzt.

    Dass Punkmutationen verschiedene Krankheiten auslösen können, ist längst bekannt. Dazu kann man z.B. die dbSNP-Database vom National Center for Biotechnology Information absuchen oder die Genotyp-Phänotyp Database von GWAScentral.

    OK, wir wissen nun, dass bestimmte SNPs Krankheiten auslösen können, aber in der personalisierten Medizin geht es ja einen Schritt weiter. Hier schaut man, wie bestimmte Punktmutationen die Wirksamkeit von Medikamenten beeinflussen. Aus dieser Fragestellung ging die Pharmakogenomik und Pharmakokinetik hervor, die dies untersucht. Dazu nun ein paar Schilderungen:

    2. Beispiel: Krebs allgemein

    Bei vielen verschiedenen Krebsarten wurde festgestellt, dass Medikamente jeweils anders wirken. Gut, nicht jeder Krebs ist gleich, aber es werden für gleiche Tumore die gleichen Medikamente verwendet. Pharmakogenomische Untersuchungen haben dann zu Tage gefördert, dass dieses Phänomen auf bestimmte genetische Variationen – eben den SNPs – zurückzuführen ist. Diese beeinflussen im besonderen Maße vor allem Proteinpumpen, die Medikamente in die Zelle hinein oder hinaus transportieren und Enzyme, die Medikamente zu Metaboliten umsetzen, die schlussendlich auf Krebszellen wirken. Im Fokus stehen z.B. die Proteine ABCB1 und ABCG2 und die Enzyme CYP2B6, CYP2C8, CYP2C9, CYP2C19, CYP2D6, CYP3A4, CYP3A5, DPYD, CDA und BLMH. Verschiedene Punkmutationen sorgen dafür, dass sie jeweils anders auf ein bestimmtes Medikament reagieren und es daher sinnvoll ist, den Genotypen der Patienten zu bestimmen bevor ein Medikament gegeben wird, welches auf diese Proteine und Enzyme wirkt (Quelle). Dies wird schon gemacht. Siehe dazu die folgenden Beispiele

    3. Beispiel: Magen-Darm-Krebs

    Beim Magen-Darm-Krebs hat man festgestellt, dass je nach Art des Tumors gleiche Enzyme unterschiedliche Aktivitäten aufwiesen und so die Verstoffwechselung von Chemotherapeutika beeinflussen. Verantwortlich dafür sind bestimmte Polymorphismen, die im Gen liegen, welches für die Uridin-diphosphoglucuronosyltransferase (UGT) codiert. Dieses Enzym setzt ein bei Magenkrebs häufig eingesetztes Medikament namens Irinotecan zu einem aktiven Metabolit um, welches letztendlich auf Krebszellen wirkt, aber eben eine unterschiedliche Aktivität aufweisen kann. So wurde vor allem festgestellt, dass bei Asiaten mit dem Polymorphismus UGT1A1*6 Irinotecan toxischer wirkt als normal und man seitdem die Empfehlung ausgesprochen hat, Patienten die mit Irinotecan behandelt werden sollen, zu genotypisieren, da sonst größere körperliche Schäden auftauchen können. Hier wird also eine Art Risikomanagment betrieben (Quelle und andere Quelle).

    5. Beispiel: Lungenkrebs (NSCLC)

    Auch hier wurde festgestellt, dass Chemotherapeutika je nach Polymorphismus differenziert wirken. Daran Schuld sind vor allem Matrix-Metalloproteasen, welche als Enzyme im Regelfall die Membranen von Krebszellen abbauen und so ihren Tod erzwingen. Treten jedoch SNPs in diesen Enzymen auf, kann eine durchgeführte Chemotherapie bessere Ergebnisse in einem Patienten aufweisen, in einem anderen mit einem bestimmten Polymorphismus allerdings nicht Quelle).

    6. Beispiel: Warfarin, Irinotecan und Thiopurin

    Zum Thema Warfarin wurde Quelle).

    7. Beispiel: P450

    P450 ist ein verdammt wichtiges Enzym, da es ca. 90% (!) der zurzeit genutzen Medikamente oxidiert und so deren Stoffwechsel beeinflusst. Verschiedene Polymorphismen wurden identifiziert, die zu einer veränderten Wirkung verschiedener Medikamente führen, die mit P450 interagieren (Quelle). Wie eine personalisierte Medizin auf das Protein P450 zugeschnitten aussehen kann, kannst du u.a. hier nachlesen. Dort finden sich aber auch Tabellen, die dir aufzeigen, was für Polymorphismen im P450-Gen für Auswirkungen auf eine Therapie haben können. So können sie etwa dafür sorgen, dass bei der Gabe von Clopidogrel eine verstärkte Blutung im Körper auftreten kann, Medikamente die Übelkeit und Brechreiz unterdrücken sollen nicht wirken, der Wirkstoff Tamoxifen nicht richtig anschlägt und und und. Weitere Polymorphismen und wie sie bestimmte Medikamente in ihrer Wirkung beeinflussen, finden sich auf Seite 4. Die Punkmutationen HLA-B*5701 und HLA-B*1502 sorgen für eine verminderte Wirkung von Abacavir und Carbamazepin bei der Behandlung von HIV und Epilepsie. Der Polymorphismus OATP1B1 sorgt dafür, dass bei der Gabe von Simvastatin gegen hohe Cholesterolwerte Muskelerkrankungen auftreten usw.

    Wie du siehst, ich könnte endlos weiter machen und dir aufzählen, was für Polymorphismen für Auswirkungen auf Medikamente haben können. Die personalisierte Medizin taucht also schon längst im klinischen Alltag auf, dennoch werden heute noch die meisten Krankheiten eben nicht individuell behandelt. Wieso? Das habe ich in diesem Kommentar schon erklärt. Um es noch einmal zusammenzufassen: Eine Therapie zu entwickeln kann mehrere Jahrzehnte dauern. Der Durchschnitt für ein wirksames Medikament beträgt gute 15 Jahre. Man kann die personalisierte Medizin (PM) also garnicht als gescheitert einstufen, da sie noch garnicht richtig in Gang gekommen ist und Medikamente entsprechend der PM designed wurden. Wie dies aussehen könnte, wird in diesem Nature Review besprochen, wo ebenfalls die zweifelsfrei existenden Probleme der PM besprochen werden. Wie gesagt, es handelt sich hierbei um eine “aufstrebende Technologie”, die der Optimierung bedarf.

    Ich persönlich bin fest von der PM überzeugt, weil ich ganz einfach die Effekte sehe, die einzelne Polymorphismen auf Medikamente haben. Wenn man also meint, dass zu viel Geld ausgegeben wird, um dieser Sache auf den Grund zu gehen, kann ich nur sagen, dass das schlichtweg eine falsche Einschätzung ist.

    Man muss sich einfach nur das Paper “Pharmacogenomic testing: Relevance in medical practice Why drugs work in some patients but not in others” durchlesen und dann kann man der PM ihre zukünftig wichtigen Rolle garnicht mehr absprechen.

    So, Kopf qualmt…ich mache erstmal Pause 😉

  22. @ Joachim: hin und her

    Also einmal ist das Bild schlecht gewählt, ein andermal ist es ein Beispiel für eine individualisierte Behandlung, die sich seit Jahren bewährt hat. Was denn nun? 😉

    Bevor ich Sebastians Text durchlese, gehe ich wohl besser erst einmal schlafen. Gute Nacht.

  23. @Stephan: Was denn nun

    Das bild ist vor dir schlecht gewählt, weil es überhaupt nicht zu deinem Blogpost passt. Es ist von dem UK Heidelberg gut gewählt, weil die vermutlich wissen, wovon sie reden.

    Du kannst doch nicht ernsthaft den Heidelbergern die Schuld dafür geben, dass du ihr Bild nicht verstanden hast. informiere dich halt nächstes mal bevor du bloggst.

  24. … meine Zweifel

    Hallo,

    auch, oder gerade weil ich das Gefühl habe, der bisherige Wortwechsel lenkt etwas vom eigentlichen Inhalt ab … mit dem medial mächtigen Begriff (in der fett gedruckten Head line, bzw. deren folgender Absatz) „personalisierte Medizin“ wird hier versucht etwas als modern, völlig neu und sensationellem Durchbruch darzustellen, was, insbesonders wenn es sich um die sogenannten „Zivilisationsleiden“ handeld (Stoffwechselerkrankungen, Krebs, Problemkreis Wirbelsäule, Autoimmunerkrankungen, aber auch psycho-somatische Erkrankungen etc.), eigentlich unabdingbar und somit als völlig selbstverständlich vorausgesetzt werden sollte: eine „Medizin“ (im Sinne von Individuum und aktuter Kranksheitssituation), die das Individumm „Patient“ im Mittelpunkt stellt!

    Hier im speziellen geht es im Grunde um eine, technisch gesehen „dem Stand von Wissenschaft und Forschung“ folgende Verfeinerung bisheriger Methoden. Nach bisherigen Eingriffen in das allgemeine Stoffwechselsystem werden nun (hier ganz speziell bestimmte) Proteine, Enzyme, in anderen Fällen Botenstoffe und andere „Trägersubstanzen“ oder eben neuerdings auch der individuelle Genotyp „entdeckt“ und (wenn es sich denn in einigen Jahren bewahrheitet) hoffentlich hilfreich therapeutisch verwendet. Ähnliches spielt sich seit geraumer Zeit ja auch in der Diagnostik ab … eine, entsprechend der fortschreitenden technischen Möglichkeiten stehts verfeinerte „Apparatemedizin“. Das ist im Grunde positiv und wirklich anerkennenswert, bescherrt es jedem von uns neue Hoffnung im Fall der Fälle! Bei aller Anerkennung, was hier an „Leistung“ erbracht wird und teils auch als herausragender „Erfolg“ bewertet werden muss, verbreitet sich insgesamt immer mehr ein „fader“ Beigeschmack seitens explodierender Kosten (gerade mit dem Hintergrund rein wirtschaftlicher Interessen!) bis hin zur Kritik des „wissenschaftlichen Selbstzeckes“ …

    Im Grunde finde ich es sehr traurig, wieder einmal befürchten zu müssen, dass eine an und für sich Selbstverständlichkeit durch ein medienwirksam platziertes Schlagword instrumentalisiert wird. Wohl bemerkt, die herrausragende wissenschaftliche Arbeit ist mehr als anerkennswert! Jeder, dessen Leiden hierdurch gemildert oder gar davon befreit wird, wird ohne Zweifel glücklich sein. Das möchte ich hier ausdrücklich betonen … was ich vermisse, ist, mit Hinblick auf die Überschrift dieses Blocks das wirklich Neue in Sachen „Medizin“.

    mfG

  25. … Fehlermeldung nach “absenden”

    Hallo,

    nach drücken von “absenden” erhalte ich neuerdings die Mitteilung “Seite nicht mehr aktuell”. Wenn ich dann die Ansicht aktualisiere ist mein Kommentar nicht übermittelt und ein neuer Code wird angezeigt. Wenn ich diesen neuen Code verwende und absende ist mein Kommentar auf einmal doppelt übertragen worden.

    mfG

  26. @ Müller

    Den doppelten Kommentar habe ich gelöscht.

    Wundert mich etwas, daß der erste Kommentar angenommen wird. Der Zahlencode ist eine Stunde gültig. Also, wenn diese Seite länger als eine Stunde im Browser ist, wird der Kommentar wegen des falschen Codes nicht mehr angenommen. Eine weitere Fehlerquelle ist der Browsercache. Nach Absenden des Kommentares wird eigentlich einen “frische” Seite mit dem neuen Kommentar geladen, aber manchmal funkt der Browsercache dazwischen und es wird eine alte Seite angezeigt und dann wird der Kommentar der Kommentatoren nochmals geschickt in der Annahme, er sei noch nicht gesendet worden.

  27. @ Joachim: nö

    Ich will in dem Beitrag u.a. darauf hinweisen, dass die sogenannte Personalisierte Medizin, ein gepredigter Hype, ein ganzschön unpersönliches Gesicht haben kann, siehe die Sache mit der genischen Identität. In dieser Hinsicht finde ich das Bild nach wie vor passend.

    Wenn du jetzt darauf verweist, dass es hier nicht um den neuen Hype, sondern um eine etablierte Therapie geht, dann scheint mir das Bild von den Ärzten noch ungünstiger gewählt.

    In meinem Beitrag habe ich ferner darauf verwiesen, dass Medizin in einem gewissen Sinn natürlich schon immer personalisiert war; siehe dazu auch die Definition des President’s Council. Wenn es hier um keines der neuen Verfahren geht, dann passt das Bild erstrecht nicht zum Hype, sehr wohl aber noch stets zu meiner Hinterfragung des Konzepts der “Personalisierung”.

  28. P.S. Joachim

    Schließlich führt dein Vorwurf, ich hätte mich eben besser informieren sollen, ins Leere. Ich habe sämtliche Informationen verwendet, die dem Foto beigefügt waren, und das sind:

    Die “Individualisierte Medizin” weckt hohe Erwartungen.

    Punkt.

  29. @ Sebastian: Uff…

    Okay, vielen Dank erst einmal für diese ausführliche Reaktion. Ich fange erst einmal bei Warfarin an, denn darüber hatten wir ja vorher schon diskutiert:

    Zum Thema Warfarin wurde hier in der Diskussion schon einiges gesagt, woraus ersichtlich wird, wie verschiedene SNPs Warfarin in seiner Wirkung beeinflusst. Es ist zusammen mit den Wirkstoffen Irinotecan und Thiopurin ein “Musterbeispiel” für die personalisierte Medizin, da hier die Dosisgabe entsprechend des Genotyps der Person bestimmt werden muss, was bereits auch so gemacht wird.

    Und ich dachte, die Diskussion in Trotas Blog habe ergeben, dass das Beispiel Warfarin doch nicht so überzeugend ist, denn

    1) das Wissen um den Genotyp stellte nur einen von vielen Faktoren (u.a. Gewicht, Körpergröße usw.) da, anhand deren die Medikamentendosis berechnet wird,

    2) das Modell wurde von den Autoren der einschlägigen Studie noch als experimentell eingestuft und sie schrieben, es müsse sich erst noch in der Praxis bewähren – und wenn ich mich nicht irre, dann hat Trota das auch aus der klinischen Sicht bestätigt – und

    3) geht es dabei auch nicht direkt um die Wirkweise des Medikaments, sondern um die Geschwindigkeit des Abbaus im Körper; und die scheint eben in verschiedenen Menschen u.a. auch abhängig vom Genotyp zu variieren.

    Ich hätte mir gewünscht, dass du auf diese Einwände noch eingegangen wärest, gerne auch in Trotas Blog. Inzwischen ist das auch schon wieder Wochen(?) vorbei und ich habe viel davon vergessen – aber gut, du hattest anderes zu tun.

    Bei Gelegenheit will ich mir das letzte von dir zitierte Paper durchlesen, denn du schreibst: “…dann kann man der PM ihre zukünftig wichtigen Rolle garnicht mehr absprechen.” Ich bin gespannt.

    Mir stellt sich das nach wie vor so dar, dass man eben einen (kleinen) Teil der Varianz in der Wirkungsweise bestimmter Medikamente genetisch erklären kann; für eine Revolution scheint mir das noch etwas dünn.

    Du hast natürlich Recht, wenn du auf die Latenz bei der Medikamentenentwicklung verweist. Meines Wissens ist es aber auch so, dass in der pharmakologischen Forschung auf einen Erfolg gut tausend Misserfolge kommen. Dann müssten wir angesichts deiner sieben Beispiele noch ziemlich optimistisch sein, um zu denken, dass da ein Durchbruch dabei ist.

    Und dass du ständig das Wohl der Patienten beschwörst… Wie die Meisten hier wahrscheinlich inzwischen wissen, sehe ich das nicht in stets teureren und moderneren Apparaten (siehe Foto), sondern in mehr Menschlichkeit.

  30. @Stephan Schleim: Teilweise irreführend

    Ihr Beitrag über die Personalisierte Medizin ist in Teilen irreführend.
    Das Hauptanwendungsgebiet des zugegebenermassen etwas zu allgemein und anspruchsvoll geratenen Begriffs Personalisierte Medizin ist gegenwärtig die Medikamentenverordnung. PM geht davon aus, dass Medikamente nicht bei allen gleich wirken und dass der Grund dafür die unterschiedliche genetische Aussstattung der Patienten ist.

    Sie schreiben in Bezug auf genetische Studien an grossen Kohorten: Das Problem dabei ist, dass bei dieser Anzahl von Individuen eine ganze Reihe minimaler Effekte gefunden wird, die zwar für die Hypothesenbildung und für die Epidemiologie interessant sind, für den Einzelfall aber überwiegend irrelevant. Der Einzelne geht hier im Zufallsrauschen unter.
    Doch mit diesem Studien will man genau nachweisen, dass gewisse Wirkungen oder Nebenwirkungen von Medikamenten an die Existenz von gewissen Genen gebunden sind. Der Einzelne geht hier nicht im Zufallsrauschen unter sondern er hat entweder dieses entscheidende Gen oder er hat es nicht.

    Sie scheinen in ihrem Artikel nicht diese momentane Hauptanwendung der personalisierten Medizin – die Auswahl des besten Medikaments für einen Patienten – im Fokus gehabt zu haben, sondern den von ihnen monierten (aber gar nicht gemachten) Anspruch von PM, damit werde jedem einzelnen geholfen. Dies erklärt warum sie als Beispiel Chorea Huntington-Patienten nehmen, denen die Personalisiserte Medizin nicht helfen könne.

    Tatsache bleibt, dass auch die moderne Medizin vielen Kranken nur Linderung verschaffen, sie aber nicht heilen kann. Die Chorea Huntingten ist nur ein spektakuläres Beispiel, das allerdings nur wenige betrifft. Doch denken sie etwa an Arthritis, an Arthrosen oder arterielle Hypertonie: Davon sind Millionen betroffen und die meisten erhalten als Therapie ein oder mehrere Medikamente. Wenn die PM die Medikamentenvergabe nacchhaltig verändert, dann beeinflusst sie das Leben von Millionen von Kranken, die auf Medikamente angewiesen sind. Und nur schon darum ist die Personalisierte Medizin darum sehr wichtig.

  31. PM in der Krebstherapie und Steve Jobs

    Ich sehe durchaus einige Vorteile einer „personalisierten“ Medizin – z.B. was die Krebstherapie angeht. Denn da werden bislang die Betroffenen nicht selten über einen Kamm geschert – oft mit allen nicht nur sprichwörtlichen Folgen – und mit der Chemokeule quasi fast erschlagen. Ich habe ja bereits ein wenig dazu an anderer Stelle  kommentiert. Auch Sebastian hat hierzu weiter oben einen sehr dezidierten Kommentar geschrieben.

    Natürlich sehe auch ich die Gefahren der „personalisierten“ Medizin. Etwas, das eigentlich selbstverständlich sein sollte, läuft Gefahr dazu missbraucht zu werden, die Gewinnmaximierung bestimmter Sparten und die Entpersönlichung im Ungang mit den Patienten weiter voranzutreiben.

    Steve Jobs ist übrigens ein gutes Beispiel für jemanden, der auch in der Krebstherapie neue – personalisierte – Wege, gehen wollte. Kurz nachdem er seine Krebsdiagnose erhalten hatte, unterzog er sich nicht wie empfohlen einer Operation, sondern ließ erst einmal die DNS seines Tumors sequenzieren – für viel Geld und mit dem Ziel einer maßgeschneiderte Therapie. Die Problematik dazu habe ich in  diesem Blogbeitrag   beschrieben.

  32. @ Trota: Jobs

    Das Material, das du in deinem Blogbeitrag über Jobs zusammengestellt hast, ist auch sehr beeindruckend und informativ. Ich finde es aber müßig, über die Frage nachzudenken, ob er noch leben könnte, und du schreibst ja selbst, dass wir nur spekulieren können. Jobs wollte wohl auch in diesem Fall, der iCEO hatte seinen iCancer, seinen eigenen Weg gehen und diese Entscheidung kann ich respektieren.

  33. @ all: Postscriptum

    Mein Beitrag richtet sich gegen die häufig kolportierte Meinung, durch die Personalisierte Medizin würde a) die Medizin persönlicher, würden b) revolutionär neue Therapien entstehen und c) Patienten neue Informationen für einen gesunden Lebensstil erhalten.

    In dem Buch Meine Gene – mein Leben: Auf dem Weg zur personalisierten Medizin verspricht Francis Collins etwa einen Nutzen, wenn sich Familien Gentests unterziehen. Ich habe beispielsweise den Beitrag Jenseits von Mendel – Die neue ethische Problematik in der prädiktiven neurogenetischen Diagnostik von Synofzik und Schöls redaktionell begleitet und demzufolge sind die genischen Risiken, die man findet, in vielen Fällen so gering, dass man als Individuum gar nicht weiß, was man damit anfangen soll (und als Forscher übrigens auch nicht).

    Auch Florian Holsboer schließt sich in seinem populären Buch Biologie für die Seele: Mein Weg zur personalisierten Medizin der Idee an, durch die Kommunikation individueller genischer Risiken den Patienten zu helfen – dabei sind diese Risiken gerade im psychiatrischen Kontext meist verschwindend gering (siehe bsp. das von mir schon oft erwähnte Paper Kendlers) und oft noch von bestimmten sozialen Einflüssen abhängig, beziehungsweise sogar in größerem Maß davon abhängig (Gen-Umwelt-Interaktionen).

    Es gibt heute schon individuelle humangenetische Sprechstunden – doch tatsächlich wissen auch diejenigen, die diese Sprechstunden durchführen, oft nicht, was sie mit diesen Risikodaten im Einzelfall anfangen sollen (siehe dieses Paper von Hill & Sahar).

    Kurzum: In vielen Fällen weiß niemand genau, wie mit den individuellen Risiken umgegangen werden soll, dabei können solche Beratungen krasse Folgen für Lebensentscheidungen haben, etwa: Soll ich den Partner heiraten, dessen Bruder an Schizophrenie erkrankt ist? (Geschätzte Erblichkeit 82-85%, dabei beträgt das empirische Risiko einer Erkrankung bei einem erkrankten Geschwister 9%; Daten nach Hill & Sahhar, S. 508). Soll ich mit ihm/ihr Kinder haben?

    Den Nutzen dieses neuen Wissens gilt es also gegen die Risiken eines Gesundheitswahns abzuwägen, z.B.

    Die gegenwärtig, vorgeblich zur Mündigkeit befähigende Gesundheit-fördern-fordern-Kampagne zielt de facto allerdings nicht auf souveräne Selbstbestimmung, auch wenn der reine Wortsinn dies nahe legt. Die Menschen sollen nicht zu autonomer Lebensführungsfreiheit befähigt werden, sondern gefordert und gefördert wird die folgsame Umsetzung gesundheitlicher Normvorstellungen und Handlungsregularien. Jeder Mensch soll sich eigenverantwortlich entscheiden – und zwar stets für die gesundheits- bzw. leistungsgerechte Lebensweise und gegen einen genuss- und lustorientierten und ggf. gesundheitsriskanten Lebensstil. (Schmidt, S., 2010, Der kleine Unterschied: Gesundheit fördern – und fordern. In: B. Paul & H. Schmidt-Semisch, Hrsg., Risiko Gesundheit: Über Risiken und Nebenwirkungen der Gesundheitsgesellschaft, S. 24)

    Wem das alles zu kompliziert ist, der lese alternativ das Buch Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult von Manfred Lütz oder den Roman Corpus Delicti von Juli Zeh.

  34. @Stephan Schleim

    »Mein Beitrag richtet sich gegen die häufig kolportierte Meinung, durch die Personalisierte Medizin würde a) die Medizin persönlicher, würden b) revolutionär neue Therapien entstehen und c) Patienten neue Informationen für einen gesunden Lebensstil erhalten. «

    Hm, ja, stimmt wohl, es gibt sicher viele falsche Vorstellungen zur PM und zu deren (zukünftigen) Möglichkeiten.

    Aber das betrifft uns, die treuen Leser Deines Blogs, ja nicht, oder? 😉

  35. P.S. B. Keizer über Biologie & Individ.

    Gerade ein kleiner Ausschnitt aus einer Kolumne, die der niederländische Arzt, Philosoph und Schriftsteller Bert Keizer über biologische Psychiatrie und “Individualisierung” geschrieben hat:

    Der ernsthafte Eifer, mit dem Psychiater [ihre Patienten] mit Angsthemmern, Antipsychotika, Antidepressiva und Anti-Epileptika vollstopfen, nicht selten auch in einzigartigen Kombinationen, steht im schmerzhaften Kontrast zu der Entschlossenheit, mit der sie dem langdauernden Treffen mit diesen Menschen aus dem Weg gehen. (Bert Keizer, Trouw, 19.11.2011, meine Übersetzung)

  36. Therapygenetics (sic!)

    Im Gegensatz dazu die Idee, die Psychotherapie mithilfe der Genetik zu individualisieren:

    Therapygenetics: moving towards personalized psychotherapy treatment
    Beevers, C. G. & McGeary, J. E.
    Trends in Cognitive Sciences, in press

    New research suggests that genetic variation predicts response to cognitive behavior therapy (CBT) for the treatment of pediatric anxiety. We discuss this intriguing finding, review its implications for understanding the etiology of psychopathology, and suggest that psychosocial treatment research would strongly benefit from routinely assessing genetic variation in clinical trials.

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