Chris Frith: Abrechnung mit einer Neurophilosophin
BLOG: MENSCHEN-BILDER
Eine Ausgabe von Nature war kürzlich wieder einmal voll mit Berichten über die Neurowissenschaften: Das milliardenschwere europäische Human Brain Project und die vergleichbare US-Initiative sowie Herausforderungen beim Messen, Speichern und Verstehen von Gehirndaten. Schließlich kommen auch die neurophilosophisch interessierten Leserinnern auf ihre Kosten, wenn kein geringerer als der Opa der sozialen Neurowissenschaft, Chris Frith, kaum ein gutes Haar an dem naiven Gehirnreduktionismus der Oma der Neurophilosophie, Patricia Churchland, lässt.
Die Nature-Ausgabe vom 18. Juli 2013 hat jüngst einmal wieder gezeigt, dass die Hirnforschung im Zentrum der wissenschaftlichen Öffentlichkeit bleiben wird: Zuerst werden im Editorial die beiden neuen Mega-Projekte in der EU und den USA reflektiert, das Human Brain Project und die BRAIN-Initiative. Die Nature-Editoren sehen darin das Potenzial, dass diese Projekte die Neurowissenschaften revolutionieren, verweisen aber auch auf die Schwierigkeit, sie auf ihr Ziel zu fokussieren, und die Gefahr, dadurch Geld aus anderen Förderungen abzuziehen.
Der sarkastischen Interjektion meines geschätzten Kobloggers Helmut Wicht angesichts der Milliardenförderung über zehn Jahre sei an dieser Stelle – mit etwas Verspätung – übrigens erwidert, dass allein die US-amerikanischen National Institutes of Mental Health ein jährliches fiskalisches Budget von knapp 1,5 Milliarden US-Dollar hat, das größtenteils in neurobiologische Forschung gesteckt werden dürfte.
Auf der Suche nach Gehirnlösungen
Etwas tiefer ins Detail als das Editorial geht Alison Abbott, die in München lebende Europa-Korrespondentin von Nature. In ihrem Beitrag Solving the Brain beschreibt sie die technologischen Herausforderungen hinter den Großprojekten: Da sind erstens Versuche, die Aktivierung mehrerer Hundert Nervenzellen gleichzeitig zu messen: Innerhalb weniger Jahre sei es möglich, mit bis zu 2000 Elektroden gleichzeitig abzuleiten, prognostiziert ein US-Forscher. Das ist natürlich immer noch ein winziger Bruchteil der Milliarden und Abermilliarden von Zellen im Gehirn.
Zweitens wird auf Durchbrüche in der anatomischen Kartierung von Gehirnen verwiesen, wie beispielsweise den unter der Leitung von Katrin Amunts vom Forschungszentrum Jülich entwickelten neuen dreidimensionalen anatomischen Gehirnatlas (siehe hier eine Durchreise auf YouTube). Ferner sollen in einer Zusammenarbeit der Harvard-Universität und des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie in München bald neue Elektronenmikroskope mit einer Auflösung bis zu 25 Nanometer – dem Tausendstel einer normalen Zelle – neue Einsichten in die Gehirnstruktur erlauben.
Dies dürfte auch die Datenverarbeitung vor neue Herausforderungen stellen, da in der Messung von nur einem Kubikmillimeter Gehirngewebe bereits 2 Petabyte – das heißt in der Größenordnung von fünfzehn Nullen – Daten anfallen. Winfried Denk vom MPI schätzt, dass ein einzelnes menschliches Gehirn mit dieser Methode 200 Exabyte an Daten liefere – dann sind wir bereits bei zwanzig Nullen. So viel Datenspeicher dürfte nicht einmal die NSA besitzen.
Wo bleibt das Verständnis im Neuro-Dschungel?
Folgerichtig spricht Abbott dann drittens noch die Frage nach dem Verständnis an: Es ist eine Sache, so viele Daten wie möglich zu speichern und zu verarbeiten, aber eine völlig andere, sich darauf einen Reim zu machen. In diesem eher theoretischen Bereich scheinen die Fortschritte noch wesentlich bescheidener zu sein. Der spanische Supercomputer-Experte Jesus Labarta Mancho, Partner des Human Brain Project, erwähnt die Entwicklung einer neuen Computersprache, um die neuen Herausforderungen zu bewältigen.
Der theoretische Neurowissenschaftler Christian Machens aus Lissabon verweist hier auf eine Henne-und-Ei-Problematik: Sobald das Gehirn verstanden sei, wisse man auch, wie man die Daten analysieren müsse; doch erhoffte man sich von der Datenanalyse in erster Linie ja das Gehirnverständnis.
Das Gehirn als Selbst
Diese Probleme bieten sicher noch genügend Stoff zum Denken – und dafür sollte ja eigentlich die Philosophie die ideale Disziplin sein. So findet man in der Nature-Ausgabe auch noch eine Rezension des neuen Buchs Patricia Churchlands, die kein geringerer als der berühmte britische Sozialneurowissenschaftler Chris Frith geschrieben hat. Churchland darf man wohl als die Mutter – oder inzwischen vielleicht die Oma – der Neurophilosophie bezeichnen, die zusammen mit ihrem Mann Paul, beide Philosophieprofessoren an der University of California in San Diego, gemäß dem Programm des Eliminativen Materialismus nichts Geringeres vorhatte, als die Psychologie restlos durch die Hirnforschung zu ersetzen.
Der Titel des Buchs Touching a Nerve: The Self as Brain verrät dementsprechend einen breiten Anspruch, den Menschen über die Erforschung des Gehirns zu verstehen. Dass man zum Verständnis des Geistes beziehungsweise der Psyche das Gehirn verstehen müsse, da sind sich Churchland und Frith noch einig. Allerdings hört damit schon im ersten Absatz die Einigkeit zwischen der Neurophilosophin und dem Neuroforscher auf.
Dabei sollte man wissen, dass Rezensionen meistens Lobeshymnen sind, da die Rezensenten oft vom Verlag oder Autoren selbst vorgeschlagen werden, und man sich meiner Erfahrung nach vor allem im englischsprachigen öffentlichen akademischen Raum vorzugsweise überaus höflich und politisch korrekt ausdrückt. Daher überspringe ich die Sektion der Rezensionen in der Regel auch gleich. Gut, dass ich es bei dieser nicht gemacht habe, denn sie ist in diesem Sinne ein echter Ausreißer.
Einen Nerv getroffen
Den Nerv, den Churchland gemäß ihrem Titel treffen wollte, dürfte wohl eigentlich der von Dualisten gewesen sein (also zum Beispiel der Leute, die sich hier treffen: Persons and Emobiment). Es ist ein altes Spiel: Man konstruiert sich einen Gegner, der förmlich noch in der intellektuellen Steinzeit zu leben scheint und an so etwas wie die Existenz einer immateriellen Seele glaubt; über diesen abstrakten Gegner, einen Strohmann, der einem auf dem eigenen Papier ja nicht widersprechen kann, macht man sich dann im Namen der Wissenschaft, vor allem auch gerne der Hirnforschung, her.
Dabei zeugt eigentlich schon die Idee, so etwas wie eine immaterielle Seele im Experiment finden oder widerlegen zu können, eher von philosophischer Verwirrung (man vergleiche hierzu die Aussagen Gerhard Roths im Spiegel-Streitgespräch mit Richard David Precht). Aber als Strategie, um meterweise Bücherregale zu füllen, ist es freilich Erfolg versprechend, eine auf diese Weise prinzipiell unlösbare Frage genauso lösen zu wollen.
Yet I became increasingly irritated by the mixture of science and homespun wisdom. Stories about badly behaved schoolgirls and White Leghorn hens did not help my understanding of the basis of aggression and sex. (Chris Frith, Nature 499, p. 282)
Damit, nicht nur den Nerv ein paar imaginierter Hinterwäldler zu treffen, sondern auch den einer der berühmtesten Hirnforscher unserer Zeit, dürfte Patricia Churchland kaum gerechnet haben. Dabei nimmt sich Friths genervte Reaktion über das Vermischen von Wissenschaft mit hausbackener Weisheit noch relativ zurückhaltend heraus. Dass sich in dieser Reaktion eine Unkenntnis des breiten Sachbuchmarkts über das „Neue Menschenbild“ äußert, dazu kann man Frith nur gratulieren. Gibt es doch wichtigeres im Leben, als sich alle Jahre wieder mit einer Aura des Wissenschaftlichen garnierte Märchen darüber erzählen zu lassen, warum es keinen freien Willen oder kein Ich gibt.
Gotische Horrorgeschichten im Sachbuchregal
Die Kritik an Churchlands Buch ist jedoch auch inhaltlich handfester: So fragt sich Frith, wie einerseits die Hinweise auf die Prägung durch die Umwelt mit der These übereinstimmen könnten, unsere Gehirne determinierten alles, was wir seien und wie wir die Welt wahrnähmen (Churchland). Freilich werden die überzeugten Neurodeterministen diesen Einwand nicht verstehen – ihre Gehirne sind eben anders determiniert (Warum der Neurodeterminist irrt). Frith wirft schließlich die rhetorische Frage auf, wieso Bücherläden überhaupt voll von Büchern wie Touching a Nerve seien, die zeigten, dass das Gehirn Entscheidungen treffe, moralischer Werte determiniere und politische Haltungen erkläre, wenn es angeblich so viele Dualisten gebe.
We love to be frightened by the thought that we are nothing more than the 1.5 kilograms of sentient meat that is our brain, but we don’t really believe it. I don’t think Churchland really believes it either. (Chris Frith, Nature 499, p. 282)
Scheinbar handle es sich bei dieser Literatur um das moderne Äquivalent gotischer Horrorgeschichten, vermutet der Hirnforscher schließlich: Wir würden diese Bücher wohl eher lesen, weil wir uns gerne durch die Idee, nichts anderes zu sein als ein 1,5kg schweres Gehirn, Angst einjagen ließen. Doch eigentlich würden wir das nicht wirklich glauben – und Churchland selbst wohl auch nicht. Viel deutlicher hätte Chris Frith der Neurophilosophin kaum sagen können, was er von ihrem Gehirnreduktionismus hält. Ein Schelm, wer jetzt denkt, manche gestandene Wissenschaftler oder Philosophen würden eine kontroverse These nur zum Zwecke der Karriereförderung behaupten.
Bildquelle: Gerd Altmann / pixelio.de
Hat man
bei Euch eigentlich auch Informatiker?:
MFG
Dr. W
Das Hirn als letztes (?) Rätsel
Über kaum etwas wissen wir so wenig wie über das Hirn. Vor allem wissen wir nicht wie es die höheren mentalen Funktionen, die uns auszeichnen, ermöglicht. Das hat praktische Konsequenzen, beispielsweise in der Psychiatrie. Depression und Schizophrenie sind bis heute vor allem über einen Symptomenkatalog und ein paar neuroendokrine Veränderungen definiert. Ganz anders als bei anderen Krankheiten (einer Leberzirrhose beispielsweise).
Zu erforschen wie das Hirn unsere mentale Welt, in der wir leben, formt, scheint auch aus vielen weiteren Gründen ein lohnendes Ziel. Die Gefahr zu hoch zu zielen besteht aber. Das Hirn lässt sich nicht nur als Organ sondern auch als Inkarnation unseres Selbst, ja unserer Person. Darum tummeln sich im Bereich der Hirnforschung auch Neurophilosophen – und das zu einem Zeitpunkt, wo man noch fast nichts über das Zustandekommen höherer geistiger Funktionen weiss.
Unabhängig von der Hirnforschung gibt es folgendes tiefgreifends Problem:
Wenn das Subjekt sich selbst als Objekt betrachtet entseht eine Art selbstreferenzielle Situation. Eine Situation die mit Täuschungen einhergehen kann und vielleicht sogar damit einhergehen muss.
Diese Selbstreflektion ist zugleich das, was den Menschen zum grossen Teil ausmacht und was ihn zugleich so weit überfordert, dass der Mensch – nach Ansicht des Philosophen Markus Gabriel – einen Teil seines “Geistes” in ein Wesen namens Gott ausgelagert hat (eine Art Dissoziatives Phänomen)
Wenn wir nun auf der Ebene des Hirns nach uns Selbst suchen, werden wir uns wohl auch auf dieser Ebene mit dem Strange Loop-Problem herumschlagen.
Fazit: Neurophiolosophie als Fach kommt wohl ein paar Dezennien zu früh. Unser Selbst entzieht sich wohl auch weiterhin zum grossen Teil unserem Selbst.
Kompetenzen erwünscht
Zu: “So fragt sich Frith, wie einerseits die Hinweise auf die Prägung durch die Umwelt mit der These übereinstimmen könnten, unsere Gehirne determinierten alles, was wir seien und wie wir die Welt wahrnähmen (Churchland).”
Oh Mann!!!
Das Gehirn, das alle Re-Aktionen eines Menschen determiniert, wird von der Umwelt geprägt; Dank der neuronalen Plastizität kann das Gehirn lebenslang neue Sinnesdaten aufnehmen und persistieren lassen. Das sollte wohl mittlerweile bekannt sein.
Welcher Hirnforscher sagt denn, dass es kein “Ich” oder “selbst” geben sollte? Es hat ja jeder von Ihnen selbst eines. Soweit ich es sehe, sagen sie nur, dass es kein Gehirn-unabhängiges “Ich” geben kann.
Unser ganz normales Leben liefert uns zahlreiche hinweise darauf, dass der “Geist” das Epiphänomen unbewusster (Gehirn)Prozesse sein muss, wie ich anderswo ausgeführt habe:
Andreas Eisenrauch: Der Einfall und die Freiheit -Lebensweltliche Indikatoren der Unfreiheit menschlichen Denkens. BoD, Norderstedt 2012. ISBN 978-3-8482-0487-8
Einige Philosophen liegen Scheinprobleme
Viele in verschiedenen philosophischen Schulen entwickelte Begriffe sind Idealisierungen oder Abstrakta, die eine Vielzahl von Phänomenen zusammenfassen. Scheinprobleme entstehen dann, wenn man das was mit diesen Begriffen bezeichnet wird als reale Entitäten auffasst und vergisst dass es oft sehr fragwürdige Konstrukte sind.
Philosphische Existenzfragen wie das ob es Willensfreiheit gebe oder ob Gott existiere gehören oft in diese Kategorie, denn Begriffe wie Freiheit oder Gott sind Abstrakta, an die wir uns aber so gewöhnen können und die wir sogar so emotional aufladen können, dass wir sie als eigenständige Entitäten empfinden. Und Entitäten oder Objekte können nun mal existieren oder eben nicht existieren, womit wir bei der Existenfrage sind. Würden wir dagegen solche Begriffe wie Freiheit oder Gott wieder dekonstruieren und feststellen, dass beispielsweise mit Gott zu verschiedenen Zeiten von verschiedenen Menschen ganz verschiedene Vorstellungen verbunden waren und sind oder dass Freiheit ein emotional besetzter Begriff ist, mit dem jeder andere Erfahrungen verbindet, dann würden wir erkennen, dass viele Existenzfragen Scheinprobleme sind, weil sie nach der Existenz von etwas fragen, was gar kein Objekt im üblichen Sinne ist.
Wenn ganze Diskurse über solche Fragen ausgetragen werden und Leute sich halbprofessionel damit beschäftigen kommt man schnell zur oben gemachten Aussage
“Ein Schelm, wer jetzt denkt, manche gestandene Wissenschaftler oder Philosophen würden eine kontroverse These nur zum Zwecke der Karriereförderung behaupten.”
Reduktionismus
Manchmal — manchmal denke ich über die Frage nach, ob nicht _jede_ “reductio” eine “ad absurdum” ist.
Von daher sind u.U. diese gigantischen “full evidence”-Systeme (seien Sie bei der NSA, bei Amazon, oder, demnächst womöglich, bei den Hirnforschern), die eben nicht reduzieren, sondern _alles_ wollen, gar nicht so daneben.
Nur müssten wir uns dann wohl von unserem althergebrachten Verständnis von “Verständnis” verabschieden. Wir werden dann nicht mehr (mit Kant) das zu verstehen glauben, was wir konstruieren können, sondern vielmehr das, was wir (mit einiger Sicherheit) vorhersagen können.
@H. Wicht:Begriffs-Utilitarismus bringts
Das Datenmeer (NSA,Vollgenom,Hirnkartierung) als Quelle unseres Denkens und Wissens scheint mir eine zu radikale Antithese zur “reductio” von Phänomenen auf Konzepte und Begriffe.
Die “natürliche” Vorgehensweise ist es doch, Fragestellungen zu formulieren und diese dann mit den Daten im Datenmeer zu beantworten. Das kann man aber nur, wenn man Arbeitshypothesen aufstellt und dann auch Begriffe einführt, die nützlich sind für die Fragestellung. Ein zielloses Fischen im Datenmeer führt dagegen meist nicht sehr weit.
Auch die Geistewissenschaft sollte sich stärker in diese Richtung orientieren und in Zukunft darauf verzichten um die immer gleichen magischen Begriffe zu kreisen wie die Motten um das Licht.
Mit Arbeitshypothesen die mit der Analyse von Datensamlungen beantwortet werden, wären wir nicht ganz so schlimm dran wie unten beschrieben:
“Nur müssten wir uns dann wohl von unserem althergebrachten Verständnis von “Verständnis” verabschieden. Wir werden dann nicht mehr (mit Kant) das zu verstehen glauben, was wir konstruieren können, sondern vielmehr das, was wir (mit einiger Sicherheit) vorhersagen können”
Vielmehr werden durch die Beantwortung von Arbeitshypothesen halt nicht die ganz grossen Fragen auf einen Schlag beantwortet, sondern nur kleine und vorläufige. Man bäkt dann kleinere Brötchen. was aber immer noch besser ist, als Luftschloss an Luftschloss zu setzen, so dass man vor lauter Luftschlössern den Himmel nicht mehr sieht.
@Eisenrauch: Nachdenken erlaubt
Da ist er doch schon, der zerebrozentrische Fehlschluss. Gedankenexperiment: Wenn jemand Sie gekonnt an einem Stuhl festbindet, dann können Sie sich (bzw. der Neurodeterminist würde sagen: dann kann Ihr Gehirn sich) noch so sehr anstrengen – Ihr Verhalten (nämlich sitzen zu bleiben) ist und bleibt aber von der Umwelt determiniert.
Gedankenexperiment 2: Man ersetze das Festbinden am Stuhl durch eine Durchtrennung der motorischen Verbindungen in den Halswirbeln. Ergebnis: dasselbe.
Man setze für “geprägt” hier “determiniert” ein; es stimmt – und zwar geschieht diese Determinierung permanent.
Zu diese Redeweise, siehe “Neuro-Essentialismus”.
Plastizität ist ein alter Hut und hat wenig damit zu tun, dass man in einigen wenigen Regionen Evidenzen auf die Möglichkeit einer adulten Neurogenese entdeckt hat.
Dass sich das Gehirn strukturell und funktionell verändert, konnten wir schon lange intuitiv und theoretisch aus der Beobachtung ableiten, dass Menschen sich verändern und diese Veränderungen wahrscheinlich – unter anderem – im Gehirn reflektiert werden.
Letztlich ist das, was Sie Plastizität nennen, ein weiteres Beispiel für die Determination durch die Umwelt.
Zum Weiterlesen: Warum der Neurodeterminist irrt. Da wurde schon alles ausdiskutiert.
@Helmut: Absurde Reduktion
Nun ja, wer sagt denn, dass die wirklich “alles” haben – selbst die Daten, die mit dem neuen 25-Nanometer-Elektronenmikroskop gewonnen werden, sind nur eine Repräsentation (eine Vereinfachung) dieses Gehirngewebes. Sie haben eben vor allem das, was sich leicht quantifizieren lässt, auch wenn dies zugegebenermaßen im Laufe der Zeit mehr wird.
Gerade mit Verweis auf die Überwachungsprogramme hat kürzlich auf Telepolis ein Psychologie-Professor einen zu genau dieser Frage passenden Artikel geschrieben: Fünf Jahre nach dem Ende der Theorie. Er meint dort, wenn wir (oder eher: jemand) alle diese Daten besäßen, dann ließen sich (annähernd?) perfekte Vorhersagen treffen und dann würde die Redeweise von der Theorie und dem Verständnis obsolet.
Dabei übersieht er aber den Punkt, dass es beim Menschen wahrscheinlich keine ewig feststehenden Gesetze gibt, aus denen sich das Verhalten ableitet. Danach suchen Psychologen ja schon lange.
Indem sich aber eben die Informationen ändern, ändern sich auch die Reaktionen der Menschen – und zwar in wahrscheinlich nichtlinearer und chaotischer Weise. Da möge der Herr Psychologieprofessor erst einmal das Dreikörperproblem lösen, bevor er sich an ein Siebenmilliardenmenschenproblem heranwagt.
Ohne Daten bleibt Spekulation
Ohne Daten lassen sich nicht einmal einfache Vermutungen bestätigen oder widerlegen und damit auch keine gültigen Schlüsse ziehen. Wie wollen sie beispielsweise von einer gefährlich ansteigenden Hypothekarverschuldung sprechen wenn ihnen die Daten zu fehlen?
Umgekehrt nutzen ihnen unter Umständen auch sehr viele Daten wenig. Vor allem wenn es die falschen Daten sind.
Aussagen wie die folgende von Stephan Schleim
“Indem sich aber eben die Informationen ändern, ändern sich auch die Reaktionen der Menschen – und zwar in wahrscheinlich nichtlinearer und chaotischer Weise”
weisen auf mögliche grundsätzliche Erkenntnishindernisse hin. Doch ohne Daten kommt man nicht einmal bis zum Punkt, wo man solche grundsätzlichen Hindernisse erkennt.
Einige Fortschritte hat man schon mit Auswertungen des statistischen Verhaltens von Menschen gemacht.
Was die Fortbewegung in der Masse angeht – z.B. Hadsch, Street Parade – scheinen sich Menschenmengen recht gut als Partikel in einem Partikelsystem zu modellieren und man kann inzwischen Voraussagen diesbezüglich machen.
Auch das Verhalten an der Börse kann mindestens für das Ausbilden von Blasen und nachfolgende Crashs inzwischen recht gut modelliert und auch vorausgesagt werden. Diese Art von statistischer Forschung am Menschen ist noch keine 10 Jahre alt.
Früher gab es “Bauernregeln” für solche Fragestellungen. Zum Beispiel galt für Börsianer die Regel: Wenn dein Coiffeur anfängt Aktien zu kauffen, musst du aussteigen.
Holzherr: Gewichtung
Bitte hier nicht die Standpunkte zu verwechseln: Die Datenfetischisten denken, sie würden völlig ohne Theorie auskommen; ich habe nie behauptet, man könne völlig ohne Daten auskommen, sondern nur, dass Daten allein nicht alles sind. D.h. der Datenfetischist denkt, seine Daten seien notwendig und hinreichend, während ich nur behaupte, dass Theorie auch notwendig ist. Daher Zielt ihr Gegeneinwand meines Erachtens auf einen Strohmann.
Vorhersage ist so ein schwammiger begriff und die meisten, die ihn verwenden, verstehen meiner Meinung nach gar nicht, was sie meinen (vielleicht weil sie zu viel Datenfetischismus betreiben?). Ich habe die Arbeit des Financial Crisis Observatory auch zur Kenntnis genommen. Es ist meines Erachtens noch zu früh, um hier ein aussagekräftiges Urteil zu fällen.
Datenbasen
werden unter Zuhilfenahme von Hypothesen und zwar zwingend unter dieser Zuhilfenahme abgefragt.
Diese Abfragen von Datenbasen werden auch Sichten (“Theorien”) genannt.
Auch das zu Vorhersagende muss theoretisiert werden, dabei die Mittel und Interessen der Erkenntnissubjekte nutzend.
MFG
Dr. W
Zerebrozentrischer Fehlschluss: wo?
Zu: “Da ist er doch schon, der zerebrozentrische Fehlschluss.”
Das kann doch wohl nicht ernst gemeint sein.
Das Gehirn “strengt” sich nicht an aufzustehen. Es verknüpft in diesem Fall sinnlich wahrgenommene äußere Bedingungen (die Fessel etwa) mit von früher behaltenen Erlebnissen, wie man solch einen Zustand beheben könnte und generiert dann körperliche Reaktionen, die mit mehr oder weniger Anstrengung erfolgen.
Wenn nun, wieder vermittels der Sinne bemerkt wird, dass diese scheitern, aus welchen äußeren Gründen auch immer (auch der durchtrennte Nerv ist in diesem Zusammenhang “außen”), werden im Gehirn die dort persistierenden Lebenserfahrungen weiter gescannt, um neue Lösungshandlungen zu generieren.
Das subjektive Indiz für solche unwillkürlichen Erfahrungs-Scans wäre für Ihren gefesselten Menschen, dass ihm nacheinander viele Gedanken mit Lösungsoptionen durch den Kopf gehen, deren Inhalte und Reihenfolge er nicht bewusst steuern kann, wenn man mal genau hinsieht.
Er wird Ihnen das nach seiner Befreiung genau erklären.
@Andreas Eisenrauch
»Zu: “Da ist er doch schon, der zerebrozentrische Fehlschluss.”
Das kann doch wohl nicht ernst gemeint sein.«
Doch, das ist ernst gemeint. Denn:
»Letztlich ist das, was Sie Plastizität nennen, ein weiteres Beispiel für die Determination durch die Umwelt. « (Stephan Schleim).
Es ist schlicht eine andere Perspektive auf das Naturgeschehen. Biologen betrachten Organismen als Entitäten, die sich nach außen von der Umwelt abgrenzen. Lebensnotwendige Substanzen werden relativ selektiv aufgenommen, und die Umwelt wird über Sinnesorgane wahrgenommen.
Ein Philosoph kann nun argumentieren, wenn ein Organismus auf die Umwelt reagiert, dann zeigt dies, dass die Umwelt das Verhalten des Organismus determiniert.
Rein logisch ist da, glaube ich, nichts gegen einzuwenden.
Auch Chris Frith macht sich diese Perspektive von einer agierenden Umwelt zu Eigen, wenn er schreibt:
Die Kultur vermag also das Gehirn zu formen. Wie sie das tut, mittels welcher Mechanismen das geschieht, ist eine ganz andere Frage. Die zu beantworten ist Sache der Naturwissenschaftler, und die Antwort liegt auf der Hand: Die Umwelt determiniert das Verhalten der Organismen, indem sie auf deren jeweilige Fähigkeiten und Eigenschaften zurückgreift.
So haben am Ende beide irgendwie Recht, der Umweltdeterminist und der Neurodeterminist.
@Eisenrauch: Bäumchen wechsel dich
Jetzt bitte nicht einfach Ihren Standpunkt verändern, nachdem ich Sie mit einem Gegenbeispiel konfrontiert habe. Sie schrieben doch ganz deutlich:
Jetzt nehmen Sie einfach an, die Person (in Ihrer Sprache: das Gehirn), wisse in meinem Gedankenexperiment schon, dass sie (es) an den Stuhl gefesselt ist. Kurzum: Sie haben ein zweites, anderes Gehirn eingeführt, um den Unterschied der Reaktionen zu erklären.
Sie hätten stattdessen aber auch die Konsequenz ziehen können, Ihren neurodeterministischen Standpunkt aufzugeben: Denn für mein Gedankenexperiment ist entscheidend, dass die Person (das Gehirn) in Situation 1 – sie will aufstehen und ist nicht gefesselt – und in Situation 2 – sie will aufstehen, ist aber gefesselt – vorher in demselben Zustand ist, nachher, eben determiniert durch die Umwelt (hier: Fessel) aber eine andere Reaktion gezeigt hat.
Mehr braucht es gar nicht, um zu zeigen, dass auch die Umwelt – meines Erachtens sogar entscheidend die Umwelt – die Reaktion (besser: das Verhalten) determiniert, ergo Ihr Standpunkt falsch ist.
In dem Artikel über den neurodeterministischen Fehlschluss haben wir auch andere Beispiele aus dem Alltag diskutiert, beispielsweise eine Lawine beim Skifahren, der Tanz auf einem Tanzcafé (der durch die Auswahl der Musik des DJs beeinflusst wirdt), eine Ampel im Straßenverkehr usw. usf.
Diese Beispiele belegen alle eindeutig den entscheidenden, determinierenden Einfluss der Umwelt auf das Verhalten – der freilich oft, wenn auch nicht immer, übers Gehirn wirkt.
Meine Kritik am sturen Neurodeterminismus ist ganz analog zu der von Chris Frith in der Rezension, dass es unbegreiflich ist, wieso dann immer noch einige Neurophilosophen behaupten können, allein das Gehirn determiniere das Verhalten. Ich kann mir das auch nur so psychologisch erklären, dass die Neurodeterministen eben so stark an die Gehirndetermination glauben, dass sie denken, ihr Gehirn sei auf diesen Fehlschluss determiniert.
Damit zeigen die Neurodeterministen übrigens gerade nicht, wie plastisch das Gehirn ist; sie wehren sich im Gegenteil vehement gegen diesen vernünftigen Umwelteinfluss durch kritisches Reflektieren.
@Balanus: Vermittlung
Danke erst einmal für deinen Vermittlungsversuch. Ich habe dagegen dennoch etwas einzuwenden:
Da ist wieder ein reduktionistischer Fehlschluss: Als ob nicht die Ökologie ein wesentlicher Bestandteil der Biologie wäre. Ich kann mir aber schon vorstellen, wenn man etwa als Molekularbiologie zu viel Zeit seines Lebens im Labor verbringt und Reagenzgläser schüttelt oder genetisch manipulierte Mäuse füttert, dass man dann irgendwann vergisst, worum es in der Biologie eigentlich geht.
Es ist gerade ein wesentlicher Punkt des Systemdenkens, dass auch ein von der Außenwelt irgendwie abgetrennter Organismus (ohne eine Form der Abtrennung könnte man ja gar nicht von einem Organismus sprechen), nicht getrennt von seiner Umwelt untersucht und verstanden werden kann. Bei der Diskussion um den Neurodeterminismus geht es um ein ganz ähnliches Missverständnis.
Nein, das hat gerade nichts mit Philosophie zu tun, sondern mit Wissenschaft. Ich habe einen neutralen wissenschaftlichen Test dafür vorgeschlagen, wie man die determinierenden Einflüsse zwischen Variablen untersuchen kann.
Bisher hat aber noch kein Neurodeterminist etwas erwidern können, beispielsweise einen Begriff der Determination, der nicht von vorne herein, also metaphysisch, auf das Gehirn festgelegt wäre. In diesem Sinne ist der Neurodeterminist hier viel mehr Philosoph – von der Art, wie sie auch Cris Frith kritisiert – als derjenige, der sich um eine integrierte Systemsicht bemüht.
Durch die Personifizierung und Intentionalisierung der Natur handelst du dir nur weitere Probleme ein; aber du bist ja sehr offen gegenüber metaphysischer Spekulation. 😉
Nein, es geht hier nicht nur um verschiedene Perspektiven auf dasselbe, sondern um einen reduzierten Teil versus eine integrierende Gesamtsicht; um Metaphysik versus Wissenschaft; siehe oben.
Und wenn es das grosse Ganze nicht gibt?
Mehr Verständnis des Neuro-Dschungels durch Hirnforschung und Hirnsimulation kann sicher nicht schaden. Doch werden dadurch alle mentalen Phänomene geklärt?
Wer das annimmt, glaubt praktisch an den Angelpunkt, in dem die Welt gelagert ist. Zwar hängen in unserem Universum alle Dinge zusammen, denn so ist das Universum ja defniert: Zum Universum gehört alles was direkt oder indirekt miteinander interagieren kann. Doch daraus zu schliessen, es gäbe die eine Erklärung aus der alles andere folgt, ist falsch. Es könnte so sein. Unsere Erfahrung, selbst die Erfahrung die wir in den Wissenschaften gewonnen haben spricht aber dagegen. Oft stimmt nicht das eine oder das andere, sondern beides hat seinen eigenen Geltungsbereich. So sind viele Gegensätze, die wir sehen oder konstruieren wie den zwischen Freiheit und Determinismus möglicherweise falsch konstruierte, denn wie Elmar Diederichs in The silence of Data ausführt, spricht einiges dafür dass Freiheit und Determinismus “windschief” zueinander stehen, also keine Gegenpole sind.
Ein zentraler Gedanke von Markus Gabriels “Neuem Realismus” ist genau der, dass die Dinge und Prozesse dieser Welt eben kein lückenloses Puzzle bilden, das wir nur noch zusammenfügen müssen. Vielmehr besteht die Welt aus unendlich vielen sich gegenseitig durchdringenden Sinnfeldern. Jedes Sinnfeld steht für Zusammenhänge zwischen Dingen und Prozessen. Doch sie fügen sich nicht zum einen grossen Sinnfeld zusammen, denn dieses gibt es nicht.
Die Hirnforschung kann uns vielleicht verständlich machen, warum wir bestimmte Getränke mögen oder nicht und damit dieses Phänomen dem Sinnfeld, das die Hirnforschung aufbaut, einverleiben. Nur werden dadurch nicht die anderen Sinnfelder einverleibt, die sich beispielsweise für Weingeniesser schon aufgebaut haben. Die Sinnfelder durchdringen sich dann, sie verschmelzen aber nicht.
Hirnforscher natürlich hochbegehrt
Die große Hoffnung lautet: Es lassen sich mehr nutzlose Sachen verkaufen, wenn man das Gehirn besser verstanden hat.
Von den Hirnforschern Erkenntnisse zu erwarten, die über das hinausgehen, was Soziologie und Psychologie bereits “wissen”, ist ohnehin auszuschliessen. Intrinsisch. Aber welchen Wissenschaftler kümmert das, wenn es um reichlich gemütliches Geld, Reputation, chice Auslandsreisen und Vorträge geht..
Variabilität von Entscheidungen
Bei Experimenten mit Fruchtfliegen (Dr. Björn Brembs) wurden diese Tiere in die Nähe einer Lichtquelle gesetzt; 70 % krabbelten auf das Licht zu und 30 % davon weg. Wiederholte man das Experiment nur mit den ´Wegläufern´, dann liefen wieder 70 % auf das Licht zu und 30 % weg.
Dieses Beispiel wiederlegt die Idee des Determinismus – und die Ergebnisse des ´Human Brain Project´ bzw. der ´Brain-Initiative´ werden teilweise mit Fragezeichen zu versehen sein – wenn das Gehirn eine derartig große Variabilität bei Entscheidungen aufweist.
Churchland vs. Frith
Anders als Chris Frith sehe ich überhaupt keinen Widerspruch zwischen Churchlands „“our brains determine everything about who we are and how we experience the world” und der Auffassung (auch von Frith), dass „upbringing and culture have important roles in determining behaviour“.
Was ist Verhalten? Die Wikipedia-Definition finde ich gar nicht so schlecht:
Chris Frith bescheinigt Churchland, dass sie den Stand der Neurowissenschaften korrekt beschreibt. Also darf man davon ausgehen, dass sie weiß, dass Erziehung und Kultur (Lernen) das Gehirn verändern.
Churchlands Behauptung dürfte demnach sein, dass (a) beim Lernen das Gehirn verändert wird (und nicht irgendein anderes Organ), und dass (b) die komplette Verhaltenssteuerung dem Gehirn obliegt (und nicht irgendeinem anderen Organ). Klassischer Zerebrozentrismus also.
Chris Frith meint nun, dass Lernen eine wichtige Rolle spielt bei der Bestimmung des Verhaltens. Und vermutlich geht auch er davon aus, dass das Gehirn (und nicht das Herz oder der Bauch) das Verhalten steuert.
Wenn hier zwischen den Aussagen von Churchland und Frith ein Widerspruch besteht, dann wüsste ich gern, welcher.
(Vielleicht hilft es, wenn wir das Wörtchen „determinieren“ vermeiden, weil es ein permanenter Quell für Missverständnisse ist).
@KRichard
»Dieses Beispiel [mit dem Verhalten der Fliegen] wiederlegt die Idee des Determinismus…«
Welche Idee soll das sein? Dass das Verhalten von Tier und Mensch seit Anbeginn des Universums unabänderlich feststeht?
Oder dass das Verhalten von Tier und Mensch situationsbedingt vom Gehirn „determiniert“, also gesteuert wird?
Oder dass das Verhalten von der Umwelt (hier im Beispiel die Lichtquelle) determiniert wird?
@Balanus: Wie bitte?
Wie kommst du darauf, Churchland würde nach Frith “den Stand der Neurowissenschaften korrekt beschreib[en]”?
Frith schreibt hingegen:
Das Kompliment, dass sie, insofern sie überhaupt auf neurowissenschaftliche Befunde eingeht, diese korrekt beschreibt, relativiert er doch sofort mit dem Verweis auf das nervende Gemisch zwischen Wissenschaft und hausbackener Weisheit:
In gewisser Weise setzt Frith dann noch eins oben drauf, dass Churchland die neurowissenschaftliche Literatur eben nicht ausführlich genug anführt:
Sorry aber da hast du dir mal wieder einen echten Banalus geleistet.
Soso, und meinst du etwa, ein Klaviervirtuose braucht nur ein Klaviervirtuosengehirn und keinen Klaviervirtuosenkörper? Oder was ist mit einem Eiskunstläufer? Kannst du dessen Gehirn auf das eines schwer Übergewichtigen transplantieren, und der dreht immer noch Pirouetten?
Frag mal einen Neurogastroenterologen, was der davon hält, dass “der Bauch” keine Rolle spielt.
@Holzherr
Sie kann vielleicht einen Teil zum Verständnis beitragen, wird aber wohl immer den Sinnzusammenhang von Kultur und Psychologie voraussetzen. Auf welche schiefe Bahn man gerät, wenn man alle diese Voraussetzungen am Ende vergisst und nur noch das Gehirn vor Augen hat, sieht man ja gerade am Beispiel der Neurodeterministen (um hier keine Namen nennen zu wollen).
Die metaphysisch angehauchte Redeweise von den “Sinnfeldern” leuchtet mir überhaupt nicht ein.
Ich halte es hier lieber mit einem Zitat Karl Zilles’ in Abwandlung eines Zitat Niels Bohrs auf einer Bonner Tagung:
Sinnfeld: Dinge in Zusammenhang sehen
Ein Sinnfeld entsteht, wenn man Dinge und Prozesse unter einem Aspekt in Zusamenhang bringt, wenn man sie einer Methodik unterwirft, eine Sicht verwendet. Die gleichen Dinge können in verschiedenen Sichten, also verschiedenen Sinnfeldern, anders erscheinen. Beispiel: Baut man ein quantenmechanisches Experiment entsprechend auf, erhält man ein Interferenzmuster, was auf den Wellencharakter der untersuchten Quanten hinweist. Baut man es anders auf, verhalten sich die Quanten wie Partikel und das obwohl es dieselben ( nur als Beispiel) Lichtquanten sind.
Angewandt auf die Hirnforschung erhält man mit der neuronalen Sicht, also der Sicht, welche das Hirn als Neuronenensemble sieht und auch so untersucht, ein Resultat, welches gefärbt ist durch die Untersuchungsmethode. Untersucht man so höhere mentale Funktionen, darf man nicht übergriffig werden und sagen, das wäre die Wahre Sicht der höheren mentalen Funktion und wir wüssten nun was z.B. Trauer sei. Es gibt auch andere Sichten, andere Sinnfelder, welche Trauer auf andere Weise untersuchen und sie in ein anderes Licht setzen. Sinnfelder können einander durchdringen, sie sind aber nicht isomorph, es gibt also keine 1:1 Abbildung zwischen zwei Sinnfeldern. Dazu gibt es die Redewendung: Wer als einziges Werkzeug einen Hammer hat, wird überall Nägel sehen. Wer also nur neuronale Aktivität untersucht, der wird auch nichts finden, was nicht hineinpasst.
Churchland vs. Frith 2
.@ Stephan
»Wie kommst du darauf, Churchland würde nach Frith “den Stand der Neurowissenschaften korrekt beschreib[en]”? «
Na, weil Frith ziemlich eindeutig schreibt:
“Accurate and commendably up to date,” da gibt es nichts zu deuteln.
Dass er darüber hinaus andere Dinge kritisiert, hebt dieses Statement nicht auf.
»Soso, und meinst du etwa, ein Klaviervirtuose braucht nur ein Klaviervirtuosengehirn und keinen Klaviervirtuosenkörper?«
Ich glaube, wir dürfen voraussetzen, dass ein funktionstüchtiges Gehirn in einem Körper residiert. Aber der Hinweis auf den Klavierspieler ist trotzdem nützlich, denn klarerweise stellt die Rede allein vom Gehirn im Zusammenhang mit der Steuerung des Verhaltens eine arge Verkürzung dar. Wir müssen natürlich das gesamte Nervengewebe einbeziehen, einschließlich des enterischen Nervensystems.
»Frag mal einen Neurogastroenterologen, was der davon hält, dass “der Bauch” keine Rolle spielt.«
Ich frage Dich: Welche Rolle spielt er denn bei der Steuerung des Verhaltens?
Entscheidungen „aus dem Bauch heraus“ sollen ja angeblich ebenfalls im Kopf getroffen werden… aber wer weiß das schon so genau, nicht wahr?
Meine Antwort wäre jedenfalls: Praktisch jeder sensorische Input spielt eine Rolle bei der Verhaltenssteuerung durch das Gehirn.
Banalisierung, Teil 2
Ich habe der Übersicht halber einmal das entscheidende “what” markiert. Was dort steht, wörtlich, ist nicht, dass Churchland den Stand der Neurowissenschaften korrekt wiedergibt (Zitat Balanus), sondern dass das, was sie von der Neurowissenschaft wiedergibt, akkurat und zeitgemäß ist – und selbst dies wird durch die anderen Zitate wieder eingeschränkt.
Das Gehirn ist gar nicht als funktionsfähig denkbar, wenn es nicht in einem funktionsfähigen Körper (oder Körperersatz) ist – also in einer Umwelt, die es am Leben erhält.
Na also, dann gib endlich deinen “klassischen Zerebrozentrismus” auf, von dem du dich hier verabschiedest, anstatt dir permanent selbst zu widersprechen.
noch mehr Eier?
Ihre Rezension der Rezension ist sehr amüsant!
Ihre Antworten auf Kommantare sind es auch, bzw haben es besonders in sich:
“Das Gehirn ist gar nicht als funktionsfähig denkbar, wenn es nicht in einem funktionsfähigen Körper (oder Körperersatz) ist – also in einer Umwelt, die es am Leben erhält.”
–> ist ein Argument wofür? Bzw. wogegen? Bzw einfach: Hä?
Wenn nichts mehr hilft: der Schleim-Stinkefinger, danach geben die meisten auf:
“Na also, dann gib endlich deinen “klassischen Zerebrozentrismus” auf, von dem du dich hier verabschiedest, anstatt dir permanent selbst zu widersprechen.”
Ich dachte, ich thematisiere das einfach mal in aller Drastik, ich habe den Eindruck von Ihren Freunden tut es sonst keiner.
p.s.: Ich finde Balanus Argumentation verblüffend schlüssig, vielleicht ist ja doch was dran?
@Diana: Es geht um Argumente
Ihr Kommentar in allen Ehren, aber er ist meines Erachtens bei Leuten wie Balanus fehl am Platze. Was Sie scheinbar nicht wissen – das werfe ich Ihnen aber auch nicht vor –, ist, dass diese ewigen Diskussionen um den Neuro-Reduktionismus beziehungsweise -Determinismus hier bei Menschen-Bilder schon eine jahrelange Vorgeschichte haben.
Ihre These ist schon in der empirischen Schlussfolgerung falsch: Leute wie Balanus geben nie auf, sondern scheinen in einer Art Endlosschleife gefangen. Wenn man ihnen mit Gründen widerspricht, spornt sie das nur zu neuen Reaktionen an, in denen sie gerne einmal klammheimlich etwas ganz anderes behaupten als vorher (Balanus sprach ja selbst gerade erst von einer “argen Verkürzung”, ohne es nötig zu erachten, seinen Standpunkt vielleicht einmal anzupassen). Das lässt sich auch nachweisen.
Ich habe es zuletzt in diesem Fall einmal bis zum Ende auszudiskutieren versucht. Ergebnis: Wir hatten nach zwei Monaten knapp fünfhundert Kommentare und kamen nicht mehr Weiter. Meine Ankündigung, die Diskussion deshalb zu beenden und meine für alle gleichberechtigte Einladung, seinen Standpunkt in einem Abschlussstatement zu formulieren, hat (außer mir selbst) nur ein Leser angenommen, der übrigens mit mir gegen die Neurodeterministen argumentiert hat.
Damit war für mich völlig klar – und für alle öffentlich sichtbar –, dass den Neurodeterministen hier nicht an einem gleichberechtigten Gedankenaustausch liegt, sondern sie sich vor allem um sich selbst drehen, dies als eine Bühne für die Reproduktion ihrer Ideen halten; es geht für sie hier nicht um eine Diskussion, sondern um oberflächliches Braintertainment. Intellektuelle Redlichkeit? Fehlanzeige.
Die einzig richtige Reaktion darauf ist meines Erachtens die, die mein Gast-Autor Volker Herzog hier (u.a. auch gegen Balanus) gezeigt hat, die Leute nach zwei, drei Reaktionen einfach zu ignorieren.
Jetzt, da Sie über die Hintergründe bescheid wissen, wollen Sie vielleicht Ihre unangemessenen Vorwürfe mit den “Eiern” und dem “Schleim-Stinkefinger” vielleicht zurücknehmen.
@Diana
»p.s.: Ich finde Balanus Argumentation verblüffend schlüssig, …«
Danke! 🙂
@Stephan
Tja, so kann’s gehen. Da siehst Du mal, wie Deine Antworten an mich bei den Lesern und Leserinnen ankommen.
Jetzt fehlt nur noch, dass es zum Teil meine Schuld ist, weil ich an der Determination Deines Verbalverhaltens mir gegenüber irgendwie beteiligt bin. So rein systemtheoretisch gesehen.
Zur Sache, Churchland vs. Frith, die Dritte:
Du schreibst:
»Was dort steht, wörtlich, ist nicht, dass Churchland den Stand der Neurowissenschaften korrekt wiedergibt (Zitat Balanus), sondern dass das, was sie von der Neurowissenschaft wiedergibt, akkurat und zeitgemäß ist…«
Genau, das, was Churchland zu den Neurowissenschaften schreibt, ist laut Chris Frith akkurat und zeitgemäß. Darauf kam es mir an. Und demzufolge dürfte klar sein, dass die von Frith zitierte Passage (“our brains determine everything about who we are and how we experience the world”) nicht auf automatisierte Bewegungsabläufe abzielt, wie sie etwa beim Klavierspielen oder bei der Darmentleerung wichtig sind, sondern auf Dinge wie Persönlichkeit, Charakter und Wahrnehmung. Und diese Dinge werden nicht durch die Funktionen von Herz oder Niere bestimmt, (und auch nicht durch das periphere Nervensystem) sondern durch die Funktionen des Gehirns. Sagt Churchland. Soweit, so richtig, nach dem Stand der Biowissenschaften, wie ich finde. Wenn diese Aussage Churchlands nun typisch für den neurodeterministischen Standpunkt ist, dann frage ich mich, worin hier der Irrtum bestehen soll.
Wie Frith nun dazu kommt, zu meinen, damit würde Churchland die Veränderung des Gehirns durch Lernen (Erziehung und Kultur) implizit bestreiten, ist mir ein Rätsel. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass jemand wie Churchland blind ist für die mindestens zwanzigjährige Reifungszeit des Gehirns, während der der Mensch als soziales Wesen seine Persönlichkeit entwickelt.
Noch kurz zu einigen anderen Punkten:
» Biologen betrachten Organismen als Entitäten, die sich nach außen von der Umwelt abgrenzen.
Da ist wieder ein reduktionistischer Fehlschluss: Als ob nicht die Ökologie ein wesentlicher Bestandteil der Biologie wäre.«
Die Abgrenzung nach außen hat zur Folge, dass praktisch alles, was an Prozessen und Entwicklungen innerhalb eines Organismus abläuft, von diesem selbst bewerkstelligt werden muss. Das ist der entscheidende Punkt, um den es mir bei meiner Bemerkung gegangen ist. Es geht somit auch darum, wie ein (tierischer) Organismus es schafft, sich in der belebten und unbelebten Umwelt zurechtzufinden und zu überleben.
Und wieder: Es erscheint mir völlig unglaubhaft, dass es Leute, Neurophilosophen oder Hirnforscher, geben soll, die diese offensichtlichen Zusammenhänge nicht zur Kenntnis nehmen oder gar bestreiten. Ein Organ, das vor allem dazu dient, das Verhalten entsprechend den Anforderungen der Umwelt zu steuern, kann doch gar nicht anders betrachtet werden.
An @Diana gerichtet schreibst Du:
» (Balanus sprach ja selbst gerade erst von einer “argen Verkürzung”, ohne es nötig zu erachten, seinen Standpunkt vielleicht einmal anzupassen) «
Die „arge Verkürzung“ bezog sich auf die Steuerung des Verhaltens. Weil es, wie Du weißt, auch Verhaltensroutinen gibt, die automatisiert ablaufen nicht direkt von Hirnprozessen abhängen. Wenn das ein Punkt ist, der mit den Aussagen des Neurodeterminismus nicht vereinbar ist, dann irrt er an dieser Stelle. Zufrieden?
Abre los ojos
Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie selbstkritisch mit Gegenargumenten umgehen. Für mich hat Ihr Feldzug gegen “den Neurodeterminismus”, entschuldige das ich das so direkt sage, etwas manisches. So wie Balanus bezweifle ich stark, dass es die von Ihnen beschriebene und als Neurodeterminismus bezeichnete Position überhaupt gibt: Wenn ein Gehirn nicht auf die Reize aus der Umwelt reagiert, wozu hätte es dann Sinn? Nur in einer vollständig determinierten und damit simulierbaren Umwelt wäre ein derart abgeschottetes Gehirn ohne Input denkbar, aber das ist mehr eine philosophische Spielerei (vergl Clark, BBS, 2012).
Sie erklären sich die viele Kritik und unermüdlichen Überzeugungsversuche mit der ideologischen Verbohrtheit der Kritiker, aber ist Ihnen je der Gedanke gekommen, dass an Ihrer Sichtweise etwas kritikwürdig sein könnte? Diese Frage ist gar nicht so rhetorisch gemeint; erwiesenermaßen sind sich die wenigsten ihrer idee fixe wirklich bewusst (vergl. Gould: the mismeasure of man).
Das alles wäre nicht so tragisch, wenn sie mit Ihrem Kampf gegen ein nichtexistierendes Gespenst – in dem Sie nur scheitern können – nicht eine ganze Forschungsrichtung diffarmieren würden, in dem Sie ihr beständig und mal mehr mal weniger subtil ans Bein pinkeln. Es gibt sicher viele kritikwürdige psychologische und neurowissenschaftliche Arbeiten und Haltungen (wie anderswo auch), aber etwas mehr Stil und etwas weniger Pauschalität würde Sie sicher weiter bringen. Schauen Sie sich doch einmal andere englischsprachige Blogs an, da ist man schon viel weiter (z.B. the neurocritic).
Mit besten Grüßen
Diana
Neurodeterminismus
Es gibt diese Positionen, Diana, diese sind ungünstig; an der Kritik derselben ist nichts ‘Manisches’, das ‘Gespenst’ existiert, und das Hervorheben von Stilfragen belastet nur die Erörterung.
MFG
Dr. W
@Diana
Ihre Schimpferei ist völlig überflüssig und Zeitverschwendung für den Leser – und daher unerwünscht. Sie können jederzeit eigene Sachargumente schreiben – wenn Sie welche haben
Balanus ein Neurodeterminist?
Hallo Stephan,
wie definierst Du einen Neurodeterminist? Wenn ich Dich richtig verstehe behauptet der Neurodeterminist folgendes:
1. Das Gehirn legt alles fest.
UND
2. Der Mensch ist mit seinem Gehirn identisch.
Ich habe den Eindruck, dass Du Balanus aufgrund seiner Aussagen in deinem Blog für einen Neurodeterminist hälst und ich denke Du liegst falsch, weil ich seinen Aussagen keine Evidenz für die Behauptung 1. finde. Das heißt er vertritt noch nicht mal einen neuroreduktionistischen Standpunkt.
Das hier beispielsweise
– ‘Die Umwelt determiniert das Verhalten der Organismen, indem sie auf deren jeweilige Fähigkeiten und Eigenschaften zurückgreift.’ (Bal) – ist, wenn der zweite Teil der Aussage einmal diskontiert wird, deterministische, neurodeterministische Anschauung.
Der Determinist setzt spekulativ die Determiniertheit der Welt voraus, er wird zum Neurodeterministen, wenn er Gehirn und Geist einschließt.
MFG
Dr. W
Berechtigte Kritik
Ich finde die Kritik von Herrn Schleim an dem, was er “Neurodeterminismus/-redutionismus nennt, überzeugend, einleuchtend und berechtigt (soweit ich das Thema beurteilen kann) und freue mich über die klare Stellungnahme, vielen Dank.
Ja, es ist ja eigentlich eine Trivialität, dass das Gehirn vom Körper und der Umwelt beeinflusst wird. Aber werden aus dieser Erkenntnis alle Konsequenzen gezogen? Man hat aus Positionen des Neurodeterminismus heraus behauptet, ein “freier Wille” wäre eine Illusion, deswegen gäbe es eigentlich auch keine Schuldfähigkeit vor Gericht. Nichtsdestotrotz ist das Prinzip “Verantwortung” doch wesentlich für das Funktionieren einer Gesellschaft.
Auf der Ebene von Nervenzellen wird man Konzepte wie “Wille”, “Verantwortung” etc. schwerlich finden, so wie man auf der Ebene von Atomen kein Leben finden kann. Wie “Geist” durch Gehirnprozesse entsteht, kann noch keiner erklären, oder ist der auch eine Illusion?
Man kann den gordischen Knoten nicht durch Zerhauen lösen.
Ich hatte früher mal ein Gedankenexperiment unternommen. Angenommen, wir können eine Supercomputer mit künstlicher Intelligenz bauen, mit Ich-Bewusstsein. Wie wird dann seine Psyche/Geist beschaffen sein? Wie schaltet man ihn ein? Kann man ihn aus- und dann wieder einschalten? Oder muss er wachsen, wie ein Gehirn, verbunden mit der Umwelt durch Sinnesorgane?
Aus diesem Supercomputer könnte wohl ein Psychopathenbewusstsein hervorgehen.
Ich denke, schon der häufige Vergleich eines Gehirns mit einem Computer ist ein bedenklicher Reduktionismus.
@Diana: Ja, abre los ojos – und lies!
Ich finde es in Ordnung, wenn LeserInnen hart mit mir ins Gericht gehen – aber Ihre Reaktion zeugt vor allem von mangelnder Kenntnis der Hintergründe:
Es waren erst einmal eine ganze Reihe namhafter Hirnforscher, die schon einmal im 19. Jahrhundert und dann wieder gegen Ende des 20. Jahrhunderts, zum Teil bis heute, der Meinung waren, den Menschen erklären zu können und damit die anderen wissenschaftlichen Disziplinen zu ersetzen. Es war der Nobelpreisträger Sperry, der schon 1981 schrieb, Philosophien, Weltmodelle und politische Ideologien würden mit dem Wissen ums Gehirn stehen und fallen (Changing Priorities); es war sein ehemaliger Mitarbeiter Gazzaniga, der 2005 behauptete, wir bräuchten eine gehirngerechte Ethik (naturalistischer Fehlschluss; The Ethical Brain).
Es waren elf “führende Neurowissenschaftler”, die in ihrem Manifest 2004 die Hirnforschung als neue Leitdisziplin vom Menschen aufstellten (Gehirn&Geist 5-6/2004); von Singers “Verschaltungen legen uns fest. Wir sollten aufhören von Freiheit zu reden” und der darauffolgenden Diskussion bis vor wenigen Jahren haben Sie wohl noch nichts gehört; es waren vor allem auch die Churchlands, um die es hier geht, selbst, die schon in den 1980ern die Idee von der Elimination der Psychologie formulierten; und es war beispielsweise der kognitive Neurowissenschaftler Lamme, der ausgerechnet seiner Antrittsrede 2004 den Titel gab: “Weg mit der Psychologie!” und das für die Bewusstseinsforschung auch so meinte.
Sie haben sich schon vorher nachweislich geirrt und Sie irren sich wieder sehr deutlich, wenn Sie hier von einem “nichtexistierende[n] Gespenst” reden. Diese “Gespenster” machen einen Teil des Who is Who der Neurowissenschaften und Neurophilosophie aus.
Wenn Sie den kritischen Anspruch, den Sie von mir und anderen erwarten, auch an sich selbst stellen, dann ist jetzt der Zeitpunkt für Sie, Ihren widerlegten Standpunkt zu revidieren.
Nur fürs Protokoll: Ich finde weite Teile von Psychologie und Neurowissenschaften interessant und deshalb arbeite ich mit vielen PsychologInnen und NeurowissenschaftlerInnen zusammen und meines Wissens beruhte das bisher auf beidseitigem Interesse.
@Joe: Determinierter Balanus
Die Diskussion mit Balanus über die Determination von Verhalten hat hier schon einen langen Rattenschwanz.
Der Nachweis ist erst einmal einfach, da sich Balanus schon selbst dem “klassischen Neurodeterminismus” zugeordnet hat.
“Neurodeterminismus” gibt es in vielen Varianten: Der Mensch ist sein Gehirn; Verschaltungen legen uns Fest usw. (siehe auch diese Belegstellen). In meinem Post zum Thema formulierte ich es einmal so:
Neurodeterministen wie Balanus leugnen auf Nachfrage natürlich nicht, dass Verhalten auf einer Interaktion von Gehirn, Körper und Umwelt beruht, halten aber an anderer Stelle dann doch an ihrer Redeweise vom alles Verhalten determinierenden Gehirn fest; deshalb ist die Diskussion mit ihm (und ein paar anderen – vielleicht ist Diana auch so ein Kandidat) ebenso sinnvoll wie eine Diskussion mit Humpty Dumpty.
@Joe Dramiga
Gute Frage: Bin ich ein Neurodeterminist?
Mal abgesehen davon, dass es da natürlich auf die Definition des Neurodeterminismus ankommt: Wenn ich einer wäre und würde irren, dann müssten diverse biologische Lehrbücher neu geschrieben werden. Also bin ich vermutlich keiner. Oder doch?
Ich denke ja, ähnlich wie @Diana, dass der Neurodeterminist eher so etwas ist wie eine philosophische Kunstfigur, ein Konstrukt, an dem man sich dann philosophisch abarbeiten kann. Da habe ich auch gar nichts gegen einzuwenden.
Stephan schreibt im vorstehenden Kommentar:
»Es waren erst einmal eine ganze Reihe namhafter Hirnforscher, die schon einmal im 19. Jahrhundert und dann wieder gegen Ende des 20. Jahrhunderts, zum Teil bis heute, der Meinung waren, den Menschen erklären zu können und damit die anderen wissenschaftlichen Disziplinen zu ersetzen. «
Nun, das Wesen des Menschen, das, was ihn vom Tier unterscheidet, sehe ich in der Tat als etwas, was mit der Entwicklung seines Gehirns zu tun hat. Zum Philosophieren braucht der Mensch sein Gehirn (das klingt nach Dualismus, ich weiß). Kurz, das Wesen des Menschen erklärt sich nach meinem Dafürhalten aus den funktionalen Fähigkeiten seines Gehirns. Das bedeutet aber keineswegs, dass darum die Hirnforschung andere Wissenschaftsdisziplinen ersetzen kann, auch nicht auf lange Sicht. Eine solche Ansicht war und ist gewiss nicht sehr verbreitet.
Aber eine Aussage wie die von Wolf Singer, dass Verschaltungen und festlegen und es deshalb keine Freiheit gäbe, ist doch, wie ich finde, vor allem gegen dualistische Auffassungen gerichtet. Wenn man auch das noch in den Topf „Neurodeterminismus“ mit einrührt, dann wird aus diesem Begriff ja so etwas wie ein Gegenbegriff zum Dualismus. So wirkt es zumindest auf jemanden wie mich als philosophischen Laien.
Und wenn ich eines aus den Diskussionen mit Stephan gelernt habe—ich mache jetzt einen kleinen Sprung—, dann dies, dass ein Naturwissenschaftler das Begriffspaar „Determinismus/Indeterminismus“ tunlichst meiden sollte. Das ist einfach nicht sein Fachgebiet.
Ein Biologe kann mit dem Begriff „Determinismus“, wenn überhaupt, doch nur „Naturgesetzlichkeit“ verbinden, und nicht, dass alles „festgelegt“ und prinzipiell vorhersagbar ist.
Kurz, einen Satz wie: „Das Gehirn legt alles fest“, könnte man auch so verstehen, dass die Existenz höherer, übergeordneter Instanzen bestritten wird.
In diesem Sinne wäre ich dann klarerweise ein „Neurodeterminist“.
@Joe Dramiga, Nachtrag
Stephan schreibt:
»Neurodeterministen wie Balanus leugnen auf Nachfrage natürlich nicht, dass Verhalten auf einer Interaktion von Gehirn, Körper und Umwelt beruht, …«
Ich „leugne“ durchaus, dass es eine „Interaktion“ im wörtlichen Sinne mit der Umwelt geben kann. Die „Umwelt“ ist in meinen Augen kein „Akteur“.
Ein Fisch interagiert nicht mit dem Wasser, in dem er schwimmt.
Nur wenn die „Umwelt“ aus einzelnen lebenden Wesen besteht, kann meiner Meinung nach sinnvoll von einer Interaktion gesprochen werden.
@Balanus: Nice Try
Ebensowenig wie es wissenschaftlich korrekt war, nur das eine Kompliment Friths herauszupicken und dann die vielen Belege für (teils harsche) Kritik zu übersehen, ist es wissenschaftlich korrekt, aus einer N=1-Beobachtung auf “den Leser/die Leserin” zu verallgemeinern, zumal es bei dieser Leserin offenkundig um jemanden geht, der nicht einmal die Hintergründe kennt.
Netter Scherz. 🙂 Hier verwechselst du aber die wissenschaftlichen und normativen Kategorien. Aus Systemsicht kann ich freilich nur mit dir Kommunizieren, wenn es dich gibt und du dich z.B. auf diesem Portal an der Kommunikation beteiligst. Meine Reaktion ist eben durch dich und meine Reflektion (meine Fähigkeiten, Erinnerungen usw., die im Körper realisiert sind, einbeziehend) festgelegt.
Ob du deshalb Schuld hast oder nicht, das ist dann eher eine moralische Frage. Im Übrigen sind einige der Vertreter einer Systemsicht in moralisch-juristischen Fragen auch nicht gerade große Befürworter des Schuldprinzips.
Wenn du nicht verstehst, was Chris Frith meint oder warum er das tut, warum fragst du ihn dann nicht selbst? Wie ich im Post und der Diskussion danach dargestellt habe, ist das für mich hinreichend deutlich; und auch von den anderen LeserInnen hat hier bisher noch niemand Probleme dahingehend geäußert.
@Paul Stefan: Computermetapher
Das ist ja nun eine Zielsetzung des Human Brain Project, in das EU-Länder mehr als eine Milliarde Euro investieren. Interessanterweise scheint diese Simulation – soweit ich es bisher verstanden habe – weniger auf der algorithmischen Ebene zu geschehen, wie man sich das in den Zeiten der Good Old-Fashioned Artificial Intelligence einmal träumte, sondern vielmehr auf einer brute force-Simulation der Prozesse auf der neuronalen/molekularen Ebene.
Selbst wenn man damit Erfolg haben sollte, Markram hielt meines Wissens ja auch wesentliche Befunde zu seinem simulierten Rattengehirn unter Verschluss, ist es gut möglich, nach meiner Vermutung sogar sehr wahrscheinlich, dass man die Simulation ebenso wenig verstehen wird wie das original – vielleicht wird man dann aber weniger Hemmungen haben, manipulierend darin einzugreifen.
Warum man das aus moralischen Gründe nicht tun sollte, das hat Thomas Metzinger ja schon beschrieben (PDF, 2006).
@all: Der Deutlichkeit halber
Für alle sei hier noch einmal der neurodeterministische und zerebrozentrische Fehlschluss am Beispiel des schönen Zitats Chris Friths nachvollzogen. In der Rezension heißt es:
Primo ist es falsch, nur das Gehirn einzubeziehen und nicht das gesamte Nervensystem (“zerebrozentrischer Fehlschluss”).
Secundo ist es falsch, nur das Nervensystem einzubeziehen und nicht den gesamten Körper (“neurodeterministischer Fehlschluss”).
Tertio ist es unredlich, nur von Gehirndetermination zu sprechen, wenn das Gehirn (bzw. der Körper) erst einmal von der Umwelt mit-determiniert ist (“neurdeterministische Unredlichkeit”).
Quatro hat diese Unredlichkeit problematische wissenschafts- und gesellschaftspolitische Folgen: Einerseits werden andere Disziplinen, die zum Verständnis der Probleme (z.B. psychische Störungen) zweifellos und notwendigerweise beitragen können, vernachlässigt; andererseits werden auch soziale Lösungen gegenüber gehirnbasierten Lösungen aus dem Auge verloren.
Deshalb macht, quinto, der Neurodeterminismus den Menschen gerade weniger politisch frei und ist deshalb gesellschaftlich gefährlich. Auf diese Gefahr habe ich auch schon in meinem ursprünglichen Post hingewiesen.
4 Widersprüche und 1 Zustimmung
Ad primum: es ist nicht falsch sondern vereinfachend, nur das Gehirn einzubeziehen und nicht das gesamte Nervensystem. Diese Vereinfachung scheint mir zulässig, weil die Komplexität der vom Gehirn generierten Verhaltensweisen wesentlich größer ist als die von Rückenmark oder autonomen Ganglien außerhalb des ZNS.
Ad secundum: es ist nicht falsch sondern zulässig vereinfachend, nur das Nervensystem einzubeziehen und nicht den gesamten Körper.
Ad tertium: es ist nicht unredlich, nur von Gehirndetermination zu sprechen. Das Gehirn (bzw. der Körper) ist zwar von der Umwelt mit-determiniert. Das Gehirn ist aber durch die Umwelt nicht beliebig veränderbar sondern im Rahmen seiner biologischen Möglichkeiten. Es kann keine Intuition von Statistik oder Anschauung vierdimensionaler Raumzeit erwerben (wohl aber beides mathematisch beschreiben).
Ad quatrum: Diese Unredlichkeit hätte problematische wissenschafts- und gesellschaftspolitische Folgen, wenn andere Disziplinen, die zum Verständnis der Probleme (z.B. psychische Störungen) zweifellos und notwendigerweise beitragen können, vernachlässigt und soziale Lösungen gegenüber gehirnbasierten Lösungen aus dem Auge verloren würden. Die Neurowisscnschaft kann andere psychologische Disziplinen nicht ersetzen sondern ergänzen und teilweise korrigieren.
Deshalb kann, quinto, der „Neurodeterminismus“ helfen, politische und gesellschaftliche Urteile und Aktionen auf einer realistischen Grundlage zu tätigen. Er kann die Gefahren reduzieren, die aus der unrealistischen Annahme entstehen, menschliches Verhalten sei durch Umwelteinflüsse beliebig formbar.
Bolt: Vier Einsprüche!
Ad primum: Als ob “vereinfachend” ein tertium neben “wahr” und “falsch” wäre! Die entscheidende Frage ist eben, wie weit die Vereinfachung gehen darf, bevor sie falsch wird.
Ein Beispiel (Können Hirnforscher bald Träume entschlüsseln?; siehe auch die Diskussion mit Balanus hierzu): Wenn jemand, erstens, ein theoretisches Modell zur Rekonstruktion von Videofilmen aufbaut, dieses Modell, zweitens, mit einigen Gigabyte an Video- und Gehirndaten füttert, dann, drittens, aus neuen gewonnen Gehirndaten Videos rekonstruiert und schließlich, viertens, behauptet, er könne die Rekonstruktion allein aus Gehirndaten vornehmen (d.h. im Gegensatz zu den Vorussetzungen unter erstens), dann ist das meines Erachtens schlicht falsch und transportiert auch eine falsche Botschaft über die Möglichkeiten der Datensammlung.
Wenn Sie das Problem der bis zur Falschheit vereinfachten Darstellung im Falle des Neurodeterminisus nicht sehen, dann kann ich dagegen wenig mehr tun und mir allenfalls zur Beruhigung diesen Comic anschauen.
Dementsprechend ad secundum.
Ad tertium:
Wer behauptet denn, dass es beliebig veränderbar sein müsste? Niemand!
Es kann, erstens, in dieser natürlichen Welt eben nur im Rahmen des natürlich Möglichen verändert werden; diese Möglichkeiten gibt aber eben nicht das Gehirn vor, sondern die Natur. Zweitens, sind auch auch die Möglichkeiten für die Veränderbarkeit des Gehirns von der Umwelt entscheidend mit-determiniert (bsp. Epigenetik, woher soll denn die Energie kommen?).
Ad quatrum:
Diese Unredlichkeit hat bereits problematische Folgen, wie für die Psychologie beispielsweise auf einem eigenen Symposium zur Zukunft der Psychologie auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychologie 2009 diskutiert wurde, dessen Ergebnisse in der Psychologischen Rundschau 2010, 61 (4), 175ff. publiziert sind.
Und diese Unredlichkeit wirkt sich auch schon lange negativ auf die Praxis aus, wie am Beispiel der Psychiatrie in der ursprünglichen Diskussion zum Neurodetermismus anhand zahlreicher Beispiele und mit Belegen nachgewiesen wurde.
Verzeihung, wenn ich das einmal persönlich anmerke, aber es gehört wirlich schon sehr viel geistige Abschottung dazu, das alles nicht sehen zu wollen.
Davon brauchen Sie mich nicht zu überzeugen; sagen Sie das dem Neurodeterministen.
Da schon Ihre vier Voraussetzungen falsch sind, muss ich Ihre Schlussfolgerung (über den angeblichen Nutzen des Neurodeterminismus) nicht mehr kommentieren.
@ Paul Stefan
»Man hat aus Positionen des Neurodeterminismus heraus behauptet, ein “freier Wille” wäre eine Illusion, deswegen gäbe es eigentlich auch keine Schuldfähigkeit vor Gericht. «
Das zielt nun, finde ich, wieder in eine ganz andere Richtung (übergeordnete moralische Instanz). Ob jemand in einer gegebenen Situation auch anders hätte handeln können, diese Frage der Zurechnungsfähigkeit ist immer zu prüfen, egal, wie man zur „Willensfreiheit“ steht.
Chis Frith bemängelt übrigens in seiner Rezension, Churchland sei beim Thema „freier Wille“ zu wenig auf die beunruhigenden Ergebnisse der neurowissenschaftlichen Forschung eingegangen, die nahelegten, dass das Gewahrwerden einer Handlung erst nach der Handlungsentscheidung erfolgt („She does not consider the disturbing results of neuroscience research, which suggest that awareness of action — intending and knowing — occur after the action has been selected“).
Das hat ja schon fast einen neurodeterministischen Touch…
@Stephan: Hirnforscher
Die von Ihnen aufgeführten Autoren sind sicher “Hardliner” der Hirnforschung, aber ich bezweifle stark, dass auch nur einer Ihre Fehlschlüsse und Unredlichkeiten begeht. Alles andere wäre zu verrückt. Einen der ersten beiden Fehlschlüsse zu begehen, hieße, das Hirn abzukoppeln wollen von input und output. Wozu dann ein Gehirn überhaupt brauchen? Es gibt übrigens einige Tiere, die in eine sessile Phase übergehen, in der input und output auf ein Minimum reduziert sind. Für diese Tiere ist es ökonomischer, ihr ZNS zu verdauen, was sie dann auch tun.
Zu Ihrem dritten “Unredlichkeit”, was würde das bedeuten? Ich habe zwar input, aber ich scheiß drauf. Wer bitte behauptet das?
Ihre Punkte sind trivial, denn sie BEDINGEN das Gehirn. Wer PNS, Körper oder Umwelt gänzlich ausklammert, muss erklären, worin denn dann die Funktion des Gehirns liegen könnte. Alle anderen können zumindest spekulieren (zB. geeignete Reaktionen auf Sinneseindrücke zu berechnen).
@Diana: Braintertainment
Sie können hier noch lange zweifelnd spekulieren oder sich auch einmal den Fakten stellen, gerade dann, wenn man mit dem von Ihnen vordergründig vertretenen Anspruch der kritischen Diskussion an eine Sache herangeht.
Sie haben mir hier erst vorgeworfen, mit meiner harten Reaktion (O-Ton Diana: “Schleim-Stinkefinger”) vor allem auf Balanus die Diskutierenden zu verprellen. Das Gegenteil ist der Fall; schon einmal auf den Kommentarzähler geschaut? Oder den des Beitrags über den Irrtum des Neurodeterministen?
Sie haben mir dann vorgeworfen, einen “Kampf gegen ein nichtexistierendes Gespenst” zu führen. Daraufhin habe ich (und übrigens nicht nur ich, siehe Webbär, KRichard, Paul Stefan) Ihnen namhafte Vertreter der von mir kritisierten Position genannt – Sperry, Gazzaniga, Singer, Churchland, Lamme –, die mir alles andere als gespenstisch scheinen.
Was machen Sie? Anstatt sich einmal damit auseinanderzusetzen, was diese Personen tatsächlich behaupten, verstecken Sie sich einfach, ohne Anschauung der Fakten, hinter Ihrem bequemen “Zweifel”.
Da Sie Ihrem eigenen Standard einer kritischen Diskussion nicht gerecht werden, ja es nicht einmal versuchen, darf ich wohl annehmen, dass es Ihnen nur um gelangweiltes Braintertainment geht. Nun, ich verbiete niemandem, bei Menschen-Bilder mitzudiskutieren, aber ernst nehmen kann ich Sie so aus, wie ich finde, transparenten und gut nachvollziehbaren Gründen nicht.
Und falls Sie einmal Ihre Augen öffnen wollen, dann können Sie mit der Diskussion hier anfangen, das ist Gratis, oder sich auch für ein paar Euro mein Buch “Die Neurogesellschaft” kaufen, wo die neurodeterministischen Thesen der namhaften Vertreter ausführlicher Diskutiert werden.
Diana, abre los ojos – und lies!
@Stephan
Tja, so ist das wohl. Sie können gerne Sperry, Gazzaniga, etc kritisieren. Mit Ihrer speziellen Kritik des Neurodeterminismus, so wie Sie ihn definieren, stoßen Sie sicher bloß auf Unverständnis. Haben Sie mal eine der von Ihnen genannten Personen mit Ihrer Kritik konfrontiert? Die Antwort würde mich wirklich interessieren.
Noch einmal: Dass das Gehirn nicht in Isolation existiert und “Sinn macht”, ist trivial. Ist das wirklich der Kern Ihrer Argumentation?
@Diana: Neuro-Kritik
Sperry war schon tot, Gazzaniga hat unsere Korrespondenz abgebrochen, als ich ihm meine Rezension seines Buchs, darin der Nachweis einiger Widersprüche, zugeschickt habe (15.05.2006), dass Roth und Singer nach und nach von ihrem starken Neurodeterminismus abgerückt sind, kann ich kaum mir auf die Fahne schreiben, jedoch der substanziellen philosophischen Kritik anderer (Beispiel), mein Gespräch mit Victor Lamme fand ich inhaltlich wenig bereichernd (20.01.2011), Nils Brose (MPI-Direktor, Göttingen) hat sich zu meiner Kritik an seinem Gen-Determinismus hier geäußert, Kuno Kirschfeld (em. MPI-Direktor, Tübingen) zu meiner Kritik am Neurodeterminismus hier.
Ein weiterer Institutsleiter, den ich namentlich nicht nennen will, machte meinen Standpunkt erst lächerlich, so wie Sie hier, und erwiderte auf meine Nachfrage, was denn nun sein inhaltliches Argument gegen meine Kritik sei, das sei ja nur Spaß gewesen – die inhaltliche Antwort blieb bis heute aus, der Artikel wurde meines Wissens aber so um die 500.000-mal abgerufen und mir hat ein namhafter Verlag einen Buchvertrag angeboten, ferner sind meine Publikationen freilich auf den üblichen Wegen abrufbar.
Andere namhafte Professoren verschiedener Disziplinen fanden meine Kritik am Neurodeterminismus und meinen alternativen Ansatz gar nicht unverständlich, wie Sie hier behaupten, sondern haben mich erst zu einer Gastprofessur und dann zu einem Forschungsaufenthalt an einem namhaften Forschungszentrum eingeladen, usw. usf.
Diana, Sie haben sich angeschickt, hier die Neurowissenschaften und die Psychologie zu verteidigen. Wo bleibt die Substanz? Bisher haben Sie diesen Disziplinen wahrlich einen Bärendienst erwiesen.
@Balanus: Noch ein Widerspruch
Wo wir schon dabei sind, hier noch ein Hinweis auf deine Inkonsistenz:
Einerseits hast du hier noch selbst die Umwelt personifiziert beziehungsweise mit intentionalem Vokabular beschrieben:
Gegen meinen Interaktionsbegriff erhebst du dann aber den folgenden Einwand:
Erstens, warum kann die Umwelt “zurückgreifen”, nicht aber “interagieren”?
Zweitens habe ich dir das doch schon längst erklärt, dass es hier um einen statistisch-methodischen Interaktionsbegriff geht – also rein um die Frage, welchen Zusammenhang ich messen kann, und nicht um deine metaphysisch-personifizierte Leseweise:
Danke
Vielen Dank für die links, Herr Schleim, auch in den anderen Beiträgen. Die verschiedenen Kritiken bestätigen meinen zugegebenermaßen laienhaften Argwohn gegenüber neuroreduktionistischen Behauptungen.
Einen Knüller fand ich diese Aussage von Kuno Kirschfeld:
“Was ein Mensch erlebt, wahrnimmt, empfindet, lässt sich physikalisch nämlich nicht messen, eben deshalb, weil es nicht zur physikalischen Welt gehört. Wir können darüber nur dann etwas erfahren, wenn der Betreffende bereit ist, uns darüber zu berichten. Akzeptiert man aber, dass sich Erleben außerhalb der physikalischen Welt zuträgt, dann ist es nicht möglich, dass es sich aufs Gehirn auswirkt: Die Hirnforschung hat ergeben, dass alles, was sich im Gehirn ereignet, den Gesetzen der Physik gehorcht.”
https://scilogs.spektrum.de/blogs/blog/menschen-bilder/2011-03-26/gehirn-und-moralische-entscheidung-kritik-an-die-neurogesellschaft-teil-2a
Als ob alles, was physikalisch (noch) nicht messbar ist, grundsätzlich nicht existieren kann oder darf, obwohl wir es erleben! Daraus zu schließen, das Erleben keinen Einfluss auf das Gehirn nehme, ist komplett absurd oder ein sprachliches Missverständnis. Was passiert denn mit Menschen, die ein Trauma “erleben”, um ein starkes Beispiel zu wählen. Kann man wirklich nicht messen, wenn ein Mensch Angst erlebt? Ich denke schon, aber Versuchspersonen in solche Situationen zu bringen, wäre unmoralisch. Aber es geht ja auch mit Musik, Wagnermusik gilt besonders psychisch wirksam, ebenso Bach.
Ich würde persönliches “Erleben” spontan als individuelle Gefühlsgrundierung bei der Wahrnehmung eines Ereignisses definieren. Mit der Erfahrung positiver Gefühle lernt es sich leichter, dass gilt gerade auch für Moral. Und Gefühle sind als Steuerungsmittel wohl deutlich älter als die Gattung Mensch.
Sehe ich das falsch? Habe ich Kirschfeld missverstanden?
Der Reduktionismus war/ist sehr hilfreich als Methode in der Naturwissenschaft, hat aber eben seine methodischen Grenzen. Vor allem, es ist eine Methode. Mit einem Schwarzweiß-Filmmaterial kann man keine Farbaufnahmen machen.
Da versuchen einige wieder einmal auf eine andere Art aus uns Pawlow’sche Hunde zu machen (damals allerdings rein Umwelt-determiniert).
@Paul Stefan
Sie haben auf eine wichtige Tatsache hingewiesen, es gibt Phänomene, welche bewusst wahrgenommen werden können – die aber keine reale Eigenexistenz besitzen: z.B. der Regenbogen
Ist ein Erleben “real” ?
Solche Phänomene gibt es massenhaft, Filme, Romane, Opern die uns zu Tränen rühren. Sind diese psychischen Erlebnisse nicht real, obwohl die Figuren fiktiv sind, obwohl nur Schallwellen und Licht unsere Sinne erreichen?
Ich kann mir vorstellen, dass man schon längst die Hirnaktivität untersucht hat, wenn man z.B. eine solch stark psychoaktive Musik wie die von Puccini hört. Das wirkt sich wohl auch auf gewisse “Verdrahtungen” aus, man kann Opern-Liebhaber werden, nach Wagner-Musik süchtig werden (oft genug von Betroffenen beschrieben).
Dass es auf der Ebene von elektrischen Hirnsignalen keine “Gefühle”, kein “Erleben” gibt, ist trivial. Kirschfeld läuft mit der Nase auf der Erde herum und wundert sich, dass andere etwas von einem “Himmel über uns” erzählen.
Herrn Schleim erzähle ich nichts Neues, sorry.
Interaktion /@Stephan
»Einerseits hast du hier noch selbst die Umwelt personifiziert beziehungsweise mit intentionalem Vokabular beschrieben: […]«
Sorry, ich hätte wissen müssen, dass Du das in den falschen Hals kriegst.
Ich habe in der von Dir zitierten Passage versucht, die Sicht eines Anti-Neurodeterministen wiederzugeben. Das ist mir anscheinend gründlich misslungen.
»Zweitens habe ich dir das doch schon längst erklärt, dass es hier um einen statistisch-methodischen Interaktionsbegriff geht […] «
Stimmt, das war mir nicht mehr erinnerlich (ist ja auch ein Jahr her).
Gegen eine rein „formale“ Interaktion zwischen Organismus und (unbelebter) Umwelt habe ich natürlich nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil. Denn damit verlagern sich ja sämtliche verhaltensrelevanten Prozesse und Aktivitäten in den Organismus (wobei „verlagern“ die Sache auch nicht trifft, denn diese verhaltensrelevanten Prozesse waren noch nie woanders).
Dann besteht der Irrtum der Neurodeterministen also darin, diesen formalem Zusammenhang zwischen Umwelt und Organismus zu negieren oder zu übersehen?
Wo ich schon mal dabei bin, noch ein Wort zu der von Dir zitierten Passage aus Chris Friths Rezension. Ich habe nämlich den Eindruck, dass Du da etwas nicht richtig wahrgenommen hast. Ich zitiere und hebe mit Fettdruck hervor, was ich meine:
Es mag wie ein Widerspruch erscheinen, aber ob es tatsächlich einer ist, bliebe noch zu klären. Ich meine, der Widerspruch löst sich auf, wenn man bedenkt, wozu Organismen ein Gehirn besitzen und wie es sich entwickelt.
@Paul Stefan: Epiphänomenalismus
Das ist wirklich ein sehr interessantes Zitat, das man gut in einem Neurophilosophie-Kurs besprechen könnte.
Den ersten Satz könnte man (wohlwollend) so interpretieren, dass Erlebnisse kein Gegenstand der Physik sind und deshalb auch nicht physikalisch gemessen werden können. Da Kirschfeld sein Leben lang im neurobiologischen Experiment (auf der elektrophysiologischen/chemischen Ebene?) nach Gesetzeszusammenhängen gesucht hat, platziert er dann mangels Methodologie vielleicht die Erlebnisse außerhalb dieser Beobachtungen. Das wäre ja nicht ganz verkehrt.
Im Gegensatz zu den Churchlands (Eliminativer Materialismus) oder auch Dennett (“Quining Qualia”) zieht er daraus aber nicht die Schlussfolgerung, dass es das, was er nicht messen konnte, auch nicht geben kann. Um seinen (mutmaßlichen) physikalisch-kausalen Determinismus nicht zu verletzen, platziert er die Erlebnisse dann aber eben außerhalb dieses Bereichs – und landet meines Erachtens bei einem Epiphänomenalismus, wie ihn beispielsweise schon Thomas H. Huxley vertreten hat.
Dann würde Kirschfeld vielleicht schlusfolgern, dass es für menschliches Verhalten wohl prinzipiell eine vollständige kausale Erklärung geben müsste, damit aber noch nicht alles über den Menschen ausgesagt wäre, was sich über ihn aussagen lässt. Vielleicht könnte man das dann einen Neurokomplementarismus nennen, der mir auf jeden Fall schon einmal plausibler erscheint als der Neurodeterminismus.
Wenn Sie Kirschfelds Meinung interessiert, kann ich Ihnen seinen Kommentar zum Manifest wirklich sehr empfehlen. Ich verstehe das so, dass er als Alternative zum Reduktionismus einen holistischen, epiphänomenalistischen Monismus vorschlägt und das sehr gut verständlich und mit Kritik am neurodeterministischen Manifest erklärt.
@Balanus: Quark
Argumentationsrichtung
Würdest du bitte, wenn du mal für, mal gegen einen Neurodeterminismus argumentierst, das dann bitte auch kenntlich machen?
Interaktion
Das ist völliger Quark, du hast den Begriff der Interaktion (bei uns in Groningen verpflichtender Stoff im zweiten Jahr des Psychologiestudiums) überhaupt nicht verstanden. Gerade dann, wenn man ihn formal versteht, und nur darum geht es mir ganz ausdrücklich, drückt eine Interaktion – genauso wie eine Korrelation – erst einmal einen gleichberechtigten Zusammenhang zwischen zwei Variablen aus:
Wenn A x B interagieren, kann man eben nicht sagen, dass in Wirklichkeit nur B einen Effekt hat (denn dann müsste man zwar einen statistischen Haupteffekt für B finden aber eben gerade keine Interaktion A x B).
Bei diesem Missverständnis äußert sich meines Erachtens einmal mehr dein reduktionistisch-deterministisches, auf einem metaphysischen Missverständnis basierendes Denken.
Scheinbare Widersprüche
Und zum Schluss: Wenn jemand sagt, dass ihm etwas wie ein Widerspruch erscheint, dann sichert er sich gegen Kritik ab. Damit ist gesagt, dass er hier einen Widerspruch vermutet, diesen aber nicht (oder nicht hier) vollständig nachweisen kann.
Noch einmal: Wenn du Schwierigkeiten mit dem hast, was Frith schreibt, dann frag ihn doch selbst.
@KRIchard und Stephan
“Sie haben auf eine wichtige Tatsache hingewiesen, es gibt Phänomene, welche bewusst wahrgenommen werden können – die aber keine reale Eigenexistenz besitzen: z.B. der Regenbogen”
Oh je, hier ist nun wirklich Hopfen und Malz verloren…
@Stephan: es ist schön, dass Sie so kämpferisch für Ihre Sache kämpfen, aber die Verweise auf Klicks, Verkäufe, Karriere, etc sind für mich kein Beleg, dass Sie Recht haben. Da haben andere noch ganz andere Erfolge vorzuweisen, etwa Hahnemann, den Erfinder der Homöopathie; oder kennen Sie Jonah Lehrer?
Na ja, wie dem auch sei. Ich kann ja noch einmal meinen Standpunkt vertreten, auf den Sie nun zum dritten mal nicht eingehen: zu Perzeption und Motorik gehören auch PNS und Körper, das ist sehr richtig, da gibt es nichts zu kritisieren. Denn nichts anderes bedeuten Ihre großen drei Fehlschlüsse und Unredlichkeiten. Und richtig, wer diese wahren Worte leugnet, ist nicht ernstzunehmen. Wenn Sie mir irgendwo einen Nachweis liefern können, dass dies jemand ersthaft tut (ein Wissenschaftler oder auch gerne ein 6jähriges Kind, wen immer Sie mögen), dann widerrufe ich gerne und mit dem höchsten Vergnügen.
Interaktion 2 /@Stephan
»Das ist völliger Quark, du hast den Begriff der Interaktion (bei uns in Groningen verpflichtender Stoff im zweiten Jahr des Psychologiestudiums) überhaupt nicht verstanden. …«
Auf das Psychologie-Studium in Groningen lasse ich nichts kommen, eins meiner Kinder hat vor kurzem dort studiert.
»…Gerade dann, wenn man ihn formal versteht, und nur darum geht es mir ganz ausdrücklich, drückt eine Interaktion – genauso wie eine Korrelation – erst einmal einen gleichberechtigten Zusammenhang zwischen zwei Variablen aus: […]«
Ich fürchte, von den beiden Variablen, die Du im Sinn hast (Umwelt und Organismus/Gehirn), ist eine nicht so richtig unabhängig, wenn die abhängige Größe das Verhalten des Organismus sein soll. Aber vielleicht irre ich mich ja…
Auf jeden Fall müsste zuvor, denke ich, also bevor man diese Interaktionsstatistik durchführt, zeigen, dass ein Organismus nicht bloß auf seine Umwelt reagiert, sondern dass da eben tatsächlich eine Wechselwirkung stattfindet. So, wie ja auch Korrelationsstatistiken nur Sinn machen, wenn es einen Kausalzusammenhang zwischen den Variablen gibt.
@Diana
Erstens hat sich bisher jede Ihrer Behauptungen empirisch widerlegen lassen (1, 2).
Zweitens haben Sie mich selbst nach Quellen und Belegen zum Neurodeterminismus gefragt (1, 2) – jetzt wollen Sie die wieder nicht prüfen. Bitteschön, ich kann Sie nicht zwingen.
Um es einmal ausgesprochen höflich zu formulieren: Um Ihren Diskussionsstandpunkt steht es ziemlich schlecht. Wenn Sie der Meinung sind, der Welt etwas Wichtiges mitzuteilen zu haben, warum starten Sie dann nicht Ihren eigenen Blog?
@Balanus: Methoden
Dann hat dein Kind womöglich noch vor Kurzem bei Schleim studiert?
Lass dir von ihm/ihr noch einmal das mit der Korrelation, Kausalität und Interaktion erklären. Das sind allerdings nicht die Themen meiner Vorlesung; da geht es mehr um Theorien als um Methoden.
P.S. V ist gleich U x K x G
Wenn wir tatsächlich das Verhalten als Explanandum betrachten, dann sind die Variablen der Interaktion Umwelt, Körper und Gehirn, die sich zweifellos unabhängig voneinander messen lassen. Mehr brauche ich für meinen Standpunkt nicht anzunehmen.
Falls jemand dennoch einen berechtigten Einwand gegen die Berechnung dieser Interaktion hat, dann nur her damit.
@Stephan
»Dann hat dein Kind womöglich noch vor Kurzem bei Schleim studiert? «
Nein, als Du in Groningen angefangen hast, war es schon im 3. Semester, glaube ich, so genau weiß ich das jetzt nicht aus dem Stand. Und nach dem Bachelor ging es woanders hin.
Die Statistikkurse an der RUG scheinen ja recht gut zu sein, soweit ich das mitbekommen habe. Aber von Korrelationen weiß ich genug, um beurteilen zu können, wann sie Sinn machen und wann nicht.
Mit interagierenden Variablen hatte ich weniger bis gar nichts tun in meiner aktiven Zeit. Aber wenn eine Statistik Unabhängigkeit fordert, dann kann man das nicht ignorieren. Und ob eine Splittung des Organismus in Körper und Gehirn sinnvoll ist, erscheint mir zweifelhaft.
Verhalten ist das, was ein Organismus mittels seines Nervensystems tut, und zwar einfach aus sich heraus, oder in Reaktion auf die von ihm erfahrene Umwelt.
Diese (biologische) Vorstellung ist durchaus kompatibel mit systemtheoretischen Überlegungen, wo Verhalten als eine Ganzheit in einem geschlossenen System von Umwelt und Organismus betrachtet wird.
So sehe ich das, und ob das nun neurodeterministisch ist oder nicht, möge beurteilen wer will. Ich würde mich wundern, wenn Neurophilosophen und Hirnforscher, die noch bei Verstande sind, das grundlegend anders sehen würden.
Schau, ich habe mit meinem Kind bewusst nicht über Dich gesprochen, damit es, falls es Dir begegnet, völlig unbefangen ist. Angenommen, ich das nicht getan, hätte Dich runtergemacht oder über den grünen Klee gelobt, hättest Du dann bei der Erstbegegnung sein spezielles Verhalten Dir gegenüber jemand anderem zugeschrieben als ihm selbst?
@Balanus: Groningen & Statistik
Wenn dein Kind im englischsprachigen Programm studiert hat, nicht im niederländischsprachigen, dann muss es mindestens einen Pflichtkurs bei mir gehabt (und bestanden) haben – und der findet im 4. Semester statt.
Wie ich schon sagte, sind für die Statistikkenntnisse aber Kollegen verantwortlich. Dennoch würde ich dir empfehlen, dir hier etwas Nachhilfe geben zu lassen:
Korrelation vs. Kausalität ist eine ewige Debatte. Dass du mit einer bloßen Korrelation keinen kausalen Zusammenhang nachweisen kannst, wirst du hoffentlich nicht bestreiten; dennoch kann man auch eine Korrelation erst einmal feststellen, diskutieren und daraus weitere Hypothesen ableiten. Deine Behauptung, dies habe ohne Kausalität keinen Sinn, kann ich nicht nachvollziehen.
Unabhängige Variablen
Ferner scheinst du mir mit Blick auf die unabhängige Variable etwas zu verwechseln: Es ist in deinem Modell eine Konvention, was du als unabhängige Variable betrachtest. Mein Vorschlag war gerade: Verhalten ist die abhängige, Umwelt, Körper und Gehirn sind die unabhängigen Variablen (UVs; die Prädiktoren). Das heißt nichts anderes, als dass man schaut, inwiefern Variationen in den UVs Umwelt, Körper und Gehirn die Variationen in der AV Verhalten statistisch erklären.
Es hindert dich aber nichts daran, beispielsweise Variationen des Verhaltens als UV anzusehen und zu schauen, inwiefern dies Variationen in der AV Umwelt statistisch erklärt. Die Methodik allein schreibt dir keine Hierarchisierung vor, die du weiter oben wieder einführen wolltest.
Das klassische Beispiel aus der Verhaltensbiologie sind doch Gen-Umwelt-Interaktionen (z.B. bei der Ausprägung eines Phänotyps oder eines Verhaltens = AVs). Wir wissen doch, dass sich Gene und Umwelt (hier die UVs) gegenseitig bedingen und genau das drückt die Interaktion ja aus!
Ergo: Du hast meines Erchtens missverstanden, was mit “unabhängig” im statistischen Sinne gemeint ist. Was du als UV und was als AV ansiehst, das ist letztlich deine Konvention.
Sollte ich mich hier irren, dann lasse ich mich gerne korrigieren.
Übrigens ist die Redeweise von Körper und Gehirn nicht problematisch; ich könnte auch nur vom Körper reden, denn das Gehirn ist Teil desselben, meine mit Körper gegenüber dem Gehirn aber freilich den Körper ohne das Gehirn, das ja separat aufgeführt wird, um eben dessen besonderer Bedeutung Rechnung zu tragen.
Entscheidend ist, dass ich angeben kann, wie ich Körper beziehungsweise Gehirn messe (die Operationalisierung) – und das ist kein Problem, wird ja überall gemacht.
@Stephan
»Deine Behauptung, dies [Berechnung einer Korrelation] habe ohne Kausalität keinen Sinn, kann ich nicht nachvollziehen. «
Wenn es keinen sachlichen Zusammenhang zwischen zwei Variablen gibt, wenn also die Veränderung der einen keine Veränderung der anderen zur Folge hat, erscheint es mir ziemlich sinnlos, einen Korrelationskoeffizienten berechnen zu wollen. Erst kommen die Hypothesen, dann der Versuchsplan inklusive der geplanten Statistik, dann die Gewinnung der Daten, und schließlich die statistische Auswertung streng nach Plan. So läuft das in der Regel in der guten Wissenschaft.
»Mein Vorschlag war gerade: Verhalten ist die abhängige, Umwelt, Körper und Gehirn sind die unabhängigen Variablen (UVs; die Prädiktoren). Das heißt nichts anderes, als dass man schaut, inwiefern Variationen in den UVs Umwelt, Körper und Gehirn die Variationen in der AV Verhalten statistisch erklären. «
Das Problem ist aber doch, dass tierisches Verhalten per Definition gegen die Umwelt gerichtet ist (oder eben dem Selbstzweck dient). Wenn die Zielgröße das Verhalten ist, und die Variable Gehirn in Reaktion auf die Variable Umwelt das Verhalten V hervorruft, was soll denn da eine Varianzanalyse für ein Ergebnis bringen? Nach meinem Gefühl gibt es für eine solche oder ähnliche Statistik überhaupt kein passendes Modell. Bei der gengesteuerten Ausprägung eines Merkmals in Abhängigkeit von der Umwelt sieht das, finde ich, ganz anders aus.
Da wir beide keine Statistiker sind, sollten wir dieses verminte Gelände besser rasch verlassen, bevor wir uns noch richtig blamieren.
@KRichard hat oben Experimente mit Fliegen erwähnt, die Björn Brembs zitierte oder selbst durchführte. Die Variable Umwelt bestand dort aus einem Licht, das bei den meisten Fliegen ein bestimmtes Verhalten auslöste (sie krabbelten darauf zu). Ein kleiner Rest tat dies aber nicht.
Wie soll man in einem solchen Experiment die Variabilität des Verhaltens aufschlüsseln in Umwelt und Gehirn? Welches Verhalten (weg- oder hinlaufen) war hier in welchem Maße abhängig von der Variable Umwelt bzw. Gehirn? Hat die Lichtquelle in irgendeiner Weise oder im statistischen Sinne mit dem Fliegengehirn interagiert?
An dieser Stelle übrigens noch ein kleines Dankeschön an @KRichard für den Hinweis auf Brembs, der einen interessanten Aufsatz über den freien Willen als biologische Eigenschaft geschrieben hat (Ja, Herr Trepl, falls Sie hier zufällig mitlesen sollten, Sie haben Recht gelesen: „scientific concept of free will as a biological trait“).
http://brembs.net/spontaneous/freewill/procroysoc_2010/
—
(Ich werde bei Gelegenheit bez. des Pflichtkurses im 4. Semester nachfragen, bei einer positiven Antwort komme ich darauf zurück, versprochen.)
@Balanus
Die Fruchtfliegen-Experimente von Herrn Brembs habe ich erwähnt, weil sie eindeutig den Begriff ´Deteminismus´ in Frage stellen: Wenn eine Fruchtfliege sich in zwei gleichartigen Situationen jeweils völlig anders verhält – was ist für dieses Verhalten die Ursache?; noch dazu, wenn dieses Verhalten sich in einem gleichen bestimmten Verhältnis (70 : 30) ausdrückt. Denn dieses gleiche Verhältnis deutet wiederum darauf hin, dass das beobachtete Verhalten doch nach einer Regel (deterministisch) abläuft.
Ein schönes Experiment, weil es neue Fragen aufwirft
@Balanus: Korrelation etc.
Umgekehrt: Du berechnest erst die Korrelation, um nach einem bestimmten Zusammenhang zu suchen; und wenn du ihn findest, dann ist das zwar kompatibel mit einem Kausalzusammenhang aber kein Beweis eines solchen.
Hast du noch nie etwas von Post-Hoc-Storytelling gehört? Nein, Scherz beiseite:
Du wolltest doch ursprünglich auf den Kausalzusammenhang hinaus. Den weist du aber gerade nicht durch eine Korrelation nach, sondern durch eine möglichst hohe interne Validität (ein weiteres Stichwort, das du bei deinem Nachwuchs abfragen kannst).
So beschließt du im Experiment, die unabhängige Variable A zu manipulieren und schaust, ob das Auswirkungen auf die abhängige Variable B hat. Das kann sich in einer Korrelation ausdrücken – aber die Korrelation selbst ist ungerichtet: Wenn A mit B korreliert, dann korreliert B auch mit A; das gilt aber gerade nicht für Kausalität.
Letztere kannst du durch den umgekehrten Test nahelegen, wenn du nun B manipulierst und schaust, ob sich das auf A auswirkt. Beispiel: Deine Manipulation des Lichtschalters wirkt sich auf die Lampe aus, die Manipulation der Lampe aber nicht auf den Lichtschalter. Hier sieht man wieder: Was du als unabhängige und was als abhängige Variable betrachtest, das ist Konvention.
Es gibt aber freilich nicht nur Experimente, sondern auch Beobachtungen in der Natur- und Sozialwissenschaft. Ob sich die Jahreszeiten auf den Vogelflug auswirken (um mal wieder ein Beispiel aus deiner Lieblingsdisziplin Ökologie zu bemühen), wird i.d.R. nicht so getestet, dass man die Jahreszeiten manipuliert und dann schaut, wie die Vögel fliegen, oder man die Vögel abschießt und schaut, ob sich die Jahreszeiten ändern.
Nein, es geht hier um Beobachtung und Erhöhung der internen Validität durch den Ausschluss von Störvariablen (Alternativerklärungen). Wenn du eine Korrelation findest und hinreichend viele Alternativerklärungen beziehungsweise Störvariablen ausschließen kannst, dann und nur dann kannst du einen Kausalzusammenhang nahelegen! Aber auch dann kann es dir passieren, dass man später eine Variable entdeckt, auf die sowohl die Veränderungen in A als auch in B zurückgehen, dass also X A und B kausal beeinflusst, nicht aber A B.
LOL, nach deinem jahrelangen Neurodeterminismus redest du hier plötzlich einem Ökodeterminismus das Wort! Das Gehirn nicht unabhängig von der Umwelt zu messen, würde ja nur dann sinnvoll sein, wenn seine Reaktion vollständig von der Umwelt determiniert wäre, was sie aber nicht ist.
Dass ein Organismus in einer Situation S, vielleicht aufgrund seiner Erfahrung, des Gelernten, einer Präferenz oder auch eines Irrtums Verhalten V1, V2, V3… zeigen kann, das erklärt sich u.a. durch Einbeziehung der Variablen Gehirn.
Und zum (gefühlten) hundertsten Male: Dein Problem gäbe es nur, wenn sich Umwelt, Körper, Gehirn nicht getrennt voneinander messen ließen; sie lassen sich aber getrennt messen. Du galoppierst hier einem Scheinproblem hinterher, Balanus!
Korrelation vs. Kausalität
Korrelationen sind messbar oder existieren sozusagen und Kausalitäten sind jeweils wahlfrei festzustellen, sozusagen utilitaristisch, gerne auch in Form von Naturgesetzen oder was es sonst noch so gibt.
MFG
Dr. W
Fruchtfliegen und freier Wille
Der Determinismus ist begrifflich so nicht in Frage zu stellen, der ist klar.
Gemeint ist wohl, dass ein bestimmtes F-Fliegenverhalten darauf hinweisen soll, dass ein freier Wille auf F-Fliegenniveau existiert.
Tut es aber nicht wirklich, denn es kann unzählige andere Gründe, warum in für den Beobachter ähnlich erscheinenden Situationen das gute Tier entscheidet, wie es entscheidet, geben.
Wenn es gejagt wird, wenn es um Kooperation geht, könnte bspw. die Spieltheorie und das Nash-Equilibrium hier erklärend helfen.
MFG
Dr. W
@Dr.Webbaer
Sie haben Recht – über freien Willen sagt das Experiment nichts aus; solange nicht verschiedene Parameter zusätzlich geprüft werden (z.B. Winkel zum Licht bei Versuchsbeginn, bewegte sich die Fliege oder stand sie, als das Licht eingeschaltet wurde, u.a.). Erst danach kann man beurteilen on das Verhältnis 70:30 immer auftritt.
Dann stellt sich die Frage, wieso ausgerechnet 70:30
zum Fruchtfliegen “70:30”
Anscheinend ist es grundsätzlich oder im Durchschnitt lohnenswert für das gute Tier die Richtung zum Licht zu wählen, das weitere Fortkommen betreffend.
Ansonsten würde es bei einem ungünstigen Flug- oder Krabbelzielverhältnis vielleicht in Löchern oder sonstwo im Dunkeln landen, wo es sich nicht wohlfühlt, vielleicht erfriert.
Andererseits kann auch das konsequente Ansteuern des Lichts oder der Wärme den Exitus bedeuten, bspw. wegen der Vorhersehbarkeit, die den Jäger erfreut, aber auch zu ungünstigen Gruppenbildungen der Insekten führen kann mit der Folge: kein Fressen.
Also muss ein Mittelweg gefunden werden.
“70:30” scheint sich unter bestimmten Bedingungen für bestimmte Insekten bewährt zu haben, es wäre aber auch lohnenswert andere Tierkollegen zu prüfen.
Q: Wie wird ein derartiges Verhältnise implementiert?
A: Dafür gibt es unzählige Möglichkeiten; die genau geometrische Ausrichtung des Tiers könnte bspw. die “CPU” derart anleiten oder andere Zufallsgeneratoren [1] könnten bereit stehen.
MFG
Dr. W
[1] es gibt in der Mathematik keine “echten” Zufallsgeneratoren, so dass man immer die Physik zu Hilfe nimmt, als Computer bspw. die CPU-Temperatur oder die Außentemperatur, die Fliege hat es hier aber sehr leicht
@KRichard: Fliegen
Wie interpretieren Sie den experimentellen Befund mit Blick darauf, dass auch Fruchtfliegen Individuen sind? Erstaunlich wäre es doch, würde sich die gleiche Fruchtfliege unter den gleichen Bedingungen einmal so, einmal so verhalten, wie ein Photon am Doppelspalt. Doch, wie will man das in der Biologie messen?
Für einen indeterministischen freien Willen in Ihrem Sinne hat übrigens der Würzburger Biologe Martin Heisenberg argumentiert.
@Schleim
Ich halte diese Experimente lediglich für einen interessanten Forschungsansatz. Eine Interpretation (freier Wille) halte ich derzeit nicht für angemessen, da viele Versuchsparameter nicht untersucht wurden (bzw. Ergebnisse mir nicht bekannt snd).
@Stephan
»Umgekehrt: Du berechnest erst die Korrelation, um nach einem bestimmten Zusammenhang zu suchen;… «
Nein, ich berechne eine Korrelation nur dann, wenn ich die Stärke eines sachlich begründeten Zusammenhangs zwischen zwei Variablen wissen will. Andere dürfen das gerne anders machen…
Mit anderen Worten, ob die Storchenpopulation formal mit der Geburtenrate korreliert, interessiert mich nicht die Bohne (zu Deinem Stichwort: Beobachtungen).
»Du wolltest doch ursprünglich auf den Kausalzusammenhang hinaus. Den weist du aber gerade nicht durch eine Korrelation nach, …«
Ich schrieb: „So, wie ja auch Korrelationsstatistiken nur Sinn machen, wenn es einen Kausalzusammenhang zwischen den Variablen gibt.“
Das heißt, wenn ich vernünftigerweise annehmen kann, dass es einen kausalen Zusammenhang gibt, macht es Sinn, die statistische Stärke dieses Zusammenhangs zu berechnen. Nachgewiesen wird hier gar nichts, wie kommst Du nur darauf, dass es mir um einen Nachweis ginge?
»LOL, nach deinem jahrelangen Neurodeterminismus redest du hier plötzlich einem Ökodeterminismus das Wort!«
Ach, wirklich?
Mir scheint, es ist mal wieder an der Zeit, daran zu erinnern, dass Deine Behauptung war (und ist?) (in meinen Worten), der Neurodeterminist vergesse bei der Analyse eines Verhaltens, dass es außer dem Gehirn auch noch den Körper und die Umwelt gibt.
Ich und einige andere, wie zuletzt z. B. @Diana, halten das für einen ziemlichen Unsinn und durch nichts valide belegt. Wobei es aber auch durchaus sein kann, dass wir etwas völlig falsch verstanden haben und alle unsere Einwände nur auf einem Missverständnis beruhen.
Darüber hinaus habe ich versucht Dir klarzumachen, dass das Verhalten eines Organismus allein von seinem Nervensystem gesteuert wird, wobei dem Gehirn eine besonders wichtige Rolle zukommt.
Wie gesagt, man kann Verhalten als eine Ganzheit in einem geschlossenen System von Organismus und Umwelt betrachten, wobei Verhalten dann kein Mechanismus wäre, der irgendwo beginnt. Aber auch dabei gibt es m. E. den Punkt, wo allein das Nervensystem bzw. das Gehirn die Instanz ist, die das Verhalten des Organismus unmittelbar steuert.
»Dein Problem gäbe es nur, wenn sich Umwelt, Körper, Gehirn nicht getrennt voneinander messen ließen; sie lassen sich aber getrennt messen. «
In Bezug auf das Verhalten bleibt es dabei, es wird allein (zu 100%!) vom Gehirn/Nervensystem generiert. Es gibt kein Gehirn, das ohne Umwelt/Körper existieren könnte. Im Gehirn in die Umwelt implizit enthalten. Manche Strukturen des Gehirns sind gewissermaßen ein Spiegel der Umwelt.
Umwelt ohne Gehirn geht, aber Gehirn ohne Umwelt geht nicht.
@Balanus: Korrelation, Störche & Gehirne
Schade, denn aus der Analyse der Korrelation zwischen der Anzahl der Störche und der Anzahl der Geburten, zum Beispiel in Niedersachsen, kann man sehr viel über Statistik lernen.
Nun gut, bevor wir uns jetzt noch in eine endlose Diskussion darüber versteigen, was 1) du vernünftigerweise über Kausalität annehmen kannst, 2) ob die statistische Berechnung der Stärke eines Zusammenhangs denn kein Nachweis ist und 3) wie sich 1) und 2) zueinander verhalten, lass ich dich so deine Korrelationen berechnen, was ja nicht verkehrt ist, auch wenn du dann keine explorativen oder datengetriebenen Analysen (d.h. ohne Hypothese) vornehmen kannst – was ich nicht problematisch finde, so lange man mit offenen Karten spielt.
Den Nachweis darüber habe ich auch zahlreiche Male gebracht und ich werde es müde, immer wieder darauf zu verweisen. Viele andere haben die Kritik sehr wohl verstanden, wenn auch nicht Balanus und Diana.
Da hast du eben wieder deinen Neurodeterminismus: Wenn du zum Beispiel als Kind, so wie ich einmal, mit einem Schraubenzieher in die Steckdose gehst und daraufhin so einen Schock bekommst, dass Dritte deinen Schrei durch mehrere Wände und Stahltüren hindurch hören können, dann hast du zwar notwendigerweise aber nicht hinreichenderweise mittels deines Nervensystems gelernt, besser nicht in eine Steckdose zu greifen, was auch nach Jahrzehnten noch Einflüsse auf dein Verhalten haben kann.
Dass du auf die Metapher der “Steuerung” angewiesen bist, macht es nicht besser; im Gegenteil wirst du nicht aufrechterhalten können, dass Umwelteinflüsse nicht ebenso steuern und das in vielen Fällen sogar notwendigerweise tun.
Ich sag’s ja: Diskussionen mit dem Neurodeterministen haben wenig Sinn, da er fest daran glaubt, nur sein Gehirn/Nervensystem generiere/steuere sein (z.B. Diskussions-)Verhalten – so schottet er sich erfolgreich von den verhaltensändernden Einflüssen einer Diskussion bei MENSCHEN-BILDER ab.
@Stephan, @Balanus
Meine Herren, Eure Diskussion ist verwirrend, fade und gleichzeitig öde.
Ob das etwas beweist, weiß ich nicht, es zeigt jedoch, wie geradezu albern die Erkenntnis-Ansprüche sind, die hier mit soviel Verve vorgetragen werden. Labertaschen, elende.
Freier Wille bei Fruchtfliegen?
Was soll man unter einem “freien Willen” bei Fruchtfliegen verstehen?
Braucht man für einen freien Willen nicht eine Art Bewusstsein?
@NeuroProtagonist
Das scheint mir wenig konsequent, wenn man erst opportunistisch auf den Neurozug aufspringt, wenn die alte Garde mit ihrem wenig originellen und wenig innovativen (siehe 19. Jh.) Anspruch auftritt, den Menschen neu zu definieren, und hinterher denjenigen, die diese Aussagen inhaltlich widerlegen, mangelnde Originalität vorwirft.
Sie haben ja die Möglichkeit, hier inhaltlich etwas zu liefern, tun Sie aber nicht; das macht Sie verdächtig.
@Paul Stefan: Martin Heisenberg
Ich schreibe Fruchtfliegen keine Willensfreiheit zu aber Martin Heisenberg tut dies vom biologischen Standpunkt aus – für ihn fängt sie durch prinzipiell indeterministisches Verhalten schon bei Kleinstlebewesen an.
Dabei handelt es sich in jedem Fall nicht um die Freiheit, um die es mir geht ( Psychologie der Freiheit – einmal anders darüber nachgedacht)
@Stephan
»Schade, denn aus der Analyse der Korrelation zwischen der Anzahl der Störche und der Anzahl der Geburten, zum Beispiel in Niedersachsen, kann man sehr viel über Statistik lernen. «
Genau deshalb habe ich das Beispiel gebracht. Man kann auch aus Fehlern lernen.
»Wenn du zum Beispiel als Kind […] einen Schock bekommst […], dann hast du zwar notwendigerweise aber nicht hinreichenderweise mittels deines Nervensystems gelernt,… «
Ja, ohne Nervensystem und erfahrene Umwelt gibt es kein Lernen.
»Dass du auf die Metapher der “Steuerung” angewiesen bist, macht es nicht besser; im Gegenteil wirst du nicht aufrechterhalten können, dass Umwelteinflüsse nicht ebenso steuern und das in vielen Fällen sogar notwendigerweise tun. «
Die Umwelt kann nur über das Nervensystem das Verhalten „steuern“. Ob ein Reiz aus der Umwelt eine Verhaltensänderung hervorruft oder nicht, „entscheidet“ das Nervensystem, nicht der Reiz.
»…so schottet er sich erfolgreich von den verhaltensändernden Einflüssen einer Diskussion bei MENSCHEN-BILDER ab. «
Immerhin habe ich hier gelernt, philosophische Begriffe wie z. B. Determinismus zu meiden, wenn es um etwas Naturwissenschaftliches geht.
Determinierte Fliegen /@KRichard
»Die Fruchtfliegen-Experimente von Herrn Brembs habe ich erwähnt, weil sie eindeutig den Begriff ´Deteminismus´ in Frage stellen: Wenn eine Fruchtfliege sich in zwei gleichartigen Situationen jeweils völlig anders verhält – was ist für dieses Verhalten die Ursache? «
Ich frage mich, ob das geht, ob die Naturwissenschaft wirklich zum philosophischen Determinismus-Problem etwas beitragen kann. Insofern finde ich den von mir verlinkten Aufsatz von Brembs, der ja kein Philosoph ist, schon hart an der Grenze des Erlaubten (Herr Trepl würde wohl sagen, die Grenze sei eindeutig überschritten).
Aber Ihre Frage scheint mir genau auf den Punkt meiner Diskussion mit Stephan zu zielen: Die Ursache dieses unterschiedlichen Verhaltens bei gleichem Umweltreiz kann doch nur im Insekt selbst, in dessen Nervensystem, liegen, oder nicht? Letztlich bestimmt (determiniert) die Fliege selbst, wie sie sich bei einem gegebenen Reiz verhält. Automatisch, nicht willentlich. Dieses selbstbestimmte und unvorhersagbare Verhalten ist das, was Leute wie Martin Heisenberg und Björn Brembs (die sich scheint’s gut kennen) mit dem „freien Willen“ in Verbindung bringen. So habe ich Heisenbergs Essay in Nature zumindest verstanden.
Bal
Könnte stimmen, könnte ziemlich genau das meinen, was andere intoniert haben.
Aber Sie sehen das Problem, gell?!
BTW, kennen Sie Jerry Joyne’s Test des Freien Willens?
MFG
Dr. W
Naiver Determinismus
Soweit ich weiß hat die These von Churchland etwas mehr Hintergrund als ein paar Dualisten zu erschrecken (etwas, das Neurowissenschaftler übrigens auch nur zu gern tun!):
Der “Eliminative Materialismus” geht davon aus, dass die Beschreibung von Verhalten und Fühlen über Gehirnprozesse sozusagen eine “kopernikanische Revolution” darstellt, in der die alten Beschreibungen hinfällig werden.
Genauso wie man früher eben Phlogiston in Theorien über das Feuer finden konnte, kann man heute eben die Alltagspsychologie in Theorien finden. Und die wird eben durch die Revolution ersetzt durch eine bessere Theorie.
Ich verstehe nich, wieso das grundsätzlich mit der Lernfähigkeit von Menschen kollidieren sollte. Passiert nicht auch etwas im Gehirn, wenn man Dinge sieht und Neues erlernt?
@Herr Name: Verwechslung
Es ging mir hier nicht darum, ausführlich die Philosophie des Eliminativen Materialismus zu diskutieren, sondern vor allem um die Rezension Chris Friths. Über die Philosophie im engeren Sinne wurde doch schon so viel debattiert. In den Kommentaren hier sind wir dann wieder auf den Neurodeterminismus gekommen, der allgemeiner ist als die Philosophie des Eliminativen Materialismus.
Was mich so sehr wundert, seit ich mich tiefer in die Psychologie eingelesen habe, ist, dass man Paul Churchland die Behauptung, die wissenschaftliche Psychologie stagniere, damals einfach so hat durchgehen lassen. Hätte man sich hier einmal ernsthaft mit der Wissenschaft auseinandergesetzt, nicht nur mit der Philosophie, dann hätte einem auffallen müssen, dass dieser Grund für die angebliche Elimination überhaupt nicht überzeugt; erscheint dann das ganze Programm nicht wie eine spekulative Provokation?
Paul Churchland hat die Erwartungen in jüngeren Jahren etwas zurück geschraubt, wohl angesichts der Beobachtung, dass die Cognitive Neuroscience das psychologische Vokabular eher reproduziert, anstatt es zu ersetzen. Er meint jetzt, das Projekt der Elimination sei eben auf sehr lange Zeit ausgelegt und würde erst in der ferneren Zukunft erfolgreich sein (Churchland, 2007) – in einer Zukunft, die er selbst aufgrund seines hohen Alters vielleicht nicht mehr erleben wird.
Churchland, P.M. (2007). The evolving fortunes of eliminative materialism. In B. McLaughlin & J. Cohen (Eds.), Contemporary debates in philosophy of mind (pp. 160–182). Malden, MA: Blackwell.
@Stephan
»Wenn dein Kind im englischsprachigen Programm studiert hat, nicht im niederländischsprachigen, dann muss es mindestens einen Pflichtkurs bei mir gehabt (und bestanden) haben… «
Yep, es hat den Kurs bestanden, Dich aber nicht persönlich kennengelernt.
Noch eine Frage: Würdest Du Leute wie Martin Heisenberg und Björn Brembs auch als Neurodeterministen bezeichnen, oder ist diese Ehre denen vorbehalten, die am Menschenhirn forschen?
Schleimig
wie immer…. jammer, schnieg, grein, schleim…… alle sind böse, ich bin gut…. gebt mir alle euer Geld…. jammer……
Man stelle sich einmal vor, das Bewußtsein sei eine Substanz, die weder materiell, noch energetisch ist, sondern eine dritte Substanz, welche einzig durch die mentale Wahrnehmung des Menschen wahrgenommen werden kann. Was wäre die Leistung dieses Menschen wert, der dies wahrnehmen und auch noch dazu erläutern kann, wie Über- und Unterbewußtsein funktionieren?